Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.10.2010, Az. 3 C 41/09

3. Senat | REWIS RS 2010, 2121

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Gegenstand

Maßregelung von Schlachtfleisch zur Prophylaxe gegen eine Übertragung von BSE; Entschädigung


Leitsatz

Der Eigentümer eines Rindes kann nach § 72c TierSG (juris: ViehSeuchG) von der Tierseuchenkasse eine Entschädigung für die behördlich angeordnete Beseitigung des Schlachtkörpers ("Maßregelung") verlangen, wenn die Beseitigung angeordnet wurde, weil das Fleisch gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 der BSE-Untersuchungsverordnung wegen eines in derselben Schlachtcharge zuvor geschlachteten, von BSE befallenen Rindes als verunreinigt anzusehen ist.

Tatbestand

1

Die Klägerin züchtet Schlachtvieh. Sie begehrt von der beklagten [X.] eine Entschädigung für die Maßregelung eines am 5. Oktober 2004 geschlachteten Stieres. Dieser war dem Schlachthof als gesundes Tier angeliefert worden, wurde dort jedoch einer [X.] zugeordnet, in der später ein positiv auf [X.] ([X.], einer Form der transmissiblen spongiformen Enzephalopathien - [X.]) getestetes Rind aufgefunden wurde. Die [X.] gab der Klägerin daher mit Anordnung vom 27. Oktober 2004 auf der Grundlage der [X.]-Untersuchungsverordnung auf, das Fleisch des Stieres zu vernichten. Sämtliche Tiere innerhalb der Charge, die nach dem infizierten Tier geschlachtet worden seien, gälten als verunreinigt und seien im Sinne eines vorbeugenden Verbraucherschutzes zu beseitigen. Die Klägerin kam der Anordnung nach. Sie verlangt für den Verlust des Schlachtkörpers eine Entschädigung nach § 66 des Tierseuchengesetzes ([X.]), deren Höhe von den Beteiligten übereinstimmend auf 1 600 € beziffert worden ist. Die Beklagte lehnte dies ab. Entschädigungen würden nur für Tierverluste geleistet, nicht aber für die Vernichtung von Fleisch, das aus Gründen der [X.] als verunreinigt gelte.

2

Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Anspruch nach § 66 Nr. 5 [X.] bestehe nicht, weil das Fleisch nach der Schlachtung nicht aufgrund einer tierseuchenrechtlichen Bestimmung gemaßregelt worden sei. Auf europarechtliche Bestimmungen könne der Anspruch ebenfalls nicht gestützt werden. Soweit die Klägerin ihren Anspruch auf die Grundsätze der Enteignung oder des enteignungsgleichen Eingriffs stützen wolle, sei der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben; eine Verweisung komme nicht in Betracht, weil sich ein solcher Anspruch gegen die [X.] richte.

3

Auf die Berufung der Klägerin hat der [X.] das Urteil geändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1 600 € nebst Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen; hinsichtlich des weitergehenden [X.] hat er die Klage abgewiesen. Entschädigung könne die Klägerin nach § 66 Nr. 5 [X.] verlangen und mit der allgemeinen Leistungsklage geltend machen. Die Maßregelung beruhe auf der [X.]-Untersuchungsverordnung und damit auch auf einer tierseuchenrechtlichen Vorschrift. [X.] sei unzweifelhaft eine Tierseuche im Sinne des Tierseuchengesetzes. Mit der Maßregelung solle verhindert werden, dass Menschen sich durch den Genuss von Fleisch, dessen [X.]-Infizierung zumindest nicht ausgeschlossen werden könne, der Gefahr aussetzten, von der Krankheit befallen zu werden. Die allgemeine Prophylaxe gegen eine Übertragung der [X.] auf den Menschen habe der Gesetzgeber dem [X.] zugerechnet. Dass es sich auch um eine Maßnahme der [X.] handele, stehe dem nicht entgegen. Eine strikte Trennung von [X.] und [X.] verbiete sich, schon weil ein Teilbereich des [X.]s auch Zielen der [X.] diene. Die Zweckbestimmung des § 66 [X.] stimme damit überein, denn der Gesetzgeber habe mit der Entschädigungspflicht auch vermeiden wollen, dass derjenige eine Erlöseinbuße hinnehmen müsse, der sich - wie die Klägerin - an die Verpflichtung halte, keine kranken oder verdächtigen Tiere zur Schlachtung zu schicken.

