Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.10.2021, Az. VII R 27/19

7. Senat | REWIS RS 2021, 1789

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Gegenstand

Zollaussetzung für Polypropylenfolien


Leitsatz

1. NV: Eine vZTA wird nicht gemäß Art. 12 Abs. 5 Buchst. a Ziffer i ZK ungültig, wenn eine Verordnung über eine Zollaussetzung für Waren bestimmter Taric-Codes lediglich durch eine Klarstellung und nicht durch eine neue Regelung geändert wird und die vZTA von Anfang an rechtswidrig war.

2. NV: Die Zollaussetzung für Polypropylenfolien des Taric-Codes 3921 19 00 91 0 gilt nur für Waren, die die entsprechenden Beschaffenheitsmerkmale i.S. von Anhang I der VO 1387/2013 aufweisen; die AV 3 Buchst. b ist auf Taric-Ebene nicht anzuwenden.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 12.06.2019 - 4 K 754/18 Z aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führte aus Drittländern Verbundfolien aus Kunststoff ein, die sie unter der [X.]ition ([X.].) 3921 19 00 der Kombinierten Nomenklatur ([X.]) in der Fassung der Durchführungsverordnung ([[[X.].].]) Nr. 1101/2014 der [[[X.].].] vom 16.10.2014 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung ([[[X.].].]) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif --[X.] 2658/87-- ([[[X.].].] --ABl[[[X.].].]-- 2014 Nr. L 312, 1 bzw. 2015 Nr. L 285, 1) mit dem Taric-Zusatzcode 91 0 als mikroporöse Polypropylenfolien mit einer Dicke von nicht mehr als 100 µm zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr anmeldete. Dabei nahm sie die Zollaussetzung für derartige Waren nach der Verordnung ([[[X.].].]) Nr. 1387/2013 des Rates vom 17.12.2013 zur Aussetzung der autonomen Zollsätze des [[[X.].].] für bestimmte landwirtschaftliche und gewerbliche Waren und zur Aufhebung der Verordnung ([[[X.].].]) Nr. 1344/2011 --[X.] 1387/2013-- (ABl[[[X.].].] Nr. L 354/201) in Anspruch.

2

Das Hauptzollamt [[X.].] hatte der Klägerin drei verbindliche Zolltarifauskünfte ([[X.].]e) jeweils vom 10.07.2013 erteilt, mit der die Verbundfolien in die [X.]. 3921 19 00 [X.] mit dem Taric-Zusatzcode 91 0 eingereiht worden waren. In der verbindlichen Zolltarifauskunft ([[X.].]) [[X.].] war die Ware als transparente, bunt bedruckte Kunststofffolie mit einer Dicke von etwa 55 µm, bestehend aus einer Polypropylenfolie mit einer Dicke von 20 µm, einem Zwei-Komponenten-[X.] aus Polyurethan und einer weiteren Polypropylenfolie mit einer Dicke von 20 µm angegeben. In der [[X.].] DE 2 beschrieb das Hauptzollamt [[X.].] die begutachtete Ware als einseitig bunt bedruckte Kunststofffolie mit einer Dicke von etwa 58 µm, bestehend aus einer Polypropylenfolie mit einer Dicke von 30 µm, einem Zwei-Komponenten-[X.] aus Polyurethan und einer weiteren weiß geschäumten Polypropylenfolie mit einer Dicke von 28 bis 30 µm. In der [[X.].] DE 3 schließlich war die Ware als einseitig bunt bedruckte sowie auf der Rückseite silberfarbige Kunststofffolie mit einer Dicke von etwa 55 µm, bestehend aus einer Polypropylenfolie mit einer Dicke von 15 µm, einem Zwei-Komponenten-[X.] aus Polyurethan und einer weiteren weiß geschäumten Polypropylenfolie mit einer Dicke von 25 µm sowie einer Metallisierung aus Polyester beschrieben.

3

Vom 03.07.2015 bis zum 30.12.2016 meldete die Klägerin in 143 Fällen die in den drei [[X.].]e beschriebenen Verbundfolien unter der [X.]. 3921 19 00 [X.] mit dem Taric-Zusatzcode 91 zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an. Dabei nahm sie die Zollaussetzung nach der [X.] 1387/2013 in Anspruch. Bezüglich ihrer Zollanmeldungen vom 21.01., 21.03., 01.11. und 05.12.2016 fand eine Überprüfung der zu den Anmeldungen gehörenden Unterlagen durch die Zollstelle statt. Hinsichtlich ihrer Zollanmeldungen vom 03.07.2015 und 09.09.2016 führte die Zollstelle jeweils eine Beschau der eingeführten Waren durch. Die am 03.07.2015 angemeldeten Waren wurden vom Bildungs- und Wissenschaftszentrum der [X.] (BWZ) untersucht und der [X.]. 3921 19 00 [X.] mit dem Taric-Zusatzcode 91 zugewiesen.

