Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.01.2019, Az. VIII ZR 113/17

8. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 11448

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Gegenstand

Wohnraummiete: Ausschluss des Anspruchs des Mieters auf Abrechnung der Heizkosten zu 70% nach dem erfassten Wärmeverbrauch durch sein Recht auf Kürzung seines Heizkostenanteils


Leitsatz

Unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 HeizkostenV kann der Mieter einer Wohnung verlangen, dass die anteilig auf ihn entfallenden Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage zu 70 vom Hundert nach dem erfassten Wärmeverbrauch der Nutzer verteilt werden. Der Mieter ist nicht darauf beschränkt, stattdessen von dem Kürzungsrecht des § 12 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenV Gebrauch zu machen.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil der 17. Zivilkammer des [X.] vom 2. Mai 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Mieter einer Wohnung der Beklagten in [X.]             Die Beklagte rechnet die Heizkosten jeweils zu 50 % nach der Wohnfläche und nach dem erfassten Wärmeverbrauch ab.

2

Mit der im September 2016 erhobenen Klage hat der Kläger im Hinblick auf § 7 Abs. 1 Satz 2 Heizkostenverordnung ([X.]) von der Beklagten verlangt, die Heizkosten zu 30 % nach der Wohnfläche und zu 70 % nach dem erfassten Verbrauch abzurechnen, beginnend mit der Heizperiode ab dem 1. Oktober 2016.

3

Die Klage hat in erster Instanz Erfolg gehabt. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

6

Zwar wäre die Beklagte unter den tatsächlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] zwingend verpflichtet, die Heizkosten zu 70 % nach erfasstem Wärmeverbrauch abzurechnen. Allerdings könne im gegebenen Fall dahinstehen, ob - was zwischen den Parteien streitig sei - die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung in dem Gebäude der Beklagten überwiegend gedämmt seien. Selbst wenn die tatsächlichen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] erfüllt wären, bestünde kein Anspruch des Mieters auf künftige Abrechnung der Heizkosten nach Maßgabe des dort vorgesehenen Verteilungsmaßstabs. Der Mieter sei hinreichend durch das Kürzungsrecht des § 12 Abs. 1 Satz 1 [X.] geschützt, wonach er den auf ihn entfallenden Anteil der Heizkosten um 15 % kürzen dürfe, wenn die Kosten der Wärmeversorgung entgegen den Vorschriften der Heizkostenverordnung nicht verbrauchsabhängig abgerechnet würden. Zwar bestehe das Kürzungsrecht des Mieters nach dem Wortlaut der vorgenannten Bestimmung nur dann, wenn keine verbrauchsabhängige Abrechnung stattfinde, während hier lediglich eine falsche verbrauchsabhängige Abrechnung "vorliege". Bei falschen verbrauchsabhängigen Abrechnungen sei § 12 Abs. 1 Satz 1 [X.] aber entsprechend anzuwenden.

II.

7

Diese Beurteilung hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

8

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch des [X.] gemäß § 556 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] auf zukünftige Abrechnung des Wärmeverbrauchs nach Maßgabe des von § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] vorgegebenen Verteilungsmaßstabs nicht verneint werden.

9

1. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind von den Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage mindestens 50 % und höchstens 70 % nach dem erfassten Wärmeverbrauch der Nutzer zu verteilen. Die danach bestehende Wahlmöglichkeit des Gebäudeeigentümers (vgl. § 6 Abs. 4 [X.]), einen Verteilungsmaßstab zwischen mindestens 50 % und höchstens 70 % der Kosten nach Verbrauch bestimmen zu können, wird gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] für bestimmte Gebäude eingeschränkt. Nach dieser Bestimmung sind in Gebäuden, die das Anforderungsniveau der Wärmeschutzverordnung vom 16. August 1994 ([X.]) nicht erfüllen, die mit einer Öl- oder Gasheizung versorgt werden und in denen die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung überwiegend gedämmt sind, von den Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage 70 % nach dem erfassten Wärmeverbrauch der Nutzer zu verteilen.

a) Vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] ist in der Revisionsinstanz auszugehen. Unstreitig erfüllt das Gebäude der Beklagten das Anforderungsniveau der Wärmeschutzverordnung vom 16. August 1994 nicht und wird mit einer Öl- oder Gasheizung versorgt. Nach dem - vom Berufungsgericht als streitig behandelten, in der Revisionsinstanz aber zugrunde zu legenden - Sachvortrag des [X.] ist zu seinen Gunsten anzunehmen, dass die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung in dem Gebäude überwiegend gedämmt sind.