4

Mit ihrer Revision macht die Beklagte geltend, das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs stelle eine Kehrtwende im Grundverständnis des [X.] dar. Bislang sei § 66 [X.] als Anspruch eigener Art betrachtet worden, der aus [X.] auf eine wirksame Seuchenbekämpfung ziele; im Übrigen solle gemäß § 68 Abs. 1 Nr. 7 [X.] grundsätzlich keine Entschädigung gewährt werden, wenn Schlachtvieh Schlachtstätten zugeführt worden sei. Insgesamt verfolge der Gesetzgeber eine systematische Trennung zwischen [X.]- und [X.], die vom Berufungsgericht durchbrochen werde. Die Maßregelung nach der [X.]-Untersuchungsverordnung diene dem Verbraucherschutz, nicht aber der [X.]. Beim [X.]-Test handele es sich um eine fleischhygiene- und damit lebensmittelrechtliche Untersuchung. Dem [X.]recht gehe es im [X.] um die Genusstauglichkeit von Fleisch für den Menschen. Das Risiko, dass Fleisch aufgrund von Verunreinigungen im Schlachthof für den menschlichen Verzehr untauglich werde, werde nicht mehr vom [X.] und seinen speziellen [X.] erfasst. Das Tierseuchenentschädigungsrecht sei auch nicht als allgemeine Schlachtviehversicherung ausgestaltet, weshalb die [X.] in § 66 Tierseuchengesetz keiner erweiternden Auslegung zugänglich seien. Der Klaganspruch ergebe sich auch nicht aus § 72c [X.] i.V.m. Art. 13 Abs. 4 Verordnung ([X.]) Nr. 999/2001. Diese Vorschrift sei nicht unmittelbar anwendbar, weil kein Tierverlust angeordnet, sondern die Verwertbarkeit des Fleisches ausgeschlossen worden sei. Zwar sei eine Entschädigungspflicht nach [X.] auch für die ersten beiden Tiere anzunehmen, die dem [X.]-Rind in derselben [X.] nachfolgten. Über das [X.] hinaus komme eine erweiternde oder analoge Anwendung auf die Regelung der [X.] [X.]-Untersuchungsverordnung, welche die Vernichtung der gesamten weiteren [X.] vorsehe, aber nicht in Betracht. Ausweislich der Materialien sei man sich der Mehrbelastungen für die Fleischwirtschaft bewusst gewesen, habe aber dennoch keine Entschädigungsregelung vorgesehen. Daher liege keine planwidrige Regelungslücke vor.

5

Die Klägerin verteidigt das Urteil des Berufungsgerichts.

6

Die Landesanwaltschaft [X.] schließt sich der Auffassung der Beklagten an, dass mangels einer tierseuchenrechtlichen Maßregelung keine Entschädigung durch die Beklagte zu leisten sei.

7

Auch der Vertreter des [X.] beim [X.] vertritt diesen Standpunkt.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet. Zwar verletzt das Urteil des Berufungsgerichts [X.]esrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), weil es annimmt, dass die Klägerin eine Entschädigung für die Maßregelung ihres Rindes unmittelbar aufgrund von § 66 Nr. 5 [X.] ([X.]) beanspruchen könne. Es erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO); denn der Klägerin ist Entschädigung in dem vom Berufungsgericht ausgeurteilten Umfang nach § 72c [X.] zu gewähren.

9

1. Die Klage ist als Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Fall 2 VwGO) statthaft. Über die Gewährung einer Entschädigung nach dem [X.] hat die Beklagte durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Das ergibt sich aus Art. 5 Abs. 2 Nr. 1 des [X.] über den Vollzug des Tierseuchenrechts vom 8. April 1974 (BayRS 7831-1-U), wonach die [X.] die Aufgabe hat, die gesetzlich vorgeschriebene Entschädigung für [X.]e festzusetzen sowie die Entschädigungen im Auftrag des Staates auszuzahlen. Der Erlass eines Verwaltungsakts trägt dem Umstand Rechnung, dass Voraussetzungen und Höhe der Entschädigung nach § 66 [X.] in einer behördlichen Entscheidung mit Außenwirkung festzustellen sind. Das ist bereits in der bisherigen Rechtsprechung des Senats zugrunde gelegt worden (vgl. Urteile vom 20. Januar 2005 - BVerwG 3 [X.] 15.04 - NVwZ-RR 2005, 446 <448> = [X.] 418.6 [X.] Nr. 18 und vom 13. März 2008 - BVerwG 3 [X.] 10.07 - NVwZ-RR 2008, 449 = [X.] 418.6 [X.] Nr. 19).

