Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.10.2011, Az. 5 StR 14/11

5. Strafsenat | REWIS RS 2011, 1856

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen



5 StR 14/11

BUNDESGERICHTSHOF

IM [X.] DES VOLKES

URTEIL

vom 27. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen

wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs

-
2
-
Der 5. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 27. Okto-ber
2011, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender [X.] Basdorf,

[X.] Dr. Raum,
[X.] [X.],
[X.] Prof. Dr. König,
[X.] Bellay

als beisitzende [X.],

[X.]

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

[X.]

als
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

-
3
-
für Recht erkannt:

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 12. Mai 2010 wird mit der [X.] verworfen, dass der Verfallsbetrag (§ 111i Abs. 2 [X.]) gegen den Angeklagten

[X.]

e-trägt.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen [X.].

Von Rechts wegen

[X.] n d e

Das [X.] hat den Angeklagten

[X.]
wegen gewerbs-mäßigen Bandenbetrugs in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und festgestellt, dass gegen ihn lediglich deshalb nicht auf Verfall in Höhe .

U.

N.
GmbH
insoweit entgegenstehen. Gegen den [X.] richtet sich die Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Ge-neralbundesanwalt in der Hauptverhandlung nicht vertreten worden ist. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, führt vielmehr zu einer Reduzierung des [X.] nach §
301 [X.].

1
-
4
-
I.

Nach den Feststellungen des [X.] war der Mitangeklagte S.

bei der Geschädigten, die Wertstoffe aufkauft, als [X.] beschäftigt. Zu seinen Aufgaben zählte, eigenverantwortlich [X.] auszustellen, welche die Grundlage für die Vergütung der angelieferten Wertstoffe bildeten. Der Angeklagte und sein mitangeklagter Bruder rechne-ten für ihre Unternehmen in erheblichem Umfang Wertstoffe gegenüber der Geschädigten ab. Entsprechend ihrem zuvor gefassten gemeinsamen [X.] lagen diesen Abrechnungen planmäßig nie erfolgte [X.] zugrunde, für die der Mitangeklagte [X.]
falsche [X.] ausstell-te. Zwischen den Angeklagten war ferner verabredet, dass der Angeklagte

[X.]
von den für sein Unternehmen erhaltenen Geldern die [X.] sowie 30 % pauschal für sonstige Aufwendungen, nament-lich Steuern, abziehen durfte und der verbleibende Rest zwischen ihm und den Mitangeklagten zu gleichen Teilen aufgeteilt werden sollte. [X.] leitete der Angeklagte diese Gelder an die Mitangeklagten weiter.

Insgesamt behielt der Angeklagte

[X.]
den Betrag von § 111i Abs. 2 [X.] zugrunde gelegt hat. Die ausgekehrten Beträge

gegen die Mitangeklagten wurden über die ihnen zugeflossenen Gelder entspre-chende Anordnungen nach § 111i Abs. 2 [X.] getroffen

hat es nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB außer Betracht gelassen, zumal der Angeklagte nur kurz-fristig und transitorisch auf seinem Girokonto den vollen Betrag erlangt habe.

II.

Die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft, die mit [X.] und der Beanstandung der Verletzung sachlichen Rechts ge-führt wird, bleibt

abgesehen von der gebotenen Korrektur nach § 301 [X.]

ohne Erfolg.
2
3
4
-
5
-

1. Die beiden von der Staatsanwaltschaft erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Die eher fernstehende Erfüllung der Zulässigkeitsvoraus-setzungen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 [X.]) kann dahinstehen. Letztlich geht es der Staatsanwaltschaft gar nicht entscheidend um eine etwa unzureichende Ausschöpfung in die Hauptverhandlung
eingeführter Erkenntnisse über die Vermögensverhältnisse des Angeklagten im Urteil (§ 261 [X.]) oder um de-ren unzulängliche Aufklärung (§ 244 Abs. 2 [X.]), sondern um die Frage der Erheblichkeit solcher Erkenntnisse für die Entscheidung nach § 111i Abs. 2
[X.] i.V.m.
§ 73c Abs. 1 Satz 2 StGB, welche die Staatsanwaltschaft abwei-chend vom [X.] beurteilt, das ersichtlich deshalb nähere Erörterun-gen hierzu im Urteil und auch weitere Aufklärung unterlassen hat. Diese Er-heblichkeitsfrage erfährt aber hinreichende Klärung im Rahmen der erhobe-nen Sachrüge, die ihrerseits erfolglos bleibt.

