Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21.09.2011, Az. 7 ABR 54/10

7. Senat | REWIS RS 2011, 3187

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Gegenstand

Betriebsratswahl in gewillkürter Organisationseinheit - Anfechtung wegen Verkennung des Betriebsbegriffs


Leitsatz

1. Die Wahl eines Betriebsrats in einer nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 5 Satz 1 BetrVG gebildeten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit kann wegen Verkennung des Betriebsbegriffs nach § 19 Abs. 1 BetrVG angefochten werden. Dies gilt auch, wenn die Betriebsratswahlen in angrenzenden Organisationseinheiten unangefochten geblieben sind.

2. Ein Tarifvertrag, durch den Betriebe gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b BetrVG zusammengefasst werden, kann dynamisch regeln, dass Betriebsräte jeweils in den Regionen zu wählen sind, in denen nach den organisatorischen Vorgaben des Arbeitgebers Bezirksleitungen bestehen. Dies entspricht dem Grundsatz, dass Interessenvertretungen der Arbeitnehmer dort gebildet werden, wo sich unternehmerische Leitungsmacht konkret entfaltet.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des [X.] vom 26. August 2010 - 5 [X.] - aufgehoben.

Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des [X.] vom 11. März 2010 - 11 [X.] - abgeändert.

Die Betriebsratswahl vom 2. Dezember 2009 im Wahlbezirk 17 ([X.]) wird für unwirksam erklärt.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer außerhalb der regelmäßigen Wahlperiode durchgeführten, erstmaligen [X.] vom 2. Dezember 2009.

2

Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit eine Vielzahl von Filialen und Verkaufsstellen zum Vertrieb von Drogeriewaren. Einzelne Filialen und Verkaufsstellen sind zu [X.]en zusammengefasst, die jeweils einem [X.]sleiter unterstehen. Die Arbeitgeberin änderte den Zuschnitt der [X.]e in der Vergangenheit wiederholt.

3

Am 7. März 1995 unterzeichneten die Arbeitgeberin und die damalige [X.], Banken und Versicherungen ([X.]) eine „Gemeinsame Erklärung“, in der es ua. heißt:

        

„Die Firma [X.] und die [X.] [X.] haben sich am [X.] geeinigt und werden in einem Tarifvertrag § 3 [X.] festlegen, daß Betriebsräte in der Firma [X.] grundsätzlich auf [X.] der [X.] gewählt werden können.

        

Die [X.] vertrat bisher die Auffassung, daß auf [X.] der Verkaufsbüros eine [X.] stattfinden könne, [X.] wollte für die einzelnen betriebsratsfähigen Filialen und für den Hauptbetrieb [X.] zulassen.

        

Nach Unterzeichnung des [X.] treten alle bisher von der [X.] initiierten Wahlvorstände zurück. Es werden dann Wahlen auf der vereinbarten Organisationsebene der Firma eingeleitet.“

4

Am 7. April 1995 unterzeichneten die Arbeitgeberin und die [X.] [X.] den „Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Ziffer 3 [X.]“ (im Folgenden: [X.]). Dieser hat folgenden Inhalt:

        

„§ 1   

        

Tariflicher Geltungsbereich

        

Dieser Tarifvertrag gilt

        

1.    

räumlich:

für das Gebiet der [X.]

        

2.    

sachlich:

für alle Verkaufsstellen oder Filialen der Fa. [X.], [X.], ausgenommen Lager ([X.]), Zentrale, Verkaufsbüros, SB-Warenhäuser, Baumärkte, Fleischwerke und [X.]

        

3.    

persönlich:

für alle im räumlichen und sachlichen Geltungsbereich bei der Fa. [X.] beschäftigten Arbeitnehmer im Sinne des § 5 Abs. 1 [X.]

        

§ 2     

        

Zusammenarbeit

        

Zur Gewährleistung eines erfolgreichen Zusammenwirkens zwischen den Arbeitnehmern, dem Arbeitgeber und den im Betrieb vertretenen [X.] in Fragen Betriebsverfassung und wegen der besonderen Verhältnisse in den Verkaufsstellen oder Filialen, sind sich die Parteien einig, nach § 3 Abs. 1 Ziffer 3 [X.] eine von § 4 [X.] abweichende Regelung über die Zuordnung von Betriebsteilen vorzunehmen. Die Errichtung von Betriebsräten wird dadurch erleichtert.

        

§ 3     

        

Zuordnung von Betriebsteilen

        

Die im Geltungsbereich dieses Vertrages liegenden Verkaufsstellen oder Filialen, die als Betriebsteile anzusehen sind, werden abweichend von § 4 [X.] untereinander zugeordnet in Regionen, die sich im einzelnen aus der beiliegenden und einen wesentlichen Bestandteil dieses [X.] bildenden Karte ergeben.

        

Infolge dieser Zuordnung wählen die Arbeitnehmer der in der jeweiligen Region liegenden Verkaufsstellen oder Filialen jeweils einen Betriebsrat.

        

§ 4     

        

Neue Betriebsteile

        

Die Zuordnung gemäß § 3 gilt auch für Betriebsteile, die während der Laufzeit dieses Vertrages errichtet oder übernommen werden.

