Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31.01.2013, Az. 2 C 10/12

2. Senat | REWIS RS 2013, 8514

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Gegenstand

Urlaubsentgeltungsanspruch für Beamte; Verjährung des unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruchs


Leitsatz

Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG (juris: EGRL 88/2003) begründet nach der Rechtsprechung des EuGH auch für Beamte einen Anspruch auf Abgeltung von Urlaub, den sie krankheitsbedingt vor Eintritt in den Ruhestand nicht nehmen konnten (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Mai 2012 - Rs. C-337/10, Neidel - NVwZ 2012, 688).

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt eine finanzielle Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Urlaub.

2

Der 1953 geborene Kläger stand zuletzt als Polizeihauptkommissar im Dienst des beklagten [X.]. Er war ab Anfang Juli 2007 ununterbrochen erkrankt. Mit Wirkung vom 1. August 2008 hat ihn der Beklagte wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt.

3

Der Beklagte lehnte den Antrag des [X.] ab, ihm eine Vergütung für insgesamt 62 Urlaubstage zu zahlen, die er in den Jahren 2007 und 2008 wegen seiner Erkrankung nicht hatte antreten können. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben.

4

In dem Berufungsurteil des [X.] heißt es: Der Kläger habe keinen Urlaubsabgeltungsanspruch nach Bundes- oder [X.]recht. Auch Unionsrecht begründe für Beamte in [X.] einen solchen Anspruch nicht, denn Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88/[X.] sei bei der nach Art. 15 [X.] 2003/88/[X.] gebotenen Vergleichsbetrachtung des Unionsrechts und des Beamtenrechts unanwendbar: Beamte seien im Krankheitsfall erheblich besser abgesichert als andere Beschäftigte, weil sie die vollen Dienstbezüge zeitlich unbegrenzt erhielten und das Beamtenverhältnis nicht wegen Krankheit beendet werden könne.

5

Hiergegen richtet sich die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des [X.], mit der er beantragt,

die Urteile des [X.] Rheinland-Pfalz vom 30. März 2010 und des [X.] vom 21. Juli 2009 sowie den Bescheid des [X.] ... vom 13. Juni 2008 und dessen Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm für insgesamt 62 krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommene Urlaubstage der Jahre 2007 und 2008 eine finanzielle Abgeltung in Höhe der durchschnittlichen Besoldung der letzten drei Monate vor seinem Eintritt in den Ruhestand zu gewähren.

6

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision des [X.] hat teilweise Erfolg. Das Berufungsurteil verletzt revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die Abweisung der Klage stellt sich aus anderen Gründen zum Teil als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO).

8

1. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass dem Kläger aus nationalem Recht kein Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht. Es gibt für Beamte keine normativen Regelungen, die einen solchen Anspruch begründen. Das gilt auch für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Zu Unrecht beruft sich der Kläger insoweit auf die Rechtsprechung des [X.]. Das [X.] hat zwar angenommen, dass der Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 2 Satz 3 SGB IX ebenso wie der gesetzliche [X.]urlaub aus den §§ 1, 3 Abs. 1 [X.] nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten ist, wenn der Zusatzurlaub nicht gewährt werden kann, weil der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war (Urteil vom 23. März 2010 - 9 [X.] - [X.], 1 ff.; vgl. auch Urteil vom 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - [X.], 514 ff.). Diese Rechtsprechung kann aber nicht auf Beamte übertragen werden. Das vom [X.] herangezogene Bundesurlaubsgesetz, das in § 7 Abs. 4 eine Urlaubsabgeltung vorsieht, ist auf Beamte nicht anwendbar; deren Ansprüche auf Urlaub und Besoldung richten sich nach den jeweiligen beamtenrechtlichen Gesetzen und Verordnungen, die bislang einen Urlaubsabgeltungsanspruch gerade nicht vorsehen.

9

2. Dem Kläger steht aber nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/[X.] und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Folgenden: [X.] 2003/88/[X.]) ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung seines unionsrechtlich gewährleisteten [X.] von vier Wochen Erholungsurlaub zu. Einen darüber hinausgehenden Anspruch aus Unionsrecht auf Abgeltung von sich aus nationalem Recht ergebenden weiteren Erholungsurlaubstagen, von sog. Arbeitszeitverkürzungstagen und des Schwerbehindertenzusatzurlaubs nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat er hingegen nicht.

