Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.04.2015, Az. II ZB 13/14

2. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 12011

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Gegenstand

Fortsetzung einer wegen der Insolvenzeröffnung aufgelösten GmbH


Leitsatz

Wird eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen aufgelöst, kann sie nur in den in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG genannten Fällen fortgesetzt werden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerden der Beteiligten gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 1. April 2014 werden auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Beteiligte zu 1 ist eine im Handelsregister des [X.] eingetragene [X.] mit beschränkter Haftung. Über ihr Vermögen wurde durch Beschluss des [X.] vom 1. April 2011 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet. Am 10. Mai 2011 wurde von Amts wegen die Auflösung der Beteiligten zu 1 in das Handelsregister eingetragen. Das Insolvenzverfahren wurde durch rechtskräftigen Beschluss des [X.] vom 4. Juni 2013 gemäß § 200 [X.] nach vollzogener [X.] aufgehoben. Dieser Umstand wurde am 8. Juli 2013 in das Handelsregister eingetragen.

2

Der Beteiligte zu 2, Geschäftsführer und alleiniger [X.]er der Beteiligten zu 1, hat am 18. Juli 2013 eine [X.]erversammlung abgehalten und die Fortsetzung der Beteiligten zu 1 beschlossen. Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 18. Juli 2013 hat er unter Vorlage der Niederschrift über den [X.]erbeschluss die Fortsetzung der [X.] beim Handelsregister angemeldet.

3

Das Registergericht hat die [X.]eldung zurückgewiesen. Die hiergegen gerichteten Beschwerden der Beteiligten wurden gleichfalls zurückgewiesen. Dagegen richten sich die vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerden der Beteiligten.

4

II. Die nach ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaften und auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerden haben keinen Erfolg.

5

1. Das Beschwerdegericht ([X.], [X.], 1428 = GmbHR 2014, 874) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

6

Gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 1 GmbHG werde die [X.] mit beschränkter Haftung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst. Nach § 60 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2 GmbHG könnten die [X.]er die Fortsetzung der [X.] beschließen, wenn das Verfahren auf Antrag des Schuldners eingestellt oder nach der Bestätigung eines Insolvenzplans, der den Fortbestand der [X.] vorsehe, aufgehoben werde. Diese Ausnahmefälle lägen nicht vor. Eine Fortsetzung sei dann ausgeschlossen. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass nach dem Vortrag der Beschwerdeführer sämtliche Gläubiger der [X.], deren Forderungen zur Insolvenztabelle festgestellt worden seien, vollständig befriedigt worden seien und sowohl das Stammkapital als auch weiteres Vermögen zur freien Verfügung der Geschäftsführung stehe.

7

2. Diese Ausführungen sind ohne Rechtsfehler. Wird eine [X.] mit beschränkter Haftung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der [X.] aufgelöst, kann sie nur in den in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG genannten Fällen fortgesetzt werden. Dies gilt auch dann, wenn die [X.] über ein das satzungsgemäße Stammkapital übersteigendes Vermögen verfügt und alle Gläubiger im Insolvenzverfahren befriedigt wurden.

8

a) Eine verbreitete Auffassung im Schrifttum will bei einer Beendigung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH in anderen als in den in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG genannten Fällen die Fortsetzung der [X.] nicht ausschließen (vgl. [X.], GmbHR 2003, 67, 71; Hacker/[X.], [X.], 761, 768 f.; [X.], [X.], 626, 627; [X.] in [X.][X.], GmbHG, 7. Aufl., § 60 Rn. 51; [X.]/[X.]/Bitter, GmbHG, 11. Aufl., vor § 64 Rn. 180 ff.; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 11 Rn. 154). Nach herrschender Auffassung handelt es sich bei den durch § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG im eröffneten Insolvenzverfahren der [X.] eingeräumten Fortsetzungsmöglichkeiten um eine abgeschlossene Regelung (vgl. [X.], GmbHR 2006, 91, 92; [X.], [X.], 1183, 1185; [X.], [X.], 278; [X.], [X.] 15/2014 [X.]. 2; [X.], [X.], 31, 32 f.; [X.], [X.] 1/2015 [X.]. 2; [X.] in EWiR 2014, 645 f.; [X.] in [X.]/ [X.]/[X.], 3. Aufl., [X.]. 10 Rn. 21; [X.].[X.].[X.]/[X.], 4. Aufl., § 62 Rn. 32; [X.]/Strohn/[X.], 2. Aufl., GmbHG § 60 Rn. 74; [X.] in [X.]/[X.], GmbHG, 20. Aufl., § 60 Rn. 95; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], GmbHG, 2. Aufl., § 60 Rn. 69; Rowedder/Schmidt-Leithoff/[X.], GmbHG, 5. Aufl., § 60 Rn. 76; [X.]/[X.], GmbHG, 8. Aufl., § 60 Rn. 102; [X.] in [X.]/[X.]/Winter, GmbHG, § 60 Rn. 128, 147; [X.]KommGmbHG/[X.], § 60 Rn. 273).