        

§ 5     

        

Geltungsdauer

        

Dieser Tarifvertrag tritt mit Erteilung der Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und [X.] in [X.]. Der Vertrag wird auf unbestimmte [X.] abgeschlossen. Er kann mit einer Frist von sechs Monaten erstmals zum 31.12.1997 und danach zum Ende der gesetzlichen Amtszeit gemäß § 13 [X.] gekündigt werden.“

5

Zuverlässige auf den [X.]punkt der Unterzeichnung des [X.] am 7. April 1995 bezogene Feststellungen über Existenz und Inhalt der in § 3 des Tarifvertrags angesprochenen Karte sind vom [X.] nicht getroffen. Nach dem - unwidersprochenen - Vorbringen der Arbeitgeberin im Rechtsbeschwerdeverfahren wurden „die Karten“ nach dem Abschluss des Tarifvertrags von der Arbeitgeberin erstellt und dem [X.] und [X.] nachgereicht. Der [X.] hat eine auf seine Aufforderung von der Arbeitgeberin vorgelegte und von dieser als authentisch bezeichnete Karte in der mündlichen Anhörung in Augenschein genommen. Die Karte hat einen Maßstab von 1:700 000. Sie erfasst das gesamte Gebiet der [X.]. In ihr sind - erkennbar von Hand - mit schwarzem, ca. 1,0 bis 1,5 mm breitem Stift Gebietsgrenzen und Zahlen eingetragen. Die Karte enthält keinen ausdrücklichen Bezug auf den [X.]. Unterschriften oder Paraphen finden sich auf der Karte nicht. Die Karte weist - insbesondere an den Faltungen - erhebliche Gebrauchsspuren auf. Nach den Feststellungen des [X.]s entsprachen die - in der Karte eingezeichneten - Grenzen der [X.] den Zuständigkeitsbereichen der damaligen [X.].

6

Die Karte weist ua. den [X.] „17“ aus. In diesem befindet sich ua. der Ort [X.] und - ganz oder teilweise - der Kreis [X.] und der [X.]. An den [X.] grenzen - soweit erkennbar - die mit den Nummern 391, 35, 37 und 370 bezeichneten [X.]e an. Der Grenzverlauf des [X.]s 17 lässt sich jedenfalls anhand der Karte insbesondere im Westen nicht eindeutig erkennen. Auch wurden in diesem Bereich mit weißer Farbe Korrekturen vorgenommen.

7

Am 2. Dezember 2009 führte der vom Gesamtbetriebsrat eingesetzte Wahlvorstand im [X.] 17 außerhalb des regelmäßigen Wahlzeitraums erstmals eine [X.] durch. Der Wahlvorstand beteiligte an der Wahl die Arbeitnehmer der in diesem [X.] gelegenen Filialen. Aufgrund von Umstrukturierungen waren die Zuständigkeitsbereiche der [X.]sleiter zu dieser [X.] gegenüber denjenigen von 1995 erheblich verändert. Der [X.] 17 fiel im Dezember 2009 in die Zuständigkeit von fünf [X.]. Das Wahlergebnis wurde am 7. Dezember 2009 bekannt gegeben.

8

Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2009, beim Arbeitsgericht am 11. Dezember 2009 eingegangen, hat die Arbeitgeberin begehrt, die Wahl für unwirksam zu erklären. Die Antragsschrift ist von dem [X.] unterzeichnet.

9

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die [X.] sei nichtig, jedenfalls aber anfechtbar. Bei der Wahl sei der [X.] verkannt worden. Auf der Grundlage des [X.] sei eine [X.] nicht mehr zulässig gewesen, da sich seit Abschluss des [X.] aufgrund von Expansionen und betrieblichen Umorganisationen die Identität der betrieblichen Organisationseinheiten geändert habe. Der [X.] sei nicht mehr wirksam.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

        

die [X.] vom 2. Dezember 2009 im Wahlbezirk 17 ([X.]) für unwirksam zu erklären.

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag der Arbeitgeberin abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der Antrag sei bereits unzulässig, da die Antragsschrift nicht ordnungsgemäß unterschrieben sei. Außerdem könne die [X.] im [X.] 17 nicht isoliert angefochten werden. Jedenfalls sei die Wahlanfechtung unbegründet. Der [X.] sei nicht verkannt worden. Der Wahlbezirk 17 gelte auf der Grundlage des [X.] weiterhin als Betrieb, in dem ein Betriebsrat zu wählen sei.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Antrag weiter.

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die von der Arbeitgeberin frist- und formgerecht angefochtene [X.] ist unwirksam. Durch die Einbeziehung sämtlicher Filialen, die in den geographischen Bereich des als [X.] 17 bezeichneten Gebiets fallen, wurde der [X.] verkannt. Allerdings war und ist der [X.] wirksam. Seine Wirkung wurde entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin durch die vorgenommenen Umstrukturierungen und Veränderungen der Gebiete der [X.]sleiter nicht beendet. Zu Unrecht hat das [X.] aber angenommen, die Einheiten, für die nach dem [X.] Betriebsräte zu wählen seien, seien trotz der Umstrukturierungen unverändert geblieben. Wie die gebotene Auslegung des [X.] ergibt, sind für die Errichtung von [X.] nicht statisch bestimmte geographische Grenzen, sondern dynamisch die jeweiligen, aufgrund der Entscheidungen der Arbeitgeberin geschaffenen Regionen der [X.] maßgeblich. Dies hat der Wahlvorstand bei der streitbefangenen Wahl nicht beachtet. Entgegen der Auffassung des [X.]s ist ein Anfechtungsrecht der Arbeitgeberin auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil vorangegangene [X.] in benachbarten Regionen unangefochten geblieben sind.

I. Der Antrag der Arbeitgeberin ist zulässig. Er ist form- und fristgerecht beim Arbeitsgericht eingegangen. Die Arbeitgeberin ist anfechtungsberechtigt. Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass vorangegangene [X.] in benachbarten Regionen nicht angefochten wurden.