2. Die Klage ist begründet.

a) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts lässt sich der Klaganspruch allerdings nicht unmittelbar aus § 66 Nr. 5 [X.] herleiten. Nach dieser Bestimmung wird eine Entschädigung in Geld geleistet unter anderem für Rinder, die Schlachtstätten zugeführt und bei der amtstierärztlichen Auftriebsuntersuchung oder bei der [X.] als nicht seuchenkrank oder seuchenverdächtig befunden worden sind, sofern deren Fleisch nach der Schlachtung aufgrund einer tierseuchenrechtlichen Vorschrift oder einer auf eine solche Vorschrift gestützten behördlichen Anordnung gemaßregelt worden ist. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Maßregelung auf "eine tierseuchenrechtliche Vorschrift" gestützt war.

Das Adjektiv "tierseuchenrechtlich" hat nach dem Wortsinn und seiner systematischen Verwendung Bedeutung nur im unmittelbaren Zusammenhang des [X.]es und der aufgrund dessen Ermächtigungen (vgl. §§ 2a, 7, 7c [X.]) erlassenen Rechtsverordnungen. Im [X.] nimmt der Begriff ausschließlich Bezug auf die in diesem Gesetz selbst angelegten Befugnisse und Maßnahmen. [X.] ist eine Maßregel (insbesondere in §§ 18 bis 30 [X.]) oder sonstige Maßnahme daher, wenn sie in diesem Gesetz als solche vorgesehen ist. In diesem Sinne verweist § 17f [X.] ("tierseuchenrechtlich vorgeschriebenen Desinfektionen und Entwesungen") auf die Maßregeln nach § 17 Abs. 1 Nr. 11, 14 und 20, Abs. 3 Nr. 4 und 5 sowie § 27. Dasselbe gilt für § 66 Nr. 4 [X.] ("tierseuchenrechtlich vorgeschriebenen oder behördlich angeordneten Impfung, Behandlung oder Maßnahme diagnostischer Art"), der auf die Maßregeln etwa nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 und 17, Abs. 3 Nr. 1, § 23 und die Maßnahmen nach § 11 Abs. 2, § 12 verweist, sowie für § 69 Abs. 2 [X.] ("auf Grund einer tierseuchenrechtlichen Vorschrift gesperrten Bestand"), womit die Maßnahmen nach § 22 und § 64 in den Blick genommen sind. Nichts anderes gilt für allgemeine Bezugnahmen auf eine "tierseuchenrechtlich vorgeschriebene oder behördlich angeordnete Maßnahme" oder auf eine "tierseuchenrechtliche Vorschrift" (vgl. § 66 Nr. 5, § 67 Abs. 1 und 4, § 68 Abs. 1 Nr. 6, § 81 Abs. 1 und 2 [X.]). Überall soll sichergestellt werden, dass die im [X.] vorgesehenen Maßnahmen mit den ihrer Umsetzung dienenden Verbots-, Überwachungs- und Entschädigungsvorschriften deckungsgleich sind.

Für § 66 Nr. 5 [X.] wird dieses Verständnis durch die Entstehungsgeschichte der Vorläuferregelung im Viehseuchengesetz bestätigt. Die noch im Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Viehseuchengesetzes vom 17. Januar 1972 ([X.]3017 S. 3 Nr. 15) enthaltene Formulierung "sofern deren Fleisch nach der Schlachtung auf Grund einer viehseuchenrechtlichen Vorschrift oder behördlichen Anordnung gemaßregelt worden ist" wurde auf Anregung des [X.]esrates dahin ergänzt, dass die Maßregelung in "einer auf eine solche Vorschrift gestützten behördlichen Anordnung" enthalten sein müsse ([X.]3017 [X.]3 f.). Diese Ergänzung sollte klarstellen, dass die Maßregelung nicht auf das [X.], den Vorläufer des Fleischhygienegesetzes (vgl. die Umbenennung durch das Gesetz zur Änderung des [X.]es vom 13. April 1986, [X.]), gestützt worden sein durfte. Die Formulierung wurde bei der Umbenennung des Viehseuchengesetzes in "[X.]" beibehalten (vgl. Art. 1 des [X.] vom 28. März 1980, [X.] 380).

