Bundessozialgericht, Urteil vom 10.07.2014, Az. B 10 SF 1/14 R

10. Senat | REWIS RS 2014, 4142

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Kinder- und Jugendhilfe - Eingliederungshilfe für seelisch behinderte junge Volljährige - Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers gegen den Jugendhilfeträger - kein Anspruch nach § 14 Abs 4 S 1 SGB 9 - fehlende Weiterleitung des Antrags - kein Anspruch nach § 102 Abs 1 SGB 10 - fehlende vorläufige Leistungserbringung - kein Anspruch nach § 104 Abs 1 S 1 SGB 10 - fehlendes Vorgehen gegen die Leistungsablehnung durch den Jugendhilfeträger)


Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 21. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 203 400,33 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

[X.] ist die Erstattung von Kosten, die der klagende Landschaftsverband für eine stationäre Unterbringung des [X.]n in der [X.] vom [X.] bis zum 31.5.2010 in Höhe von 203 400,33 [X.] getragen hat.

2

Der im März 1986 geborene [X.] (S.) lebt im Stadtgebiet [X.]. 2003 erreichte er einen Hauptschulabschluss, brach aber eine Tischlerlehre in einem Jugenddorf, in dem er auf Kosten der [X.] untergebracht war, im Januar 2006 ab. Bis zum [X.] befand er sich wegen suizidaler Tendenzen in stationärer Krankenhausbehandlung, wo eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typus, eine Aufmerksamkeitsstörung sowie eine leichtgradige intellektuelle Minderbegabung diagnostiziert und eine stationäre Unterbringung in einer sozio-therapeutischen Übergangseinrichtung empfohlen wurde.

3

Bereits am 15.2.2006 hatte S. bei der beklagten Stadt [X.] als Jugendhilfeträger erfolglos die Gewährung von Hilfen für die Persönlichkeitsentwicklung sowie zur eigenverantwortlichen Lebensführung junger Volljähriger (§ 41 [X.]) beantragt; die Beklagte lehnte dies mit der Begründung ab, S. erfülle die für solche Leistungen notwendigen pädagogischen Voraussetzungen wegen erheblicher Drogen- und Alkoholabhängigkeit nicht (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Hiergegen haben weder S. noch der Kläger Klage erhoben. Hingegen übernahm der klagende [X.] als überörtlicher Träger der Sozialhilfe auf Antrag des [X.], dem der Bescheid der Beklagten vom [X.] beigefügt war, die Kosten für die vollstationäre Unterbringung im Heim "S." ([X.]). Dort befand sich der Kläger vom 10.5.2006 bis 6.10.2007. Danach wechselte er in eine Folgeeinrichtung.

4

Der Kläger machte mit Schreiben vom [X.] bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff [X.] geltend, den diese ablehnte (Schreiben vom 2[X.]). Auf die am 26.1.2007 erhobene, vom Verwaltungsgericht (VG) Köln mit Beschluss vom 12.2.2007 an das [X.] Klage auf Erstattung der Kosten für die [X.] vom 10.5.2006 bis zum 31.5.2010 in Höhe von 238 786,88 [X.] hat das [X.] die beklagte Stadt verurteilt, die Aufwendungen für die [X.] vom 10.5.2006 bis zum [X.] in Höhe von 35 386,55 [X.] zu erstatten und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil des [X.] vom [X.]). Die Berufung des [X.] hat das L[X.] zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, ein Erstattungsanspruch des [X.], der sich allein aus den Regelungen der §§ 102 ff [X.] ergeben könne, bestehe nicht. Dabei könne offenbleiben, ob die Beklagte für S. der sachlich und örtlich zuständige Träger für [X.] gewesen sei. Denn eine materiell-rechtliche Leistungsverpflichtung nach den Vorschriften des [X.] scheide von vornherein aus. Schon zu dem für eine Leistungsverpflichtung nach § 41 Abs 1 S 1 [X.] maßgeblichen [X.]punkt der Aufnahme von S. in das Wohnheim "S." habe es sich um einen zukunftsoffen angelegten Langzeitaufenthalt gehandelt, für den sich die Notwendigkeit einer Maßnahme der Hilfe für junge Volljährige nicht ergeben habe (Urteil vom 21.5.2012).

