Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.10.2023, Az. B 6 KA 2/23 B

6. Senat | REWIS RS 2023, 9979

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Gegenstand

Vertragsärztliche Versorgung - Nachfolgezulassung - anderer entscheidungserheblicher Zeitpunkt als der der letzten mündlichen Verhandlung - Grundsatz des Abstellens auf die günstigste Rechtslage bis zum Abschluss der Revisionsinstanz - möglich Abweichung auch in anderen Konstellationen als für die Bewertung der Fortführungsfähigkeit einer Praxis


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 30. November 2022 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 10.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 120 000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. [X.]ie Klägerin, eine aus mehreren zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Fachärzten für Radiologie bestehende Berufsausübungsgemeinschaft ([X.]) mit [X.] in [X.], wendet sich als unterlegene Mitbewerberin gegen die Erteilung einer Nachfolgezulassung für zwei [X.] an die zu [X.] sowie die dieser zeitgleich erteilten Anstellungsgenehmigungen.

2

[X.]er [X.] für das [X.]aarland gab den unter Verzicht auf ihre Zulassung gestellten Anträgen des zu 9. Beigeladenen und des mittlerweile verstorbenen F, ihre [X.] in ihrer gemeinsam als [X.] betriebenen radiologischen Praxis in [X.], statt (bestandskräftiger Beschluss vom 12.4.2017). [X.]er Mietvertrag über die Praxisräume in [X.] endete zum [X.] und konnte nicht verlängert werden. Auf die Ausschreibung bewarben sich die Klägerin und die Beigeladene zu 1. [X.]ie Klägerin beabsichtigte die [X.] durch zwei angestellte Ärzte in ihrer bestehenden Praxis in [X.] weiterzuführen. [X.]ie Beigeladene zu 1. wollte dagegen die [X.] mit vier angestellten Ärzten besetzen und die Praxis bis Ende August 2017 am bisherigen [X.]tandort und danach in I weiterführen.

3

Mit Beschluss vom 21.6.2017 erteilte der [X.] der Beigeladenen zu 1. die Nachfolgezulassungen, ordnete den [X.]ofortvollzug an und genehmigte die Anstellung für die vier Ärzte ([X.] 1,0, 0,5 und zweimal 0,25) . [X.]en Widerspruch der Klägerin wies der beklagte Berufungsausschuss zurück (Beschluss vom 29.11.2017; Bescheid vom 12.3.2018). [X.]ie Entscheidung des [X.] sei nicht zu beanstanden. [X.]ies gelte insbesondere auch, soweit er darauf abgestellt habe, dass die Absicht der Beigeladenen zu 1., die Praxis am bisherigen [X.] fortzuführen, ein wichtiges Entscheidungskriterium darstelle. [X.]er [X.] habe auch das Lebensalter des von der Klägerin [X.], der das 72. Lebensjahr bereits vollendet habe, unter dem Aspekt der Versorgungskontinuität berücksichtigen dürfen. Zwar mache das Konzept der Beigeladenen zu 1. mit vier Angestellten eine intensivere [X.]ienstplangestaltung erforderlich, dies führe aber nicht zu einer mangelnden Versorgungskontinuität. [X.]agegen sei bei dem Konzept der Klägerin die vom B[X.]G geforderte räumliche Komponente bei der Praxisfortführung nicht mehr zu erkennen gewesen.