Der Gesetzgeber verfolgt seither eine grundsätzlich strikte Trennung tierseuchenrechtlicher und lebensmittelrechtlicher Vorschriften, die auch Folge gesonderter Regelungskompetenzen ist. So unterscheidet das Verfassungsrecht die Kompetenztitel für "Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG und für das "Recht der Lebensmittel einschließlich der ihrer Gewinnung dienenden Tiere" in Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG und bindet nur die Inanspruchnahme der letztgenannten Kompetenz an die besonderen Anforderungen des Art. 72 Abs. 2 GG. Das [X.] Gemeinschaftsrecht verweist als Rechtsgrundlage entweder auf [X.]. 152 Abs. 4 Buchst. [X.] ("Gesundheitswesen") oder auf [X.]. 37 [X.] ("Agrarpolitik"). Zwischen den Rechtsbereichen mag es faktische Berührungen und Überschneidungen geben; dies berechtigt aber nicht dazu, die vorgegebene Systematik zu durchbrechen. Nach ihr soll die Maßregelung von Fleisch aufgrund anderer als im [X.] enthaltener Vorschriften ohne Entschädigung bleiben. Dazu gehören insbesondere jene Fälle, in denen Fleisch in einer fleischhygienerechtlichen Entscheidung die Verkehrsfähigkeit abgesprochen wird.

Ausgehend davon handelt es sich hier nicht um eine Maßregelung auf tierseuchenrechtlicher Grundlage. Die Anordnung vom 27. Oktober 2004 war auf § 4 der Verordnung zur fleischhygienerechtlichen Untersuchung von geschlachteten Rindern auf BSE ([X.]) i.d.F. der Bekanntmachung vom 18. September 2002 ([X.]) gestützt. Diese Verordnung hat ihre Ermächtigungsgrundlage nicht im [X.], sondern im Fleischhygienegesetz i.d.F. der Bekanntmachung vom 8. Juli 1993, [X.] (FlHG a.F.; vgl. Verordnung vom 1. Dezember 2000, [X.]). Sie dient ausschließlich lebensmittel- und verbraucherschutzrechtlichen Zielen, nicht aber der Bekämpfung von Tierseuchen (vgl. § 1 FlHG a.F., deutlicher § 14 Abs. 1 i.V.m. §§ 1, 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs i.d.[X.]. 1 des Gesetzes vom 1. September 2005, [X.] 2618).

b) Auch eine analoge Anwendung des § 66 Nr. 5 [X.] verbietet sich angesichts der vom Normgeber gewollten Trennung der Rechtsbereiche. Von einer Entschädigungsregelung für die Maßregelung von [X.] ist bewusst abgesehen worden, eine planwidrige Lücke liegt somit nicht vor. Die Maßregelung ist als staatliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des [X.] betrachtet worden, womit gerechtfertigt wurde, absehbare finanzielle "Mehrbelastungen" infolge der Verluste von [X.] der Fleisch- und Landwirtschaft zu überbürden und der Regulierung durch den Marktpreis zu überlassen (vgl. BTDrucks 14/7153 [X.]; BTDrucks 14/7467 und [X.] 882/01 [X.]9). Damit fehlt es für eine analoge Anwendung auch an einer Vergleichbarkeit der Interessenlagen. § 66 Nr. 5 [X.] will denjenigen vor [X.] bewahren, der sich an seine Verpflichtung hält, keine kranken oder verdächtigen Tiere zur Schlachtung zu schicken ([X.]3017 [X.]). Diese Prämienfunktion trifft auf [X.] von vornherein nicht zu, die sich aus dem Verlust von später als genussuntauglich eingestuftem [X.] ergeben.

3. Der Anspruch auf Entschädigung in der geltend gemachten Höhe ergibt sich aber aus § 72c i.V.m. § 66 [X.]. § 72c ist durch Art. 4 Nr. 1b des Gesetzes zur Änderung des Fleischhygienegesetzes, des Geflügelfleischhygienegesetzes und des [X.]es vom 7. März 2002 ([X.] 1046) in das [X.] eingefügt worden und am 14. März 2002 in [X.] getreten; die Vorschrift war mithin in dem für die Prüfung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des [X.]es (vgl. Urteil vom 20. Januar 2005 - BVerwG 3 [X.] 15.04 - a.a.[X.]) geltendes Recht. Hiernach gelten, soweit ein unmittelbar geltender Rechtsakt der [X.] im Anwendungsbereich dieses Gesetzes nicht entgegensteht oder seine Durchführung es erfordert, die §§ 66 bis 72b [X.] hinsichtlich der Entschädigungen für [X.]e aufgrund einer Vorschrift eines solchen Rechtsaktes entsprechend. Zwar erfasst § 72c [X.] den vorliegenden Fall nicht unmittelbar; denn ein unmittelbar geltender Rechtsakt des Gemeinschaftsrechts fordert keine Entschädigung. Jedoch gebietet eine am Gleichbehandlungsgebot ausgerichtete Auslegung, die Verluste von [X.] aufgrund von Anordnungen nach § 4 [X.] in den Anwendungsbereich des § 72c [X.] einzubeziehen.