2. Die Revision zeigt hinsichtlich der nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB getroffenen Ermessensentscheidung, die an die Mitangeklagten abgeführten Beuteanteile von dem nach §
111i Abs. 2 [X.] festzulegenden Betrag in Abzug zu bringen, keinen Rechtsfehler auf.

a) Allerdings scheidet nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB regelmäßig dann aus, wenn der
Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem verfallbaren Betrag zurückbleibt ([X.], Urtei-le
vom 2. Oktober 2008

4 StR 153/08, [X.], 234, 235; vom 10.
Oktober 2002

4 [X.], [X.]St 48, 40, 42).

Dies gilt freilich nicht
uneingeschränkt. Steht zweifelsfrei fest, dass der fragliche Vermögenswert ohne jeden denkbaren Zusammenhang mit den abgeurteilten Straftaten erworben wurde, ist eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB nicht ausgeschlossen ([X.] aaO,
[X.], 234, 235; [X.], Urteil vom 2. Dezember 2004
5
6
7
8
-
6
-

3 StR 246/04, [X.], 104, 105). Ein umfassender Ausschluss wä-re im Übrigen auch mit dem Wortlaut des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB nicht vereinbar, der gerade nicht auf den Wert des Vermögens, sondern auf den Wert des [X.] in dem Vermögen abstellt ([X.]St aaO). Dass hierdurch die Maßnahme des [X.] in ihrer präventiven Wirkung ge-schwächt sein könnte (so [X.], Urteil vom 16. Mai 2006

1 StR 46/06, Rn. 23 f., [X.]St
51, 65), ist nicht ersichtlich; gegebenenfalls hätte dies der Ge-setzgeber hier wie auch bei anderen [X.] bewusst in Kauf ge-nommen. Zudem erfordert die Feststellung dieser Ausnahmetatbestände

wie der vorliegende Fall zeigt

regelmäßig keine überbordenden Finanzer-mittlungen.

Das vorhandene Restvermögen des Angeklagten steht hier ersichtlich in keinem Zusammenhang mit den der gerichtlichen Würdigung unterstellten Straftaten. Der Angeklagte

[X.]
hat Teile der vereinnahmten Gelder unverzüglich an die Mitangeklagten weitergeleitet. Auch dass er in [X.] oder andere Straftaten verwickelt gewesen sein könnte, ist nicht ersicht-lich; er ist strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten. Damit war dem [X.] hinsichtlich des Restbetrags eine Ermessensentscheidung eröff-net. Deren Ergebnis ist zudem in Fällen des § 111i Abs. 2 [X.] schon aus Gründen der Ressourcenschonung vom Revisionsgericht bis zur äußersten Grenze der Vertretbarkeit hinzunehmen (vgl. hierzu auch [X.] in [X.], 6. Aufl., § 111i Rn. 3, 17). Diese ist hier ersichtlich nicht überschritten.

b) Die Anordnung ist auch nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil eine ge-samtschuldnerische Haftung

bezogen auf die gesamte vom Angeklagten

[X.]
vereinnahmten Summe

hätte angeordnet werden müssen. Der [X.] kann dabei offen lassen, ob bei Verfallsanordnungen oder Anord-nungen nach § 111i Abs. 2 [X.] eine gesamtschuldnerische Haftung ohne die ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung überhaupt in Betracht kommen kann (vgl. [X.] NStZ 2010, 569). Denn im vorliegenden Fall liegen ihre Voraussetzungen, soweit die Rechtsprechung des [X.] eine 9
10
-
7
-
solche bislang zugelassen hat, nicht vor. Danach kommt eine gesamtschuld-nerische Haftung dann in Betracht, wenn die Täter zumindest zu einem be-stimmten Zeitpunkt gemeinsam Mitverfügungsmacht über den gesamten Be-trag hatten ([X.], Urteil vom 28. Oktober 2010

4 [X.], Rn. 21 ff., [X.]St 56, 39; Beschluss vom 8. Dezember 2010

2 [X.], Rn. 3, [X.], 113). Dieses Erfordernis war zu keinem Zeitpunkt eingetreten, weil der Angeklagte

[X.]
die Beuteanteile an seine Mittäter weiterge-leitet hatte.

Im vorliegenden Verfahren kommt eine weitere Besonderheit hinzu. Die Staatsanwaltschaft hat die Anordnung nach § 111i Abs. 2 [X.] gegen die Mitangeklagten rechtskräftig werden lassen, ohne dass dort eine gesamt-schuldnerische Haftung angeordnet gewesen wäre. Würde nunmehr gegen den Angeklagten allein eine gesamtschuldnerische Haftung für den vollen Betrag ausgesprochen, so wäre nicht gewährleistet, dass er auf dieser Grundlage gegen die Mitangeklagten Regress nehmen könnte. Umgekehrt könnte auch eine Erstreckung auf die übrigen Mitangeklagten nach § 357 [X.] nicht erfolgen, weil eine solche Erstreckung für sie auch
nachteilig wä-re, da sie dann über ihren (bislang als Verfallsbetrag ausgeurteilten) [X.] hinaus haften müssten.

