Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.03.2017, Az. I ZB 66/16

I. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 14750

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ECLI:DE:BGH:2017:020317BIZB66.16.0

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 66/16
vom
2. März 2017
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
nein
ZPO § 766 Abs. 1, § 775 Nr. 1, §§ 776, 885a; ZVG § 93 Abs. 1
a)
Einer sofortigen Beschwerde fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn mit ihr eine Vollstreckungserinnerung weiterverfolgt wird, die sich gegen eine bereits vollzogene Vollstreckungsmaßnahme richtet (hier: Erinnerung gegen eine bereits vollzogene Räumungsvollstreckung).
b)
Ein beschränkter Vollstreckungsauftrag gemäß § 885a ZPO kann auch auf einen Zuschlagsbeschluss gemäß § 93 Abs. 1 ZVG gestützt werden (Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2012 -
I ZB 78/11, NZM 2013, 395).
BGH, Beschluss vom 2. März 2017 -
I ZB 66/16 -
LG Stuttgart

AG Böblingen

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2
-
Der I.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. März 2017 durch die Richter Prof.
Dr.
Koch, Prof.
Dr.
Schaffert, Dr.
Kirchhoff, Dr.
Löffler und die Richterin Dr.
Schwonke

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart -
2. Zivilkammer -
vom 13. Juni 2016 wird auf Kosten der Schuldner zurückgewiesen.

Gründe:
A. Der Gläubiger
betreibt
auf der Grundlage eines Zuschlagsbeschlusses vom 24.
April 2015 gemäß §
93
Abs.
1
ZVG die Räumung eines von den Schuldnern bewohnten Hausgrundstücks. Er beauftragte die Gerichtsvollziehe-rin unter dem 8. Juli 2015 mit der Durchführung einer beschränkten Räumung gemäß § 885a ZPO. Die Gerichtsvollzieherin legte den Termin zur beschränk-ten Räumung auf den 7. März 2016 fest. Dagegen haben die
Schuldner Erinne-rung
eingelegt. Sie haben geltend gemacht, die Zwangsvollstreckung sei unzu-lässig, weil aus einem Zuschlagsbeschluss nicht gemäß §
885a ZPO be-schränkt geräumt werden
dürfe. Das Amtsgericht
hat die Erinnerung
mit Be-schluss vom 7. März 2016 zurückgewiesen. Am selben Tag wurde die
Räu-mung
gemäß §
885a ZPO vollzogen. Die gegen den Beschluss des Amtsge-richts vom 7.
März 2016 von den Schuldnern eingelegte sofortige Beschwerde 1

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ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die
Schuldner ihr Begehren weiter.
B. Das Beschwerdegericht hat angenommen, durch die am
1. Mai 2013 in Kraft getretene
Bestimmung des § 885a ZPO habe der Gesetzgeber die be-schränkte Räumung, die tatsächlich
lediglich im Austausch von Türschlössern bestehe, als allgemein
zulässig eingeführt. Die Vorschrift gelte daher auch für
die Vollstreckung auf der Grundlage eines Zuschlagsbeschlusses
gemäß § 93 ZVG. Die Ansicht der Schuldner, eine beschränkte Räumung sei
auch nach der Gesetzesänderung -
wie zuvor vom Bundesgerichtshof gefordert -
lediglich in den Fällen zulässig, in denen der Gläubiger über ein Vermieterpfandrecht ver-füge und deshalb ein Besitzrecht am Mobiliar in den Räumen des Schuldners geltend machen könne, finde weder im Gesetzeswortlaut noch in der Geset-zesbegründung
eine Stütze. Auch die Berücksichtigung der Schuldnerrechte erfordere keine eingeschränkte Anwendung der Bestimmung des § 885a ZPO.
C. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statt-haft (§
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
2, Abs.
3 Satz
2 ZPO) und auch sonst zulässig (§
575 ZPO). In der Sache
hat sie
keinen
Erfolg.
Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde zu Recht zurückgewiesen.
Die sofortige Beschwerde war
bereits
unzulässig, weil für sie
infolge der Durchführung der beanstandeten Räumung kein
Rechtsschutzbedürfnis bestand
(dazu C
I). Sie wäre
im Übrigen auch unbegründet
gewesen. Das Beschwerdegericht hat zu
Recht angenom-men, dass der beschränkte Vollstreckungsauftrag
auf der Grundlage
von §
885a ZPO auch auf einen Zuschlagsbeschluss gemäß § 93 Abs. 1 ZVG ge-stützt werden kann
(dazu C II).
I. Die von den Schuldnern
gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 7.
März 2016 eingelegte sofortige Beschwerde ist unzulässig. Ihr fehlt das Rechtsschutzbedürfnis.
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1. Soll auf eine Erinnerung eine bestimmte Vollstreckungsmaßnahme für unzulässig erklärt werden, entfällt das Rechtsschutzbedürfnis
für den Rechts-behelf mit der Beendigung der beanstandeten Zwangsvollstreckungsmaßnah-me. Mit der Erinnerung kann der Schuldner nur erreichen, dass die beanstande-te Maßnahme für unzulässig erklärt
und entsprechend § 775 Nr. 1 in Verbin-dung mit § 776 ZPO vom zuständigen Vollstreckungsorgan aufgehoben wird. Im Sinne dieser Vorschriften aufgehoben werden kann aber nur eine noch nicht beendete Maßnahme, nicht hingegen eine bereits endgültig vollzogene Maß-nahme. Sie müsste vielmehr rückgängig gemacht werden; das aber kann mit der Erinnerung nicht durchgesetzt werden (BGH, Beschluss vom 21.
Dezember 2004