4

Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben ([X.]G-Urteil vom [X.]; L[X.]G-Urteil vom 30.11.2022). Zur Begründung hat das L[X.]G ausgeführt, der angegriffene Bescheid sei formell rechtmäßig. Er sei insbesondere hinreichend bestimmt. Aus dem [X.] werde hinreichend deutlich, dass der Beigeladenen zu 1. Anstellungsgenehmigungen im Umfang von zwei [X.]n erteilt worden seien; eine weitere [X.]ifferenzierung, welche Anstellungsgenehmigung sich auf welchen [X.] beziehe, sei nicht erforderlich. Auch materiell sei die Auswahl der Beigeladenen zu 1. nicht zu beanstanden. Einer Berücksichtigung der Klägerin im [X.] stehe - unabhängig von der konkreten Bewerberauswahl - bereits entgegen, dass diese nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Nachbesetzung der ausgeschriebenen [X.]itze erfülle, weil es ihr an dem für eine [X.] nach § 103 Abs 4 [X.]atz 4 [X.]GB V erforderlichen Fortführungswillen fehle. Eine Praxis werde nur dann fortgeführt, wenn der sich um die Nachfolge bewerbende Arzt am bisherigen Praxisort als Vertragsarzt tätig werden wolle. Aus dem von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Konzept gehe hervor, dass die Genehmigung für die Anstellung von zwei Ärzten benötigt werde, um dem Anstieg von Terminanfragen infolge der [X.]chließung der Praxis in [X.] gerecht zu werden. Ein Tätigwerden in [X.] sei ebenso wenig beabsichtigt wie die Übernahme der Infrastruktur oder des Praxispersonals. [X.]oweit die Klägerin im Übrigen rüge, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten sei das Konzept der Beigeladenen zu 1. überholt gewesen, da zu diesem Zeitpunkt die Praxis ausschließlich in I betrieben worden sei, treffe dies nicht zu. Bei den auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung gerichteten [X.] seien grundsätzlich alle Änderungen der [X.]achlage bis zur mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz sowie alle Rechtsänderungen, auch soweit sie erst in der Revisionsinstanz eintreten, zu berücksichtigen. Eine Ausnahme gelte aber, sofern der Begünstigung eine [X.]rittanfechtung vorangehe. Falls sich für die Zulassung des [X.]ritten die [X.]ach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorteilhafter darstelle, sei dieser Zeitpunkt maßgeblich. Zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den Beklagten am 29.11.2017 sei das Konzept der Beigeladenen zu 1. nicht überholt gewesen, da sie seit dem 1.7.2017 die Praxis in [X.] fortgeführt habe, solange dies an diesem [X.]tandort möglich gewesen sei. Hierdurch sei der Fortführungswille der Beigeladenen zu 1. dokumentiert worden.

5

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des L[X.]G macht die Klägerin Rechtsprechungsabweichungen sowie einen Verfahrensmangel geltend (Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs 2 [X.] und 3 [X.]GG).

6

[X.] [X.]ie Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

7

1. [X.]er [X.] einer Rechtsprechungsabweichung (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]GG) ist, soweit er hinreichend dargelegt wurde, nicht erfüllt. Hierfür ist erforderlich, dass das L[X.]G seiner Entscheidung tragend einen Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der einem Rechtssatz in einer Entscheidung des B[X.]G, des Gemeinsamen [X.]enats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.] widerspricht. Eine [X.]ivergenz im [X.]inne der genannten Vorschrift liegt nicht schon vor, wenn das L[X.]G einen Rechtssatz aus einer oberstgerichtlichen Entscheidung nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung einer Revision wegen [X.]ivergenz (stRspr; vgl B[X.]G Beschluss vom 29.11.2017 - [X.] [X.]/17 B - juris Rd[X.]3 mwN). Nach diesen Maßstäben kann keine der von der Klägerin zu 1. geltend gemachten [X.]ivergenzen zu einer Revisionszulassung führen.