4

Das Hauptzollamt [[X.].] teilte der Klägerin mit Schreiben vom 21.03.2016 mit, dass die drei [[X.].]e vom 10.07.2013 mit Ablauf des 30.06.2015 ungültig geworden seien. Zur Begründung verwies es auf Art. 1 Nr. 1 der Verordnung ([[[X.].].]) 2015/982 des Rates vom 23.06.2015 zur Änderung der Verordnung ([[[X.].].]) Nr. 1387/2013 zur Aussetzung der autonomen Zollsätze des [[[X.].].] für bestimmte landwirtschaftliche und gewerbliche Waren --[X.] 2015/982-- (ABl[[[X.].].] Nr. L 159/5), mit dem Art. 1 [X.] 1387/2013 um folgenden Absatz ergänzt worden war: "Absatz 1 gilt nicht für Gemische, Zubereitungen oder aus verschiedenen Bestandteilen bestehende Waren, die die in Anhang I aufgeführten Waren enthalten."

5

Die Klägerin wandte sich daraufhin mit einer elektronischen Nachricht vom 29.03.2016 an die Generalzolldirektion - Zentrale Auskunft - ([X.]) in [X.] Dabei verwies sie darauf, dass nach dem [X.] der Zollverwaltung für Waren der Codenummer 3921 19 00 91 0 eine autonome Zollaussetzung vorgesehen sei. Die [X.] teilte der Klägerin daraufhin mit einer elektronischen Nachricht vom 04.04.2016 mit, die Ungültigerklärung einer [[X.].] bedeute nicht automatisch, dass eine entsprechende "Zolltarifnummer" nicht mehr anwendbar sei. Da sich der Wortlaut der "Tarifnummer" in der Verordnung ([[[X.].].]) 2015/2449 des [X.] zur Änderung der Verordnung ([[[X.].].]) Nr. 1387/2013 zur Aussetzung der autonomen Zollsätze des [[[X.].].] für bestimmte landwirtschaftliche und gewerbliche Waren --[X.] 2015/[X.] (ABl[[[X.].].] Nr. L 345/11) nicht geändert habe, könne die Klägerin die Nummer weiter verwenden, auch ohne eine konkrete [[X.].] dafür zu haben. Falls sich die Folie verändert haben sollte, werde die Beantragung einer neuen [[X.].] empfohlen. Soweit die Antwort fachliche Ausführungen enthalte, seien diese aus rechtlichen Gründen unverbindlich.

6

Im [X.] an eine Außenprüfung gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt --[X.]--) zu der Auffassung, dass die Klägerin für die Verbundfolien die Zollaussetzung nach der [X.] 1387/2013 nicht habe in Anspruch nehmen dürfen, weil es sich um aus verschiedenen Bestandteilen bestehende Waren gehandelt habe. Das [X.] erhob deshalb mit zwei [X.]n vom 24.08.2017 von der Klägerin für die von ihr vom 03.07.2015 bis zum 30.12.2016 abgegebenen Zollanmeldungen insgesamt 331.115,31 € Zoll nach. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.

7

Das Finanzgericht ([X.]) urteilte, die [X.] seien rechtmäßig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Gewährung einer Zollaussetzung nach Art. 1 Abs. 1 [X.] 1387/2013, weil diese nicht für Gemische, Zubereitungen oder aus verschiedenen Bestandteilen bestehende Waren gelte, welche die in Anhang I der [X.] 1387/2013 aufgeführten Waren enthielten. Bei den in Rede stehenden Verbundfolien handele es sich um aus verschiedenen Bestandteilen bestehende Waren, weil sämtliche Verbundfolien einen Zwei-Komponenten-[X.] aus Polyurethan und die in der [[X.].] DE 3 beschriebenen Verbundfolien außerdem eine Metallisierung aus Polyester aufwiesen. Auf den Umfang, die Bedeutung oder die Funktion der verschiedenen Bestandteile einer Ware komme es nach dem Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 [X.] 1387/2013 nicht an. Das [X.] sei nicht an der Mitteilung der [X.] gehindert gewesen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass sich die Bindungswirkung der der Klägerin erteilten [[X.].]e auch auf die Frage der Zollaussetzung bezogen hätte, wären diese jedenfalls am 01.07.2015 ungültig geworden, weshalb sich die Klägerin insoweit nicht auf Vertrauensschutz nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 des Zollkodex ([X.]) berufen könne.