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 41 Abs 1 S 2 [X.]. Die Annahme des L[X.], es handele sich grundsätzlich nicht mehr um eine jugendhilferechtliche Maßnahme im Sinne dieser Vorschrift, wenn bei Beginn der Eingliederungsmaßnahme zugunsten eines bereits 20-jährigen Hilfebedürftigen prognostisch damit zu rechnen sei, dass die Maßnahme über die Vollendung des 21. Lebensjahres hinaus fortzuführen sein werde, sei unzutreffend. Aus diesem Grund bestehe ein Anspruch des [X.] auf Erstattung der Kosten aus § 104 [X.]. Sowohl der Kläger als auch die Beklagte seien im streitigen [X.]raum zur Erbringung derartiger Leistungen verpflichtet gewesen. Die vorrangige Leistungspflicht der Beklagten ergebe sich aus § 41 iVm § 35a [X.]. Nach dem Ergebnis des vom [X.] eingeholten psychiatrischen Gutachtens sei es als realistisch anzusehen, dass S. bis zum Erreichen des 27. Lebensjahres soweit stabilisiert sein werde, dass er zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung in der Lage sein werde.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 21. Mai 2012 aufzuheben und das Urteil des [X.] vom 29. September 2010 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger weitere Aufwendungen für Heimunterbringung des [X.]n vom 8. März 2007 bis 31. Mai 2010 in Höhe von 203 400,33 [X.] zu erstatten.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält das angefochtene Urteil des L[X.] für zutreffend.

9

Der [X.] hat sich in dem Verfahren nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 [X.]G).

1. Es liegen keine Gründe vor, die einer Entscheidung des Senats in der Sache entgegenstehen.

a) Im Streit ist nur noch die Erstattung der vom klagenden Landschaftsverband (überörtlicher Träger der Sozialhilfe) im Zeitraum vom [X.] (Vollendung des 21. Lebensjahres von S.) bis zum 31.5.2010 getätigten Aufwendungen in Höhe von 203 400,33 Euro, nachdem die beklagte [X.] ihre Verurteilung durch das [X.] zur Erstattung der zuvor angefallenen Kosten nicht mit der Berufung angegriffen hat. Richtige Klageart ist die Leistungsklage nach § 54 Abs 4 [X.]G, die nach Entfallen der [X.] von Behörden (§ 70 [X.] [X.]G) im [X.] unter den jeweiligen Rechtsträgern (§ 70 [X.] [X.]G) zu erheben ist (B[X.] [X.]-3500 § 29 [X.] Rd[X.]1).

b) Aufgrund der bindenden Verweisung des Rechtsstreits durch das [X.] mit Beschluss vom 12.2.2007 an das [X.] (§ 17a Abs 2 S 3 [X.]) sowie dessen Entscheidung in der Hauptsache ist der [X.] gegeben (§ 17a Abs 5 [X.]; vgl zB B[X.] [X.]-1720 § 17a [X.]).

2. Der Kläger hat keinen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte. Ein solcher ergibt sich weder aus § 14 Abs 4 [X.]B IX (dazu a) noch aus § 102 [X.]B X (dazu b) noch aus § 104 [X.]B X (dazu c).

