Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.02.2023, Az. 6 StR 516/22

6. Strafsenat | REWIS RS 2023, 514

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Gegenstand

Anforderungen an Beweiswürdigung beim Wiedererkennen eines Angeklagten


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 4. August 2022 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) im Fall II.1 der Urteilsgründe,

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe und

c) soweit die Einziehung des Wertes des [X.] angeordnet wurde.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen räuberischer Erpressung, Diebstahls sowie Körperverletzung unter Einbeziehung anderweitig erkannter Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Ferner hat es [X.] getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verurteilung wegen räuberischer Erpressung im Fall II.1 hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung ist rechtsfehlerhaft.

3

Das [X.] hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten maßgeblich darauf gestützt, dass die Nebenklägerin ihn bei einer Wahllichtbildvorlage und erneut in der Hauptverhandlung wiedererkannt hat. Den hieraus folgenden besonderen Darlegungsanforderungen (vgl. [X.], Beschluss vom 29. November 2016 – 2 [X.], [X.], 90 f.) ist es nicht gerecht geworden.

4

Den Urteilsgründen kann schon nicht entnommen werden, aufgrund welcher konkreten äußeren Merkmale die Nebenklägerin den Angeklagten als einen der Täter erkannt hat (vgl. zu diesem Erfordernis [X.], Beschlüsse vom 1. Oktober 2008 – 5 [X.], [X.], 283; vom 17. Februar 2016 – 4 [X.], [X.], 791). Hierzu bestand umso mehr Veranlassung, als die Strafkammer ausgeführt hat, dass bei Betrachtung der nach Angaben der Nebenklägerin gefertigten Phantombilder optische Abweichungen zum Angeklagten aufgefallen seien und es kleinere Unstimmigkeiten bei der Zuordnung der [X.] gegeben habe.

5

Zudem ist zu besorgen, dass die Strafkammer der subjektiven Gewissheit der Nebenklägerin beim Wiedererkennen („sehr eindeutig“, „mit großer Überzeugung“, „keinerlei Zweifel“) ein zu großes Gewicht beigemessen hat. Konnte ein Zeuge eine ihm vorher unbekannte Person nur kurze Zeit beobachten, darf sich das Tatgericht nicht ohne Weiteres auf die subjektive Gewissheit des Zeugen beim Wiedererkennen verlassen, sondern muss aufgrund objektiver Kriterien nachprüfen, welche Beweisqualität dieses Wiedererkennen hat, und dies in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. Dezember 2016 – 2 [X.]; vom 3. März 2021 – 2 StR 11/21, [X.], 792). Daran fehlt es.

6

Darüber hinaus wird nicht erörtert, warum der Nebenklägerin ein Wiedererkennen des Angeklagten in der Hauptverhandlung möglich war, obwohl dieser eine Mund-Nasen-Bedeckung trug und seit dem Geschehen mehr als fünf Jahre vergangen sind. Diesbezüglich wird zudem nicht deutlich, ob sich die Strafkammer des geringeren Beweiswerts des wiederholten Erkennens in der Hauptverhandlung bewusst war (vgl. [X.], Beschlüsse vom 29. November 2016 – 2 [X.], aaO; vom 22. November 2017 – 4 StR 468/17).

7

2. Der Senat vermag ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler nicht auszuschließen. Der Wegfall der für diesen Tatvorwurf verhängten Strafe zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Auch die angeordnete Einziehung des Wertes des [X.] kann nicht bestehen bleiben.

Sander     

  

Feilcke     

  

Wenske

  

Fritsche     

  

von [X.]     

  

Meta

6 StR 516/22

08.02.2023

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Göttingen, 4. August 2022, Az: 16 KLs 23/21

§ 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.02.2023, Az. 6 StR 516/22 (REWIS RS 2023, 514)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 514

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