Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.01.2014, Az. VII R 38/12

7. Senat | REWIS RS 2014, 8853

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Gegenstand

Erledigung des Rechtsstreits bei im Klageverfahren ungültig gewordener vZTA


Leitsatz

1. NV: Wird eine im Wege der Verpflichtungsklage angefochtene vZTA während des Klageverfahrens ungültig, ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Die Verpflichtungsklage kann nicht fortgeführt werden, sondern es sind entsprechende Erledigungserklärungen abzugeben oder der Klageantrag ist in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag zu ändern.

2. NV: Der Übergang zur Fortsetzungsfeststellungsklage ist  auch noch im Revisionsverfahren möglich. Das für eine solche Klage erforderliche berechtigte Interesse muss im Zeitpunkt der revisionsgerichtlichen Entscheidung noch bestehen.

Tatbestand

1

I. Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --[X.]--) hatte der Klägerin und [X.] (Klägerin) unter dem 15. April 2011 eine verbindliche Zolltarifauskunft ([X.]) erteilt, mit der von der Klägerin eingeführte Schuhe, die sie für den Einsatz im Golfsport über den Fachhandel vertreibt, nicht als Sportschuhe in die [X.]. 6403 19 00 der Kombinierten Nomenklatur ([X.]), sondern in die [X.]. 6403 99 93 98 (andere Schuhe ...) eingereiht worden waren. Mit der Durchführungsverordnung ([X.]) Nr. 1294/2009 des Rates vom 22. Dezember 2009 ([X.] Nr. L 352/1) wurde auf die Einfuhren von Schuhen mit Oberteil aus Leder oder rekonstituiertem Leder, ausgenommen Sportschuhe, die (u.a.) unter den [X.] eingereiht werden, ein endgültiger Antidumpingzoll eingeführt. Im Anhang dieser Verordnung war u.a. der [X.] 6403 99 93 98 aufgeführt. Die Verordnung ist gemäß ihres Art. 2  15 Monate, also bis 31. März 2011, in Kraft geblieben.

2

In dem nach erfolglosem Einspruch geführten Klageverfahren erklärte der Vertreter des Bildungs- und Wissenschaftszentrums der [X.] im Erörterungstermin vom 31. August 2012, die angefochtene [X.] sei wegen Wegfalls der Codenummer 6403 99 93 98 (zum 30. Juni 2012) ungültig geworden. Wenn nun über die Tarifierung der Schuhe zu entscheiden wäre, würden sie in die [X.]. 6403 99 93 [X.] eingereiht werden. Die Klägerin erklärte, sie wolle eine Verpflichtung des [X.] auf Erteilung einer [X.] mit Einreihung der Ware in die [X.]. 6403 19 00 [X.] erreichen; sofern es zu einer Fortsetzungsfeststellungsklage kommen sollte, wolle sie eine entsprechende Feststellung beantragen.

3

Das Finanzgericht ([X.]) hat die Klage als zulässige und begründete Verpflichtungsklage angesehen und das [X.] verpflichtet, der Klägerin eine [X.] zu erteilen, in der die streitgegenständlichen Schuhe in die [X.]. 6403 19 00 [X.] eingereiht werden. Der Zulässigkeit der Verpflichtungsklage stehe nicht entgegen, dass die angefochtene [X.] nach Klageerhebung wegen des Wegfalls der Taric-[X.]. 6403 99 93 98 gemäß Art. 12 Abs. 5 Buchst. a Ziff. i des Zollkodex ([X.]) ungültig geworden sei. Dadurch sei keine Erledigung eingetreten. Mit der Ungültigkeit der erteilten, nicht antragsgemäßen [X.] sei der ursprüngliche Antrag wieder aufgelebt. Nach Wegfall der Entscheidung über den Antrag der Klägerin sei die verfahrensrechtliche Situation mit der der Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) vergleichbar. Da das [X.] im Erörterungstermin erklärt habe, auch bei einer erneuten Befassung mit dem klägerischen Antrag keine antragsgemäße [X.] zu erteilen, sondern die Ware wiederum der [X.]. 6403 99 93 [X.] zuzuweisen, erübrige es sich aus prozessökonomischen Gründen auch, das Verfahren auszusetzen und das [X.] zur Bescheidung des Antrags aufzufordern. Der Auffassung des [X.] ([X.]) im Urteil vom 28. April 1998 VII R 83/96 ([X.]/NV 1998, 1400), die Erledigung des [X.] erfasse auch das [X.], folge es nicht. Die Verpflichtungsklage sei auch begründet. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Erteilung einer antragsgemäßen [X.]. Die objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware sprächen für die Einreihung in die von der Klägerin angenommene Codenummer.

4

Das [X.] hat im Revisionsverfahren beantragt, das [X.]-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin hat ihren Antrag, die Revision zurückzuweisen, um den Hilfsantrag erweitert, festzustellen, dass die erteilte [X.] rechtswidrig und das [X.] verpflichtet war, eine [X.] mit der Einreihung der Ware in die [X.]. 6403 19 00 [X.] zu erteilen. Das [X.] hat daraufhin erklärt, nicht mehr an seiner [X.] festzuhalten. Auf Antrag werde es der Klägerin die gewünschte [X.] erteilen.

5

Der Senat hat in vorliegender Sache durch Gerichtsbescheid vom 19. Juni 2013 entschieden, der wegen des rechtzeitig gestellten Antrags der Klägerin auf mündliche Verhandlung als nicht ergangen gilt (§ 90a Abs. 3 [X.]O). Unter dem 7. November 2013 hat das [X.] eine [X.] erteilt, mit der die streitigen Waren in die [X.]. 6403 19 00 [X.] eingereiht worden sind. Die Klägerin hat daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Das [X.] hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen.