8

Die Klägerin begründet ihre Revision mit einer falschen Auslegung des Begriffs "Bestandteil" in Art. 1 Abs. 2 [X.] 1387/2013. Darüber hinaus habe das [X.] den Begriff der Erkennbarkeit des Irrtums der Zollbehörden für den [X.] zu weit gefasst und die Anforderungen an die Gutgläubigkeit des Zollschuldners i.S. des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b [X.] überspannt. Es sei grundsätzlich klärungsbedürftig und klärungsfähig, ob es für die Frage, was "Bestandteil" der Ware i.S. des Art. 1 Abs. 2 [X.] 1387/2013 in der Fassung der [X.] 2015/982 und der [X.] 2015/2449 sowie der Verordnung ([[[X.].].]) 2016/1051 des Rates vom 24.06.2016 zur Änderung der Verordnung ([[[X.].].]) Nr. 1387/2013 zur Aussetzung der autonomen Zollsätze des [[[X.].].] für bestimmte landwirtschaftliche und gewerbliche Waren (ABl[[[X.].].] Nr. L 173, 5) sei, sehr wohl auf Umfang, Bedeutung und Zweck der Elemente der Ware ankomme und nicht allein auf den unmittelbaren Wortlaut, der von mehreren Bestandteilen spreche. Bestandteil in diesem Sinne sei nur der aufgrund Umfang und Bedeutung für die Funktion der Ware dominante Stoff, hier also jene die Lebensmittelverpackung sicherstellende Folie, nicht jedoch der unterlegene [X.]. Im [X.] seien für die Einreihung nach der [X.] (AV) 2 Buchst. b nur dominante, nicht jedoch unterlegene Stoffe einreihungsrelevant. Die vom [X.] herangezogenen Erläuterungen zur [X.] bezögen sich nicht auf die [X.]. b und seien darüber hinaus nicht verbindlich. Abgesehen davon habe Art. 1 Abs. 2 [X.] 1387/2013 lediglich der Klarstellung dienen sollen. Weiterhin gehöre nach dem Verpackungsgesetz ein [X.] tatbestandlich nicht zur Verbundfolie.

9

Ferner sei klärungsbedürftig, ob die rechtsfehlerhafte Anwendung einer Vorschrift trotz des Handelns verschiedener Zollbehörden allein wegen des im Wortlaut der streitentscheidenden Norm enthaltenen Begriffs "Bestandteil" für die Klägerin erkennbar sei und ob es für die Erkennbarkeit eines Irrtums ausreiche, dass der Importeur sich an die [X.] in [X.] mit der Bitte um unverbindliche Auskunft wende. Auch die Tatsache, dass sie --die [X.] eine gewerbsmäßige Einführerin sei, spreche nicht für die Erkennbarkeit der vermeintlichen Irrtümer, zumal ihr durch das Verhalten der Zollbehörden vermittelt worden sei, sie dürfe die Zollaussetzung für die begutachteten Waren weiterhin in Anspruch nehmen.

