Bundessozialgericht, Urteil vom 16.03.2010, Az. B 2 U 2/09 R

2. Senat | REWIS RS 2010, 8451

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

(Gesetzliche Unfallversicherung - Verletztenrente - Rente als vorläufige Entschädigung - kein Vertrauensschutz - Rente auf unbestimmte Zeit - keine Voraussetzung: wesentliche Änderung - Aufhebung - erstmalige Festsetzung einer Dauerrente - Subsidiarität des § 48 SGB 10 gegenüber der Spezialermächtigung des § 62 Abs 2 S 2 SGB 7 - Anwendbarkeit des § 48 SGB 10)


Leitsatz

Die in § 48 SGB 10 allgemein erteilte Ermächtigung zur Aufhebung von Verwaltungsakten ist nicht anwendbar, wenn und solange es speziell um die Änderung, Aufhebung oder Ersetzung von "vorläufigen" Feststellungen eines Rentenanspruchs in der gesetzlichen Unfallversicherung bis zum Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall geht.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Beklagte der Klägerin über den 30.11.2003 hinaus eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um [X.] und diese auf unbestimmte Zeit zu zahlen hat.

2

Die Klägerin war als Lehrerin beschäftigt. Während einer Klassenfahrt rutschte sie am [X.] bei [X.] vor einem Hotel aus und fiel auf das linke Handgelenk. Dadurch erlitt sie einen verschobenen gelenksnahen Speichenbruch mit Gelenkbeteiligung.

3

Die Beklagte stellte fest, dass dies ein Arbeitsunfall war und die Klägerin seit dem 25.3.2001 Anspruch auf eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um [X.] hat. Als Unfallfolgen bezeichnete sie eine Bewegungseinschränkung des linken Handgelenks, eine Einschränkung der [X.] nach außen, eine Minderung [X.] der Hand, Missempfindungen im Bereich der ersten Zwischenfingerfalte, eine Kalksalzminderung des Handskeletts sowie röntgenologisch nachweisbare umformende Veränderungen im ehemaligen Bruchbereich (Bescheid vom 2.11.2001).

4

Nachdem die Beklagte die Klägerin angehört hatte, "entzog" sie die als vorläufige Entschädigung gewährte Rente mit Ablauf des 30.11.2003 und erklärte, die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Rente auf unbestimmte Zeit (Bescheid vom 18.11.2003; Widerspruchsbescheid vom 21.4.2004). Nach § 62 Abs 2 Siebtes [X.] ([X.]) setze die Feststellung einer Rente auf unbestimmte Zeit vor dem Ablauf von drei Jahren seit dem Unfallereignis eine Änderung der Verhältnisse nicht voraus. Die noch vorliegenden Unfallfolgen minderten die Erwerbsfähigkeit nicht um wenigstens [X.].

5

Das Sozialgericht (SG) [X.] hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 12.10.2005). Das [X.] ([X.]) [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom [X.]). Der Ablehnung der Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit stehe der Bescheid vom 2.11.2001, mit dem eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um [X.] bewilligt worden sei, nicht entgegen. Die Beklagte müsse nicht begründen, dass es zu einer Änderung in den Verhältnissen gekommen sei. Die in dem angefochtenen Bescheid mitgeteilte "Entziehung" habe über die Festsetzung des Endes der Gewährung der vorläufigen Entschädigung hinaus keinen eigenen Regelungsgehalt. Die Folgen des [X.] vom [X.] seien mit einer MdE unter [X.] zu bewerten.

6

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügt die Klägerin, entgegen der Auffassung des [X.] könne die "Entziehung" der Rente nur erfolgen, wenn eine wesentliche Änderung der Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 Satz 1 Zehntes [X.] ([X.]) vorliege. § 62 Abs 2 Satz 2 [X.] gelte nur im Falle einer Rentengewährung, nicht einer Ablehnung. Der Versicherte bedürfe eines besonderen Schutzes, welcher durch das Merkmal der "wesentlichen Änderung der Verhältnisse" gewährleistet werde. Ohne eine solche Änderung könne folglich die MdE nicht abweichend von dem Verwaltungsakt bewertet werden, mit dem ein Recht auf eine Rente als vorläufige Entschädigung festgestellt worden sei. Davon abgesehen bedingten auch die Folgen des [X.] vom [X.] eine MdE um [X.].

7

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des [X.]s [X.] vom 21. August 2008 und des Sozialgerichts [X.] vom 12. Oktober 2005 sowie die Aufhebungs- und die Ablehnungsentscheidung im Bescheid vom 18. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr über den 30. November 2003 hinaus Verletztenrente nach einer MdE um [X.] zu zahlen.