b) Als Rechtsfolge hat die Beklagte 70 % der Kosten des Betriebs der zentralen Heizungsanlage nach dem erfassten Wärmeverbrauch der Nutzer zu verteilen. Sofern der Vermieter, wie die Beklagte, gleichwohl an einem davon abweichenden Verteilungsmaßstab festhält, gewährt § 556 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] dem Mieter einen Anspruch auf eine dahingehende Änderung des Verteilungsschlüssels (vgl. [X.], Mietrecht, 13. Aufl., § 7 [X.] Rn. 9).

2. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger sei stattdessen ausschließlich auf das Kürzungsrecht des § 12 Abs. 1 Satz 1 [X.] zu verweisen, geht fehl.

a) Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 [X.] hat der Nutzer, soweit die Kosten der Versorgung mit Wärme oder Warmwasser entgegen den Vorschriften der Heizkostenverordnung nicht verbrauchsabhängig abgerechnet werden, das Recht, bei der nicht verbrauchsabhängigen Abrechnung der Kosten den auf ihn entfallenden Anteil um 15 % zu kürzen. Diese Vorschrift ist im Streitfall weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.

aa) Das Berufungsgericht verkennt, dass hier nicht in Rede steht, ob der Mieter zur Kürzung der ihm berechneten Heizkosten berechtigt ist, wenn der Vermieter in einer bereits erteilten Abrechnung die Vorgaben des § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.], nach dem dort vorgesehenen Verteilungsschlüssel abzurechnen, missachtet hat (vgl. dazu Betriebs- und Heizkosten-Kommentar/Wall, 4. Aufl., Rn. 5858). Das Begehren des [X.] richtet sich vielmehr darauf, zukünftig Abrechnungen zu unterbinden, die hinsichtlich des Verbrauchs- und Grundkostenanteils fehlerhaft sind.

§ 12 Abs. 1 Satz 1 [X.] bietet keine Grundlage für die Auffassung des Berufungsgerichts, wonach der Mieter verpflichtet sei, die Erteilung weiterer fehlerhafter Heizkostenabrechnungen abzuwarten und diese gegebenenfalls zu kürzen. Dem Senatsurteil vom 20. Januar 2016 ([X.], [X.], 381 Rn. 19) lässt sich entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts schon deshalb nichts anderes entnehmen, weil es eine dem Mieter bereits erteilte Betriebskostenabrechnung zum Gegenstand hatte.

bb) Die Sichtweise des Berufungsgerichts ist insbesondere mit dem Zweck der Heizkostenverordnung, das Verbrauchsverhalten der Nutzer nachhaltig zu beeinflussen und damit Energieeinspareffekte zu erzielen (Senatsurteile vom 19. Juli 2006 - [X.], [X.], 652 Rn. 14; vom 10. Dezember 2014 - [X.], [X.], 205 Rn. 21; vom 6. Mai 2015 - [X.], [X.], 589 Rn. 29; vom 20. Januar 2016 - [X.], aaO Rn. 16 f.), nicht zu vereinbaren. Namentlich durch die verpflichtende Festlegung des verbrauchsabhängigen Anteils auf 70 % in den von § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] erfassten Gebäuden sollte der Einfluss des Nutzers gestärkt werden und dieser hierdurch zu sparsamerem Verbrauchsverhalten angehalten werden (Begründung der Bundesregierung zur Änderung der Heizkostenverordnung vom 8. August 2008, [X.]. 570/08, [X.], 12).

b) Anders als das [X.] gemeint hat, steht der vom Kläger begehrten Verurteilung nicht entgegen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] nachträglich entfallen könnten. In einem solchen Fall könnte der Vermieter das ihm durch § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.] gewährte Wahlrecht wieder ausüben ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 8. Aufl., [X.] Rn. 161). Dabei kann im gegebenen Fall dahinstehen, ob der Vermieter zu einer solchen Abänderung nur unter den zusätzlichen materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 [X.] berechtigt ist (so wohl BeckOGK-[X.]/Drager, Stand: 1. Oktober 2018, § 7 Rn. 11). [X.] kann der Vermieter eine dahingehende Änderung des [X.] gegebenenfalls mit einer Abänderungsklage (§ 323 ZPO) erwirken (zu Forderungen aus Betriebskostenabrechnungen als wiederkehrende Leistungen vgl. Senatsurteil vom 20. Juli 2016 - [X.], NJW 2016, 3231 Rn. 11, 16 ff. [zu § 216 Abs. 3 BGB]).