a) Maßgeblich dafür ist zunächst das Gemeinschaftsrecht, dessen Umsetzung § 72c [X.] dient. Die Einfügung der Vorschrift soll die Entschädigung für [X.]e aufgrund unmittelbar geltender Vorschriften in Rechtsakten der [X.] regeln (vgl. BTDrucks 14/7153 S.10 f.). Zu schaffen waren vor allem bundeseinheitliche Zuständigkeitsvorschriften für die Entschädigungspflichten nach der Verordnung ([X.]) Nr. 999/2001 des [X.] und des Rates vom 22. Mai 2001 mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien ([X.] vom 31. Mai 2001, [X.] ff.). Die Verordnung begründet in Art. 13 Abs. 4 eine Pflicht zur Entschädigung für den Verlust solcher Tiere, die gemäß Art. 12 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 Buchst. a und c getötet bzw. beseitigt werden, also selbst an BSE erkrankt sind (Art. 13 Abs. 1) oder bei denen die Möglichkeit einer [X.] nicht ausgeschlossen werden kann (Art. 12 Abs. 2).

b) Die Pflicht zur Beseitigung wurde durch die Verordnung ([X.]) Nr. 1248/2001 vom 22. Juni 2001 ([X.] vom 27. Juni 2001, [X.]2) erweitert. Nr. 6.5 des neuen [X.], [X.] A, Abschn. I verpflichtet mit Wirkung vom 1. Januar 2002 (Art. 3 Abs. 2 der Änderungsverordnung) dazu, zusätzlich zum positiv getesteten Schlachtkörper eines für den menschlichen Verzehr geschlachteten Tieres mindestens den ihm unmittelbar vorausgehenden und die zwei unmittelbar folgenden Schlachtkörper in der gleichen Schlachtlinie zu beseitigen. Mit dieser Ausweitung der [X.] hat die [X.] der [X.]en von der Ermächtigung Gebrauch gemacht, gemäß Art. 20 Abs. 2 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Verordnung ([X.]) Nr. 999/2001 im Wege der Änderung und Ergänzung der Anhänge Durchführungsbestimmungen zur Verordnung festzulegen. Die Änderung des [X.] sollte verhindern, dass Schlachtkörper in die Nahrungsmittelkette gelangen, die durch positiv getestete Schlachtkörper kontaminiert sind (Erwägungsgrund 8 der Verordnung <[X.]> Nr. 1248/2001). Seit dieser Ausweitung der [X.] erstreckt sich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Gewährung einer Entschädigung gemäß Art. 13 Abs. 4 der Verordnung ([X.]) Nr. 999/2001 auch auf die neuen Tatbestände in [X.], [X.] A, Abschn. I Nr. [X.] Dass dies nicht auch in Art. 13 Abs. 4 der Verordnung zum Ausdruck gebracht wurde, dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die [X.] zu Folgeänderungen der Verordnung des [X.] und des Rates nicht ermächtigt war. Vernünftige Zweifel an der Erstreckung der Entschädigungspflicht ergeben sich daraus nicht ("acte clair", [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - [X.]. [X.]-283/81, [X.]ilfit u.a. - Slg. 1982, 3415 ). Der Verordnungsgeber hat es offenbar für selbstverständlich erachtet, dass bei der Erweiterung von [X.] im Wege von Durchführungsbestimmungen das Entschädigungsregime der Verordnung eingreift. Dies ergibt sich aus Erwägungsgrund 13 Satz 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 999/2001, wonach die Eigentümer unverzüglich für den Verlust von Tieren und die Vernichtung von tierischen Erzeugnissen im Rahmen der Verordnung entschädigt werden sollen. Dem ist keine Beschränkung auf die kranken oder verdächtigen Tiere zu entnehmen; vielmehr sind nach Satz 1 des [X.] "alle erforderlichen Maßnahmen" umfasst, die bei amtlicher Bestätigung eines [X.] zu treffen sind. Hierzu gehört seit der Änderung des [X.] die Maßregelung von kontaminiertem [X.] im [X.] an die Untersuchungen ([X.], [X.] A, Abschn. I Nr. 6 der Verordnung <[X.]> Nr. 999/2001 i.d.F. der Verordnung Nr. 1248/2001). Dieses Verständnis von Art. 13 Abs. 4 der Verordnung liegt auch auf der Linie der ursprünglichen Konzeption der Entschädigungspflicht; denn die für die Entschädigung infizierter Tiere sprechenden Gründe treffen erst recht zu auf die Maßregelung gesunder Tiere, die zum Schutz der Allgemeinheit einer [X.] unterworfen werden, nachdem sie ohne Zutun der Eigentümer durch das Fleisch zu entschädigender Schlachtkörper kontaminiert worden sind.

