Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.12.2013, Az. XII ZB 253/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 434

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]/13

vom

11. Dezember 2013

in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] §§ 27, 33
Unterhaltsansprüche einer anderen als der im Versorgungsausgleich aus-gleichsberechtigten Person rechtfertigen keine Aussetzung der Kürzung der laufenden Versorgung.
[X.], Beschluss vom 11. Dezember 2013 -
XII [X.]/13 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 11. Dezember 2013 durch den
Vorsitzenden
Richter
Dose, die Richterin
Weber-Monecke
und die Richter
Schilling, [X.] und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 20.
Familien-senats des Oberlandgerichts [X.]
vom 30. April
2013
wird auf Kosten des Antragsgegners
zurückgewiesen.
Wert: bis 19.000

Gründe:
I.
Auf den am
20. Juli 2010
zugestellten Antrag hat das Familiengericht die am 13. April 1995
geschlossene Ehe der
Antragstellerin
(Ehefrau) und des
[X.]sgegners
(Ehemann) geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt.
Im Zeitpunkt der
Eheschließung waren die Ehefrau 29 Jahre und der Ehemann 48 Jahre alt. Aus der Ehe sind zwei Töchter hervorgegangen, von denen eine beim Ehemann und eine bei der Ehefrau lebt. Der Ehemann hat seit dem 1. Juli 2009 Vorruhestandsbezüge erhalten
und befindet
sich seit dem 1.
März 2013 im Altersruhestand. Für die bei der Ehefrau lebende Tochter zahlt er
Barunterhalt.
Die Ehefrau lebt ohne eigenes Einkommen in einer neuen [X.].
Während der Ehezeit (1. April 1995 bis 30. Juni 2010; § 3 Abs.
1 [X.]) hat
die Ehefrau
2,7465 Entgeltpunkte und 5,1011 Entgeltpunkte (Ost) 1
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in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, der
Ehemann
30,3984 Ent-geltpunkte (Ost) sowie insgesamt
Anrechte aus betrieblicher
Altersversorgung mit Kapitalwerten von 333.526

6.921,92

Das Familiengericht hat diese Anrechte intern geteilt.
Dagegen hat der Ehemann Beschwerde eingelegt
mit dem Begehren, den Versorgungsausgleich wegen grober Unbilligkeit (§ 27 [X.]) insgesamt schuldrechtlich durch-zuführen, hilfsweise die Kürzung seiner laufenden Versorgung auszusetzen. Das [X.] hat die Beschwerde zurückgewiesen; hiergegen richtet sich die
zugelassene Rechtsbeschwerde
des Ehemanns.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
1. Das [X.] hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Anordnung eines schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs
komme nur für Anrechte in Betracht, die nicht ausgleichsreif seien
(§ 19 [X.]), oder bezüglich derer die Ehegatten einen schuldrechtlichen Versorgungsaus-gleich durch Vereinbarung vorbehalten hätten (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 [X.]). Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Auch sei ein schuldrechtlicher [X.] im vorliegenden Fall nicht aufgrund
verfassungskonformer er-gänzender
Auslegung des [X.] geboten.
Das frühere sogenannte [X.] habe der Gesetzgeber bewusst abgeschafft.

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Unter den Voraussetzungen der Härteregelung des § 27 [X.] könnte der Ehemann nur einen Ausschluss oder eine Beschränkung des ge-setzlichen Versorgungsausgleichs zu Lasten der Ehefrau verlangen, nicht aber eine Verweisung auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich.
Eine unbilli-ge Härte liege auch nicht vor, da dem
Ehemann selbst nach
der Kürzung seiner noch Einkünfte von mehr als 5.000

monatlich ver-blieben, die unter Berücksichtigung seines
Selbstbehalts ausreichend seien, den Unterhalt der Töchter zu bestreiten.
Auch der Antrag auf Aussetzung der Kürzung
gemäß § 33 [X.] bleibe ohne Erfolg, da der
Ehefrau keine
Ansprüche auf nachehelichen Unter-halt zustünden. Auf Fälle, in denen
der
[X.] Kindesunterhalt zahle, seien die §§ 32 ff. [X.] nicht entsprechend anwendbar.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Durch § 9 Abs. 1 [X.] ist die Rangfolge der [X.] dahin
festgelegt, dass dem Wertausgleich bei der Scheidung alle Anrechte
un-terfallen, es sei denn, die Ehegatten haben den
Ausgleich nach den §§ 6 bis 8 geregelt oder die Ausgleichsreife der Anrechte nach § 19 fehlt.
Da weder ein Fall fehlender Ausgleichsreife noch eine Vereinbarung der Ehegatten vorliegt, ist der Wertausgleich bei der Scheidung
durchzuführen, und zwar grundsätzlich durch interne Teilung der Anrechte (§ 9 Abs. 2 [X.]).

b) Gemäß § 27 [X.] findet ein Versorgungsausgleich ausnahms-weise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzu-weichen.

