Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.05.2016, Az. IV ZR 211/15

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 10942

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[X.]:[X.]:BGH:2016:250516UIVZR211.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR 211/15
Verkündet am:

25. Mai 2016

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzende Richterin [X.], [X.], [X.], die Richterinnen
Dr.
[X.] und Dr. Bußmann
im schriftlichen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum
4. Mai 2016 eingereicht werden konnten,

für Recht erkannt:

Auf die Revision der [X.]n
wird das Urteil des 7. Zi-vilsenats des [X.] vom 19. März
2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 184.438,78

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt
von der
[X.]n, einem [X.] Lebens-versicherer, Schadensersatz
wegen der Verletzung von [X.] im Zusammenhang mit dem
im Jahre 2001 erfolgten
Abschluss eines
Lebensversicherungsvertrages.
Diese Versicherung war Bestand-teil eines als "Europa-Anlageplan"
bezeichneten Kapitalanlagemodells.

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Weil sich der [X.] der Lebensversicherung nicht so entwi-ckelte, dass damit die im Rahmen des [X.]s vorgesehene
voll-ständige Tilgung vom Kläger aufgenommener
Darlehen zu erwarten war,
verlangt er,
so gestellt zu werden, als hätte er sich an dem [X.] nicht beteiligt. Er macht geltend, dass der Vermittler
der Anlage
ihn über die aus der Versicherung zu erwartenden
Renditen, die [X.] und -verwendung durch die [X.], das von ihr praktizierte Glättungs-verfahren und die gewährten Garantien
falsch und irreführend
aufgeklärt habe.
Diese Angaben müsse sich die [X.] zurechnen lassen, weil sie über die
Einzelheiten des Anlagekonzepts informiert gewesen sei, dieses aktiv gefördert habe und dem Vermittler die von ihm gemachten Angaben mit Wissen der [X.]n in entsprechenden Schulungen ver-mittelt worden seien.

Ende
Dezember 2009
reichte
der Kläger
über seinen Anwalt bei der staatlich anerkannten Gütestelle eines
Rechtsanwalts und Mediators in F.

einen Güteantrag
ein,
von dem die [X.] durch
Schreiben der Gütestelle vom 17.
März 2010
unterrichtet wurde. Nachdem die [X.] mit Schreiben vom 23.
März
2010, eingegangen bei der Gütestelle am 26.
März 2010,
mitgeteilt hatte, dass sie an dem Güteverfahren nicht
teilnehmen werde, stellte die Gütestelle mit Schrei-ben vom 20.
April 2010, eingegangen bei den Prozessbevollmächtigten des [X.]
am 21.
April 2010,
das Scheitern des Verfahrens fest. In §
7 Buchst. b
der maßgeblichen Verfahrensordnung der Gütestelle
heißt
es: "erklärt, dass sie nicht an ei-nem Mediationstermin teilnehmen wird."

Am 10.
Oktober 2012
hat der Kläger
beim
Landgericht Klage ein-gereicht, die der [X.]n
am 8.
November 2012
zugestellt worden ist.
Mit dieser
Klage hat er
Zahlung von 199.915,66

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4
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stellung von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten sowie
die Feststellung, dass die [X.] ihm den darüber hinausgehenden
Scha-den im Zusammenhang mit dem
abgeschlossenen Europa-Anlageplan
zu ersetzen habe, verlangt.

Die [X.] ist dem Vorbringen des [X.] entgegengetreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Die Klage hat in den Vorinstanzen im Wesentlichen Erfolg gehabt.
Mit der Revision verfolgt die [X.]
ihren Klageabweisungsantrag
wei-ter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[X.] Das Berufungsgericht hat die [X.] für verpflichtet gehalten, den Kläger so zu stellen, als hätte er den Versicherungsvertrag mit der [X.]n und die weiteren im Zusammenhang mit der Zeichnung der Anlage stehenden Verträge nicht abgeschlossen,
weil die [X.] ein unzutreffendes, zu positives Bild ihrer eigenen Renditeerwartung gege-ben habe. Die weiteren vom Kläger geltend gemachten
Aufklärungs-pflichtverletzungen könnten auf sich beruhen. Der [X.] sei auch nicht
verjährt.

Weder die kenntnisabhängige Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß §§
195, 199 Abs.
1 BGB noch
die kenntnisunabhängige absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren gemäß §
199 Abs.
3 BGB seien vor
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Klageerhebung abgelaufen, weil der Lauf der
Verjährungsfrist
mindes-tens vom 31.
Dezember 2009 bis zum 21.
Oktober 2010 gehemmt gewe-sen sei, so dass Verjährung nicht vor dem 21.
Oktober 2012 habe [X.] können. Das Güteverfahren habe eine Hemmung der Verjährung herbeigeführt; diese
Hemmung habe gemäß §
204 Abs.
2 BGB erst sechs
Monate nach dem Zeitpunkt geendet, in dem die Gütestelle dem Kläger mitgeteilt habe, dass die [X.] am Güteverfahren nicht [X.] wolle.
Kenntnis von der haftungsbegründenden Pflichtverletzung habe der Kläger erst im Jahre 2008 gehabt; dem Kläger könne es auch nicht als grob fahrlässig vorgeworfen werden, dass er den Gründen der schlechten Wertentwicklung der Anlage, die er aus den ihm übersandten Jahresübersichten erkennen konnte, nicht bereits früher nachgegangen sei.

I[X.] Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht
in al-len Punkten
stand.

1. Keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken unterliegt [X.] die Wertung
des Berufungsgerichts, dass die Verjährung gemäß §§
195, 199 Abs.
1 BGB erst mit dem Schluss des Jahres 2008 zu laufen begonnen hat.
Die Frage, ab welchem Zeitpunkt eine grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers von den Umständen anzunehmen ist,
die sei-nen Anspruch begründen, ist eine solche des Einzelfalls, die der Beurtei-lung durch den Tatrichter aufgrund einer Gesamtschau aller maßgebli-chen objektiven und subjektiven Umstände unterliegt (Senatsbeschlüsse vom 20.
Mai 2015

IV
ZR 34/14, juris Rn.
30 und vom 10.
Juli 2013

IV
ZR 88/11, [X.], 1457 Rn. 12). [X.] erhebliche Fehler bei dieser Beurteilung durch das Berufungsgericht sind nicht er-sichtlich.
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2. Dagegen tragen die
vom Berufungsgericht getroffenen [X.] einer die Verjährung des geltend gemachten Scha-densersatzanspruchs
nach §§
195, 199 Abs.
1 sowie §
199 Abs.
3 BGB hindernden
ausreichenden
Hemmung nicht.

a)
Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die zehn-jährige Verjährungsfrist am 1.
Januar 2002 zu laufen begonnen hat. Dies folgt aus Art.
229 §
6 Abs.
4 Satz
1 EGBGB.

b)
Ebenso rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht angenommen, dass mit
der Einreichung des Güteantrags, der der [X.]n sodann "demnächst"
bekanntgegeben wurde, eine Hemmung der Verjährung nach §
204 Abs.
1 Nr.
4 BGB eintrat.

aa) Entgegen der Auffassung der Revision war
der geltend ge-machte Anspruch in dem Güteantrag
bestimmt genug
bezeichnet, um ei-ne
Hemmung der Verjährung herbeizuführen.

Wie der
Senat mit Urteil vom 28.
Oktober 2015 (IV
ZR 405/14, [X.], 1545) entschieden und im Einzelnen ausgeführt hat, genügt es in Fällen der vorliegenden Art, in denen es um einen [X.] wegen Aufklärungsmängeln infolge ungenügender Aufklä-rung über Besonderheiten des von der [X.]n angebotenen Versiche-rungsprodukts geht, wenn [X.], Zeichnungssumme, Art und Umfang der behaupteten Aufklärungspflichtverletzungen und des geltend gemachten Schadensersatzanspruches bezeichnet werden (aaO Rn.
19); dabei reicht es jedenfalls dann aus, dass sich diese Angaben lediglich in vorprozessualen Anspruchsschreiben befinden, wenn es sich um ein ein-zelnes Schreiben handelt, mit dem die Erkennbarkeit des Begehrens des Antragstellers gewährleistet wird, auf dessen Inhalt in dem Antrag aus-12
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-
7
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drücklich Bezug genommen ist und das dem Antrag beigefügt wurde (aaO Rn.
15
f.). Diesen Anforderungen ist im Streitfall Genüge getan.

bb) Des Weiteren stellte es keine
rechtsmissbräuchliche Inan-spruchnahme
des Güteverfahrens dar, dass die Prozessbevollmächtigen des [X.]
insgesamt 904 gegen die [X.] gerichtete [X.] gleichzeitig bei der Gütestelle eingereicht haben, und ist es auch grund-sätzlich legitim und begründet im Regelfall keinen Rechtsmissbrauch, wenn ein Antragsteller eine Gütestelle ausschließlich zum Zwecke der Verjährungshemmung anruft (Senatsurteile
vom 28.
Oktober 2015

IV
ZR 405/14, [X.], 1545 Rn.
24 f. und IV
ZR 526/14, [X.], 1548 Rn.
32
f.).
Gesichtspunkte, die eine Ausnahme
von diesem Grundsatz rechtfertigen würden (vgl. dazu Senatsurteil vom 28.
Oktober 2015 -
IV
ZR 526/14, [X.], 1548 Rn. 34 f.), hat die [X.] im Streitfall in den Tatsacheninstanzen nicht mit ausreichender Substanz vorgebracht und auch keinen Beweis angetreten.

cc) Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Möglichkeit des Antragstellers, die Vollmacht nachzureichen,
sowie zur [X.] einer förmlichen Zustellung des Antrags sind aus [X.] nicht zu beanstanden.

c)
Zu Unrecht hat
das Berufungsgericht aber angenommen, dass die Nachlauffrist des §
204 Abs.
2 Satz
1 BGB erst
mit dem Zugang der Mitteilung der Gütestelle über das Scheitern des Verfahrens an die Pro-zessbevollmächtigten des [X.]
zu laufen begann.
Diese Frist begann vielmehr bereits zu dem Zeitpunkt, zu dem die Gütestelle die Mitteilung dieser Bekanntgabe veranlasst hat
(Senatsurteil vom
28.
Oktober 2015

IV
ZR 405/14, [X.], 1545 Rn.
30 ff.).

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Da das Berufungsgericht zum Zeitpunkt, in dem das auf den 20.
April 2010 datierte Schreiben der Gütestelle an den Kläger
veran-lasst worden ist, keine Feststellungen getroffen hat, ist es offen, ob die Einreichung der Klage am 10.
Oktober 2012 noch in nicht [X.] erfolgte. Die
Sache ist daher zwecks Nachholung der erforderlichen Feststellung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

[X.] [X.] [X.]

Dr. [X.] Dr. Bußmann

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.05.2013 -
2-23 O 396/12 -

O[X.], Entscheidung vom 19.03.2015 -
7 [X.] -

20

Meta

IV ZR 211/15

25.05.2016

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.05.2016, Az. IV ZR 211/15 (REWIS RS 2016, 10942)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 10942

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