a) § 14 Abs 4 [X.]B IX scheidet als Anspruchsgrundlage aus. Nach § 14 Abs 1 S 1 [X.]B IX hat der Rehabilitationsträger, bei dem Leistungen zur Teilhabe beantragt sind, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags festzustellen, ob er für die Leistung zuständig ist; stellt er seine Unzuständigkeit fest, hat er nach § 14 Abs 1 S 2 [X.]B IX den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Träger zuzuleiten. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, hat der angegangene Träger gemäß § 14 Abs 2 S 1 [X.]B IX den Rehabilitationsbedarf unverzüglich festzustellen. Aus den genannten Bestimmungen folgt nach der Rechtsprechung des B[X.], dass der erstangegangene Träger, der den Antrag nicht nach den Vorgaben des § 14 Abs 1 [X.]B IX weiterleitet, verpflichtet ist, Leistungen aufgrund aller Rechtsgrundlagen zu erbringen, die in der konkreten Bedarfssituation vorgesehen sind (vgl B[X.]E 93, 283, 288 = [X.]-3250 § 14 [X.] Rd[X.]5; B[X.]E 98, 267 = [X.]-3250 § 14 [X.], Rd[X.]4; B[X.]E 102, 90 = [X.]-2500 § 33 [X.]1, Rd[X.]3; B[X.]E 104, 294, 296 = [X.]-3250 § 14 [X.]; B[X.] [X.]-2500 § 33 [X.]5 Rd[X.]0). Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Abs 1 S 2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften (§ 14 Abs 4 S 1 [X.]B IX). Sinn und Zweck dieser Regelungen ist die möglichst schnelle Leistungsgewährung durch den zuerst angegangenen Rehabilitationsträger gegenüber dem Leistungsberechtigten mit anschließendem Ausgleich der Kosten zwischen den [X.] (vgl B[X.]E 98, 267 = [X.]-3250 § 14 [X.], Rd[X.]2 ff; [X.] in [X.]/von der [X.]/[X.], [X.]B IX, 3. Aufl 2009, § 14 Rd[X.] und 23). Der Leistungsberechtigte soll keinen Zuständigkeitsstreit zwischen den Rehabilitationsträgern ausgesetzt werden. Dementsprechend regelt § 14 Abs 4 S 1 [X.]B IX einen Erstattungsanspruch, wenn nach Bewilligung der Leistungen durch einen Rehabilitationsträger nach § 14 Abs 1 S 2 bis 4 [X.]B IX festgestellt wird, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist (s zuletzt B[X.] Urteil vom 12.12.2013 - [X.] [X.]/13 R - juris Rd[X.]3 mwN). Dies setzt jedoch eine Bewilligung der Leistung nach § 14 Abs 1 S 2 bis 4 [X.]B IX durch einen zweitangegangenen Rehabilitationsträger voraus, an den der Antrag von dem sich selbst für unzuständig haltenden erstangegangenen Rehabilitationsträger weitergeleitet worden ist. Dieser ist dann - wie oben bereits ausgeführt - im (Außen-)Verhältnis zum Versicherten endgültig und umfassend leistungspflichtig, auch wenn er nach den geltenden Normen außerhalb des [X.]B IX nicht für die beanspruchte [X.] des Versicherten zuständig ist (vgl Kater in [X.] Komm, Stand Juni 2014, § 102 [X.]B X Rd[X.]a; B[X.]E 101, 207 = [X.]-3250 § 14 [X.], Rd[X.]1).

Vorliegend war die Beklagte zwar der erstangegangene Leistungsträger iS des § 14 Abs 1 S 1 [X.]B IX. Sie hat jedoch ohne Weitergabe des Antrags an den Kläger ihre Leistungspflicht aus anderen Gründen als einem bestehenden Kompetenzkonflikt im Verhältnis zu S. bindend (§ 77 [X.]G) abgelehnt. Dem folgend fehlt es bereits an einer Weiterleitung des zunächst gestellten Antrags durch die erstangegangene Beklagte und damit an einer in § 14 Abs 4 S 1 [X.]B IX vorausgesetzten aufgedrängten Zuständigkeit des [X.].

b) Die Voraussetzungen des § 102 Abs 1 [X.]B X sind ebenfalls nicht erfüllt. Hat ein Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht, ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger gemäß § 102 Abs 1 [X.]B X erstattungspflichtig. Eine vorläufige Leistungsgewährung im Sinne dieser Vorschrift setzt voraus, dass der in Anspruch genommene Leistungsträger zwar zunächst zur Leistung verpflichtet ist, wobei jedoch Unklarheit über die Zuständigkeit für die endgültige Leistungserbringung oder ein negativer Kompetenzkonflikt besteht. Dabei muss der Wille des erstattungsbegehrenden Leistungsträgers, im Hinblick auf die ungeklärte Zuständigkeit leisten zu wollen, nach außen erkennbar sein (B[X.]E 58, 119, 120 f = [X.] 1300 § 104 [X.] S 18 mwN).