Der [X.] ([X.]) hat aus Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88/[X.] einen Anspruch auf Abgeltung von bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses krankheitsbedingt nicht genommenem Urlaub hergeleitet und auch Voraussetzungen, Umfang und Grenzen dieses Anspruchs bestimmt. Diese Auslegung des Unionsrechts ist für die nationalen Gerichte und damit auch für das [X.] bindend (Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV).

a) Es ist in der Rechtsprechung des [X.] seit langem geklärt, dass auch Beamte Arbeitnehmer im Sinne der [X.] 2003/88/[X.] sind. Das gilt grundsätzlich auch für Polizisten, die insoweit mit Feuerwehrleuten vergleichbar sind, für die der [X.] mehrfach ausgesprochen hat, dass sie der Arbeitszeitrichtlinie unterfallen ([X.], Beschluss vom 14. Juli 2005 - [X.]. [X.]/04 - Slg. 2005, [X.] Rn. 57 ff.; Urteil vom 3. Mai 2012 - [X.]. [X.]/10, [X.] - [X.] 2012, Nr. [X.] 174 S. 4 = NVwZ 2012, 688 Rn. 22). Der erkennende Senat ist dem gefolgt (vgl. etwa Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 [X.] 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 20 ff. ) und hat auch für Polizisten bereits darauf hingewiesen, dass Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 89/391/[X.], auf den Art. 1 Abs. 3 [X.] 2003/88/[X.] zur Bestimmung ihres Anwendungsbereichs Bezug nimmt, nach der Rechtsprechung des [X.] eng auszulegen ist und nicht etwa [X.], Feuerwehr oder Polizei generell, sondern nur für bestimmte in diesen Sektoren wahrgenommene besondere Aufgaben wie etwa bei Natur- oder Technologiekatastrophen und schweren Unglücksfällen von der Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie ausnimmt (Urteil vom 15. Dezember 2011 - BVerwG 2 [X.] 41.10 - [X.] 240 § 50a [X.] Nr. 1 Rn. 20).

b) Nach der Rechtsprechung des [X.] ist die Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand (vgl. § 21 Nr. 4 [X.], § 30 Nr. 4 [X.]) eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88/[X.]. Dem Urteil des [X.] vom 3. Mai 2012 (a.a.[X.]) ist zu entnehmen, dass der [X.] der konkreten nationalstaatlichen Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses keine Bedeutung beimisst, sondern für allein maßgeblich hält, dass mit der krankheitsbedingten Beendigung des aktiven Beamtenverhältnisses keine Dienstleistungspflicht und deshalb auch keine Urlaubsmöglichkeit mehr besteht. Deshalb ist es unionsrechtlich ohne Bedeutung, dass sich nach [X.] Beamtenrecht an das (aktive) Beamtenverhältnis ein Ruhestandsbeamtenverhältnis anschließt.

c) Entgegen der Rechtsauffassung des [X.] hindert Art. 15 [X.] 2003/88/[X.] die Anwendung von Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88/[X.] bei [X.] Beamten nicht.

Nach Art. 15 [X.] 2003/88/[X.] bleibt u.a. das Recht der Mitgliedstaaten unberührt, für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer günstigere Rechts- und Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen. Der [X.] hat bereits zu der insoweit wortgleichen Vorgängerrichtlinie [X.] 93/104/[X.] entschieden, dass unabhängig von günstigeren nationalstaatlichen Regelungen die praktische Wirksamkeit der durch die Arbeitszeitrichtlinie verliehenen Rechte in vollem Umfang gewährleistet werden müsse, was notwendig die Verpflichtung impliziere, die Einhaltung jeder der in dieser Richtlinie aufgestellten [X.]vorschriften zu gewährleisten ([X.], Urteil vom 1. Dezember 2005 - [X.]. [X.]-14/04, [X.] - Slg. 2005, [X.] Rn. 53).