§ 72c [X.] erfasst damit alle gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Beseitigungsmaßnahmen, die eine Entschädigungspflicht unmittelbar nach der Verordnung ([X.]) Nr. 999/2001 auslösen. Dass dies für die Beseitigung von [X.] nach deren [X.], [X.] A, Abschn. I Nr. 6.5 zutrifft, bezweifelt auch die Beklagte nicht. Sie geht damit der Sache nach von dem zutreffenden Verständnis aus, dass der Begriff "[X.]e" in § 72c [X.] in einem weiten Sinne zu verstehen ist und nicht nur Fälle des Verlustes lebender infizierter Tiere abdeckt, sondern auch den Verlust des als kontaminiert geltenden Fleisches gesund geschlachteter Tiere. Dass damit die dem [X.] Recht immanente systematische Trennlinie zwischen Tierseuchen- und Lebensmittelrecht durchbrochen ist, ist in den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben angelegt. Die Wendung "Verlust von Tieren", die in § 72c [X.] aufgegriffen ist, entstammt noch der Ursprungsfassung der Verordnung (vgl. Erwägungsgrund 13 Satz 2 und Art. 13 Abs. 4 der Verordnung <[X.]> Nr. 999/2001). Diese hat mit der Erstreckung der [X.] auf "Schlachtkörper" in [X.] der Verordnung eine Erweiterung erfahren, die auch der Auslegung des Begriffs "[X.]e" in § 72c [X.] zugrunde zu legen ist.

c) Wird von § 72c [X.] die gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur Beseitigung kontaminierter Schlachtkörper umfasst, ist es geboten, die Rechtsfolgen der Norm auf solche [X.]en zu erstrecken, die originär durch nationales Recht begründet werden. Solche zusätzlichen [X.]en sieht § 4 Abs. 2 Satz 1 [X.] vor. Danach ist das Fleisch sämtlicher Schlachtkörper zu vernichten, das von nach der Schlachtung des mit BSE infizierten Tieres geschlachteten Rindern stammt. Mit dieser Vorgabe geht die [X.] Verordnung - wie § 4 Abs. 2 Satz 1 [X.] betont ("Zusätzlich ...") - über [X.], [X.] A, Abschn. I Nr. 6.5 der Verordnung ([X.]) Nr. 999/2001 hinaus. Zwar war der [X.] Verordnungsgeber hierzu befugt; Gemeinschaftsrecht enthält insofern nur eine Mindestvorgabe. Macht er aber von dieser Befugnis Gebrauch, so zieht dies eine Entschädigungspflicht nach §§ 66 ff. [X.] nach sich, obwohl der [X.] nicht im Sinne des § 72c [X.] aufgrund unmittelbar geltender Vorschriften in Rechtsakten der [X.], sondern durch [X.]s Recht veranlasst ist.

Nur die erweiternde Auslegung des § 72c [X.] wird dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG gerecht. Dieser gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Juni 2006 - 2 BvL 2/99 - [X.]E 116, 164 <180>). Das gilt auch in Bezug auf Begünstigungen ([X.], Beschluss vom 8. Juni 2004 - 2 BvL 5/00 - [X.]E 110, 412 <431>). Verboten ist daher ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird ([X.], Beschluss vom 11. Januar 2005 - 2 BvR 167/02 - [X.]E 112, 164 <174> m.w.[X.]). Bei der Überprüfung, ob eine Regelung, die allein eine Begünstigung gewährt, den begünstigten vom nicht begünstigten Personenkreis im Einklang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz abgrenzt, ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner hierbei grundsätzlich weiten Gestaltungsfreiheit eingehalten hat. Dem Gesetzgeber ist es nicht gestattet, bei der Abgrenzung sachwidrig zu differenzieren ([X.], Beschluss vom 11. Januar 2005 a.a.[X.]).