c) Es erschließt sich auch nicht, aus welchem Grund die Rechtslage im Wohnungseigentumsrecht, das hier nicht einschlägig und deshalb auch nicht zu beurteilen ist, einem Anspruch des Wohnraummieters auf Änderung des Verteilungsschlüssels für Heizkosten entgegenstehen könnte. Unbeschadet dessen entspricht ein Abrechnungsmaßstab, der gegen die - gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3, § 2 [X.] auch innerhalb der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu beachtende - Heizkostenverordnung verstößt, nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung ([X.], Urteil vom 16. Juli 2010 - V ZR 221/09, NJW 2010, 3298 Rn. 15).

III.

Nach alledem hat das Berufungsurteil keinen Bestand; es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen getroffen hat, ob die freiliegenden Leitungen der Wärmeverteilung in dem Gebäude der Beklagten überwiegend gedämmt sind. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Das Berufungsgericht wird zunächst zu beachten haben, dass die in den Gründen seines Urteils - durch Bezugnahme (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils - getroffene Feststellung, in dem Anwesen befänden sich keine nicht isolierten Heizungsrohre, im Widerspruch zu den weiteren Ausführungen im Berufungsurteil steht. Dies gestattet keine hinreichend sichere rechtliche Beurteilung des [X.] (§ 545 Abs. 1, § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO; vgl. [X.], Beschluss vom 3. Dezember 2013 - XI ZR 301/11, NJW-RR 2014, 381 Rn. 8, 11).

Das Berufungsgericht wird ferner zu berücksichtigen haben, dass die Auffassung der Beklagten, der Mieter müsse zum Tatbestandsmerkmal der überwiegenden Dämmung Sachvortrag zu den "Werte[n] nach § 14 Abs. 5, Anlage 5 EnEV 2014" halten, keine Grundlage in § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.] findet. Das Berufungsgericht wird daher - wie die Revision zu Recht geltend macht - der vom Kläger hinreichend konkretisiert dargelegten und durch richterlichen Augenschein unter Beweis gestellten Behauptung nachzugehen haben, dass Leitungen der Wärmeverteilung nur auf wenigen Metern im [X.] des [X.] und diese mit "einer sehr dicken Isoliermanschette ummantelt" seien.

Des Weiteren ist der Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten nicht darauf beschränkt, eine Änderung des Verteilungsschlüssels erst mit Beginn des nächsten vertraglich geregelten Abrechnungszeitraums zu verlangen, denn die Vorschriften der Heizkostenverordnung gehen rechtsgeschäftlichen Bestimmungen vor (§ 2 [X.]; siehe dazu [X.], Urteile vom 19. Juli 2006 - [X.], aaO Rn. 13; vom 17. Dezember 2008 - [X.], [X.], 667 Rn. 11; vom 16. Juli 2010 - V ZR 221/09, aaO Rn. 17; jeweils mwN). Gemäß § 6 Abs. 4 Satz 3 [X.] ist eine Änderung des [X.] zwar nur mit Wirkung zum Beginn eines Abrechnungszeitraums zulässig. Diese Vorschrift erfasst nach § 6 Abs. 4 Satz 1 [X.] jedoch nur die Wahl des [X.] gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 [X.], nicht dagegen den zwingend vorgegebenen Verteilungsschlüssel des § 7 Abs. 1 Satz 2 [X.]. [X.] (so [X.]/[X.]/[X.], Handbuch der Heizkostenabrechnung, 9. Aufl., Kapitel 1, [X.]8) vermag an der verbindlichen Vorgabe nichts zu ändern.

Dr. Milger     

      

[X.]     

      

[X.]

      

Kosziol     

      

Dr. Schmidt     

      

Meta

VIII ZR 113/17

16.01.2019

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Frankfurt, 2. Mai 2017, Az: 2-17 S 2/17

§ 556 Abs 1 S 1 BGB, § 7 Abs 1 S 2 HeizkostenV, § 7 Abs 2 S 1 HeizkostenV, § 12 Abs 1 S 1 HeizkostenV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.01.2019, Az. VIII ZR 113/17 (REWIS RS 2019, 11448)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 340-341 REWIS RS 2019, 11448

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