Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.01.2022, Az. II ZB 8/21

2. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 1784

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Gegenstand

GmbH: Fortsetzung der Gesellschaft nach Auflösung durch Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse


Leitsatz

Wird eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch die rechtskräftige Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft mangels Masse gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG aufgelöst, kann sie nicht fortgesetzt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Gesellschaft über ein das satzungsgemäße Stammkapital übersteigendes Vermögen verfügt und die Insolvenzgründe beseitigt wurden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 20. Zivilsenats des [X.] vom 12. April 2021 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts Darmstadt eingetragene [X.] mit beschränkter Haftung mit einem Stammkapital in Höhe von ursprünglich 50.000 DM. Mit Beschluss vom Februar 2007 wurde ihr Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der [X.] mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse zurückgewiesen. Im April 2007 wurde die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse und die Auflösung der Antragstellerin von Amts wegen in das Handelsregister eingetragen.

2

Mit [X.]erbeschluss vom 29. Mai 2020 wurden die Fortsetzung der [X.], die Verlegung ihres Sitzes und die Änderungen des [X.] beschlossen. Der mit Beschluss vom selben Tag zum Geschäftsführer bestellte Liquidator und Alleingesellschafter der Antragstellerin meldete am 29. Mai 2020 die Fortsetzung der [X.], die Sitzverlegung und die Neufassung des [X.] sowie seine Bestellung zum Geschäftsführer zur Eintragung im Handelsregister an. Gegenüber dem Handelsregister versicherte er u.a., dass mit der Verteilung des Vermögens an die [X.]er noch nicht begonnen worden sei, die Verbindlichkeiten der [X.] das [X.]svermögen nicht überstiegen und keine wirtschaftliche Neugründung vorliege. Im Februar 2021 erklärte er den Rangrücktritt eines der [X.] in Höhe von 2.897.361,63 € und er überwies im April 2021 der [X.] mit dem Verwendungszweck "Einzahlung Stammkapital".

3

Das Amtsgericht hat den [X.] zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren [X.] weiter.

II.

4

Die statthafte und im Übrigen gemäß § 70 Abs. 1, § 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

5

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Fortführung einer wegen rechtskräftiger Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse nach § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG aufgelösten [X.] mit beschränkter Haftung aufgrund [X.] nicht in Betracht komme. Das gelte auch, wenn ein Geschäftsführer die in § 8 Abs. 2 GmbHG vorgesehene Versicherung der Einzahlung auf die [X.]santeile abgegeben habe und ein Vermögen in Höhe des im [X.] festgelegten Stammkapitals vorhanden oder zumindest die Beseitigung der Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit der [X.] erfolgt sei. Führe die Entscheidung über die Ablehnung der Eröffnung dieses Insolvenzverfahrens mangels Masse zur Auflösung der [X.] nach § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG, bestehe keine fortsetzungsfähige [X.] mehr.

6

2. Die Ausführungen des [X.] halten rechtlicher Nachprüfung stand. Die Antragstellerin konnte nach Rechtskraft des Beschlusses des Insolvenzgerichts, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist, nicht durch [X.]erbeschluss fortgesetzt werden. Wird eine [X.] mit beschränkter Haftung durch die rechtskräftige Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der [X.] mangels Masse gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG aufgelöst, kann sie nicht fortgesetzt werden. Dies gilt auch dann, wenn die [X.] über ein das satzungsgemäße Stammkapital übersteigendes Vermögen verfügt und die [X.] beseitigt wurden (vgl. KG, GmbHR 1993, 822; [X.], [X.], 1553, 1554; BayObLG, GmbHR 1994, 189, 190; 1995, 532; KG, GmbHR 1998, 1232, 1233; [X.], [X.], 214, 215 [jew. zu § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.]]; [X.], GmbHR 2010, 710, 711; KG, [X.], 178 f.; [X.], GmbHR 2018, 808, 810; [X.] in Henssler/Strohn, [X.], 5. Aufl., § 60 Rn. 75; MünchKommGmbHG/[X.], 3. Aufl., § 60 Rn. 277; [X.]/[X.], GmbHG, 12. Aufl., § 60 Rn. 117; [X.], [X.], 11. Aufl., Rn. 1156).

7

a) Eine Fortsetzung ist gesetzlich in § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG nicht vorgesehen. [X.]en, die nicht einmal mehr die finanziellen Mittel zur Durchführung eines Insolvenzverfahrens besitzen, sollen im öffentlichen Interesse nach dem Willen des Gesetzgebers möglichst rasch beendet werden. Der [X.] hat noch zum Konkursrecht ausgeführt, dass eine Kommanditgesellschaft auf Aktien und eine Aktiengesellschaft durch einfachen Fortsetzungsbeschluss und Zuführung neuer Mittel ohne die Kontrolle eines förmlichen Gründungsvertrags nicht in die Lage versetzt werden können, wieder am Geschäftsverkehr teilzunehmen (vgl. [X.], Urteil vom 8. Oktober 1979 - [X.], [X.]Z 75, 175, 180).