Eine gesetzliche Grundlage für eine Verpflichtung des [X.] zur vorläufigen Leistung bestand hier nicht. Es kann dahingestellt bleiben, ob § 43 Abs 1 [X.]B I im Verhältnis zwischen zwei Rehabilitationsträgern keine Anwendung findet oder § 14 [X.]B IX für Leistungen zur Teilhabe behinderter Menschen eine für die Rehabilitationsträger abschließende Regelung enthält, die den allgemeinen Regelungen zur vorläufigen Zuständigkeit oder Leistungserbringung im [X.]B I und den Leistungsgesetzen der Rehabilitationsträger vorgeht (B[X.]E 109, 56 = [X.]-3500 § 98 [X.] Rd[X.]1; BT-Drucks 14/5074 [X.] zu § 14; Wagner in jurisPK [X.]B I, 2. Aufl 2011, § 43 RdNr 8, differenzierend [X.] in [X.] Komm, Stand März 2005, § 43 [X.]B I Rd[X.] f, der eine Ergänzung des § 43 [X.]B I durch § 14 [X.]B IX annimmt; andere Auffassung [X.], [X.]B I, 5. Aufl 2014, § 43 RdNr 8, wonach § 43 [X.]B I als Kernregelung über die Vorleistung anzusehen und immer der Auslegung der Vorzug zu geben sei, die den einfachsten Zugang zu den Sozialleistungen ermögliche). Jedenfalls liegen die Voraussetzungen des § 43 Abs 1 [X.]B I nicht vor, wenn ein Träger der Sozialhilfe nach außen erkennbar Leistungen als eigene gewährt (vgl Kater in [X.] Komm, Stand Juni 2014, § 102 [X.]B X Rd[X.]0 unter Hinweis auf [X.], aaO, Rd[X.]5). So liegt der Fall hier.

Der Beklagte hatte den zunächst gestellten, für die Bestimmung der Zuständigkeit im Verhältnis zum Leistungsberechtigten maßgeblichen Antrag nicht nach § 14 Abs 1 S 2 [X.]B IX weitergeleitet, sodass sich für den Kläger keine aufgedrängte Zuständigkeit im Außenverhältnis ergab. Es lag kein Fall vor, der den Kläger zur vorläufigen Leistung verpflichtet und ihn ggf zur Kostenerstattung nach § 102 [X.]B X berechtigt hätte. Schließlich ist auch der Wille des [X.], im Hinblick auf eine ungeklärte Zuständigkeit (vorläufig) leisten zu wollen, vorliegend nach außen nicht erkennbar geworden. Er hat mit Bescheid vom 4.5.2006 S. gegenüber die Leistung zunächst befristet, diese aber nicht als vorläufige gekennzeichnet, sondern ausdrücklich als Leistung der Sozialhilfe (Eingliederungshilfe gemäß §§ 53 ff [X.]B XII und Leistungen zum Lebensunterhalt) bezeichnet und in eigener Zuständigkeit erbracht.

c) Schließlich scheidet auch § 104 [X.]B X als mögliche Anspruchsgrundlage aus. Nach dieser Vorschrift ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des § 103 Abs 1 [X.]B X vorliegen.