9

b) Die zuletzt genannte Auffassung ist richtig.

aa) Für die [X.] des § 274 Abs. 2 Nr. 1 AktG hat der [X.] zum alten Konkursrecht bereits entschieden, dass eine Fortsetzung der [X.] nach Auflösung durch die Eröffnung des Konkursverfahrens nur in den gesetzlich bestimmten Fällen zulässig ist (vgl. [X.], Urteil vom 25. Oktober 2002 - [X.], [X.], 382, 386). Für § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG gilt nichts anderes. Gegen eine Fortsetzungsmöglichkeit in anderen als den in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG genannten Fällen spricht der Umstand, dass der Wortlaut der Norm im Zuge der Insolvenzrechtsreform des Jahres 1994 nicht erweitert wurde ([X.]KommGmbHG/[X.], § 60 Rn. 273; [X.] in [X.]/[X.]/Winter, GmbHG, § 60 Rn. 147). Die Auffassung der Rechtsbeschwerde, der Wortlaut sei weder eindeutig noch abschließend und der Gesetzgeber habe keinen Anlass gehabt, die Regelung zu ändern, überzeugt dagegen nicht. Denn die Frage einer Fortsetzungsmöglichkeit außerhalb der in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG genannten Fälle war bereits unter der Geltung der Konkursordnung streitig (vgl. [X.]/[X.], GmbHG, 8. Aufl., § 60 Rn. 101 ff.).

Die Regelung in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG ordnet nicht nur die Auflösung der [X.] im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen an, sondern sieht ausdrücklich die Möglichkeit der Fortsetzung vor, wenn das Verfahren auf Antrag der [X.] gemäß §§ 212, 213 [X.] eingestellt wird oder nach Bestätigung eines Insolvenzplans, welcher den Fortbestand der [X.] vorsieht, aufgehoben wird. In diesen Fällen kann die [X.] durch einen Fortsetzungsbeschluss der [X.]er nach allgemeinen Grundsätzen fortgesetzt werden. Der Gesetzgeber hat mit § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG zwei gangbare Wege aufgezeigt, die sowohl den Erhalt der [X.] als auch deren weitere Teilnahme am Marktgeschehen ermöglichen.

In den gesetzlich geregelten Fällen, sowohl bei der Fortsetzung der [X.] bei Wegfall der [X.] oder der Einstellung des Insolvenzverfahrens mit Zustimmung der Gläubiger nach §§ 212, 213 [X.] als auch bei der Beendigung des Insolvenzverfahrens durch einen Insolvenzplan, beseitigt das Unternehmen (unter Mitwirkung seiner Gläubiger) die zur Insolvenz führende unternehmerische Krise und bleibt - für die beteiligten Verkehrskreise erkennbar - als wirtschaftliche Einheit aus Sach- und Personalmitteln am Markt erhalten. Bei einer Beendigung des Insolvenzverfahrens nach [X.] gemäß § 200 [X.] besteht demgegenüber regelmäßig kein fortsetzungsfähiges Unternehmen mehr (vgl. [X.], [X.], 1183, 1185; [X.], [X.] 15/2014 [X.]. 2). Die Auflösungsfolge des § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG dient dem Gläubigerschutz und es ist im Regelfall nicht zu erwarten, dass die [X.] in den nicht in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG genannten Fällen nach Abschluss des Insolvenzverfahrens noch über maßgebliches [X.]svermögen verfügt, welches eine Fortsetzung der [X.] ohne Gefährdung der Gläubiger rechtfertigen könnte (vgl. [X.], [X.] 15/2014 [X.]. 2; [X.]/[X.], GmbHG, 8. Aufl., § 60 Rn. 102; [X.]KommGmbHG/[X.], § 60 Rn. 273; [X.] in [X.]/[X.]/Winter, GmbHG, § 60 Rn. 147).

bb) Eine Erweiterung der von Gesetzes wegen beschränkten Fortsetzungsmöglichkeiten wäre auch dann nicht geboten, wenn die Beteiligte zu 1 über ein das satzungsgemäße Stammkapital übersteigendes Vermögen verfügte und alle Gläubiger im Insolvenzverfahren befriedigt worden wären.

Für eine solche Fortsetzungsmöglichkeit besteht schon kein Bedürfnis. Denn gerade nach Beseitigung der Insolvenzreife und nach der Befriedigung aller Gläubiger kann der Weg des § 212 [X.] beschritten und eine Einstellung des Insolvenzverfahrens wegen Wegfalls des [X.] herbeigeführt werden. Danach kann die Fortsetzung der [X.] beschlossen werden.

Lassen die Beteiligten diese gesetzlich eingeräumte Möglichkeit der Fortsetzung ungenutzt, ist kein Grund dafür ersichtlich, eine nicht im Gesetz vorgesehene Möglichkeit zur Fortsetzung der [X.] durch einen schlichten Fortsetzungsbeschluss zu eröffnen (vgl. [X.], [X.], 278, 279; [X.], [X.] 15/2014 [X.]. 2; [X.]KommGmbHG/[X.], § 60 Rn. 273; Rowedder/Schmidt-Leithoff/[X.], GmbHG, 5. Aufl., § 60 Rn. 76). Dagegen spricht vielmehr, dass anders als im Fall des § 212 [X.] dann keine gerichtliche Prüfung stattfindet, ob die Insolvenzreife überwunden ist, § 212 Satz 2 [X.] (vgl. [X.].[X.].[X.]/[X.], 4. Aufl., § 62 Rn. 33; [X.]/Strohn/[X.], 2. Aufl., GmbHG § 60 Rn. 74; [X.]Komm GmbHG/[X.], § 60 Rn. 271; [X.]/Nerlich, GmbHG, 2. Aufl., § 60 Rn. 360; zur gerichtlichen Prüfung [X.] in [X.]/[X.]/Ringstmeier, § 212 [X.] Rn. 11 ff.).

Bergmann                         Strohn                   Reichart

                    Drescher                     Born

Meta

II ZB 13/14

28.04.2015

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 1. April 2014, Az: 2 W 89/13, Beschluss

§ 60 Abs 1 Nr 4 GmbHG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 28.04.2015, Az. II ZB 13/14 (REWIS RS 2015, 12011)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12011

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II ZB 13/14

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