8

Dieser Wille des Gesetzgebers hat sich mit Inkrafttreten der Insolvenzordnung und der Einführung des § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG nicht geändert. Vielmehr hat der Gesetzgeber im Gegensatz zu § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG keine Fortsetzungsmöglichkeit vorgesehen. Nach dieser Vorschrift wird eine [X.] mit beschränkter Haftung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst. Wird jedoch das Verfahren auf Antrag des Schuldners eingestellt oder nach Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der [X.] vorsieht, aufgehoben, so können die [X.]er die Fortsetzung der [X.] beschließen. Dafür, dass eine Fortsetzung der [X.] nur in den in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG genannten Fällen möglich ist, spricht der Umstand, dass der Wortlaut der Norm im Zuge der Insolvenzrechtsreform des Jahres 1994 nicht erweitert worden ist ([X.], Beschluss vom 28. April 2015 - [X.], [X.], 1533 Rn. 10).

9

An einer Erweiterung der gesetzlich genannten Fortsetzungsmöglichkeiten besteht kein Bedürfnis. Lassen die Beteiligten eine gesetzlich eingeräumte Möglichkeit der Fortsetzung ungenutzt, ist kein Grund ersichtlich, eine nicht im Gesetz vorgesehene Möglichkeit zur Fortführung der [X.] durch einen schlichten Fortsetzungsbeschluss zu eröffnen. Gegen eine Fortsetzung spricht auch, dass dann keine gesetzliche Prüfung stattfindet, ob die Insolvenzreife überwunden ist ([X.], Beschluss vom 28. April 2015 - [X.], [X.], 1533 Rn. 15).

Damit hat der [X.] zugleich ausgesprochen, dass eine Fortsetzung einer [X.] mit beschränkter Haftung, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, das aber später nach § 207 Abs. 1 [X.] eingestellt worden ist, weil die Insolvenzmasse nicht ausreichte, um die Kosten zu decken, nicht möglich ist. § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG sieht in diesem Fall eine Fortsetzung der [X.] gerade nicht vor. Es macht aber keinen Unterschied, ob erst im Laufe des Insolvenzverfahrens die Unzulänglichkeit der Masse zur Deckung der Kosten zu Tage tritt oder bereits dieser Umstand zur Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt hat.

§ 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG dient dem Gläubigerschutz (vgl. [X.] EG[X.], BT-Drucks. 12/3803, [X.]) und bezweckt, eine [X.], die nicht einmal über ein Vermögen verfügt, das zur Deckung der Kosten eines Insolvenzverfahrens ausreicht, sofort von der weiteren Teilnahme am Rechtsverkehr auszuschließen ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], GmbHG, 2. Aufl., § 60 Rn. 147; [X.] in Henssler/Strohn, [X.], 5. Aufl., § 60 GmbHG Rn. 75; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 10 Rn. 38).

b) Aus diesen Gründen kommt es im Gegensatz zur Auffassung der Rechtsbeschwerde, die in der Literatur teilweise geteilt wird ([X.], GmbHG, 10. Aufl., § 60 Rn. 53 ff.; [X.] in [X.][X.], GmbHG, 20. Aufl., § 60 Rn. 33; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], GmbHG, 23. Aufl., § 60 Rn. 96; [X.] in [X.]/[X.], GmbHG, 5. Aufl., § 60 Rn. 71), nicht darauf an, ob alle [X.] für die [X.] beseitigt und deren Insolvenz durch Zuführung neuer Mittel nachhaltig überwunden wurde. Die Zuführung neuer Mittel für die Antragstellerin und die Rangrücktrittserklärung ihres Alleingesellschafters haben die Möglichkeit der Fortführung durch [X.]erbeschluss nicht begründet.

Belange der [X.]er rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die [X.]er einer GmbH haben die Möglichkeit, durch rechtzeitige Zuführung von Mitteln zur Deckung der Kosten des Insolvenzverfahrens den Anwendungsbereich des § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG zu eröffnen und die dort vorgesehene gesetzliche Möglichkeit der Fortsetzung der [X.] zu nutzen. Wenn sie diese Möglichkeit nicht ergreifen, ist kein Grund ersichtlich, eine nicht im Gesetz vorgesehene Möglichkeit zur Fortsetzung der [X.] durch einen schlichten Fortsetzungsbeschluss zu eröffnen (vgl. [X.], Beschluss vom 28. April 2015 - [X.], [X.], 1533 Rn. 15). Diese Möglichkeit bestand auch für den Alleingesellschafter der Antragstellerin.

Diese Gründe sprechen auch gegen eine Fortsetzungsmöglichkeit, selbst wenn die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Neugründung eingehalten sind (dafür [X.] in [X.]/[X.]/[X.], GmbHG, 2. Aufl., § 60 Rn. 147; [X.]/[X.], Stand: 1. Februar 2021, § 60 Rn. 23; [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 10 Rn. 38). Eine Fortsetzung der Antragstellerin kommt unter diesem Gesichtspunkt allerdings schon deshalb nicht in Betracht, weil nach den eigenen Angaben in der Anmeldung die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Neugründung nicht vorlagen.

[X.]     

      

Wöstmann     

      

Bernau

      

von Selle     

      

[X.]     

      

Meta

II ZB 8/21

25.01.2022

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Frankfurt, 12. April 2021, Az: 20 W 285/20

§ 60 Abs 1 Nr 5 GmbHG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.01.2022, Az. II ZB 8/21 (REWIS RS 2022, 1784)

Papier­fundstellen: WM 2022, 719 REWIS RS 2022, 1784 MDR 2022, 711-712 REWIS RS 2022, 1784

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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