Insoweit kann die vom L[X.] entschiedene Frage offenbleiben, ob eine materiell-rechtliche Verpflichtung des [X.], an junge, seelisch behinderte Volljährige Eingliederungshilfe nach § 41 Abs 1 S 1 [X.]B VIII iVm § 35a [X.]B VIII zu erbringen, ausscheidet, wenn bei Beginn der Eingliederungsmaßnahme eines bereits volljährigen jungen Erwachsenen prognostisch damit zu rechnen ist, dass die Maßnahme langfristig über die Vollendung des 21. Lebensjahres hinaus fortzuführen sein wird. Einem Erstattungsanspruch nach § 104 [X.]B X steht jedenfalls die (mittlerweile bindend gewordene) Ablehnung der Leistung nach § 41 Abs 1 S 2 iVm § 35a [X.]B VIII durch den Beklagten entgegen. Die Leistungspflicht des auf Erstattung in Anspruch genommenen Leistungsträgers ist grundsätzlich durch die gegenüber dem Leistungsempfänger ergangenen Bescheide begrenzt (vgl B[X.]E 84, 80, 83 ff mwN = [X.] 3-1300 § 104 [X.]5; zuletzt B[X.] Urteil vom 17.12.2013 - [X.] KR 50/12 R - [X.]-3250 § 14 [X.]0 Rd[X.]6, unter Hinweis auf B[X.] [X.] 3-1300 § 86 [X.] S 6). Dies gilt zwar ua dann nicht, wenn die ablehnenden Bescheide offensichtlich unrichtig sind (vgl B[X.] [X.] 3-1300 § 86 [X.] S 6; B[X.]E 72, 281, 282 f = [X.] 3-1300 § 103 [X.]). Ob hier eine solche Ausnahmekonstellation vorliegt, ist zweifelhaft, jedoch muss dies nicht entschieden werden. Denn der Kläger könnte sich im Erstattungsverfahren nicht mehr auf eine offensichtliche Unrichtigkeit der Leistungsablehnung berufen. Er hat weder Widerspruch noch Klage erhoben und die ablehnenden Bescheide bestandskräftig (§ 77 [X.]G) werden lassen, obwohl er Kenntnis von der Leistungsablehnung und damit die Möglichkeit hatte, als Prozessstandschafter für den Leistungsempfänger das Widerspruchs- und Klageverfahren auf Feststellung der nunmehr im Streit stehenden Sozialleistung zu führen (vgl § 95 [X.]B XII).