1. Die förmlichen Voraussetzungen einer zulässigen Wahlanfechtung sind erfüllt. Die Arbeitgeberin ist nach § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.] zur Anfechtung der Wahl berechtigt. Die Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 [X.] von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist eingehalten. Wie das [X.] zutreffend erkannt hat, wahrte die Antragsschrift die Schriftform des § 81 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 ArbGG. Der Namenszug des [X.] unter der Antragsschrift erfüllt die an eine ordnungsgemäße Unterschrift zu stellenden Anforderungen.

a) Die ein Verfahren nach § 81 Abs. 1 Halbs. 2 ArbGG einleitende Antragsschrift bedarf nach dem auch im Beschlussverfahren anwendbaren § 130 Nr. 6 ZPO der eigenhändigen Unterschrift der den Schriftsatz verantwortenden Person (vgl. [X.] 21. Oktober 1969 - 1 ABR 8/69 - zu II 3 a der Gründe, [X.] [X.] § 3 [X.]). Eine Unterschrift setzt einen individuellen Schriftzug voraus, der sich - ohne lesbar sein zu müssen - als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lässt. Ein Schriftzug, der als bewusste und gewollte Namenskürzung erscheint (Handzeichen, Paraphe), stellt keine formgültige Unterschrift dar. Ob ein Schriftzug eine Unterschrift oder lediglich eine Abkürzung darstellt, beurteilt sich nach dem äußeren Erscheinungsbild. In Anbetracht der Variationsbreite, die selbst Unterschriften ein und derselben Person aufweisen, ist insoweit ein großzügiger Maßstab anzulegen, wenn die Autorenschaft gesichert ist ([X.] 13. Februar 2008 - 2 [X.] - Rn. 13 mwN, [X.]E 125, 345).

b) Der Namenszug des [X.] in der Antragsschrift entspricht diesen Anforderungen. Der Schriftzug ist zwar nicht lesbar. Wie das [X.] zutreffend angenommen hat, lassen die mehrfachen richtungsändernden Schrei[X.]ewegungen aber insbesondere unter Berücksichtigung des relativ kurzen Namens hinreichend erkennen, dass eine volle Unterschrift und nicht lediglich eine Paraphe oder Abkürzung des Namens gewollt war. Der Betriebsrat hat gegen diese Würdigung des [X.]s im Rechtsbeschwerdeverfahren auch keine Einwendungen erhoben.

2. Zu Unrecht hat das [X.] angenommen, das Anfechtungsrecht der Arbeitgeberin sei vorliegend deshalb ausgeschlossen, weil die Wahlen in anderen, insbesondere auch den benachbarten Regionen unangefochten geblieben seien.

a) Allerdings hat der [X.], worauf das [X.] zutreffend hinweist, mit Beschluss vom 31. Mai 2000 (- 7 ABR 78/98 - [X.]E 95, 15) in Anknüpfung an einen Beschluss vom 7. Dezember 1988 (- 7 [X.] - [X.]E 60, 276) entschieden, bei der Anfechtung einer [X.], die darauf gestützt werde, dass in einem einheitlichen Betrieb unter Verkennung des [X.]s mehrere Betriebsräte für jeweils unselbständige Betriebsteile gewählt worden seien, müsse die Wahl aller Betriebsräte angefochten werden; die gegen die Wahl eines einzelnen Betriebsrats gerichtete Anfechtung sei in einem solchen Fall unzulässig ([X.] 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - zu [X.] 1 der Gründe, aaO). Dies gelte auch, soweit in einem solchen [X.] weitere Verfahrensverstöße geltend gemacht würden, die unabhängig von einer Verkennung des [X.]s die Unwirksamkeit der Wahl zur Folge hätten ([X.] 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - zu [X.] 1 b der Gründe, aaO). Der [X.] hat das vor allem mit der Erwägung begründet, es könne in einem solchen Fall durch die Annullierung von nur einer [X.] kein betriebsverfassungsgemäßer Zustand erreicht werden. Wenn in einem einheitlichen Betrieb unter Verkennung des [X.]s für einen unselbständigen Betriebsteil ein Betriebsrat gewählt worden sei, könne dieser betriebsverfassungswidrige Zustand nur durch gerichtliche Annullierung der Wahl sämtlicher Betriebsräte beseitigt werden, damit die Betriebsbelegschaft einen neuen, für den gesamten Betrieb einheitlich zuständigen Betriebsrat wählen könne ([X.] 31. Mai 2000 - 7 ABR 78/98 - zu [X.] 1 a der Gründe, aaO).

b) Der Streitfall verlangt keine Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung uneingeschränkt festzuhalten ist. Jedenfalls ist sie auf die vorliegende Fallgestaltung entgegen der Auffassung des [X.]s nicht übertragbar. Zum einen kann bei Anwendung eines Tarifvertrags, der gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, Abs. 5 [X.] bestimmte Betriebe eines Unternehmens zu betriebsverfassungsrechtlichen Einheiten zusammenfasst, die Zulässigkeit einer Wahlanfechtung wegen Verkennung des - tarifvertraglich gewillkürten - [X.]s nicht davon abhängig gemacht werden, dass alle Wahlen in den gebildeten Organisationseinheiten angefochten werden. Zum andern gilt dies in besonderem Maße, wenn die Wahlen nicht zeitgleich, sondern - insbesondere wegen § 13 Abs. 2 [X.] - zeitlich versetzt stattfinden.