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Ob und in welchem Umfang die Durchführung des [X.] grob unbillig erscheint, unterliegt der tatrichterlichen Beurteilung. Diese ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde nur daraufhin zu überprüfen,
ob alle wesentlichen Umstände berücksichtigt wurden und das Ermessen in einer dem Gesetzeszweck entsprechenden Weise ausgeübt worden ist (Senatsbeschluss vom 19. September 2012 -
XII ZB 649/11 -
FamRZ 2013, 106 Rn. 16 mwN).
Dabei erfordert § 27 [X.] für einen Ausschluss oder eine Herab-setzung des Wertausgleichs eine grobe Unbilligkeit, d.h. eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs
muss unter den besonderen Gege-benheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken der gesetzlichen Rege-lung, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten, in unerträgli-cher Weise widersprechen.
Die grobe Unbilligkeit muss sich wegen des [X.] von § 27 [X.] im Einzelfall aus einer Gesamtabwä-gung der wirtschaftlichen, [X.] und persönlichen Verhältnisse beider Ehe-gatten ergeben (Senatsbeschluss vom 13. Februar 2013 -
XII ZB 527/12 -
FamRZ
2013, 690 Rn. 14 mwN).
Gemäß
§ 27 Satz 2 [X.]
müssten die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.
Das Vorliegen solcher
Umstände behauptet allerdings bereits der Ehemann nicht, dessen [X.] nicht darauf zielt, von der Halbteilung abzuweichen,
sondern eine gesetz-lich nicht vorgesehene Ausgleichsform
zu wählen.
Seine
Rechtsverfolgung richtet sich somit nicht gegen die Halbteilung, sondern dagegen, dass das auf die Ehefrau
im Wege der internen Teilung
über-tragene Anrecht erst wesentlich später
Früchte trägt
als wenn es bei dem [X.] verblieben wäre, nämlich erst bei Eintritt
eines Versorgungsfalls in der 13
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Person
der ausgleichsberechtigten
Ehefrau.
Der Sache
nach beanstandet der Ehemann damit die Struktur des Versorgungsausgleichs sowie die Aufhebung des früheren "[X.]s"