Gemäß § 95 S 1 [X.]B XII kann der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe die Feststellung einer Sozialleistung betreiben sowie Rechtsmittel einlegen. Mit Hilfe dieser Regelung kann der Träger der Sozialhilfe statt und gerade neben [X.] vor allem nach den §§ 102 ff, 104 [X.]B X die Feststellung der Leistungspflicht des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers für die bereits erbrachten Leistungen geltend machen. Damit stehen Erstattungsansprüche und die Befugnis des § 95 [X.]B XII grundsätzlich gleichrangig nebeneinander ([X.] in: jurisPK [X.]B XII, 2. Aufl 2014, § 95 Rd[X.]7 [X.]B XII). In diesen Fällen kann der Sozialhilfeträger nach dem Gebot der engen Zusammenarbeit gemäß § 86 [X.]B X eine nochmalige Überprüfung der Sachlage auch bei offensichtlicher Unrichtigkeit der bisherigen Leistungsablehnung nicht verlangen, zumal er eine "offensichtliche" Unrichtigkeit der Leistungsablehnung im Regelfall erkennen kann und schon deshalb nicht auf eine Überprüfung ihrer Richtigkeit im Klageverfahren verzichten darf. In der bisherigen Rechtsprechung des B[X.] ist diese Folge bereits für die Konstellation entschieden, dass der Sozialhilfeträger tatsächlich von der Möglichkeit des § 91a [X.] (nunmehr § 95 [X.]B XII) Gebrauch gemacht hatte (B[X.]E 84, 80, 84 = [X.] 3-1300 § 104 [X.]5). Nichts anderes kann gelten, wenn dem Sozialhilfeträger - wie hier - die vorangegangene Ablehnung des zunächst in Anspruch genommenen Trägers bekannt ist, er diese von vornherein für unzutreffend hält, er aber gleichwohl nicht in das Verwaltungsverfahren eintritt und Klage erhebt, um seine Position durchzusetzen (vgl Kater in [X.] Komm, Stand Dezember 2013, § 104 [X.]B X Rd[X.]8 mwN). Im Übrigen ist vor dem Hintergrund der Entscheidung des L[X.] und der Revisionsbegründung eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit der Entscheidung der Beklagten nicht ersichtlich.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des [X.], wonach es einem Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers aus § 104 [X.]B X nicht entgegensteht, dass weder er (gemäß § 95 [X.]B XII) noch der Berechtigte einen für die Leistung des anderen Trägers (auch materiell-rechtlich) erforderlichen Antrag gestellt hat (vgl [X.] Urteil vom 23.1.2014 - 5 C 8/13 - NJW 2014, 1979 ff unter Hinweis auf B[X.]E 82, 112 ff; 84, 61 ff). In dieser Entscheidung ist das [X.] nur der Frage nachgegangen, ob der Anspruch des Berechtigten gegen den vorrangig verpflichteten Leistungsträger zwingend bereits Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens gewesen sein muss, was dort nicht der Fall war. Daraus folgt indes nichts für die hier entscheidungserhebliche Frage, welche Folgen sich aus der Durchführung eines solchen Verfahrens und seinem Abschluss durch bestandskräftigen, die Leistung ablehnenden Verwaltungsakt ergeben. Dass das [X.] nicht von der diesbezüglichen Rechtsprechung des B[X.] abweichen wollte, ergibt sich schon daraus, dass es diese weder erwähnt noch in der Sache Einschränkungen des [X.] aufgrund des in § 86 [X.]B X normierten Gebots der engen Zusammenarbeit diskutiert hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 und Abs 3 [X.]G iVm § 154 Abs 2 VwGO.

Der Streitwert bemisst sich nach der im Revisionsantrag des [X.] bezifferten Geldleistung (vgl § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3 GKG).

Meta

B 10 SF 1/14 R

10.07.2014

Bundessozialgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: SF

vorgehend SG Köln, 29. September 2010, Az: S 21 SO 19/07, Urteil

§ 14 Abs 4 S 1 SGB 9, § 14 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB 9, § 14 Abs 1 S 2 SGB 9, § 14 Abs 2 S 1 SGB 9, § 102 Abs 1 SGB 10, § 43 Abs 1 S 1 SGB 1, § 104 Abs 1 S 1 SGB 10, § 41 Abs 1 S 2 SGB 8, § 35a SGB 8, § 95 S 1 SGB 12, § 86 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 10.07.2014, Az. B 10 SF 1/14 R (REWIS RS 2014, 4142)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 4142

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 1 KR 6/18 R (Bundessozialgericht)

(Leistungen zur Teilhabe - Zuständigkeitsklärung - Rentenversicherungsträger - erstangegangener Rehabilitationsträger - Anerkennung der Zuständigkeit gegenüber …


B 4 AS 14/13 R (Bundessozialgericht)

Erstattungsstreit zwischen Rehabilitationsträgern - Zuständigkeitsklärung - Weiterleitung des Rehabilitationsantrags nach Verneinung der Zuständigkeit - kein …


B 8 SO 12/12 R (Bundessozialgericht)

Sozialgerichtliches Verfahren - Rehabilitation und Teilhabe - Zuständigkeitsklärung - keine notwendige Beiladung des Leistungsberechtigten bei …


B 8 SO 9/20 R (Bundessozialgericht)

(Sozialhilfe - Eingliederungshilfe - Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie - Erstattungsanspruch des erstangegangenen …


B 1 KR 27/15 R (Bundessozialgericht)

Erstattungsstreit zwischen Rehabilitationsträgern - Zuständigkeitsklärung - doppelte Antragsweiterleitung - Erstattungsanspruch des drittangegangenen Leistungsträgers


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

5 C 8/13

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.