IXa
ZB
324/03, NZM 2005, 193, 194; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 766 Rn.
13; Schmidt/Brinkmann in MünchKomm.ZPO, 5. Aufl., § 766 Rn. 48 f.).
Dementsprechend entfällt mit Beendigung der bestimmten Zwangsvollstre-ckungsmaßnahme das Rechtsschutzbedürfnis für die gegen die Zurückweisung der Erinnerung gerichtete sofortige Beschwerde. Der Schuldner kann in einem solchen Fall die sofortige Beschwerde für erledigt erklären (BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2009 -
VII ZB 1/09, NJW-RR 2010, 785 Rn. 10).
2. Nach diesen Grundsätzen fehlt der sofortigen Beschwerde der Schuld-ner das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, weil sich deren
damit weiterver-folgte Erinnerung gegen eine bereits endgültig vollzogene Vollstreckungsmaß-nahme richtet.
a) Eine Räumungsvollstreckung ist beendet, wenn der Gläubiger durch Übergabe der Schlüssel in den Besitz der Räume eingewiesen worden ist (BGH, NZM 2005, 193, 194; Lackmann in Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl., § 766 Rn. 17). Nach den
Feststellungen
des Beschwerdegerichts
haben die
Schuld-ner gegen die durch die Gerichtsvollzieherin verfügte Ansetzung eines Termins zur beschränkten Räumung gemäß § 885a ZPO auf den 7. März 2016 Erinne-rung eingelegt.
Das Beschwerdegericht hat ferner festgestellt, dass das Grund-5
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stück am 7. März 2016 der
angegriffenen Anordnung gemäß beschränkt ge-räumt worden ist.
Damit steht fest, dass die mit der Erinnerung beanstandete Zwangsvollstreckungsmaßnahme endgültig beendet ist. Eine Rückgängigma-chung der Räumung können die Schuldner im Erinnerungsverfahren nicht errei-chen.
b) Die Schuldner haben ihre sofortige Beschwerde nicht für erledigt erklärt. Da sie zudem in der Beschwerdeinstanz nicht beantragt haben, die Rechts-widrigkeit
der Vollstreckungsmaßnahme
festzustellen, kann auf sich beruhen, ob im Streitfall besondere Umstände vorliegen, die ein Fortsetzungsfeststel-lungsinteresse ausnahmsweise rechtfertigen könnten (vgl. BGH, NJW-RR 2010, 785 Rn. 11; Zöller/Stöber aaO § 766 Rn 13; Schmidt/Brinkmann in MünchKomm.ZPO aaO § 766 Rn. 49).
II. Die sofortige Beschwerde wäre auch unbegründet gewesen. Das Be-schwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass ein
beschränkter
Vollstre-ckungsauftrag gemäß § 885a ZPO auch auf einen Zuschlagsbeschluss gemäß § 93 Abs. 1 ZVG gestützt werden kann.
1. Der Gesetzgeber hat durch die am
1. Mai 2013 in Kraft getretene Be-stimmung des
§ 885a ZPO das schon zuvor in der Rechtsprechung anerkannte "Berliner Modell" zur Räumungsvollstreckung (vgl. BGH, Beschluss vom 17.
November 2005