101 SGB VI Abs. 3 a.F.) durch das neue [X.].
Nach dieser Vorschrift wurde, wenn nach Beginn der Rente eine Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsaus-gleich zu Lasten des Versicherten wirksam wurde,
die Rente des [X.] erst zu dem Zeitpunkt um einen Abschlag verändert, zu dem bei [X.] des [X.] ein Zuschlag berücksichtigt wurde.
Bei der Abschaffung dieser Regelung, die den ausgleichspflichtigen Ehegatten über den [X.] hinaus durch eine versicherungs-fremde Sozialleistung aus den Mitteln der gesetzlichen Regelsicherungssyste-me begünstigte, handelt es sich um eine grundsätzlich entschädigungslos hin-zunehmende Gesetzesänderung
(Senatsbeschluss vom 13.
Februar 2013
-
XII
ZB 527/12 -
FamRZ 2013, 690 Rn. 20). Sie trifft auch den Ehemann des vorliegenden Verfahrens, da die gerichtliche Entscheidung über den [X.] nicht vor dem Inkrafttreten der Neuregelung getroffen war und deshalb keine unechte Rückwirkung vorliegt.
c) Ebenfalls
zu Recht
hat das [X.] eine Anpassung
der Kürzung der laufenden Versorgung
(§ 33 Abs. 1 [X.]) abgelehnt.
Dabei kann
die verfahrensrechtlich umstrittene Frage, ob und gegebenenfalls
unter welchen Voraussetzungen eine
Anpassung der Kürzung der laufenden [X.] wegen Unterhalt bereits im Verbundverfahren verfolgt werden kann
(beja-hend [X.] FamRZ 2012, 722; [X.] FamRZ 2012, 1814; [X.] FamRZ 2010, 1140; verneinend [X.] 2013, 137; OLG Celle FamRZ 2013, 1313; [X.] Versorgungsausgleich 6. Aufl. Rn. 961; Wick [X.] 3. Aufl. Rn. 859 mwN), im Ergebnis
dahinstehen. Denn
jeden-falls zutreffend ist das [X.]
davon ausgegangen, dass die 17
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Voraussetzungen
für eine Aussetzung der Kürzung der laufenden Versorgung nicht vorliegen.
aa) Gemäß § 33 Abs. 1 [X.] wird die Kürzung der laufenden Ver-sorgung der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag ausgesetzt, solange die ausgleichsberechtigte Person aus einem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine laufende Versorgung erhalten kann und sie gegen die aus-gleichspflichtige Person ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch hätte. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen jedoch nicht vor, da die ausgleichsberechtigte Ehefrau -
wie zwi-schen den Beteiligten nicht im Streit steht -
auch ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen den Ehemann hätte.
bb) Eine analoge Anwendung des § 33 [X.] auf Fälle, in denen der [X.] anderen Personen als dem ausgleichsberechtigten Ehegatten zur Unterhaltsleistung verpflichtet ist, scheidet ebenfalls aus.
Die in § 33 [X.] getroffene Regelung beruht
auf
der Rechtspre-chung des [X.], wonach
es zu einem verfassungswidri-gen Zustand kommen könne, wenn beim [X.]n vor dem [X.] ein Versicherungsfall eintritt und der [X.],
dem die übertragenen Werteinheiten mangels Vorliegens eines Versicherungs-falles noch nicht zugutekommen, auf Unterhaltsleistungen des Ausgleichspflich-tigen
angewiesen ist ([X.] 53, 257, 303 f. = FamRZ 1980, 326, 335).
Damit knüpft die geforderte Härteregelung gezielt an eine
doppelte Belastung des ausgleichspflichtigen
Ehegatten
durch Kürzung seiner laufenden Versorgung bei
gleichzeitig bestehender Unterhaltspflicht gegenüber dem ausgleichsbe-rechtigten Ehegatten an
(vgl. BVerwG [X.] 1991, 88, 89).
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Mit § 33 [X.] als Nachfolgevorschrift zu § 5 Abs. 1 [X.]
wollte der Gesetzgeber lediglich die vom [X.] eingeforderte Härtefallregelung treffen. Schon der Charakter der gesetzlichen Ausnahmen vom Grundsatz der Versorgungskürzung als Härtefallregelungen spricht dage-gen, ihren Anwendungsbereich durch eine erweiternde oder entsprechende Anwendung über das vom Gesetzgeber ausdrücklich Angeordnete und erkenn-bar Gewollte hinaus auszudehnen. Der eingeschränkte Anwendungsbereich des § 33 [X.] entspricht daher dem gesetzgeberischen Plan; es fehlt an der für einen Analogieschluss erforderlichen
planwidrigen
Regelungslücke
(vgl. [X.] FamRZ 2013, 1661, 1663 sowie zu den früheren Regelungen des [X.] BVerwG [X.] 1991, 88, 89 mwN).
In der getroffenen Regelung liegt entgegen der Auffassung der Rechts-beschwerde auch keine gleichheitswidrige (Art. 3 GG)
oder in den grundrechtli-chen Schutzbereich
der
Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) eingreifende
Benachteili-gung der unterhaltsberechtigten minderjährigen Töchter. Zwar hängt die Höhe ihres
Barunterhalts auch vom Nettoeinkommen des [X.] ab, so dass eine
Kürzung der Versorgung des Unterhaltspflichtigen zugleich eine Reduzierung des Kindesunterhalts bewirken kann. Dies stellt aber,
wie [X.] die Anknüpfung bestehender Unterhaltspflichten an die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners,
lediglich eine Reflexwirkung ohne Verletzung einer eigenständigen Rechtsposition
dar.
Die grundsätzliche Vereinbarkeit des Versorgungsausgleichs mit
dem Grundgesetz hat das [X.] im Urteil vom 28. Februar 1980 ([X.] 53, 257
= FamRZ 1980, 326) festgestellt. Zu den ausdrücklich aufge-führten Fällen, in denen es
eine ergänzende Regelung für geboten erachtet hat, um einen verfassungswidrigen Zustand zu vermeiden, zählt der vorliegende Fall nicht
(vgl. BVerwG [X.] 1991, 88, 89).
Wesentliche Unterschiede
zwischen 22
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9
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dem früheren und dem heutigen
[X.], die zu einer ver-fassungsrechtlichen Neubewertung der Rechtslage führen müssten, ergeben sich für die hier vorliegende Fallkonstellation
nicht.
Dose Weber-Monecke Schilling

Nedden-Boeger Guhling

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.09.2011 -
337 F 1906/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 30.04.2013 -
20 UF 1229/11 -

Meta

XII ZB 253/13

11.12.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.12.2013, Az. XII ZB 253/13 (REWIS RS 2013, 434)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 434

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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