8

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie schließt sich den Ausführungen des [X.] an.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.

Das [X.] hat ihre Berufung gegen das die Klagen abweisende Urteil des [X.] zu Recht zurückgewiesen. Die in dem Bescheid vom 18.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.4.2004 enthaltenen Verwaltungsakte sind rechtmäßig. Durch sie hatte die Beklagte noch hinreichend bestimmt erstens die Feststellung des Rechts auf Rente als "vorläufige Entschädigung" im Bescheid vom [X.] zum Ablauf des 30.11.2003 insgesamt aufgehoben und zweitens festgestellt, dass ab 1.12.2003 ein Recht auf Rente auf unbestimmte [X.] nicht besteht. Daher ist auch die auf Verurteilung zur Zahlung einer Rente gerichtete Leistungsklage unbegründet.

1. Die Beklagte war nach § 62 Abs 2 Satz 2 [X.]B VII ermächtigt (§ 31 [X.]) , diese beiden Verwaltungsakte zu erlassen. Die Vorschrift verdrängt § 48 [X.]B X.

§ 62 Abs 2 Satz 2 [X.]B VII bestimmt, dass bei der erstmaligen Feststellung der Rente nach der vorläufigen Entschädigung der Vomhundertsatz der MdE abweichend von der vorläufigen Entschädigung festgestellt werden kann, auch wenn sich die Verhältnisse nicht geändert haben. Nach Satz 1 aaO wird die Rente jedoch spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall kraft Gesetzes nicht mehr als "vorläufige Entschädigung", sondern als "Rente auf unbestimmte [X.]" geleistet, sodass der "[X.]" (dazu unten) in dem den Rentenanspruch feststellenden Verwaltungsakt gesetzesunmittelbar entfällt.

Die Spezialermächtigung des § 62 Abs 2 Satz 2 [X.]B VII greift unter drei Voraussetzungen ein: Erstens darf der Träger das Recht auf die Rente bisher nur "vorläufig" anerkannt haben. Zweitens muss er beabsichtigen, diese "vorläufige" Feststellung zu ändern und erstmals darüber zu entscheiden, ob dem Versicherten der Rentenanspruch auf unbestimmte [X.] zusteht. Drittens muss er diese Verwaltungsakte dem Versicherten innerhalb des [X.]raums von drei Jahren seit dem Arbeitsunfall bekanntgeben.

Die Ermächtigung befugt den Unfallversicherungsträger dazu, über das Recht des Versicherten auf eine Dauerrente ("Rente auf unbestimmte [X.]") ohne Bindung an den Regelungsgehalt der letzten "vorläufigen" Anspruchsfeststellung "erstmals" und ggf unter deren Aufhebung oder Änderung zu entscheiden. Er darf dabei anders als in der "vorläufigen" Bewilligung entscheiden, ohne dass dafür eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen eingetreten sein müsste, die bei Erlass der letzten "vorläufigen" Anspruchsfeststellung vorgelegen hatten. Der "[X.]", welcher der Feststellung des Rentenanspruchs durch den Zusatz: "als vorläufige Entschädigung" beigefügt war, schließt ein schutzwürdiges Vertrauen des Versicherten auf diesen Verwaltungsakt insoweit aus, als dessen Regelung auf der Tatsache der noch nicht "abschließend" (dazu unten) einschätzbaren MdE beruht. Der Gesetzesbegriff "Feststellung einer Rente" auf unbestimmte [X.] bedeutet die Entscheidung des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung über das subjektiv-öffentliche Recht eines Versicherten auf Rente. Diese Entscheidung kann auch negativ ausfallen, also zu der Feststellung führen, dass ein Rentenanspruch nicht besteht (vgl B[X.] vom 31.3.1976 - 2 RU 151/74 = juris Rd[X.] 19) . Dies ist grundsätzlich der Fall, wenn die MdE den Wert von 20 vH (vgl § 56 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII) bzw 10 vH (vgl § 56 Abs 1 Satz 2 bis 4 [X.]B VII) nicht erreicht.