Nach der Rechtsprechung des [X.] ist Art. 15 [X.] 2003/88/[X.] somit eine Meistbegünstigungsklausel, die nur den [X.], nicht aber die vom Berufungsgericht angestellte strukturelle Gesamtbetrachtung zulässt. Er schließt damit eine Anwendung des Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88/[X.] nur dann aus, wenn die mitgliedstaatlichen Regelungen über die Abgeltung krankheitsbedingt nicht genommenen Erholungsurlaubs bei Beendigung der Berufstätigkeit über den von Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88/[X.] gewährleisteten [X.]standard hinausgehen. Das ist aber bei [X.] Beamten nicht der Fall, weil sie gerade - wovon auch das Oberverwaltungsgericht ausgeht - nach nationalem Recht mangels entsprechender gesetzlicher Regelung keinen Urlaubsabgeltungsanspruch haben, also auch dann nicht, wenn sie Erholungsurlaub krankheitsbedingt nicht vor dem Eintritt in den Ruhestand nehmen können. Auf die vom Berufungsgericht herangezogenen, für die Beamten günstigeren Regelungen im Falle der zur dauernden Dienstunfähigkeit führenden Krankheit im Vergleich zu den Regelungen für andere Beschäftigte in [X.] kommt es deshalb nicht an.

Bestätigt wird dies durch das Urteil des [X.] vom 3. Mai 2012 (a.a.[X.]). Der [X.] hat den Anwendungsbereich des Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88/[X.] ausdrücklich auf Beamte erstreckt, obwohl das Vorlagegericht die Rechtsauffassung des [X.] ausführlich dargestellt hatte.

d) Der Urlaubsabgeltungsanspruch besteht grundsätzlich auch dann, wenn der Beschäftigte im Urlaubsjahr teilweise arbeits- bzw. dienstfähig war, in dieser [X.] den Urlaub aber nicht oder nicht vollständig genommen hat. Das gilt sowohl für das Jahr, in dem die längerfristige Dienstunfähigkeit beginnt, als auch für das Jahr oder für die Jahre, in dem oder in denen der Betreffende vorübergehend wieder dienstfähig war. In beiden Fällen kann der Beschäftigte krankheitsbedingt und damit unabhängig von seinem Willensentschluss den ihm zustehenden ([X.])Urlaub nach Eintritt in den Ruhestand nicht mehr nehmen. Aus der Rechtsprechung des [X.] zu Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88 [X.] gibt es keine Anhaltspunkte für eine andere Auslegung dieser Bestimmung.

e) Der Umfang des [X.] nach Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88/[X.] ist allerdings auf die sich aus Art. 7 Abs. 1 [X.] 2003/88/[X.] ergebenden vier Wochen Erholungsurlaub im Jahr beschränkt. Der [X.] hat im Urteil vom 3. Mai 2012 (a.a.[X.] Rn. 35 ff.) hervorgehoben, dass die Arbeitszeitrichtlinie sich auf die Aufstellung von [X.]vorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz beschränkt; es sei Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, ob sie den Beamten weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren sowie ob und unter welchen Voraussetzungen sie eine finanzielle Vergütung für den Fall vorsehen, dass einem in den Ruhestand tretenden Beamten diese zusätzlichen Ansprüche krankheitsbedingt nicht haben zugute kommen können. Deshalb sind Urlaubstage, die über den nach Art. 7 Abs. 1 [X.] 2003/88/[X.] unionsrechtlich gewährleisten [X.]urlaub hinausgehen, nicht vom Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88/[X.] erfasst.

Das gilt auch für sog. Arbeitszeitverkürzungstage, die der Sache nach zusätzliche Erholungsurlaubstage sind, und für den Schwerbehindertenzusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Auch eine Privilegierung für Urlaub nach nationalem Recht, wonach einem Beschäftigten bei einem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst etwa im Laufe der zweiten Jahreshälfte der Jahresurlaub ungeschmälert zusteht, schlägt nicht auf die unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche nach Art. 7 Abs. 1 und 2 [X.] 2003/88/[X.] durch. Dies folgt aus dem [X.]harakter dieser Ansprüche als [X.]standard und findet außerdem einen normativen Anhaltspunkt in Art. 4 Abs. 1 und Art. 11 des Übereinkommens Nr. 132 der [X.] vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub. Danach ist der Urlaubsanspruch "im Verhältnis zur Dauer der Dienstzeit während dieses Jahres" gegeben; nach dem sechsten Erwägungsgrund der [X.] 2003/88/[X.] hat diese Richtlinie den Grundsätzen der [X.] hinsichtlich der Arbeitszeit Rechnung getragen.

