Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.10.2011, Az. VII ZR 29/11

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2395

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZR 29/11
vom
13.
Oktober 2011
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO §§ 233, 234 Abs. 1 Satz 2 A
Der Rechtsanwalt hat durch geeignete Organisationsmaßnahmen sicherzustellen, dass nach Stellung eines Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist und ausbleibender Reaktion des Gerichts hierauf noch vor Ablauf der beantragten verlängerten Frist dort Nachfrage gehalten wird, ob und in welchem Umfang dem Antrag stattgegeben wurde. Kommt er dem nicht nach, wird spätestens zu dem Zeit-punkt, zu dem er eine klärende Antwort auf die Nachfrage erhalten hätte, die Monats-frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO in Gang gesetzt.
[X.], Beschluss vom 13. Oktober 2011 -
VII ZR 29/11 -
LG [X.] in [X.]-Mitte

AG Wedding

-
2
-
Der VII. Zivilsenat des [X.] hat am 13.
Oktober 2011 durch den Vorsitzenden [X.] Prof.
Dr.
[X.], den [X.] Dr.
Kuffer, den [X.] [X.], die [X.]in Safari
Chabestari und den [X.] Prof.
Leupertz
beschlossen:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revi-sion in dem Urteil der
Zivilkammer 54 des [X.]s [X.] in [X.]-Mitte vom 3.
Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gegenstandswert: 3.890,62

Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt von den Beklagten Restwerklohn von 3.552,12

und vorgerichtliche Anwaltskosten von 338,50

abgewiesen. Gegen das am 13.
April 2010 zugestellte Urteil hat der Prozess-bevollmächtigte der
Klägerin am 11.
Mai 2010 Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 29.
Juni 2010 begründet. In der Vorbereitung des Verhand-lungstermins vom 3.
Dezember 2010 hat das Berufungsgericht die Fristversäu-mung erkannt und den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 30.
November
2010 entsprechend informiert.

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Die Klägerin hat behauptet, ihr Prozessbevollmächtigter habe am 7.
Juni 2010 eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Der [X.] sei von der [X.] in ein Kuvert verpackt und an das [X.] B.

adressiert worden. Die Gerichtspost sei gegen 20:00 Uhr von sei-nem Sozius in den Briefkasten des Amtsgerichts C.

eingeworfen worden. Der Eingang der Post sei vom dort eingerichteten Zustelldienst um 20:10 Uhr registriert und die Post um 22:48 Uhr an das [X.] zugestellt worden. Die Klägerin hat die entsprechende Bestätigung des Zustelldienstes vorgelegt und sich zum Beweis auf die eidesstattliche Versicherung der [X.] und die anwaltliche Versicherung des Sozius berufen. Sie hat zudem Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, da sie nach ihrer Auffassung eine Fristversäumung nicht zu vertreten habe.

II.
Das Berufungsgericht hat die Berufung verworfen. Es meint, nicht fest-stellen zu können, dass der Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Beru-fungsbegründungsfrist am 7.
Juni 2010 beim Berufungsgericht eingegangen sei. Dem Zustellungsnachweis des Zustelldienstes könne lediglich entnommen werden, dass im Auftrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 7. Juni 2010 Sendungen in den Briefkasten des [X.]s [X.] eingeworfen [X.] seien. Welche Sendungen eingeworfen worden seien, ergebe sich aus dem Zustellnachweis nicht. Die nach dem Zustellnachweis für die Identifizierung der Sendung erforderliche Zuordnung zu dem [X.] im Post-ausgangsbuch der Anwaltskanzlei habe die Klägerin nicht vorgenommen, ob-wohl die Frage der Zuordnung Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 2
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3.
Dezember 2010 gewesen sei und die Beklagte bestritten habe, dass der [X.] vom Zustelldienst zugestellt worden sei.
Den Wiedereinsetzungsantrag hat das Berufungsgericht zurückgewie-sen, weil den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ein Verschulden an der Fristversäumung treffe. Er habe nicht durch geeignete Maßnahmen sicherge-stellt, dass vor dem Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, deren Verlängerung beantragt worden sei, das wirkliche Ende der Frist -
gegebenenfalls durch Rückfrage beim Gericht -
festgestellt werde. Wären er und seine Anwaltsgehilfin nicht irrtümlich davon ausgegangen, dass die Fristverlängerung stillschweigend erfolge, hätten sie sich erkundigt und dabei festgestellt, dass der [X.] nicht eingegangen sei.