Diese [X.] verdrängt in ihrem Anwendungsbereich die generelle Regelung des § 48 [X.]B X, auf den sich die Klägerin berufen hat. Die in § 48 [X.]B X allgemein erteilte Ermächtigung zur Aufhebung von Verwaltungsakten ist nicht anwendbar, wenn und solange es speziell um die Änderung, Aufhebung oder Ersetzung von "vorläufigen" Feststellungen eines Rentenanspruchs in der gesetzlichen Unfallversicherung bis zum Ablauf von drei Jahren nach dem Versicherungsfall geht. Soweit es im Dreijahreszeitraum um deren Ersetzung durch eine andere "vorläufige" Regelung geht, gilt § 62 Abs 1 Satz 2 [X.]B VII. Danach kann der Vomhundertsatz der MdE innerhalb dieses [X.]raums jederzeit und anders als bei Renten auf unbestimmte [X.] (vgl hierzu § 73 Abs 3 Halbs 2 [X.]B VII) ohne Rücksicht auf die Dauer der Veränderung neu festgestellt werden. Soweit es aber um deren Ersetzung durch eine Entscheidung über das Recht auf Dauerrente geht, gilt § 62 Abs 2 Satz 2 [X.]B VII. So ist es hier.

§ 62 Abs 2 Satz 2 iVm Satz 1 [X.]B VII rundet das Regelungskonzept des § 62 Abs 1 [X.]B VII ab. § 62 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII ermächtigt und verpflichtet den Unfallversicherungsträger, ein Recht des Versicherten auf Rente auf unbestimmte [X.] stets, also auch im Dreijahreszeitraum, dann festzustellen, wenn in tatsächlicher Hinsicht der Umfang der MdE "abschließend" festgestellt werden kann und die weiteren Voraussetzungen vorliegen. Nur wenn dies nicht möglich ist, soll (dh im Regelfall "muss") der zuständige Träger "vorläufig" entscheiden. Eine "abschließende" Feststellung des Umfangs der MdE hat er zu treffen, wenn die MdE, die aufgrund des bei Abschluss des Verwaltungsverfahrens festgestellten Sachverhalts zu schätzen ist, voraussichtlich über den verbliebenen Dreijahreszeitraum nach dem Versicherungsfall hinaus fortbestehen wird. Kann eine solche Prognose nicht gestellt werden, "soll" der Träger ein zwar entstandenes, aber bezüglich Dauer oder Umfang noch nicht "abschließend" beurteilbares Recht auf Rente feststellen, aber nur unter dem Vorbehalt erleichterter Abänderbarkeit im Dreijahreszeitraum (als "vorläufige Entschädigung"). Infolge der Bewilligung unter der spezialgesetzlich erlaubten Nebenbestimmung des Vorbehalts erleichterter Abänderbarkeit weiß der Versicherte, dass sich sein Rentenanspruch nach Grund und Höhe noch nicht verfestigt hat. § 62 Abs 2 Satz 2 [X.]B VII komplettiert dieses Gebot dadurch, dass er die erstmalige Entscheidung über das Recht auf Dauerrente im Dreijahreszeitraum und die dafür notwendige Aufhebung der "vorläufigen" Feststellung des Rentenanspruchs unabhängig davon erlaubt, ob eine wesentliche Änderung der MdE eingetreten ist.

Das Ermächtigungskonzept des § 62 [X.]B VII trägt der Erfahrung Rechnung, dass sich in der ersten [X.] nach einem Versicherungsfall dessen gesundheitliche Folgen und deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit des Versicherten zumeist noch nicht stabilisiert haben. Die Folgen des Versicherungsfalls unterliegen häufig noch allmählich oder auch kurzfristig eintretenden Veränderungen ([X.] in [X.], [X.]B VII, Stand Februar 2001, § 62 Rd[X.] 5) . Anpassung und Gewöhnung an die Folgen eines Versicherungsfalls, etwa durch Entwicklung von [X.] und durch das Erlernen des Umgangs mit verletzten Gliedmaßen (vgl Ricke in [X.] Komm, [X.]B VII, Stand 2009, § 73 Rd[X.] 11), führen des Öfteren zu einer Besserung. Nicht selten verändert sich die unfallbedingte MdE in den ersten Jahren wechselhaft oder nimmt auch zu.