8

a) [X.]ie Klägerin rügt zunächst eine Abweichung von der Rechtsprechung des B[X.]G zu der Frage, auf welchen Zeitpunkt in tatsächlicher Hinsicht abzustellen ist. [X.]er [X.]enat habe in seiner Entscheidung vom [X.] ([X.] [X.] 9/15 R - B[X.]GE 121, 76 = [X.]ozR 4-2500 § 103 [X.]) den abstrakten Rechtssatz aufgestellt bzw fortgeführt, dass "bei den auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung gerichteten [X.] (…) grundsätzlich alle Änderungen der [X.]achlage bis zur mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz sowie alle Rechtsänderungen, auch soweit sie erst in der Revisionsinstanz eintreten, zu berücksichtigen" seien. [X.]er [X.]enat habe diesen Rechtssatz in seinem Urteil dahingehend präzisiert, dass "die grundsätzliche Beachtung aller Tatsachenänderungen bis zur mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz und aller Rechtsänderungen bis zum Abschluss der Revisionsinstanz dazu führt, dass im Regelfall sowohl vorteilhafte als auch nachteilige [X.]ach- und Rechtsänderungen zu berücksichtigen sind." Von diesem abstrakten Rechtssatz abweichend habe das L[X.]G die in dem gleichen Urteil des B[X.]G angeführte Ausnahme angewandt, dass auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen sei, falls sich die [X.]ach- und Rechtslage zu diesem Zeitpunkt für den begünstigten [X.]ritten vorteilhafter darstelle; maßgeblicher Zeitpunkt für die Fortführungsfähigkeit der Praxis sei der Zeitpunkt der [X.]tellung des Antrags auf Ausschreibung des [X.]itzes. [X.]as B[X.]G habe sich hinsichtlich einer Ausnahme in seiner Entscheidung lediglich mit dem Zeitpunkt der Bewertung der Fortführungsfähigkeit einer Praxis befasst. Auf welchen Zeitpunkt der Beurteilung der [X.]ach- und Rechtslage bei nachträglichen anderweitigen Änderungen abzustellen sei, beantworte das B[X.]G "in dieser Entscheidung zuvor mit dem abstrakten Rechtssatz." [X.]emgegenüber wende das L[X.]G in seinem Urteil die Ausnahme von dem Rechtssatz auf das hiesige Verfahren an, obwohl die Frage der Fortführungsfähigkeit der Praxis unstreitig gegeben gewesen sei.

9

Hieraus ergibt sich keine Abweichung des L[X.]G von der Rechtsprechung des B[X.]G. Von dem von der Klägerin ausdrücklich benannten Rechtssatz, dass in [X.] grundsätzlich auf den [X.]achverhalt zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz abzustellen ist, ist das L[X.]G ersichtlich nicht abgewichen, sondern hat diesen seiner Entscheidung zugrunde gelegt. [X.]ie Abweichung soll auch nach dem Vortrag der Klägerin darin bestehen, dass das L[X.]G (nach Auffassung der Klägerin) zu Unrecht einen Ausnahmefall angenommen habe. Insoweit trägt die Klägerin vor, das B[X.]G habe sich in der von ihr zitierten Entscheidung lediglich damit befasst, welcher Zeitpunkt bei der Bewertung der Fortführungsfähigkeit einer Praxis maßgeblich sei. [X.]ie Frage, auf welchen Zeitpunkt "bei nachträglichen anderweitigen Änderungen" abzustellen sei, beantworte das B[X.]G "zuvor mit dem abstrakten Rechtssatz". Im Ergebnis will die Klägerin damit dem B[X.]G-Urteil den abstrakten Rechtssatz entnehmen, dass ein anderer entscheidungserheblicher Zeitpunkt als der der letzten mündlichen Verhandlung nur für die Bewertung der Fortführungsfähigkeit einer Praxis in Betracht kommt. Einen solchen Rechtssatz hat der [X.]enat in dem Urteil jedoch erkennbar nicht aufgestellt. Aus den Ausführungen des [X.]enats, jedenfalls für grundrechtsrelevante Entscheidungen, zu denen auch eine Entscheidung über die Nachbesetzung des [X.]s zähle, sei grundsätzlich auf die für den Anspruch günstigste Rechtslage bis zum Abschluss der Revisionsinstanz abzustellen (B[X.]G Urteil vom [X.] - [X.] [X.] 9/15 R - aaO Rd[X.]2), ergibt sich vielmehr, dass ein Abweichen von dem zuvor aufgestellten Grundsatz nach der Rechtsprechung des [X.]enats auch in anderen Konstellationen erforderlich sein kann.