aa) Wäre die Zulässigkeit einer auf die Verkennung des [X.]s gestützten Anfechtung der [X.] in einer nach einem Zuordnungstarifvertrag gebildeten betriebsorganisatorischen Einheit davon abhängig, dass auch die [X.] in den angrenzenden Regionen angefochten werden, würde die in § 19 Abs. 1 [X.] vorgesehene und gewährleistete Möglichkeit der Anfechtung von [X.] in unzumutbarer Weise eingeschränkt und erschwert. Zum einen führte die Obliegenheit, die [X.] auch in den angrenzenden Regionen anzufechten, zu einem das gesamte Tarifgebiet erfassenden „Domino-Effekt“, grenzen doch an die angrenzenden Regionen wiederum weitere Regionen an. Zum zweiten müsste bei einem solchen „Konzept“ entweder den nach § 19 Abs. 2 Satz 1 [X.] ebenfalls [X.] oder einer im Betrieb vertretenen [X.] die Obliegenheit und damit die Befugnis zuerkannt werden, auch die Wahlen in - sämtlichen - anderen Betrieben, denen sie nicht angehören oder in denen sie nicht vertreten sind, anzufechten, oder es müsste bei der Zulässigkeit von [X.] je nach [X.] unterschieden werden. Beides erscheint systematisch unvertretbar. Zum dritten würde die Situation gänzlich perplex, wenn ein zur Anfechtung der Wahl Berechtigter einen anderen Anfechtungsgrund als die Verkennung des [X.]s geltend machen würde und sich der Betriebsrat zur Verteidigung darauf beriefe, seine Wahl sei isoliert nicht anfechtbar, da auch der [X.] verkannt worden sei.

[X.]) Dass die unterbliebene Anfechtung der [X.] in den angrenzenden Regionen der Zulässigkeit der Wahlanfechtung nicht entgegenstehen kann, zeigt sich besonders deutlich, wenn die Wahlen nicht zeitgleich, sondern - wie hier - zeitlich versetzt stattfinden. Ein derartiges Zulässigkeitserfordernis könnte vielmehr dazu führen, dass sich ein betriebsverfassungs- und tarifvertragsgemäßer Zustand überhaupt nicht mehr herstellen ließe. Vielmehr könnte der Anfechtung einer nach § 13 Abs. 2 [X.] „unregelmäßigen“ Wahl in einer betriebsorganisatorischen Einheit die unterbliebene Anfechtung der nach § 13 Abs. 1 [X.] „regelmäßigen“ Wahlen in anderen Einheiten entgegengehalten werden. Gleiches könnte umgekehrt im Falle der Anfechtung der nächsten regelmäßigen Wahl geschehen.

[X.]) Die - isolierte - Anfechtung der hier streitbefangenen Wahl ist nicht etwa deshalb unzulässig, weil sich so ein betriebsverfassungs- und tarifvertragsgemäßer Zustand nicht herstellen ließe. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass im Falle der Begründetheit der Wahlanfechtung eine die Verkennung des [X.]s vermeidende, alle betroffenen Arbeitnehmer erfassende Neuwahl nicht möglich ist, sondern bis zu den nächsten regelmäßigen [X.] vorübergehend ein Zustand eintritt, in dem ein Teil der oder sogar alle betroffenen Arbeitnehmer keine Möglichkeit haben, von ihrem Recht zur Wahl eines Betriebsrats Gebrauch zu machen. Das bedeutet jedoch nicht notwendig, dass sie bis dahin [X.] würden. Vielmehr spricht angesichts des Umstands, dass sich die Zahl der Gebietsleiter in der streitbefangenen Region vergrößert und deren geographischer Zuständigkeitsbereich verkleinert hat, vieles dafür, dass im Falle der Begründetheit der vorliegenden Wahlanfechtung ein Teil der betroffenen Arbeitnehmer erneut einen Betriebsrat in der für sie zutreffend ermittelten betriebsverfassungsrechtlichen organisatorischen Einheit wählen kann, während ein anderer Teil von den bereits unangefochten gewählten [X.] in den angrenzenden Regionen repräsentiert wird. Weitergehende Hinweise sind insoweit schon mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen weder geboten noch möglich.

II. Die Wahlanfechtung ist entgegen der Beurteilung des [X.]s begründet. Die angefochtene Wahl ist zwar nicht nichtig. Sie ist aber anfechtbar, da der [X.] verkannt wurde. Allerdings ist der [X.] entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin weiterhin wirksam. Der Wahlvorstand ist jedoch auf der Grundlage des [X.] nicht von der zutreffenden betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit ausgegangen.

1. Die angefochtene [X.] ist nicht nichtig.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s ist eine [X.] nur nichtig bei groben und offensichtlichen Verstößen gegen wesentliche Grundsätze des gesetzlichen Wahlrechts, die so schwerwiegend sind, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht. Wegen der weitreichenden Folgen einer von Anfang an unwirksamen [X.] kann deren jederzeit feststellbare Nichtigkeit nur bei besonders gravierenden Wahlverstößen angenommen werden. Voraussetzung ist, dass der Mangel offenkundig und deshalb ein Vertrauensschutz in die Gültigkeit der Wahl zu versagen ist. Die [X.] muss „den Stempel der Nichtigkeit auf der Stirn tragen“. Dies ist bei einer [X.], die unter Verkennung des [X.]s durchgeführt worden ist, grundsätzlich nicht der Fall. Sie hat in der Regel nur die Anfechtbarkeit der Wahl zur Folge ([X.] 19. November 2003 - 7 [X.] - zu [X.] der Gründe mwN, [X.] [X.] 1972 § 19 Nr. 55 = EzA [X.] 2001 § 19 Nr. 1).

b) Hiernach ist die [X.] nicht nichtig. Zwar hat der Wahlvorstand den Begriff der nach dem [X.] maßgeblichen betriebsorganisatorischen Einheit verkannt (s. hierzu noch unten). Dieser Fehler ist jedoch nicht so schwerwiegend, als dass der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr bestünde. Vielmehr hat der Wahlvorstand lediglich in einer schwierigen Auslegungsfrage eine fehlerhafte Beurteilung vorgenommen.