Die Klägerin beantragt,
die Vorentscheidung sowie die [X.] vom 24.08.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.02.2018 aufzuheben.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Der Begriff des Bestandteils im Wortlaut des Art. 1 Abs. 2 [X.] 1387/2013 sei ein Rechtsbegriff, der hinreichend klar sei. Ausgehend von der [X.]. b Satz 2 könnten Stoffe oder Bestandteile, die in offensichtlich unbedeutendem Umfang in der Ware vorkämen, vernachlässigt werden. Hinsichtlich aller anderen, zumindest teilweise vorliegenden Stoffe oder Bestandteile müssten jedoch [X.] 3 Buchst. b zur Ermittlung des charakterbestimmenden Stoffs oder Bestandteils alle sinnvoll anwendbaren Kriterien berücksichtigt werden, wozu auch der Umfang und die Bedeutung für die Verwendung zählten. Aufgrund der ihr vorliegenden [[X.].]e habe die Klägerin jedenfalls keine Zweifel haben können, dass es sich bei ihren Verbundfolien um zusammengesetzte Waren [X.] gehandelt habe. Die [X.]. b sei auf [X.] für die Feststellung, ob eine Ware unter eine Zollaussetzung falle, nicht anzuwenden. Abgesehen davon sei die in Rede stehende Zollaussetzung ursprünglich für bestimmte mikroporöse Kunststofffolien zur Verwendung bei der Herstellung von Lithium-Batterien geschaffen worden. Aus dem Umstand, dass die Klägerin jahrelang die eigentlich für andere Produkte geschaffene Zollaussetzung habe in Anspruch nehmen können, dürfe sie keine Gesetzmäßigkeit ableiten bzw. den Sinn einer Verordnung der [X.] nicht umkehren. Ausgehend von der Auskunft der [X.] vom 04.04.2016 könne die Klägerin keinem Irrtum i.S. des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 [X.] unterlegen sein, weil diese Behörde nicht für die Erhebung der Einfuhrabgaben zuständig gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) sei bei einem gewerbsmäßigen Einführer von der Erkennbarkeit des Irrtums auszugehen, wenn sich dieser durch die Lektüre der einschlägigen Amtsblätter der [X.] Gewissheit über das auf seine Geschäfte anwendbare Unionsrecht hätte verschaffen können. Die Klägerin habe durch Lektüre des Amtsblatts erkennen können, dass die Zollaussetzung nach der Änderung durch die [X.] 2015/982 für ihre aus verschiedenen Bestandteilen bestehenden Verbundfolien nicht habe in Anspruch genommen werden können.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung verletzt Bundesrecht und ist daher aufzuheben. Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[[[X.].].]O--), weil die bisherigen Feststellungen des [[[X.].].] nicht ausreichen, um in der Sache zu entscheiden.

Das [[[X.].].] und mit ihm das [[[X.].].] sind zu Unrecht davon ausgegangen, dass die [[[X.].].]e [[[X.].].], [[[X.].].] 2 und [[[X.].].] 3 mit Ablauf des 30.06.2015 ungültig geworden sind und dass daher für alle streitigen Einfuhren mit den beiden Einfuhrabgabenbescheiden vom 24.08.2017 Einfuhrabgaben nachzuerheben waren. Soweit die [[[X.].].]e für die hier zu beurteilenden Einfuhren bindend sind, wäre die darin festgestellte Tarifierung der Abgabenberechnung zugrundezulegen.

1. Die im Streitfall zu beurteilenden Einfuhren wurden vom 03.07.2015 bis zum 30.12.2016 durchgeführt. Die Nacherhebung des Zolls (vgl. Art. 201 Abs. 1 [[[X.].].]) für die Einfuhren bis zum 30.04.2016 richtet sich nach Art. 220 [[[X.].].], während für die Nacherhebung der nach diesem Zeitpunkt durch die Annahme der Zollanmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr entstandenen Einfuhrabgaben (vgl. Art. 77 Abs. 1 Buchst. a, Abs. 2 des [[[X.].].] --[[[X.].].]--) Art. 105 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 [[[X.].].] anzuwenden ist (vgl. Art. 288 Abs. 2 [[[X.].].]). Bei diesen Vorschriften handelt es sich um materiell-rechtliche Bestimmungen, die grundsätzlich nicht auf vor ihrem Inkrafttreten entstandene Sachverhalte anwendbar sind (vgl. zu Art. 220 Abs. 2 Buchst. b [[[X.].].] [[[X.].].]-Urteil Beemsterboer [X.]oldstore Services vom 09.03.2006 - [[[X.].].]/04, [[[X.].].]:[X.]:2006:162, Rz 20, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern --[[[X.].].]-- 2006, 157).

a) Gemäß Art. 220 Abs. 1 [[[X.].].] ist der einer Zollschuld entsprechende [[[X.].].] nachzuerheben, wenn er nicht nach den Art. 218 und 219 [[[X.].].] buchmäßig erfasst oder mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden ist. Eine buchmäßige Erfassung erfolgt gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 [[[X.].].] nicht, wenn der gesetzlich geschuldete [[[X.].].] aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner vernünftigerweise nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat.