f) Der Urlaubsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 [X.] 2003/88/[X.] verfällt, wenn er über einen zu langen [X.]raum nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahres nicht genommen wird. Wenn der Übertragungszeitraum eine gewisse zeitliche Grenze überschreitet, kann der Urlaub seinen Zweck als Erholungszeit typischerweise nicht mehr erreichen (vgl. [X.], Urteil vom 22. November 2011 - [X.]. [X.]-214/10, [X.] - NJW 2012, 290 Rn. 33). Mit dem Verfall des Urlaubsanspruchs ist die Entstehung eines [X.] ausgeschlossen.

Ein Verfall des Urlaubsanspruchs mit Auswirkungen auf den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch tritt zum einen dann ein, wenn nationalstaatlich ein hinreichend langer Übertragungszeitraum geregelt ist und dieser abgelaufen ist. [X.] lang ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein Übertragungszeitraum, wenn er deutlich länger als das Urlaubsjahr, also deutlich länger als ein Jahr ist; ein Übertragungszeitraum muss den Beschäftigten, die während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeits- bzw. dienstunfähig sind, ermöglichen, bei Bedarf über Erholungszeiträume zu verfügen, die längerfristig gestaffelt und geplant sowie verfügbar sein können, und er muss die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten ([X.], Urteil vom 22. November 2011 a.a.[X.] Rn. 41). Einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten hat der [X.] gebilligt (Urteil vom 22. November 2011 a.a.[X.] Rn. 40 ff.).

Gibt es keine ausreichend langen nationalstaatlichen Verfallsregelungen, dann tritt auf der Grundlage der Rechtsprechung des [X.] ein Verfall des [X.] 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres ein. Der [X.] leitet aus dem Umstand, dass die [X.] 2003/88/[X.] nach ihrem sechsten Erwägungsgrund den Grundsätzen der [X.] hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung Rechnung getragen hat, her, dass bei der Berechnung des Übertragungszeitraums der Zweck des Anspruchs auf Jahresurlaub, wie er sich aus Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der [X.] vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub ergibt, berücksichtigt werden muss. Nach Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens ist der ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen. Diese Vorschrift beruht nach der Rechtsprechung des [X.] auf der Erwägung, dass der Zweck der Urlaubsansprüche bei Ablauf der dort vorgesehenen Fristen nicht mehr vollständig erreicht werden kann (Urteil vom 22. November 2011 a.a.[X.] Rn. 41 f.). Das rechtfertigt die Annahme, dass der Urlaubsanspruch 18 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfällt.

g) Bei der Berechnung der dem Beschäftigten zustehenden Urlaubstage im Rahmen der Ansprüche aus Art. 7 Abs. 1 und 2 [X.] 2003/88/[X.] kommt es nach dem Zweck dieser Norm nur darauf an, ob und wie viel Urlaub der Betreffende im konkreten Jahr genommen hat. Unerheblich ist, ob es sich dabei um neuen oder um alten, also aus dem vorangegangenen Urlaubsjahr übertragenen Urlaub gehandelt hat.

h) Bei der Berechnung des Betrags, der dem Beamten für jeden nicht genommenen Urlaubstag als Urlaubsabgeltung zusteht, ist auf die Besoldung abzustellen, die der Beamte in den letzten drei Monaten vor Eintritt in den Ruhestand erhalten hat.