I
ZB
45/05, NJW 2006, 848 Rn.
8
ff.; Beschluss vom 16.
Juli 2009

I
ZB
80/05, NJW-RR 2009, 1384 Rn. 8 ff.) gesetzlich näher ge-regelt (vgl. Regierungsentwurf
eines Mietrechtsänderungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S.
15, 31). Nach § 885a Abs. 1, § 885 Abs. 1 ZPO kann der Vollstre-ckungsauftrag des Gläubigers
darauf beschränkt werden, den Schuldner
aus dem Besitz zu setzen und den Gläubiger in den Besitz einzuweisen.
Der Gläu-biger kann die in der Wohnung vorgefundenen beweglichen Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, unter Beachtung der näheren Re-8
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gelungen in
§ 885a
Abs. 3 bis 5
ZPO wegschaffen und verwerten. Die Vorschrift des § 885a ZPO ist im Streitfall anwendbar. Die Räumung erfolgte auf der Grundlage des beschränkten Vollstreckungsauftrags am 7. März 2016 und da-mit nach Inkrafttreten des § 885a ZPO am 1. Mai 2013.
2. Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass der be-schränkte Vollstreckungsauftrag gemäß § 885a ZPO auch auf einen Zuschlags-beschluss gemäß § 93 Abs. 1
Satz
1
ZVG gestützt werden kann.
a)
Gemäß §
885a Abs.
1 ZPO kann der Vollstreckungsauftrag auf die Maßnahmen nach §
885 Abs.
1 ZPO beschränkt werden. Die in § 885 Abs.
1 ZPO bestimmte Besitzverschaffung setzt voraus, dass der Schuldner eine un-bewegliche Sache herauszugeben oder zu räumen hat. Diese Voraussetzung
liegt
im Streitfall vor. Der Gläubiger vollstreckt aus einem Zuschlagsbeschluss
gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 ZVG. Nach dieser Bestimmung findet aus einem Zu-schlagsbeschluss gegen den Besitzer des Grundstücks die Zwangsvollstre-ckung auf Räumung
und Herausgabe
statt.
b)
Anders als die Rechtsbeschwerde meint, beschränkt sich
der Anwen-dungsbereich
der Vollstreckung
gemäß § 885a Abs. 1 ZPO
nicht auf Fälle, in denen
dem Gläubiger ein Vermieterpfandrecht zusteht.
aa) Allerdings
hat der Bundesgerichtshof
vor Einführung des § 885a ZPO ausgesprochen, dass
eine auf § 93 Abs. 1 ZVG gestützte Räumung nicht auf die Herausgabe des Grundstücks beschränkt werden kann, weil es für eine Be-sitzeinweisung ohne Räumung in diesem Fall an einer gesetzlichen Grundlage fehlt (BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2012 -
I
ZB
78/11, NZM 2013, 395 Rn.
17 ff.). Nach dieser Rechtsprechung konnte ein Gläubiger die Zwangsvoll-streckung nach § 885 Abs. 1 ZPO nur dann auf die Herausgabe der Wohnung beschränken, wenn er an sämtlichen in den Räumen befindlichen Gegenstän-11
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den ein Vermieterpfandrecht geltend machte. Der Senat hat dies damit begrün-det, dass das Vermieterpfandrecht
Vorrang habe
gegenüber der in § 885 Abs.
2
und
3 Satz 1 ZPO bestimmten Entfernung der beweglichen Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung seien. Wenn
ein Vermieterpfandrecht geltend gemacht
werde, würden die schutzwürdigen Belange des Vollstre-ckungsschuldners nicht in einem Ausmaß betroffen, dass von einer auf die Herausgabe begrenzten Zwangsvollstreckung abzusehen sei
(vgl. BGH, NJW-RR 2009, 1384 Rn. 9 f.; NZM 2013, 395 Rn. 18
mwN). Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf die Vollstreckung eines Zuschlagsbeschlusses nach § 93 Abs. 1 Satz 1 ZVG hat der Senat abgelehnt. Wenn
sich der Gläubiger -
anders als bei Bestehen eines Vermieterpfandrechts -
nicht auf ein Recht zur Inbesitz-nahme hinsichtlich der in der Wohnung befindlichen Sachen berufen könne, fehle es an einem vorrangigen Recht des Gläubigers, das der nach § 885
Abs.
2 und 4 ZPO gerade auch im Interesse des Schuldners vorgesehenen Ent-fernung der Sachen entgegenstehe (BGH, NZM 2013, 395 Rn. 19).
bb) Diese
Rechtsprechung
ist durch die Einführung des §
885a ZPO über-holt.
Mit dieser Bestimmung
hat der Gesetzgeber
eine allgemein gültige, nicht auf die Fälle des
Bestehens eines Vermieterpfandrechts beschränkte gesetzli-che Grundlage für eine auf die Herausgabe unbeweglicher Sachen beschränkte Vollstreckungsmöglichkeit
geschaffen.
Die Vorschrift ist deshalb auch auf die Räumungszwangsvollstreckung eines Zuschlagsbeschlusses gemäß §
93 Abs.
1 ZVG anwendbar (ebenso Zöller/Stöber
aaO
§ 885a Rn. 2; Lackmann in Musielak/Voit aaO
§ 885a Rn. 1; Gruber in MünchKomm.ZPO
aaO
§
885a Rn.
6; Saenger/Kießling, ZPO, 7.
Aufl., §
885a Rn. 4; Stürner in BeckOK.ZPO, 23. Edition, Stand
1. Dezember 2016, § 885a Rn. 2; Hilbig-Lugani in Prütting/
Gehrlein, ZPO, 8. Aufl., § 885a Rn.
2; Rensen in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4.
Aufl., § 885a Rn. 1; Lehmann-Richter in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12.
Aufl., § 885a ZPO Rn. 4; Walker in Schuschke/Walker, Vollstreckung und 15