Grundsätzlich begründet nur ein solcher Irrtum, der auf ein Handeln der zuständigen Behörde zurückzuführen ist (sog. aktiver Irrtum), einen Anspruch auf Absehen von der Nacherhebung der Einfuhrabgaben, nicht jedoch ein Irrtum, dem die Zollbehörde im Zeitpunkt der Abgabenerhebung wegen unzutreffender oder unvollständiger Angaben des Abgabenschuldners unterlag ([[[X.].].]-Urteil [[[X.].].] vom 16.03.2017 - [[[X.].].]/16, [[[X.].].]:[X.]:2017:220, Rz 28 f., [[[X.].].], 159; Senatsurteil vom 07.07.2020 - VII R 43/18, [[[X.].].], 207, [[[X.].].], 134).

Zuständige Behörde ist in diesem Zusammenhang jede Behörde, die im Rahmen ihrer Zuständigkeit Gesichtspunkte beiträgt, die bei der Erhebung von [[[X.].].] zu berücksichtigen sind und so beim Abgabenschuldner ein berechtigtes Vertrauen entstehen lassen können ([[[X.].].] vom 27.06.1991 - [[[X.].].]/89, [[[X.].].] 1993, 139, und [[[X.].].] vom 14.11.2002 - [[[X.].].]/00, [[[X.].].]:[[[X.].].], Rz 40, [[[X.].].] 2003, 46; vgl. auch Ziffer 1.1.1. des Informationspapiers über die Anwendung der Art. 220 Abs. 2 Buchst. b und 239 [[[X.].].] --[[[X.].].]-Informationspapier--).

Die Erkennbarkeit des Irrtums ist nach ständiger Rechtsprechung des [[[X.].].] und des erkennenden Senats unter Berücksichtigung seiner Art, d.h. unter Berücksichtigung der Komplexität der betreffenden Regelung, sowie der Berufserfahrung des betroffenen Wirtschaftsteilnehmers und der von ihm aufgewandten Sorgfalt zu beurteilen (vgl. Senatsurteil vom 26.02.2004 - VII R 20/03, [[[X.].].], 366, [[[X.].].] 2004, 270, m.w.N.). Allerdings entspricht es ebenfalls ständiger [[[X.].].]- sowie Senatsrechtsprechung, dass sich ein Wirtschaftsbeteiligter nicht auf die Unkenntnis der im [[[X.].].] veröffentlichten Rechtsvorschriften berufen kann ([[[X.].].] vom 12.07.1989 - 161/88, Rz 19, Slg. 1989, 2415, [[[X.].].] 1990, 78, und [[[X.].].] vom 26.11.1998 - [[[X.].].]/96, [[[X.].].]:[[[X.].].], Rz 26, [[[X.].].] 1999, 86; [[[X.].].]-Beschluss [[[X.].].] & Sons vom 11.10.2001 - [[[X.].].]/00, [[[X.].].]:[X.]:2001:536, Rz 71, Slg. 2001, [[[X.].].]; Senatsurteile in [[[X.].].], 366, [[[X.].].] 2004, 270, und vom 19.06.2013 - VII R 31/12, [[[X.].].] 2013, 323).

b) Diese Rechtsprechung ist auf die Einfuhren ab Mai 2016, für die gemäß Art. 288 Abs. 2 [[[X.].].] das neue Zollrecht anzuwenden ist, grundsätzlich übertragbar, weil die Vorschriften des [[[X.].].] zur Nacherhebung im Wesentlichen in Art. 105 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 [[[X.].].] und Art. 119 Abs. 1 [[[X.].].] übernommen worden sind. Lediglich die Tatbestandsvoraussetzung der Einhaltung aller geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung, die in Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 [[[X.].].] enthalten war, ist nicht in die neue Regelung übernommen worden. Dies steht jedoch einer Übertragung der genannten Rechtsprechung zum Irrtum und zu dessen Erkennbarkeit sowie zur zuständigen Behörde nicht entgegen. Ein Unterschied besteht aber insofern, als Vertrauensschutzgesichtspunkte bei Anwendung des [[[X.].].] nur noch im Rahmen eines Erlass- bzw. Erstattungsverfahrens gemäß Art. 119 Abs. 1 [[[X.].].] zu berücksichtigen sind.