2. Die [X.] ist anfechtbar. Der Wahlvorstand hat entgegen der Auffassung des [X.]s die für die Wahl maßgebliche betriebsorganisatorische Einheit verkannt.

a) Nach § 19 Abs. 1 [X.] kann die Wahl eines Betriebsrats angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, durch den Verstoß konnte das Wahlergebnis nicht verändert oder beeinflusst werden. Ein solcher Verstoß liegt ua. vor, wenn bei der Wahl der betriebsverfassungsrechtliche [X.] verkannt wurde (vgl. [X.] 19. November 2003 - 7 [X.] - zu [X.] der Gründe mwN, [X.] [X.] 1972 § 19 Nr. 55 = EzA [X.] 2001 § 19 Nr. 1). Gleiches gilt, wenn eine [X.] unter Anwendung eines unwirksamen Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 [X.] durchgeführt wurde (vgl. hierzu [X.] 29. Juli 2009 - 7 [X.] - Rn. 11, [X.]E 131, 277) oder der Wahlvorstand bei der Anwendung eines wirksamen Tarifvertrags nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 [X.] die danach maßgebliche betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit verkannt hat.

b) Hiernach ist die vorliegende Wahl anfechtbar. Zwar ist der [X.] wirksam geschlossen worden. Er hat auch entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin durch die späteren Umstrukturierungen und organisatorischen Änderungen seine Wirkung nicht verloren. Der Wahlvorstand hat aber entgegen der Auffassung des [X.]s die nach dem [X.] maßgebliche betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit verkannt.

aa) Der [X.] ist wirksam. Gegen seine Wirksamkeit bestünden allerdings durchgreifende Bedenken, wenn die in § 3 des [X.] angesprochene Karte konstitutiver Bestandteil des Tarifvertrags sein sollte. In diesem Fall würde der Tarifvertrag weder dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 [X.] noch den an die Normenklarheit zu stellenden Mindestanforderungen genügen. Wie die gebotene Auslegung des [X.] ergibt, ist die Karte jedoch kein konstitutiver Bestandteil des Tarifvertrags, sondern hat lediglich erläuternden Charakter.

(1) Falls die in § 3 des [X.] angesprochene Karte Bestandteil des Tarifvertrags sein sollte, wäre - jedenfalls nach den dem [X.] zur Verfügung stehenden, einer weiteren Aufklärung ersichtlich nicht zugänglichen tatsächlichen Feststellungen - dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 [X.] nicht genügt.

(a) Nach § 1 Abs. 2 [X.] bedürfen Tarifverträge der Schriftform. Das Tarifvertragsrecht kennt keinen eigenständigen Schriftformbegriff. Die Schriftform richtet sich daher grundsätzlich nach § 126 BGB und den in der Rechtsprechung entwickelten Konkretisierungen dieser Norm. Hiernach muss die Urkunde eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet werden. Es reicht bei Dokumenten mit Anlagen aber aus, wenn die sachliche Zusammengehörigkeit von unterzeichneter [X.] und Anlage zweifelsfrei feststeht. Dem Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 [X.] ist daher genügt, wenn die Tarifvertragsurkunde klar und zweifelsfrei auf - selbst nicht unterzeichnete - Schriftstücke verweist, selbst wenn diese nicht körperlich mit der Urkunde verbunden sind. Dies ist anzunehmen, wenn der Tarifvertrag in seinem Wortlaut unmittelbar oder mittelbar auf die Anlage Bezug nimmt ([X.] 3. Mai 2006 - 1 ABR 2/05 - Rn. 30, [X.]E 118, 141; 6. Oktober 2010 - 7 [X.] - Rn. 19 mwN, [X.] [X.] 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 45 = EzA [X.] 2001 § 99 Nr. 19). Die Zusammengehörigkeit von [X.] und Anlage kann auch dadurch sichergestellt werden, dass die unterzeichnete Anlage ihrerseits auf die [X.] verweist (vgl. zur Notwendigkeit einer solchen Rückverweisung bei einem Interessenausgleich mit Namensliste [X.] 12. Mai 2010 - 2 [X.] - Rn. 23, [X.] KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 20 = EzA KSchG § 1 Interessenausgleich Nr. 21). Fehlt es sowohl an einer körperlichen Verbindung als auch an einer Unterzeichnung oder Paraphierung der Anlage, ist für die Wahrung der Schriftform zumindest erforderlich, dass zweifelsfrei nur eine Fassung der in Bezug genommenen, eindeutig bezeichneten Anlage existiert. Andernfalls lässt sich nicht zuverlässig feststellen, welche Norm maßgeblich sein und für die [X.] gelten soll.

(b) Hiernach ist die in § 3 Abs. 1 des [X.] angesprochene Karte nicht [X.] in Bezug genommen. Zwar wird sie in § 3 Abs. 1 des [X.] als wesentlicher Bestandteil des Tarifvertrags bezeichnet. Eine zuverlässige Zuordnung von Tarifvertrag und Karte ist aber nicht möglich. Ein von den Tarifvertragsparteien unterzeichnetes Exemplar der Karte gibt es ersichtlich nicht. Die von der Arbeitgeberin - einer der beiden Tarifvertragsparteien - vorgelegte, in der mündlichen Anhörung vor dem [X.] in Augenschein genommene Karte weist weder Unterschriften noch eine Rückverweisung auf den [X.] aus. Allein anhand dieser Karte lässt sich daher nicht einmal eine unmittelbare Verbindung zu dem [X.] herstellen. Darüber hinaus ist nicht sicher feststellbar, wie viele Exemplare oder Fassungen dieser Karte es gibt. Gegen die Annahme, es gebe nur ein Exemplar, spricht bereits der Umstand, dass nach dem - unwidersprochenen - Vorbringen der Arbeitgeberin im Rechtsbeschwerdeverfahren „die Karten“ nach dem Abschluss des Tarifvertrags von der Arbeitgeberin erstellt und dem [X.] und [X.] nachgereicht wurden. Bei ausschließlich maschinenschriftlichen Schriftstücken könnte das Vorhandensein mehrerer identischer Anlagen möglicherweise noch als unschädlich erachtet werden. Bei Anlagen, die zu wesentlichen Teilen aus manuell eingezeichneten Linien bestehen, ist dies jedoch nicht der Fall.