Entscheidungsgründe

6

II. Mit der Abgabe der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten im Revisionsverfahren ist das angefochtene Urteil des [X.] einschließlich der darin enthaltenen Kostenentscheidung gegenstandslos geworden; der Senat hat nunmehr über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden (vgl. [X.] vom 17. Dezember 2002 I R 87/00, [X.] 2003, 785, m.w.N.).

7

Eine Kostenentscheidung zu Lasten des [X.] gemäß § 138 Abs. 2 Satz 1 [X.]O kommt nicht in Betracht, weil der Rechtsstreit nicht durch die unter dem 7. November 2013 erteilte [X.] erledigt worden ist, sondern die Erledigung des Rechtsstreits bereits im erstinstanzlichen Verfahren mit dem [X.] der angefochtenen [X.] gemäß Art. 12 Abs. 5 Buchst. a Ziff. i ZK eingetreten ist. Dies hat der beschließende Senat mit dem (durch Antrag auf mündliche Verhandlung unwirksam gewordenen) Gerichtsbescheid vom 19. Juni 2013 im Einzelnen ausgeführt. Die Kostenentscheidung ist daher gemäß § 138 Abs. 1 [X.]O nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu treffen.

8

Billigem Ermessen entspricht es, der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil die Revision des [X.] --ohne die Abgabe der [X.] erfolgreich und die Klage als unzulässig abzuweisen gewesen wäre.

9

Wird eine im Wege der Verpflichtungsklage angefochtene [X.] gemäß Art. 12 Abs. 5 ZK ungültig, ist der [X.] entfallen und der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. Anders als das [X.] angenommen hat, kommt eine Fortführung des auf Verpflichtung des [X.] zur Erteilung einer [X.] gerichteten Klageverfahrens nicht in Betracht. Das [X.] hat verkannt, dass es keinen zollrechtlichen Anspruch auf eine bestimmte Tarifauskunft gibt. Nach Art. 12 Abs. 1 ZK erteilen die Zollbehörden eine [X.] auf schriftlichen Antrag sowie unter den Voraussetzungen der Art. 6 und Art. 7 der [X.]. Wird dem Antragsteller eine [X.] erteilt, ist sein Antrag beschieden, und zwar unabhängig davon, ob er die tarifliche Einreihung durch die Zollbehörde für zutreffend hält oder nicht. Ein evtl. späteres [X.] der erteilten [X.] gemäß Art. 12 Abs. 5 ZK (ob diese angefochten ist oder nicht) führt daher nicht dazu, den Antrag auf Erteilung einer [X.] nunmehr als nicht beschieden anzusehen (was im Übrigen die fernliegende Folge nach sich zöge, dass die Zollbehörde in all solchen Fällen von Amts wegen tätig werden und eine neue [X.] erteilen müsste). Es trifft daher auch keineswegs zu, dass sich ein Kläger --wie das [X.] meint--- in einem solchen Fall in einer verfahrensrechtlichen Situation "mit der der Untätigkeitsklage nach § 46 Abs. 2 [X.]O vergleichbar" (gemeint wohl § 46 Abs. 1 [X.]O) befindet. Es mag zwar Fälle geben, in denen die Zollbehörde den Umständen entnehmen kann, dass der Antragsteller nach dem [X.] der ihm erteilten [X.] die Erteilung einer neuen [X.] für die nämliche Ware begehrt. Das [X.] übersieht jedoch, dass auch im Fall eines --ggf. konkludent-- gestellten, jedoch von der Zollbehörde nicht beschiedenen neuen Antrags auf Erteilung einer [X.] eine Untätigkeitsklage ohnehin nicht in Betracht kommt, sondern allein ein Einspruch gemäß § 347 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung. Die entsprechenden Ausführungen im [X.]-Urteil sind nicht haltbar.

Nachdem die angefochtene [X.] ungültig geworden war, hätte die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklären oder ihren Klageantrag ändern und das Verfahren in Gestalt einer Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 100 Abs. 1 Satz 4 [X.]O) fortführen müssen. Da sie das nicht getan, sondern an ihrem [X.] festgehalten hat, hätte das [X.] die Klage (schon aus diesem Grund und unabhängig von der Frage eines berechtigten Interesses i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 [X.]O) als unzulässig abweisen müssen.

Die Klägerin hat erst im Revisionsverfahren ihren Klageantrag um einen hilfsweisen Feststellungsantrag erweitert. Auch mit ihrer Klage in Gestalt dieser Änderung konnte sie aber nicht erfolgreich sein, weil es an dem berechtigten Interesse für eine Fortsetzungsfeststellungsklage fehlte, denn das [X.] hatte zwischenzeitlich erklärt, an seiner bisherigen [X.] nicht mehr festhalten zu wollen.

Meta

VII R 38/12

08.01.2014

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend FG Hamburg, 19. September 2012, Az: 4 K 34/12, Urteil

Art 12 Abs 5 ZK, § 46 Abs 1 FGO, § 100 Abs 1 S 4 FGO, § 138 Abs 1 FGO, § 138 Abs 2 S 1 FGO, Art 12 Abs 5 EWGV 2913/92

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.01.2014, Az. VII R 38/12 (REWIS RS 2014, 8853)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8853

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

4 K 130/15

4 K 75/15

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