Nach der Rechtsprechung des [X.] ist Anknüpfungspunkt für die Höhe des [X.] aus Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88/[X.] das gewöhnliche Arbeitsentgelt. Dies ist bei Beamten die Besoldung (vgl. § 1 Abs. 2 [X.]; [X.], Urteil vom 20. Januar 2009 - [X.]. [X.]-350/06 und 520/06, [X.] - Slg. 2009, [X.] Rn. 61). Der Beschäftigte soll also dasjenige bekommen, was er bekommen hätte, wenn er den Urlaub während seiner aktiven Dienstzeit genommen hätte. Das ist im Falle eines Beamten die Besoldung, die während des Urlaubs weitergezahlt worden wäre. Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 [X.] 2003/88/[X.] ist angesichts der Rechtsprechung des [X.] unerheblich, dass die Besoldung [X.] hat und daher während der Krankheit zeitlich unbegrenzt weitergezahlt wird.

Im Hinblick darauf, dass die finanzielle Abgeltung nach Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88/[X.] erst nach der "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" gezahlt werden darf und der während der Krankheit aufgelaufene, nicht verjährte [X.]jahresurlaub im Fall der Gesundung noch hätte genommen werden dürfen, die finanzielle Abgeltung des Urlaubs mithin erst am Ende der aktiven Dienstzeit eintritt, ist auf die Besoldung vor dem Eintritt in den Ruhestand abzustellen. Dabei erscheint es sachgerecht, auf die letzten drei Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand als hinreichend langen Referenzzeitraum (vgl. auch [X.], Urteil vom 15. September 2011 - [X.]. [X.]-155/10, [X.] - [X.] 2011 Nr. [X.] 319, 7 Rn. 21 ff.), abzustellen, um die Auswirkungen zufälliger Schwankungen der Besoldung zu verringern.

i) Ein Antragserfordernis für den unionsrechtlichen Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88/[X.] besteht nicht. Ein Antragserfordernis wäre mit dem [X.] des Unionsrechts nicht vereinbar. Das hat der Senat im [X.] an die Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 25. November 2010 - [X.]. [X.]-429/09, Fuß - Slg. 2010, [X.]) für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit entschieden (Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 [X.] 29.11 - NVwZ-RR 2012, 972 Rn. 25 ). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88/[X.] gilt nichts anderes.

j) Der unionsrechtliche Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88/[X.] unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren, § 195 BGB, die mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist, § 199 Abs. 1 BGB.

Der [X.] hat mehrfach ausgesprochen, dass die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenen Rechte gewährleisten sollen, Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten ist, soweit gemeinschaftsrechtliche Regelungen nicht vorhanden sind. Allerdings dürfen die Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein als bei nur innerstaatliches Recht betreffenden Verfahren (Äquivalenzgrundsatz) und sie dürfen die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren ([X.]). Zum [X.] hat der [X.] entschieden, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. [X.], Urteile vom 17. November 1998 - [X.]. [X.]-228/96, [X.]. 1998, [X.] Rn. 19 und vom 11. Juli 2002 - [X.]. [X.]-62/00, Marks & [X.] - Slg. 2002, [X.] Rn. 35, jeweils m.w.[X.]). Auch der Senat bejaht die Möglichkeit der Verjährung bei sich aus Unionsrecht ergebenden Ansprüchen und hat beispielsweise für den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch wegen Zuvielarbeit die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren angenommen (Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.[X.] Rn. 41 f.). Für den Urlaubsabgeltungsanspruch aus Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88/[X.] gilt nichts anderes.

k) Nach der Rechtsprechung des [X.] kann der Einzelne unter bestimmten Voraussetzungen und mit bestimmten Maßgaben unmittelbar aus Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88/[X.] einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend machen.

Richtlinien bedürfen zwar grundsätzlich der Umsetzung durch den dafür zuständigen nationalen Gesetzgeber, um innerstaatliche Verbindlichkeit für den Bürger zu erlangen. Für den Fall der nicht fristgerechten oder unvollständigen Umsetzung einer Richtlinie durch den Mitgliedstaat hat nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] der Einzelne das Recht, sich vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Staat trotz entgegenstehendem nationalen Recht auf durch die Richtlinie auferlegte Verpflichtungen zu berufen, wenn diese klar und unbedingt sind und zu ihrer Anwendung keines Ausführungsakts mehr bedürfen (st[X.]pr; [X.], Urteile vom 5. Oktober 2004 - [X.]. [X.]-397/01, [X.]. 2004, [X.] Rn. 103 m.w.[X.] und vom 24. Januar 2012 - [X.]. [X.]-282/10, [X.] - [X.] 2012, Nr. [X.] 73, 2 Rn. 33; [X.], Beschluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 687/85 - [X.]E 75, 223 <239 ff.>). Bei einer nicht fristgerechten Umsetzung einer Richtlinie sind Behörden und Gerichte aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes nationales Recht unangewendet zu lassen (st[X.]pr; vgl. nur BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 a.a.[X.] Rn. 19).