(2) Falls die in § 3 des [X.] angesprochene Karte konstitutiver Bestandteil des Tarifvertrags sein sollte, wäre darüber hinaus den Mindestanforderungen des Gebots der Bestimmtheit und Normenklarheit nicht genügt.

(a) Das letztlich aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit verlangt grundsätzlich, dass der Normgeber die von ihm erlassenen Regelungen so bestimmt fasst, dass die [X.] in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge vorliegen (vgl. zum „Gebot der Bestimmtheit und Klarheit“ - allerdings bei gesetzlichen Grundrechtsbeschränkungen - [X.] 11. März 2008 - 1 BvR 2074/05 - und - 1 BvR 1254/07 - Rn. 93 bis 97 mwN, [X.]E 120, 378). Dies gilt grundsätzlich auch für tarifvertragliche Regelungen. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien bei der technischen Umsetzung der von ihnen verfolgten Zwecke regelmäßig einen weiten Gestaltungsspielraum. Daher ist ihnen insbesondere auch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe nicht verwehrt. Gerichte dürfen diese nicht etwa wegen mangelnder [X.] lassen. Vielmehr ist es ihre Aufgabe, erforderlichenfalls unbestimmte Rechtsbegriffe im Wege der Auslegung zu konkretisieren. Lediglich in ganz besonderen Ausnahmefällen dürfen Gerichte tarifliche Regelungen wegen mangelnder Bestimmtheit und des darauf beruhenden Verstoßes gegen rechtsstaatliche Grundsätze für unwirksam erachten (vgl. [X.] 29. Januar 1986 - 4 [X.] - zu 5 bis 7 der Gründe mwN, [X.]E 51, 59; vgl. auch 4. Dezember 1997 - 2 [X.] - zu [X.] 3 der Gründe, [X.]E 87, 210).

(b) Hier läge, sofern die in § 3 des [X.] angesprochene Karte konstitutiver Bestandteil des Tarifvertrags sein sollte, ein solcher Ausnahmefall vor. Falls die handschriftlich in die Karte oder die Karten - ob es nur eine oder aber mehrere Karten gibt, ist, wie ausgeführt, nicht zuverlässig feststellbar - eingezeichneten Linien konstitutiv die Grenzen der betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten darstellen sollten, ließen sich diese insbesondere in Randbereichen auch im Wege der Auslegung nicht mehr zuverlässig ermitteln. Der [X.] hat sich durch den nach § 293 ZPO auch im Rechtsbeschwerdeverfahren zulässigen (vgl. dazu [X.] 15. April 2008 - 9 [X.] 159/07 - Rn. 41 mwN, [X.] [X.] § 1 Altersteilzeit Nr. 38 = EzA [X.] § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 21), in der mündlichen Anhörung vorgenommenen Augenschein in die von der Arbeitgeberin vorgelegte Karte davon überzeugt, dass aufgrund des kleinen Maßstabs, der Genauigkeit der Karte, der Dicke der handschriftlichen Linien und der Linienführung in vielen Bereichen, insbesondere in Ballungsgebieten und in Randbereichen, eine zuverlässige Grenzziehung nicht möglich ist. Die Filialen oder Verkaufsstellen selbst sind in der Karte nicht eingezeichnet. Die „Unschärfen“ sind auch nicht etwa unbeachtlich. Gerade bei tarifvertraglichen Vorschriften, durch die abweichend von den gesetzlichen Betriebsverfassungsstrukturen betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheiten geschaffen werden, sind eindeutige Grenzziehungen - sei es auch durch abstrakte, eine Subsumtion ermöglichende Kriterien - unverzichtbar.

(3) Die Wirksamkeit des [X.] scheitert gleichwohl weder am Schriftformerfordernis des § 1 Abs. 2 [X.] noch an den an seine Bestimmtheit zu stellenden Mindestanforderungen. Wie die Auslegung des [X.] ergibt, ist die in seinem § 3 angesprochene Karte kein konstitutiver Bestandteil des Tarifvertrags, sondern hat lediglich deklaratorischen, erläuternden Charakter. Sie gibt nur ungefähr die Grenzen der bei Abschluss des Tarifvertrags im April 1995 bestehenden Regionen wieder. [X.] Kriterium für die durch den Tarifvertrag gewillkürten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten sind die jeweiligen, aufgrund der organisatorischen Entscheidung der Arbeitgeberin gebildeten Regionen der [X.]sleiter. Die durch den Tarifvertrag vorgesehenen betriebsratsfähigen Einheiten sind daher nicht statisch auf den Zustand im Jahr 1995 festgeschrieben, sondern dynamisch und damit Veränderungen unterworfen.

(a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist vom [X.] auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am [X.] zu haften. Bei nicht eindeutigem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist dabei stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen - ohne Bindung an eine Reihenfolge - weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags oder die praktische Tarifübung, ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, gesetzeskonformen und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. nur [X.] 24. Februar 2011 - 2 [X.] 830/09 - Rn. 12 mwN, [X.] 2011, 708).