Die Auslegung einer Norm muss - soweit nicht ein klar geäußerter Wille des Gesetzgebers entgegensteht - diesen Grundsätzen Rechnung tragen ([X.], Urteil vom 21. Oktober 1980 - 1 BvR 179/78 - [X.]E 55, 114 <128>; Beschluss vom 11. Januar 2005 a.a.[X.] [X.]82 f.). Danach verbietet sich hier die Annahme, der Gesetzgeber habe in § 72c [X.] Eigentümer solcher Tiere aus dem Kreis der [X.] ausschließen wollen, deren Maßregelung allein auf nationalrechtlicher Grundlage beruht. Ein einleuchtender Grund für eine solche Differenzierung lässt sich nicht finden, sie wäre willkürlich und muss daher bei der Auslegung verworfen werden (vgl. [X.], Urteil vom 21. Oktober 1980 a.a.[X.]). Die geregelten Lebenssachverhalte weisen unter dem hier maßgeblichen Aspekt der Entschädigung keine Unterschiede auf, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können, im Gegenteil: Je weiter das gemaßregelte Fleisch von der Infektionsquelle entfernt ist, desto weniger einsichtig wird der Ausschluss von der Entschädigungspflicht. Auch vom Zweck der [X.] her (vgl. Erwägungsgrund 8 der Verordnung ([X.]) Nr. 1248/2001) ist es ohne Bedeutung, ob es das Recht eines Mitgliedstaates bei der Erfüllung der - nach Gemeinschaftsrecht entschädigungspflichtigen - Minimalvorgaben des [X.], belässt oder aus Gründen weitergehender Vorsorge zusätzlich das Fleisch entfernter geschlachteter Tiere innerhalb der [X.]harge maßregelt. Allein finanzielle Belastungen, die insbesondere von der [X.] aufgezeigt worden sind, rechtfertigen es nicht, von einer willkürfreien Abgrenzung der [X.] abzusehen (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Juni 2006 a.a.[X.] [X.]82 m.w.[X.]). Zwar bestand im Gesetzgebungsverfahren, wie dargelegt, Einigkeit darüber, dass der [X.] nicht mit Entschädigungen für fleischhygienerechtliche Maßnahmen belastet werden sollte. Diese Grundentscheidung hat im Umfang des durch § 72c [X.] erweiterten Anwendungsbereichs des [X.]es jedoch keine uneingeschränkte Geltung und könnte sie aus den dargestellten verfassungsrechtlichen Gründen auch nicht beanspruchen. Abgesehen davon ist die Heranziehung der [X.]n zu den von der Norm erfassten Entschädigungsleistungen vor dem Hintergrund der grundsätzlich beabsichtigten Kostenfreihaltung der öffentlichen Hand durchaus folgerichtig; denn die gewählte Konstruktion bewirkt, dass die Entschädigungsleistungen teilweise auf die Tierbesitzer, also die Teilnehmer des [X.], abgewälzt werden, soweit sie an die jeweilige [X.] Beiträge zu zahlen haben (vgl. § 71 Abs. 1 [X.]).

4. Der Anspruch auf Verzinsung des [X.] ab Rechtshängigkeit ist im Revisionsverfahren nicht streitig und vom Berufungsgericht zutreffend aus einer entsprechenden Anwendung von § 291 i.V.m. § 288 BGB hergeleitet worden (Beschluss vom 21. Januar 2010 - BVerwG 9 B 66.08 - DVBl. 2010, 575).

Meta

3 C 41/09

21.10.2010

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 28. April 2009, Az: 20 B 09.410, Urteil

§ 4 Abs 2 S 1 BSEUntersV, Art 3 Abs 1 GG, § 66 Nr 5 ViehSeuchG, § 72c ViehSeuchG, Art 13 Abs 4 EGV 999/2001, Anh III Kap A Abschn I Nr 6 EGV 999/2001, EGV 1248/2001

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.10.2010, Az. 3 C 41/09 (REWIS RS 2010, 2121)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2121

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2 BvL 2/99

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