[X.]oweit die Klägerin mit ihrer Formulierung, es handele sich hierbei um "eine unbedingt klärungsbedürftige Rechtsfrage" möglicherweise keine [X.]ivergenz geltend machen, sondern eine grundsätzliche Rechtsfrage zur Klärung stellen will ([X.] gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]GG; vgl [X.] 5 der Beschwerdebegründung unter [X.] 1.), würde es dieser Rechtsfrage an der nötigen Klärungsbedürftigkeit fehlen, wie sich schon aus den oben angeführten Ausführungen des [X.]enats in seinem Urteil vom [X.] ([X.] [X.] 9/15 R - B[X.]GE 121, 76 = [X.]ozR 4-2500 § 103 [X.]), aber auch aus den weiteren von der Klägerin selbst zitierten Entscheidungen (B[X.]G Urteil vom 29.11.2017 - [X.] [X.] 31/16 R - B[X.]GE 124, 266 = [X.]ozR 4-2500 § 95 [X.], Rd[X.]8; B[X.]G Urteil vom 11.12.2013 - [X.] [X.] 49/12 R - B[X.]GE 115, 57 = [X.]ozR 4-2500 § 103 [X.]3, Rd[X.] 30) ergibt.

Mit dem weiteren Vortrag, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten seien die [X.] der Beigeladenen zu 1. "ins Leere" gegangen, da eine Praxisaufnahme bzw -fortführung am [X.]tandort [X.] nicht mehr möglich gewesen sei und ein Fortführungswille der Beigeladenen zu 1. nicht mehr habe festgestellt werden können, kritisiert die Klägerin im Übrigen lediglich die Unrichtigkeit der L[X.]G-Entscheidung im Einzelfall, zeigt aber keine Rechtsprechungsabweichung auf.

b) [X.]ie Klägerin macht ferner eine [X.]ivergenz im Hinblick auf die Anforderungen an die Fortführung einer Vertragsarztpraxis geltend. [X.]er [X.]enat habe ua in seinem Urteil vom [X.] ([X.] [X.] 19/12 R - [X.]ozR 4-2500 § 103 [X.]2) den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, dass eine Praxis nur dann im [X.]inne des § 103 Abs 4 [X.]GB V fortgeführt werde, wenn der sich um eine [X.] bewerbende Arzt am bisherigen Praxisstandort als Vertragsarzt - ggf auch als Mitglied einer überörtlichen [X.] - tätig werden wolle. [X.]em stellt die Klägerin jedoch keinen abweichenden Rechtssatz gegenüber, den das L[X.]G seiner Entscheidung zugrunde gelegt hätte. Vielmehr trägt sie selbst vor, das L[X.]G habe diesen abstrakten Rechtssatz des B[X.]G "fehlerhaft angewendet" ([X.] 7 der Beschwerdebegründung unter [X.] 2.) und macht hierzu einzelfallbezogene Ausführungen. [X.]abei meint sie, das L[X.]G habe "die Anforderungen … hinsichtlich des Aspekts der [X.]auer der Fortführung" nicht beachtet und weiche von der genannten B[X.]G-Entscheidung ab, ohne aufzuzeigen, welchen abstrakten Rechtssatz der [X.]enat in Bezug auf die Anforderungen an die [X.]auer der Praxisfortführung in dem Urteil vom [X.] aufgestellt habe. [X.]ie zitiert lediglich längere Passagen aus dem Urteil, die sich in ähnlicher Form ebenfalls in dem angegriffenen L[X.]G-Urteil finden (vgl [X.] [X.] 23 f).