§ 48 [X.]B X findet dagegen in folgenden drei Fallgestaltungen Anwendung: Erstens, wenn der Träger von Anfang an den Rentenanspruch auf Dauer festgestellt, also von der Ermächtigung des § 62 Abs 1 [X.]B VII keinen Gebrauch gemacht hat. [X.] ist darauf hinzuweisen, dass die Vorschrift auch anwendbar ist, wenn eine als "vorläufig" gewollte Bewilligung den Vorbehalt der erleichterten Abänderbarkeit nicht hinreichend deutlich zum Ausdruck bringt, also eine Feststellung über den dauerhaften Rentenanspruch verlautbart. Zweitens, wenn nach einer ("vorläufigen") Feststellung des Rechts unter Abänderungsvorbehalt der Dreijahreszeitraum abgelaufen war, sodass der Änderungsvorbehalt kraft Gesetzes entfallen und dadurch die ursprünglich "vorläufige" Feststellung zu einer solchen über den [X.] geworden war (§ 62 Abs 2 Satz 1 [X.]B VII), jetzt aber eine abweichende Entscheidung über den Anspruch getroffen werden soll . Drittens, wenn eine im Dreijahreszeitraum ergangene Entscheidung über die Feststellung einer Dauerrente, mit der zugleich die Feststellung einer Rente als "vorläufige Entschädigung" aufgehoben worden war (§ 62 Abs 2 Satz 2 [X.]B VII) , ihrerseits aufgehoben werden soll.

Frühere Entscheidungen des Bundessozialgerichts (B[X.]), die zwischen den Grundlagen für die Feststellung der Rentenhöhe und denjenigen, die nur oder zugleich auch den Anspruch als solchen betreffen, unterschieden haben, sind zu § 1585 Abs 2 Satz 2 Reichsversicherungsordnung ergangen (B[X.] vom 29.3.1957 - 2 [X.] - B[X.]E 5, 96, 102; B[X.] vom [X.] - B[X.]E 18, 84, 87 ff; B[X.] vom 31.3.1976 - 2 RU 151/74 = juris Rd[X.] 20) . Diese Vorschrift ist mit Ablauf des 31.12.1996 außer [X.] getreten (Art 35 [X.] 1 des [X.] <[X.]> vom [X.], [X.]). An ihre Stelle sind zum [X.] die Vorschriften des [X.]B VII, hier der auch inhaltlich geänderte § 62 Abs 2 Satz 2, getreten (Art 1, 36 [X.], aaO) .

2. Die angefochtenen Verwaltungsakte sind formell und materiell rechtmäßig.

Die Beklagte hat nach Anhörung der Klägerin (§ 24 Abs 1 [X.]B X) noch hinreichend bestimmt erklärt (§ 33 Abs 1 [X.]B X) , dass sie die Feststellung des Rechts auf Rente als vorläufige Entschädigung aufhebt . Ein objektiver Erklärungsempfänger konnte dem Bescheid vom 18.11.2003 noch entnehmen, dass dieser den Verwaltungsakt vom [X.] aufgehoben hat, durch den das Recht ("vorläufig") festgestellt worden war. Auch wenn dies hier aus den Umständen des Einzelfalls noch hinreichend erkennbar war, ist grundsätzlich darauf hinzuweisen, dass Rechtsklarheit und Rechtssicherheit prinzipiell gebieten, in der Aufhebungsentscheidung den Verwaltungsakt genau zu benennen, der aufgehoben werden soll, und auch eindeutig zu sagen, in welchem Umfang er aufgehoben wird.

Die Voraussetzungen des § 62 Abs 2 Satz 2 [X.]B VII liegen vor. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom [X.] festgestellt, dass die Klägerin ein Recht auf eine Rente als vorläufige Entschädigung hat. Der Vorbehalt erleichterter Abänderbarkeit ist nicht kraft Gesetzes entfallen (§ 62 Abs 2 Satz 1 [X.]B VII ), weil der Dreijahreszeitraum bei Erlass der angefochtenen Verwaltungsakte noch nicht verstrichen war. Seit dem Versicherungsfall vom [X.] waren keine drei Jahre vergangen. Vielmehr sind die mit Bescheid vom 18.11.2003 bekannt gegebenen und damit formell wirksam gewordenen Verwaltungsakte bereits zum 1.12.2003 auch materiell wirksam geworden. Insoweit ist der Sachverhalt anders gelagert als derjenige, der der Entscheidung des [X.]([X.] U 6/07 R - [X.] 4-1300 § 41 [X.] 1) zugrunde gelegen hat. Dort sollte die Aufhebungsentscheidung erst nach Ablauf des Dreijahreszeitraums materielle Wirkung entfalten.

Nach den Feststellungen des [X.] (§ 163 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>) hat bei der Klägerin ab 1.12.2003 eine MdE von [X.] vorgelegen. An diese Feststellung ist der Senat gebunden (§ 163 [X.]G) , da sie nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden ist. Auch ein Stützrententatbestand 56 Abs 1 Satz 2 bis 4 [X.]B VII) ist nicht gegeben.