(b) Die Anwendung dieser Grundsätze auf die Auslegung des [X.] führt zu dem Ergebnis, dass für die Bildung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten nicht die in der Karte nur ungefähr wiedergegebenen Grenzen der [X.]sleiterregionen von 1995, sondern vielmehr die [X.]sleiterregionen in ihrem jeweiligen Zuschnitt maßgeblich sind.

(aa) Der Wortlaut des Tarifvertrags und der durch ihn vermittelte Wortsinn sind nicht eindeutig. Allerdings spricht die Formulierung in § 3 Abs. 1 [X.], wonach sich die Regionen „im einzelnen aus der beiliegenden und einen wesentlichen Bestandteil dieses [X.] bildenden Karte ergeben“, dafür, dass die Karte konstitutiven Charakter haben und die in ihr eingezeichneten Gebiete unveränderlich festgeschrieben werden sollen. [X.] ist dies jedoch nicht.

([X.]) Wesentlich gegen ein solches [X.] Verständnis der tariflichen Regelung sprechen der tarifliche Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zweck der Regelung. Bereits aus der „Gemeinsamen Erklärung“ der Tarifvertragsparteien vom 7. März 1995 ergibt sich, dass sich die Tarifvertragsparteien darauf geeinigt haben, dass „Betriebsräte in der Firma [X.] grundsätzlich auf [X.] der [X.] gewählt werden können“. Das spricht gegen ein [X.] und für ein dynamisch-funktionales Verständnis der tariflichen Regelung. Vor allem aber entspricht ein dynamisch-funktionales Verständnis dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung.

([X.]) Bereits nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 [X.] in der bis zum 27. Juli 2001 geltenden Fassung (aF) dienten die von § 4 [X.] (aF) abweichenden tariflichen Regelungen dazu, die Bildung von Vertretungen der Arbeitnehmer zu erleichtern. Schon der Zweck dieser Regelung ging - jedenfalls auch - dahin, es den Tarifvertragsparteien zu ermöglichen, betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheiten zu schaffen, die eine optimale Wahrnehmung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats und eine größtmögliche Betreuung der Arbeitnehmer bewirken (vgl. [X.] 24. Januar 2001 - 4 ABR 4/00 - zu [X.]I 2 a der Gründe, [X.]E 97, 31; [X.] 19. Aufl. § 3 Rn. 49). Noch deutlicher ist das gesetzgeberische Anliegen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b [X.] in der seit 28. Juli 2001 geltenden Fassung, wonach tariflich die Zusammenfassung von Betrieben dann vorgesehen werden kann, „wenn dies die Bildung von [X.] erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient“. Im Interesse einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer liegt es insbesondere, wenn die Interessenvertretungen dort errichtet werden, wo unternehmerische Leitungsmacht konkret entfaltet und ausgeübt wird und die mitbestimmungsrechtlich relevanten Entscheidungen getroffen werden (vgl. [X.] 13. Oktober 2004 - 7 ABR 56/03 - zu [X.] 1 e [X.] [1] der Gründe mwN, [X.]E 112, 166). Maßgeblich für die sachgerechte Bildung von Arbeitnehmervertretungen sind daher die organisatorischen Vorgaben des Arbeitgebers. Diese sind nicht nur für die gesetzlichen, sondern ebenso bei tarifvertraglich gewillkürten [X.]en von Bedeutung. Auch bei Tarifverträgen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b [X.] ist es sachgerecht, sich bei der Zusammenfassung von Betrieben zu einer tarifvertraglichen betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit an den organisatorischen Entscheidungen des Arbeitgebers zu orientieren. Dies gilt nicht nur für die bei Abschluss des Tarifvertrags bestehenden Organisationsstrukturen. Vielmehr ist es sinnvoll, nicht nur statisch einen bestimmten Zustand festzuschreiben, sondern bei der tariflichen Regelung bereits die Möglichkeit späterer Veränderungen der Organisationsstrukturen zu berücksichtigen. Andernfalls liefe der Tarifvertrag Gefahr, bei jeder wesentlichen Änderung der Organisation, die dem Arbeitgeber als solche regelmäßig nicht verboten ist, sein Substrat zu verlieren (vgl. [X.] 25. Aufl. § 3 Rn. 86).

([X.]b) Dass auch die Tarifvertragsparteien des [X.] das Ziel im Auge hatten, dauerhafte, auch Änderungen einbeziehende, effiziente [X.]en zu schaffen, zeigen die Regelungen in §§ 2, 4 und 5 [X.]. So ist in § 2 als Ziel des Tarifvertrags ausdrücklich die „Gewährleistung eines erfolgreichen Zusammenwirkens zwischen den Arbeitnehmern, dem Arbeitgeber und den im Betrieb vertretenen [X.] in Fragen Betriebsverfassung“ genannt. In § 3 [X.] ist die Möglichkeit berücksichtigt, dass während der Laufzeit des Tarifvertrags neue Betriebsteile errichtet und übernommen werden, und § 4 macht deutlich, dass die Regelungen des Tarifvertrags nicht etwa nur für eine Amtszeit, sondern auf Dauer gelten sollen. Auch dies spricht gegen ein geographisch-statisches und für ein dynamisch-funktionales Verständnis der tariflichen Regelungen.