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen war das [[[X.].].] im Streitfall nur insoweit zur Nacherhebung von Zoll berechtigt, als sich die Klägerin unter Geltung des Zollkodex in ihren Zollanmeldungen nicht auf eine der ihr erteilten [[[X.].].]e berufen hat (vgl. Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 1 [[[X.].].]) oder diese nicht gemäß Art. 252 Satz 2 der delegierten Verordnung ([[[X.].].]) 2015/2446 der [[[X.].].] vom 28.07.2015 zur Ergänzung der Verordnung ([[[X.].].]) Nr. 952/2013 des [[[X.].].] und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des [[[X.].].] --[[[X.].].]-DA-- (ABl[[[X.].].] Nr. L 343, 1) für beide Seiten verbindlich waren. Eine Bindung der Verwaltung durch die [[[X.].].]e bestand darüber hinaus auch dann nicht, wenn die eingeführten Waren nicht den begutachteten Waren entsprochen haben (Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 2 [[[X.].].], Art. 33 Abs. 2 Buchst. a [[[X.].].]).

a) Soweit die [[[X.].].]e [[[X.].].] 1, [[[X.].].] 2 und [[[X.].].] 3 für die zolltarifliche Beurteilung der von der Klägerin zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldeten Folien verbindlich waren (Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 1 [[[X.].].], Art. 252 Satz 2 [[[X.].].]-DA), wurde der autonome Zollsatz 0 % zu Recht gewährt, weil in den [[[X.].].]en für die begutachteten Waren die [[[X.].].] 3921 19 00 91 0 festgestellt worden war und das [[[X.].].] an diese Einreihungsentscheidung gebunden war (vgl. auch Senatsurteil in [[[X.].].] 2013, 323, Rz 17). Die Bindungswirkung besteht unabhängig von der Rechtmäßigkeit der [[[X.].].], solange diese nicht ungültig geworden oder widerrufen worden ist.

aa) Die [[[X.].].]e sind entgegen der Auffassung des [[[X.].].] nicht mit Ablauf des 30.06.2015 ungültig geworden.

Gemäß Art. 12 Abs. 5 Buchst. a Ziffer i [[[X.].].] wird eine [[[X.].].] ex nunc ungültig, wenn sie aufgrund des Erlasses einer Verordnung dem damit gesetzten Recht nicht mehr entspricht. Damit sind zum einen Verordnungen zur Änderung der Nomenklatur gemeint und zum anderen Verordnungen mit Auswirkung auf die Einreihung einer Ware in die betreffende Nomenklatur wie z.B. die Änderung einer gemäß Art. 9 [[[X.].].] 2658/87 erlassenen Verordnung zur Einreihung bestimmter Waren in den Taric (vgl. [[[X.].].], Zollrecht, Art. 12 [[[X.].].] Rz 69 ff.; [[[X.].].]/Schulmeister, Zollkodex, 6. Aufl., Art. 12 Rz 38). Art. 12 Abs. 5 Buchst. a Ziffer i [[[X.].].] enthält demnach eine besondere Regelung für den Fall, dass eine [[[X.].].] aufgrund einer Rechtsänderung nachträglich ungültig wird. Die Vorschrift ist dagegen nicht anwendbar, wenn die [[[X.].].] von Anfang an ungültig oder (nur) rechtswidrig ist.

Im Streitfall ist keine Rechtsänderung eingetreten, die zu einer Unwirksamkeit der [[[X.].].]e [[[X.].].] 1, [[[X.].].] 2 und [[[X.].].] 3 geführt hat, weil der [[[X.].].] 3921 19 00 91 0 für [X.] mit einer Dicke von nicht mehr als 100 µm i.S. des Anhangs I der [[[X.].].] 1387/2013 bis zu den hier zu beurteilenden Einfuhren unverändert geblieben ist. Auch die [[[X.].].] hat nicht zu einer Rechtsänderung im oben genannten Sinne geführt. Zwar wurde die [[[X.].].] 1387/2013 dahingehend geändert, dass in Art. 1 Abs. 2 klargestellt wurde, dass Abs. 1 nicht für Gemische, Zubereitungen oder aus verschiedenen Bestandteilen bestehende Waren gilt, die die in Anhang I aufgeführten Waren enthalten. Dabei handelt es sich jedoch, worauf auch in Erwägungsgrund 6 der [[[X.].].] hingewiesen wird, lediglich um eine Klarstellung und nicht um eine erstmalige Regelung. Dies ergibt sich auch aus den [[[X.].].], da diese --und damit auch die hier von der Klägerin für einschlägig gehaltene [[[X.].].] 3 Buchst. b-- nur für die Einreihung in die [[[X.].].] gelten. Eine Anwendung der [[[X.].].] 3 Buchst. b auf [[[X.].].] war daher auch vor Erlass der [[[X.].].] nicht möglich. Dementsprechend hat auch die Europäische [[[X.].].] in ihrer Mitteilung vom 18.02.2016 - [[[X.].].]/A 4 (2016/dv/457807) darauf hingewiesen, dass die [[[X.].].] 3 Buchst. b nicht auf [[[X.].].] zur Feststellung, ob eine Ware unter eine Zollaussetzung fällt, anzuwenden ist und die Waren für die Einreihung in den zehnstelligen [[[X.].].] seinem genauen Wortlaut entsprechen müssen (vgl. Nationale Entscheidungen und Hinweise zur [[[X.].].] 3 in [[[X.].].], Stand 18.02.2016).