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Vorläufiger Rechtsschutz, 6.
Aufl., §
885a ZPO Rn. 3; Bendtsen in Kindl/Meller-Hannich/Wolf, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 3.
Aufl., § 885a ZPO Rn. 2, 4; Hintzen
in Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 15.
Aufl., § 93 Rn. 4; Majer,
NZM 2012, 67, 70; Schuschke,
NZM 2012, 209, 212 f.;
Flatow, NZW 2013, 1185, 1191). Für die Annahme eines eingeschränk-ten Anwendungsbereichs der Bestimmung des § 885a ZPO auf den Fall, dass dem Gläubiger ein Vermieterpfandrecht zusteht, besteht kein Anlass.
(1) Dem Wortlaut des
§ 885a ZPO lässt sich keine
Einschränkung auf Vollstreckungen bei Bestehen eines Vermieterpfandrechts entnehmen. Gemäß § 885a Abs. 1 ZPO sind Vollstreckungsaufträge vielmehr allgemein
auf Maß-nahmen nach §
885 Abs.
1 ZPO beschränkbar, so dass auf Zuschlagsbe-schlüsse gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 ZVG gestützte Vollstreckungsaufträge er-fasst werden.
(2) Gegen einen eingeschränkten Anwendungsbereich des § 885a ZPO spricht auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Der Gesetzgeber wollte
mit dieser -
abweichend von dem
Konzept der "Berliner Räumung" -
eine ver-einfachte Räumung ermöglichen, die gerade nicht voraussetzt, dass der Gläu-biger sein Vermieterpfandrecht an den in die Räume eingebrachten Gegen-ständen
des Schuldners
ausübt (vgl. Regierungsentwurf eines Mietrechtsände-rungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S.
31; vgl. auch Walker in Schuschke/
Walker aaO § 885a ZPO Rn. 3; Lehmann-Richter in Schmidt-Futterer aaO §
885a ZPO Rn. 3).
Unerheblich ist deshalb auch der von der Rechtsbeschwer-de hervorgehobene Umstand, dass die Vorschrift des § 885a ZPO im Rahmen eines "Mietrechtsänderungsgesetzes"
eingeführt wurde.

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(3)
Der Sinn und Zweck des § 885a ZPO spricht ebenfalls gegen eine auf Räumungen durch den Vermieter beschränkte
Anwendung der Vorschrift. Die Einführung dieser
Bestimmung ermöglicht es
dem Gläubiger, die mit der Räu-mungsvollstreckung gemäß § 885 ZPO verbundenen
hohen Transport-
und La-gerkosten zu vermeiden und damit den Kostenvorschuss für die Vollstreckung ganz erheblich zu reduzieren (vgl. Regierungsentwurf eines Mietrechtsände-rungsgesetzes, BT-Drucks. 17/10485, S.
15; BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2014 -
I ZB 82/13, NJW 2015, 2126 Rn. 16). Ein Bedürfnis zur Kostenreduzie-rung bei der Räumungsvollstreckung ist jedoch nicht auf die Fälle der Vollstre-ckung durch einen Vermieter beschränkt, sondern besteht in gleicher Weise bei der Vollstreckung anderer Räumungstitel
wie etwa eines Zuschlagsbeschlusses gemäß § 93 Abs. 1 ZVG (vgl. Lehmann-Richter
in Schmidt-Futterer aaO § 885a ZPO Rn. 5;
ders.,
NZM 2014, 257, 261).
(4) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde
sind durch die Anwen-dung des § 885a ZPO außerhalb der Vollstreckung durch Vermieter gegen Mie-ter
die verfassungsrechtlich geschützten Rechte
des Schuldners nicht in einem Ausmaß betroffen, dass von einer auf die Herausgabe begrenzten
Zwangsvoll-streckung im Sinne dieser Bestimmung abzusehen ist.
Der Schuldner kann Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO geltend ma-chen (vgl. BGH, NJW-RR 2009, 1384 Rn. 10).
Er ist außerdem
dadurch geschützt, dass er die in seinem Eigentum ste-henden Gegenstände
vor Durchführung
der