III.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder
die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.], § 543 Abs. 2 ZPO.
1. Soweit das Berufungsgericht in seiner Begründung davon ausgegan-gen ist, dass die Berufungsbegründung
nicht am 7.
Juni 2010, sondern verspä-tet eingegangen ist, sieht der Senat von einer Begründung ab, weil diese nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, §
544 Abs.
4 Satz
2, 2.
Halbsatz ZPO.
2. Soweit sich die Beschwerde gegen die Versagung der Wiedereinset-zung in den vorigen Stand wendet, dürfte allerdings ein Klärungsbedarf beste-hen, inwieweit die Entscheidung des VI.
Zivilsenats (Beschluss vom 4
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24.
November 2009 -
VI [X.], [X.], 370), auf die sich das Beru-fungsurteil stützen lässt, mit Entscheidungen anderer Senate in Übereinstim-mung zu bringen ist, wonach ein Rechtsanwalt nicht verpflichtet ist, sich vor Ablauf der ursprünglichen Berufungsbegründungsfrist bei dem Gericht nach dem Eingang seines Schriftsatzes zu erkundigen, wenn er mit einem ersten Antrag auf einmonatige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist einen er-heblichen Grund geltend gemacht hat ([X.], Beschlüsse vom 11.
September 2007 -
[X.]
ZB
73/05, in juris; vom 10.
März 2009 -
[X.]
ZB
55/06, NJW-RR 2009, 933; vom 16.
April 2009 -
VII
ZB
66/08, [X.], 1328). Darf ein An-walt darauf vertrauen, dass einem Verlängerungsantrag stattgegeben wird und treffen ihn insoweit keine Erkundigungspflichten, wäre es schwer verständlich, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand deshalb zu versagen, weil er sich nicht so organisiert hat, dass er sich rechtzeitig erkundigen kann.
3. Die Zulassung einer Revision kommt jedoch nicht in Betracht, wenn die zu klärende Rechtsfrage im Revisionsverfahren nicht [X.] ist ([X.], Beschluss vom 7.
Januar 2003 -
X [X.], [X.]Z 153, 254, 256). An der Entscheidungserheblichkeit fehlt es, wenn die angegriffene Ent-scheidung aus anderen Gründen unabhängig von der Beantwortung der [X.] Rechtsfrage im Ergebnis richtig ist ([X.], Urteil vom 18.
Juli
2003 -
V [X.], NJW 2003, 3205, 3206). So liegt es hier. Die Ent-scheidung des Berufungsgerichts erweist sich deshalb als richtig, weil der [X.] verspätet gestellt und die Wiedereinsetzung deshalb im Ergebnis zu Recht versagt worden ist.
a) Wie die Beschwerde einräumt, hat der Rechtsanwalt nach der höchst-richterlichen
Rechtsprechung durch geeignete Organisationsmaßnahmen si-cherzustellen, dass nach Stellung eines Antrags auf Verlängerung der Beru-fungsbegründungsfrist und ausbleibender Reaktion des Gerichts hierauf noch 8
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vor Ablauf der beantragten verlängerten Frist dort Nachfrage gehalten wird, ob und in welchem Umfang dem Antrag stattgegeben wurde ([X.], Beschlüsse vom 27.
Januar 2011 -
VII
ZB
44/09, NJW 2011, 1971; vom 14.
Juli 1999 -
XII
ZB
62/99, NJW-RR 1999, 1663). Kommt er dem nicht nach, wird [X.] zu dem Zeitpunkt, zu dem er eine klärende Antwort auf die Nachfrage [X.] hätte, die Monatsfrist des § 234 Abs.
1 Satz
2 ZPO in Gang gesetzt. Denn die [X.] beginnt, sobald die Partei oder ihr Prozessbe-vollmächtigter erkannt hat oder bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Berufungsbegründungsfrist versäumt worden ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 19.
Juni 2008 -
V [X.], [X.], 448; vom 21.
März 2006 -
VI
ZB
31/05, [X.], 1141; vom 13.
Juli 2004 -
XI
ZB
33/03, NJW-RR 2005, 76; vom 13.
Dezember 1999 -
II
ZR
225/98, [X.], 592; vom 7.
Februar 1996 -
XII ZB 107/94, [X.], 934; vom 25.
Mai 1994 -
XII ZB 57/94, [X.], [X.], 69; vom 13.
Mai 1992 -
[X.]
ZB
3/92, [X.], 2098; vom 12.
Oktober 1989 -
I
ZB
3/89, NJW-RR 1990, 379; vom 29.
November 1984 -
X
ZB
33/84, [X.], 283).
b) Dem steht nicht die Entscheidung des [X.]. Zivilsenats entgegen ([X.] vom 11.
September 2007 -
[X.]
ZB 73/05, in juris). Der [X.]. Zivilsenat hat auf Anfrage mitgeteilt, dass er an dieser Entscheidung -
sollte ihr eine ab-weichende Würdigung entnommen werden können
-
nicht festhalte.
c) Der erst im Dezember 2010 gestellte Wiedereinsetzungsantrag ist [X.], unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt vor Ablauf der beantragten Frist-verlängerung man den Rechtsanwalt als zur Nachfrage verpflichtet ansieht, ver-fristet. Denn bei der gebotenen Nachfrage hätte der Prozessbevollmächtigte der

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7
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Klägerin bereits im Juli 2010 erfahren, dass der [X.] nicht eingegangen und die Berufungsbegründungsfrist deshalb versäumt worden ist.

[X.]
Kuffer
[X.]

Safari
Chabestari

Leupertz

Vorinstanzen:
AG [X.]-Wedding, Entscheidung vom 08.04.2010 -
17 C 605/07 -

LG [X.], Entscheidung vom 03.12.2010 -
54 S 73/10 -

Meta

VII ZR 29/11

13.10.2011

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.10.2011, Az. VII ZR 29/11 (REWIS RS 2011, 2395)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2395

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VII ZR 29/11

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