bb) Die [[[X.].].]e sind auch nicht aufgrund des Schreibens des [[[X.].].] - Arbeitsbereich verbindliche Zolltarifauskünfte - vom 21.03.2016 ungültig geworden.

Auch wenn der Klägerin in diesem Schreiben mitgeteilt wurde, dass die drei [[[X.].].]e mit Ablauf des 30.06.2015 ungültig geworden seien, führt dies jedenfalls nicht zu einer Unwirksamkeit gemäß Art. 12 Abs. 5 Buchst. a Ziffer i [[[X.].].], weil diese Vorschrift nur den Fall des Erlasses einer Verordnung regelt.

cc) Bei dem Schreiben des [[[X.].].] vom 21.03.2016 handelt es sich auch nicht um einen Widerruf der [[[X.].].]e gemäß Art. 9 Abs. 1 [[[X.].].].

Die Frage, ob der Inhalt einer behördlichen Erklärung einen Verwaltungsakt darstellt, kann der [[[X.].].] ([[[X.].].]) als Revisionsgericht selbständig prüfen und beantworten. Er ist nicht auf eine Wertung durch das [[[X.].].] angewiesen und, soweit das [[[X.].].] selbst eine Wertung bereits vorgenommen hat, nicht daran gebunden. Es handelt sich insoweit nicht um eine Tat-, sondern um eine Rechtsfrage (ständige Rechtsprechung, vgl. [[[X.].].]-Urteile vom 04.10.2017 - VI R 53/15, [[[X.].].]E 259, 431, [[[X.].].] 2018, 123, Rz 16; vom 01.10.2015 - [[X.].] R 32/13, [[[X.].].]E 251, 298, [[[X.].].], 139, Rz 33, und vom 15.01.2015 - I R 69/12, [[[X.].].]E 249, 99, Rz 14, jeweils m.w.N.; ebenso bereits Senatsurteil vom 07.08.1990 - VII R 120/89, [[[X.].].]/NV 1991, 569, unter [[[X.].].]; s.a. Lange in [[[X.].].]/[[[X.].].]/[[[X.].].], § 118 [[[X.].].]O Rz 210; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 118 Rz 25).

Ob eine behördliche Äußerung eine unmittelbare Regelungswirkung hat oder ob es sich nur um einen nachrichtlichen Hinweis handelt, ist durch Auslegung des behördlichen Schreibens zu ermitteln (s.a. [[[X.].].]-Urteil vom 25.04.2001 - I R 80/97, [[[X.].].]/NV 2001, 1541, unter [[[X.].].]). Die Auslegung ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen vorzunehmen.

(1) Bei der Auslegung einer einseitigen, empfangsbedürftigen Willenserklärung, wie sie hier ggf. vorliegt, ist nicht allein auf den Wortlaut abzustellen. Vielmehr ist sie so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte von seinem Empfängerhorizont aus verstehen musste (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Urteile des [[[X.].].] --BGH-- vom 21.05.2008 - IV ZR 238/06, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2008, 2702, und vom 17.12.2014 - VIII ZR 86/13, Zeitschrift für Miet- und Raumrecht --ZMR-- 2015, 216, Rz 38). Für die Auslegung sind nur solche Umstände heranzuziehen, die dem Erklärungsempfänger bekannt oder für ihn erkennbar waren ([[[X.].].] vom 05.10.2006 - III ZR 166/05, [[[X.].].], 3777, unter II.3., m.w.N., und vom 19.09.2018 - VIII ZR 261/17, [[[X.].].], 13).