[X.]ollte die Klägerin mit ihrer Formulierung, fraglich sei, "welche zeitliche Anforderung … an die [X.]auer einer Tätigkeit an dem Praxisstandort des abgebenden Arztes" bestehe, eine Rechtsfrage für klärungsbedürftig halten, könnte dies ebenfalls nicht zur Zulassung führen. [X.]ie hätte damit schon keine Frage formuliert, die vom [X.]enat mit ja oder nein beantwortet werden kann (s hierzu zB B[X.]G Beschluss vom 3.11.2010 - [X.] [X.] 35/10 B - juris Rd[X.]1 mwN). [X.]ollten die Ausführungen der Klägerin dahin zu verstehen sein, dass sie geklärt wissen möchte, ob eine Fortführung der Praxis am alten [X.]tandort für rund zwei Monate ausreichend sei bzw ob auf den Willen, die Praxis fortzuführen, auch dann abgestellt werden kann, wenn - wie hier - die dauerhafte Fortführung in den alten Praxisräumen objektiv unmöglich ist, wären dies Fragen, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalles abhängen und einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung nicht zugänglich sind (vgl hierzu zB B[X.]G Beschluss vom 13.2.2019 - [X.] [X.] 17/18 B - juris Rd[X.] 7).

c) [X.]ie Klägerin trägt weiterhin vor, das B[X.]G habe in seiner Entscheidung vom 24.10.2018 ([X.] [X.] 28/17 R - [X.]ozR 4-2500 § 87b [X.]) hinsichtlich der Nachbesetzung eines hälftigen Versorgungsauftrages den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, dass "die Erfüllung des Merkmals der [X.] regelmäßig davon abhängig sein wird, dass der Arzt, der die halbe Praxis übernimmt ('fortführt'), einen Teil des [X.] übernimmt, sodass die bisherige Praxis im Regelfall gerade nicht unverändert fortgeführt wird." Unabhängig davon, ob damit tatsächlich ein abstrakter Rechtssatz aufgezeigt ist, stellt die Klägerin diesem keinen vom L[X.]G aufgestellten abweichenden Rechtssatz gegenüber. [X.]ie führt lediglich aus, das L[X.]G habe völlig außer [X.] gelassen, dass grundsätzlich eine Patientenübernahme ebenfalls Kriterium der Fortführung sein könne. Zudem meint sie, dass L[X.]G habe nicht beachtet, dass es sich bei den zwei zur Nachbesetzung ausgeschriebenen vertragsärztlichen Zulassungen um eine [X.] und damit um einen gemeinsamen Patientenstamm gehandelt habe, und dass die beiden [X.]itze nicht nur einheitlich, sondern auch getrennt voneinander einem Bewerber hätten zugesprochen werden können. [X.]er Anstieg der Terminanfragen in der Praxis der Klägerin in [X.] deute ferner darauf hin, dass die Versorgung der Patienten der [X.] auf sie übergegangen sei. [X.]amit kritisiert die Klägerin jedoch lediglich die (vermeintliche) Unrichtigkeit der Entscheidung des L[X.]G im Einzelfall, ohne einen Widerspruch im Grundsätzlichen darzulegen.