für ihn nicht überraschend vorge-nommenen

Herausgabevollstreckung aus den
noch in seinem Besitz befindli-chen Räumen
entfernen kann
(BGH, NJW-RR 2009, 1384 Rn. 10; Lehmann-Richter in Schmidt-Futterer aaO § 885a
ZPO
Rn. 2).

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Eine Entfernung von persönlichen Gegenständen ist auch im Zusammen-hang
mit der Durchführung der Räumung nicht ausgeschlossen. Die Beschrän-kung des Vollstreckungsauftrags des Gläubigers auf die Herausgabe der Räu-me
hat lediglich zur Folge, dass der Gerichtsvollzieher von der Entfernung der nicht der Zwangsvollstreckung unterliegenden Sachen gemäß § 885 Abs. 2 und 3 ZPO abzusehen hat. Sie berechtigt ihn dagegen nicht, den Schuldner daran zu hindern, Sachen aus den
Räumen
zu entfernen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind (BGH, Beschluss vom 10. August 2006 -
I ZB 135/05, NJW 2006, 3273 Rn. 13).
Gemäß § 885a Abs. 3 Satz 1 ZPO kann
der Gläubiger bewegliche Sa-chen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, jederzeit wegschaf-fen und hat sie zu verwahren.
Im Anschluss an die Herausgabevollstreckung hat er
dem Schuldner auf Verlangen die diesem gehörenden Gegenstände her-auszugeben. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, ist er nach Maßgabe der § 280 Abs. 1, § 823 Abs. 1
BGB zum Schadensersatz verpflichtet
(vgl. BGH, NJW-RR 2009, 1384 Rn.
10; Gruber in MünchKomm.ZPO aaO § 885a Rn. 22; Lackmann in Musielak/Voit aaO § 885a Rn. 7; Lehmann-Richter, NZM 2013, 260, 261).

Dass der Gesetzgeber die Verwahrung dem Gläubiger und damit einem Privaten überantwortet, ist aufgrund der den Gläubiger zugunsten des Schuld-ners treffenden gesetzlichen Pflichten und Haftung
auch aus verfassungsrecht-lichen Gründen nicht zu beanstanden (vgl. Lehmann-Richter in Schmidt-Futterer aaO § 885a ZPO Rn. 2; ders. NZM 2014, 257, 260; aA Schuschke, NZM 2012, 209, 214 und ihm folgend Eisenschmid in Pflichtverletzungen im Mietverhältnis, 30. Mietrechtstage, herausgegeben vom Evangelischen Bun-desverband für Immobilienwesen in
Wissenschaft und Praxis, S.
186). Dabei
ist zu berücksichtigen, dass der Gerichtsvollzieher im Vollstreckungsprotokoll
die frei ersichtlichen
beweglichen
Sachen zu dokumentieren hat, die er bei Vor-nahme der Vollstreckungshandlung vorfindet (§ 885a Abs.
2 ZPO). Damit ist
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-
sichergestellt, dass dem Schuldner bei möglichen Beweisschwierigkeiten über das Vorhandensein und den Zustand seiner beweglichen Sachen
eine öffentli-che Urkunde im Sinne von § 415 ZPO zur Verfügung steht (Gruber in Münch-Komm.ZPO aaO § 885a Rn. 15).
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Koch
Schaffert
Kirchhoff

Löffler
Schwonke
Vorinstanzen:
AG Böblingen, Entscheidung vom 07.03.2016 -
40 M 1042/16 -

LG Stuttgart, Entscheidung vom 13.06.2016 -
2 T 174/16 -

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Meta

I ZB 66/16

02.03.2017

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.03.2017, Az. I ZB 66/16 (REWIS RS 2017, 14750)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 14750

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