([X.]) Gegen einen konstitutiven Charakter der in § 3 [X.] in Bezug genommenen Karte und für ein dynamisch-funktionales, an die jeweiligen Regionen der [X.] anknüpfendes dynamisches Verständnis spricht maßgeblich auch der Grundsatz der möglichst gesetzeskonformen Auslegung. Danach ist im Zweifel der Auslegung der Vorzug zu geben, bei der sich die tarifliche Regelung als wirksam erweist. Hier wäre der Tarifvertrag wegen mangelnder Schriftform nach § 1 Abs. 2 [X.] sowie aus Gründen mangelnder Bestimmtheit unwirksam, wenn die Karte als konstitutiver Bestandteil zu erachten wäre. Dagegen begegnet es keinen durchgreifenden Wirksamkeitsbedenken, wenn für die Errichtung der Betriebsräte die jeweiligen Regionen der [X.]sleiter maßgeblich sind. Die damit verbundene Dynamik ist rechtlich zulässig. Auch die gesetzlichen Betriebsverfassungsstrukturen sind insofern dynamisch, als bei der Errichtung von [X.] die sich ändernden organisatorischen Vorgaben des Arbeitgebers zu beachten und nachzuvollziehen sind. Bei diesem Verständnis wird die tarifliche Regelung nicht unbestimmt. Wie die Vorsitzende des Betriebsrats in der mündlichen Anhörung erklärt hat, ist unschwer feststellbar, welche Verkaufsstellen und Filialen zu welcher jeweiligen Region gehören.

[X.]) Der [X.] ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Er wird sowohl den Erfordernissen des bei seinem Abschluss im Jahr 1995 geltenden § 3 Abs. 1 Nr. 3 [X.] (aF) als auch den Voraussetzungen des seit 28. Juli 2001 geltenden, einen weiteren Anwendungsbereich erfassenden § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b [X.] gerecht. Bei der Arbeitgeberin handelt es sich um ein Unternehmen mit vielen, bundesweit verstreuten Filialen. Sie weist damit eine Unternehmensstruktur auf, für die ein besonderes Bedürfnis nach einer „maßgeschneiderten“ [X.] im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 [X.] (aF) bestand (vgl. dazu [X.] 24. Januar 2001 - 4 ABR 4/00 - zu [X.]I 2 b der Gründe, [X.]E 97, 31) und bei der die Zusammenfassung von Betrieben die Bildung von [X.] iSv. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b [X.] erleichtert und zugleich einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient. Insoweit haben die Beteiligten auch keine Bedenken erhoben. Der Bundesminister für Arbeit und [X.] hat die nach § 3 Abs. 2 Satz 1 [X.] (aF) noch erforderliche Zustimmung zu dem Tarifvertrag erteilt.

[X.]) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin hat der [X.] durch die zahlreichen erheblichen Umstrukturierungen und organisatorischen Veränderungen seine Wirksamkeit nicht verloren.

(1) Allerdings kann durch Strukturveränderungen das Substrat für eine durch einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 [X.] errichtete betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit entfallen. Die tarifvertraglich gebildete Einheit kann ihre Identität verlieren (vgl. [X.] § 3 Rn. 86). So kann beispielsweise die Grundlage für [X.] iSv. § 3 Abs. 1 Nr. 2 [X.] verloren gehen, wenn der Arbeitgeber die Spartenorganisation aufgibt. Auch im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung ist es dem Arbeitgeber unbenommen, durch organisatorische Veränderungen Betriebe im Sinne des [X.]es zu bilden, zusammenzulegen, zu spalten oder zu zerschlagen. Das ist im Rahmen der tariflich gewillkürten Betriebsverfassungsstrukturen nicht anders.

(2) Hier ist durch die Umstrukturierungen und organisatorischen Änderungen die Möglichkeit, auf der Grundlage des [X.] Betriebsräte zu bilden, nicht entfallen. Bei einem rein geographisch-statischen Verständnis des Tarifvertrags könnte dies zwar der Fall sein, da dann zu einem erheblichen Teil die Leitungsstrukturen nicht mehr kongruent wären mit den betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten. Bei einem dynamisch-funktionalen Verständnis ist das jedoch nicht der Fall. Vielmehr ist es hiernach weiterhin möglich, Betriebsräte jeweils dort zu errichten, wo sich die unternehmerische Leitungsmacht entfaltet. Werden [X.]sleiterregionen zusammengelegt, ist dort statt bislang mehrerer Betriebsräte nur noch ein Betriebsrat zu wählen, werden sie aufgespalten, sind statt eines Betriebsrats mehrere Betriebsräte zu wählen.

dd) Die streitbefangene Wahl vom 2. Dezember 2009 ist anfechtbar, weil der Wahlvorstand auf der Grundlage des weiterhin anzuwendenden [X.] den [X.] verkannt hat. Da es zum damaligen [X.]punkt im sog. [X.] 17 mehrere [X.] mit jeweils eigenen Zuständigkeitsbereichen gab, durfte keine einheitliche Wahl durchgeführt werden. Betriebsräte waren vielmehr nach Maßgabe der organisatorischen Vorgaben der Arbeitgeberin in den damaligen Regionen der [X.] zu wählen.

        

    Linsenmaier    

        

    Schmidt    

        

    Gallner    

        

        

        

    Bea    

        

    Krollmann    

                 

Meta

7 ABR 54/10

21.09.2011

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: ABR

vorgehend ArbG Chemnitz, 11. März 2010, Az: 11 BV 28/09, Beschluss

§ 19 Abs 1 BetrVG, § 3 Abs 1 Nr 1 Buchst b BetrVG, § 3 Abs 5 S 1 BetrVG, § 1 Abs 2 TVG, § 3 Abs 1 Nr 3 BetrVG vom 23.12.1988

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21.09.2011, Az. 7 ABR 54/10 (REWIS RS 2011, 3187)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3187

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