d) [X.]chließlich rügt die Klägerin eine Abweichung des L[X.]G von der Rechtsprechung des B[X.]G hinsichtlich der besonderen Anforderungen an die Begründung einer Ermessensentscheidung. [X.]as B[X.]G habe in seinem Urteil vom 9.12.2004 ([X.] [X.] 44/03 R - B[X.]GE 94, 50 = [X.]ozR 4-2500 § 72 [X.]) den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, dass für [X.] gesteigerte Anforderungen gelten. In der Entscheidung vom 27.6.1967 (1 RA 381/65 - B[X.]GE 27, 34 = [X.]ozR [X.] 3 zu § 1236 RVO) habe das B[X.]G den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, dass der Bescheid einer Behörde über eine Ermessensleistung erkennen lassen müsse, welche Überlegungen sie zum Für und Wider bei ihrer Entschließung aufgestellt habe. [X.]chließlich habe das B[X.]G in dem Urteil vom [X.] ([X.] U 19/99 R -[X.]ozR 3-2700 § 76 [X.]) den abstrakten Rechtssatz aufgestellt bzw fortgeführt, dass bei einer Ermessensentscheidung eine auf den Einzelfall eingehende [X.]arlegung erforderlich sei, dass und welche Abwägungen der einander gegenüberstehenden Interessen stattgefunden habe und welchen Erwägungen dabei die tragende Bedeutung zugekommen sei. [X.]iesen Rechtssätzen stellt die Klägerin jedoch erneut keine sich widersprechenden abstrakten Rechtssätze gegenüber, die das L[X.]G seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, sondern meint nur, der Beklagte habe diese Rechtssätze fehlerhaft angewendet. Insofern verweist die Klägerin auf die [X.]enatsentscheidung vom [X.] ([X.] [X.] 19/18 R - [X.]ozR 4-2500 § 103 [X.]9). Hierin habe der [X.]enat den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, dass ein Vertragsarzt einen Antrag auf Nachbesetzung noch bis zur Bestandskraft der Auswahlentscheidung der Zulassungsgremien zurücknehmen könne, mit der Konsequenz, dass die [X.]urchführung des [X.]s erledigt wäre. [X.]ie Klägerin folgert hieraus, dass der jeweilige Nachfolger - hier der jeweils anzustellende Arzt - für jede zur Nachbesetzung ausgeschriebene vertragsärztliche Zulassung aus dem Bescheid hervorgehen müsse. [X.]ies habe das L[X.]G verkannt. [X.]amit ist eine Rechtsprechungsabweichung jedoch nicht dargelegt, sondern allenfalls die Unrichtigkeit der Entscheidung des L[X.]G im konkreten Fall.

2. [X.]oweit die Klägerin im Rahmen ihrer [X.]arlegungen zur [X.]ivergenz als Verfahrensmangel ([X.] gemäß § 160 Abs 2 [X.] 3 [X.]GG) eine Überraschungsentscheidung rügt, da das L[X.]G sie nicht darauf hingewiesen habe, dass es nach seiner Rechtsauffassung auf die Frage des Praxisfortführungswillens der Klägerin ankomme, liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 128 Abs 2 [X.]GG, § 62 [X.]GG) nicht vor. Eine Überraschungsentscheidung setzt voraus, dass das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine [X.] gibt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen [X.] selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (B[X.]G Urteil vom 17.2.2016 - [X.] [X.] 6/15 R - B[X.]GE 120, 254 = [X.]ozR 4-2500 § 119 [X.], Rd[X.]4 mwN). [X.]ie Klägerin trägt jedoch selbst vor, dass dieser Aspekt bereits Gegenstand der [X.]G-Entscheidung gewesen ist, auch wenn das [X.]G die Frage letztendlich offengelassen hat.

3. [X.]ie Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 [X.]atz 1 Teilsatz 3 [X.]GG iVm §§ 154 ff VwGO. [X.]anach hat die Klägerin die Kosten des von ihr ohne Erfolg durchgeführten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 10. ist nicht veranlasst, da sie - anders als die Beigeladene zu 1. - keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO).

4. [X.]ie Festsetzung des [X.]treitwerts nach Anhörung der Beteiligten entspricht dem doppelten Betrag der von den Beteiligten nicht angegriffenen Festsetzung durch das L[X.]G, nachdem hier die Nachbesetzung von zwei [X.]n [X.]treitgegenstand ist (§ 197a Abs 1 [X.]atz 1 Teilsatz 1 [X.]GG iVm § 63 Abs 2 [X.]atz 1, § 52 Abs 1 und 3 [X.]atz 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG).

        

[X.]

Rademacker

Loose 

Meta

B 6 KA 2/23 B

25.10.2023

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend Sozialgericht für das Saarland, 5. Mai 2021, Az: S 2 KA 6/18, Urteil

§ 103 Abs 4 SGB 5, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 25.10.2023, Az. B 6 KA 2/23 B (REWIS RS 2023, 9979)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9979

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