Diese Voraussetzungen hat der [X.] für Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88/[X.] bejaht. Nach der bindenden Rechtsprechung des [X.] räumt diese Norm allen Beschäftigten, d.h. auch Beamten unter den dargelegten Voraussetzungen Urlaubsabgeltungsansprüche ein, die die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht verankern müssen. Solange sie diese Umsetzungspflicht nicht erfüllen, stellt Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88/[X.] die unmittelbare Anspruchsgrundlage dar.

3. In Anwendung dieser Grundsätze gilt für den Kläger Folgendes:

Für das [X.] standen dem Kläger bei einem [X.]anspruch von vier Wochen nach Art. 7 Abs. 1 [X.] 2003/88/[X.] und einer [X.] Urlaubstage zu. In diesem Jahr hat der Kläger sieben Urlaubstage und den sog. Arbeitszeitverkürzungstag nach der Arbeitszeitverordnung [X.] genommen. Eine Freistellung nach der Arbeitszeitverordnung steht funktional einem Urlaubstag nach der Urlaubsverordnung ([X.] [X.]) gleich. Deshalb ist sie im Rahmen des Art. 7 Abs. 2 [X.] 2003/88/[X.] wie ein Urlaubstag zu behandeln. Damit hat der Kläger acht Urlaubstage genommen und standen ihm für 2007 noch 12 Tage [X.]urlaub zu.

Für das [X.] standen dem Kläger 20 [X.]tage zu. In diesem Jahr ist er aber zum Ende des Monats Juli in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden. Deshalb stand ihm der unionsrechtliche [X.]urlaub nur anteilig, d.h. für 11 2/3 Urlaubstage zu; die Privilegierung des § 9 Satz 3 [X.] [X.], wonach der Jahresurlaub voll gewährt wird, wenn der Beamte wegen Dienstunfähigkeit in der zweiten Jahreshälfte in den Ruhestand versetzt wird, erstreckt sich nicht auf den unionsrechtlichen Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsanspruch nach Art. 7 [X.] 2003/88/[X.]. Der Bruchteil eines Urlaubstages ist in die Urlaubsentgeltberechnung einzubeziehen. Die Heranziehung einer nationalstaatlichen Regelung, wonach ein bei der [X.] verbleibender Teil eines Tages als Guthaben auf die Arbeitszeit angerechnet wird (vgl. § 8 Abs. 6 [X.] [X.]), kommt jedenfalls deshalb nicht in Betracht, weil Urlaubsabgeltung voraussetzt, dass der Beamte nicht mehr im Dienst ist, so dass mangels Arbeitspflicht auch eine Anrechnung auf ein Arbeitszeitguthaben nicht möglich ist.

Insgesamt steht dem Kläger deshalb ein Urlaubsabgeltungsanspruch für 23 2/3 Tage zu, der auf der Basis der Besoldung der letzten drei Monate vor Eintritt in den Ruhestand zu berechnen ist.

Im Hinblick auf den Vortrag des Beklagten in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren weist der Senat darauf hin, dass eine Anrechnung der Urlaubsabgeltung bei den Versorgungsbezügen nach den Regelungen des Vorteilsausgleichs, § 53 [X.], nicht in Betracht kommt.

Meta

2 C 10/12

31.01.2013

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 30. März 2010, Az: 2 A 11321/09, Urteil

Art 7 EGRL 88/2003, Art 15 EGRL 88/2003, § 125 SGB 9, Art 267 Abs 1 Buchst a AEUV, § 1 BUrlG, § 3 Abs 1 BUrlG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31.01.2013, Az. 2 C 10/12 (REWIS RS 2013, 8514)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8514

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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