c) Die Ermessensbetätigung des [X.] ist rechtsfehlerfrei. Es durfte dabei die Weggabe der Beuteanteile an die Mittäter des Angeklagten in Abzug bringen. Die Erwägung, dass er die Beute in Form von Giralgeld nur kurzfristig und transitorisch erlangt habe, ist nicht zu beanstanden (vgl. [X.], Beschlüsse vom 10. Januar 2008

5 [X.], Rn. 7 ff., [X.], 565 und vom 27. Oktober 2009

5 [X.], [X.], 128). Bei der Berech-nung des [X.] hat das [X.] in der Summe sämtlicher An-ordnungen nach § 111i Abs. 2 [X.] den gesamten Betrag abgeschöpft. Der [X.] schließt daher aus, dass es im Rahmen seiner Entscheidung grundle-gende Prinzipien des Rechts des Verfalls verkannt haben könnte.
11
12
-
8
-
3. Allerdings führt die Revision der Staatsanwaltschaft, die nach § 301 [X.] auch zugunsten des Angeklagten wirkt, insoweit teilweise zur Ur-teilskorrektur. Der nach § 111i Abs.
2 [X.] festgesetzte Betrag ist aus zwei Gründen zu hoch angesetzt. Der [X.] reduziert diesen Betrag (gerundet)

a) Das [X.] hätte die Gutschrift vom 31. Dezember 2006 in Höhe von (dem Angeklagten

[X.]
zugeAnsatz bringen dürfen. Die Regelung des § 111i [X.] gilt nämlich erst für Taten, die nach dem 1. Januar 2007 beendet wurden ([X.], Beschluss vom 23. Oktober 2008

1 [X.], [X.], 56). Für frühere Taten

wie hier diejenige nach II.2. Fall 1 der Urteilsgründe

hat es mit dem Aus-schluss des Verfalls nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB sein Bewenden.

b) Das [X.] hat zudem nicht bedacht, dass in den Rechnungen Umsatzsteuer ausgewiesen war. Aus dem Gesamtzusammenhang
der Ur-teilsgründe ist zu entnehmen, dass die ausgewiesene Umsatzsteuer auch tatsächlich abgeführt wurde. Im Übrigen würde der Angeklagte als Empfän-ger von einer von ihm veranlassten Gutschrift (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG) mit unrichtigem [X.] umsatzsteuerlich haften (§ 14c Abs. 1 Satz 1 UStG). Entsprechende steuerliche Belastungen müssen im Rahmen des Verfalls berücksichtigt werden ([X.], Urteil vom 21. März 2002

5 [X.], [X.]St 47, 260; Beschluss vom 18. Februar 2004

1 [X.], [X.], 22). Für Anordnungen nach § 111i Abs. 2 [X.] gilt nichts anderes, zumal die Umsatzsteuer für das geschädigte Unterneh-men regelmäßig ein durchlaufender Posten sein wird. Dies bedeutet, dass von dem

unter Abzug von a)

ermittelten Rechnungsgesamtbetrag in Hö-

c) Weitere Abzüge wegen möglicher anderer Steuern (Körperschaft-
bzw. Einkommensteuer) sind dagegen nicht veranlasst. Weder ist ersichtlich, 13
14
15
16
-
9
-
dass entsprechende Steuern gezahlt wurden noch dass etwaige steuerliche Veranlagungen bestandskräftig abgeschlossen sind.

4. Eine Erstreckung der Korrektur der Verfallsentscheidung auf den Mitangeklagten U.
T.

(§ 357 [X.]) muss dagegen unterbleiben, weil der (zwar identische) Rechtsfehler unterschiedliche Taten betrifft (vgl. [X.], [X.], 54. Aufl., § 357 Rn. 13).

[X.] [X.]

König Bellay

17

Meta

5 StR 14/11

27.10.2011

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.10.2011, Az. 5 StR 14/11 (REWIS RS 2011, 1856)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 1856

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 StR 14/11 (Bundesgerichtshof)

(Verfallsanordnung: Ermessensentscheidung bei Vorhandensein von Vermögenswerten bis zur Höhe des verfallbaren Betrages; gesamtschuldnerische Haftung von …


4 StR 215/10 (Bundesgerichtshof)


4 StR 215/10 (Bundesgerichtshof)

Beschlagnahme und Verfall: Urteilsfeststellungen bei Aufrechterhaltung der Beschlagnahme wegen Ansprüchen des Verletzten bei mehreren gesamtschuldnerisch …


3 StR 179/13 (Bundesgerichtshof)

Verfallsanordnung: Voraussetzungen bei mehreren Mittätern eines schweren Bandendiebstahls; Feststellung des Erlangten


1 StR 677/16 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

5 StR 14/11

4 StR 215/10

2 StR 372/10

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.