Im [X.]punkt des Erlasses der angefochtenen Verwaltungsakte hat die Beklagte den Umfang der MdE abschließend bewerten können und müssen. Eine vorläufige Rente soll innerhalb des Dreijahreszeitraums nur gewährt werden, wenn die MdE noch nicht abschließend bewertet werden kann (§ 62 Abs 1 Satz 1 [X.]B VII) . Immer dann, wenn die Gesundheitssituation eines Versicherten eine abschließende Feststellung der MdE über den Dreijahreszeitraum hinaus zulässt, liegen die Voraussetzungen für eine vorläufige Bewilligung nicht mehr vor. In einem solchen Fall müssen die Träger über eine Rente auf unbestimmte [X.] entscheiden. Die Beklagte konnte die MdE der Klägerin abschließend feststellen, denn in den Gesundheitsfolgen der Klägerin war eine Stabilisierung erreicht, die die Prognose gerechtfertigt hat, die festgestellte MdE werde über den [X.]raum von drei Jahren nach dem Versicherungsfall hinaus in dem gegebenen Umfang fortbestehen.

Sind die Voraussetzungen des § 62 Abs 2 Satz 2 [X.]B VII - wie hier - gegeben, hat die Beklagte trotz des Wortes "kann" kein Ermessen. Denn die Erkenntnis, welche MdE voraussichtlich über den Ablauf des Dreijahreszeitraums fortbestehen wird, ist eine Tatsachenfeststellung. Von ihr allein hängt es ab, ob der Versicherte wegen seines Versicherungsfalls überhaupt ein Recht auf Rente nach § 56 Abs 1 [X.]B VII hat, ggf hängt von ihr auch die Höhe der Rente ab. Auf sie besteht ggf ein Rechtsanspruch nach § 56 Abs 1, 3 [X.]B VII, der für ein Ermessen in Bezug auf seine Feststellung durch den leistungspflichtigen Träger keinen Raum lässt. Das Gesetz trägt mit dem Wort "kann" nur dem Umstand Rechnung, dass die "abschließende" Feststellung der MdE zu einer anderen MdE als "vorläufig" festgesetzt, aber auch zu derselben führen kann. Es befugt und verpflichtet den Träger, die "abschließende" Tatsachenfeststellung ungeachtet der bisherigen [X.] und insbesondere ohne das Erfordernis einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zu treffen.

3. Die Leistungsklage der Klägerin ist unbegründet. Unabhängig davon, ob man von einer mit einer Anfechtungsklage kombinierten Leistungsklage (§ 54 Abs 4 [X.]G) oder einer allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs 5 [X.]G, § 202 [X.]G iVm §§ 258, 259 Zivilprozessordnung) ausgeht, kann sie keinen Erfolg haben. Die Bewilligung von Rente als vorläufige Entschädigung wurde rechtmäßig aufgehoben und das Nichtbestehen eines Rechts auf eine Rente auf unbestimmte [X.] rechtmäßig festgestellt.

[X.] beruht auf §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 2 U 2/09 R

16.03.2010

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Halle (Saale), 12. Oktober 2005, Az: S 11 U 71/04, Urteil

§ 56 Abs 1 SGB 7, § 62 Abs 1 S 1 SGB 7, § 62 Abs 1 S 2 SGB 7, § 62 Abs 2 S 2 SGB 7, § 31 SGB 1, § 24 Abs 1 SGB 10, § 33 Abs 1 SGB 10, § 48 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 16.03.2010, Az. B 2 U 2/09 R (REWIS RS 2010, 8451)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8451

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 2 U 1/13 R (Bundessozialgericht)

Gesetzliche Unfallversicherung - Verletztenrente - Bewilligung nach einem niedrigeren Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als …


B 2 U 25/11 R (Bundessozialgericht)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - gesetzliche Unfallversicherung - Entziehung einer Verletztenrente …


B 2 U 17/14 R (Bundessozialgericht)

(Sozialgerichtliches Verfahren - Anwendbarkeit der unechten Leistungsklage gem § 54 Abs 4 SGG auf Zahlung …


B 2 U 5/10 R (Bundessozialgericht)

(Gesetzliche Unfallversicherung - MdE-Einschätzung gem § 56 Abs 2 SGB 7 - Sozialdatenschutz gem § …


B 2 U 10/20 R (Bundessozialgericht)

Gesetzliche Unfallversicherung - höhere Verletztenrente - wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - MdE - Funktionseinschränkung …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.