Bei der Auslegung eines Verwaltungsakts kommt es nach den entsprechend anwendbaren §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches darauf an, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt des Verwaltungsakts unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben verstehen konnte, wobei nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks gehaftet werden darf ([[[X.].].]-Urteil vom 04.10.1988 - VIII R 161/84, [[[X.].].]/NV 1989, 758, m.w.N.; Senatsurteil vom 15.09.2020 - VII R 42/18, [[[X.].].], 291, Rz 26). Die Auslegung des Verwaltungsakts muss jedoch einen Anhalt in der bekanntgegebenen Regelung haben ([[[X.].].]-Urteil vom 27.11.1996 - [[X.].] R 20/95, [[[X.].].]E 183, 348, [[[X.].].] 1997, 791, m.w.N.).

Entscheidend ist letztlich, ob einer Erklärung aus Sicht eines objektiven Betrachters [[[X.].].] zukommt (vgl. [[[X.].].]-Urteil vom 03.07.2002 - [[X.].]I R 20/01, [[[X.].].]E 199, 6, [[[X.].].] 2002, 842, unter II.3.). Bedeutsam sind der Wortlaut und die Begründung der Erklärung; auch kann dem Fehlen einer Rechtsbehelfsbelehrung indizielle Bedeutung gegen das Vorliegen eines Verwaltungsakts zukommen, ohne dass allerdings bereits allein dadurch der [[[X.].].] genommen wird ([[[X.].].]-Urteil vom 19.05.2004 - III R 18/02, [[[X.].].]E 206, 201, [[[X.].].] 2004, 980, unter II.2.b).

(2) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen ist das Schreiben des [[[X.].].] vom 21.03.2016 als schlichte Mitteilung bzw. als nur nachrichtlicher Hinweis und nicht als Verwaltungsakt in Form eines Widerrufs der [[[X.].].]e gemäß Art. 9 Abs. 1 [[[X.].].] auszulegen.

Schon der Betreff "Hinweis über das Ungültigwerden einer verbindlichen Zolltarifauskunft ..." und die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung lassen einen objektiven Betrachter darauf schließen, dass das Hauptzollamt [[X.].] mit diesem Schreiben keine rechtsverbindliche Regelung hat treffen, sondern nur über den Erlass der [[[X.].].] hat informieren wollen. Bestätigt wird diese Annahme durch den Hinweis in der Fußzeile des Schreibens, wonach diese Benachrichtigung lediglich der Information des Empfängers dienen solle. Zudem musste ein Empfänger auch deshalb nicht von einem Widerruf der [[[X.].].]e ausgehen, weil das Hauptzollamt [[X.].] ausweislich des Inhalts des Schreibens annahm, dass die [[[X.].].]e infolge des Erlasses der [[[X.].].] ungültig geworden waren. Eines Widerrufs hätte es deshalb ausgehend von dieser Rechtsansicht nicht bedurft.

dd) Die [[[X.].].]e haben ihre Wirkung somit erst mit Ablauf ihrer regulären sechsjährigen Gültigkeitsdauer verloren (Art. 12 Abs. 4 Satz 1 [[[X.].].], Art. 252 Satz 1 [[[X.].].]-DA), da sie zuvor weder widerrufen noch infolge des Erlasses der [[[X.].].] ungültig geworden sind. Soweit die [[[X.].].]e für die hier in Rede stehenden Einfuhren bindend waren, ist eine Nacherhebung von Zoll zu Unrecht erfolgt.

b) Soweit die [[[X.].].]e für die Einfuhren nicht maßgeblich waren, wurde der Zoll bei der Annahme der Zollanmeldungen zum zollrechtlich freien Verkehr zunächst in einer zu geringen Höhe festgesetzt, weil die Klägerin für die von ihr eingeführten Folien zu Unrecht die Zollaussetzung nach Art. 1 i.V.m. Anhang I der [[[X.].].] 1387/2013 für [X.] mit einer Dicke von nicht mehr als 100 µm ex [[[X.].].]-[X.]ode 3921 19 00 mit dem Taric-Zusatzcode 91 in Anspruch genommen hat. Die Folien sind vielmehr in die [X.]odenummer 3921 19 00 99 0 einzureihen und unterliegen einem Drittlandszollsatz von 6,5 %.

aa) Die [X.]. 3921 19 00 [[[X.].].] gilt für andere Tafeln, Platten, Folien, Filme, Bänder und Streifen, aus Kunststoffen, hier aus [X.], andere als aus Polymeren des [X.], des Vinylchlorids, andere als aus Polyurethanen und aus regenerierter [X.]ellulose.

Die hier in Rede stehenden (verschiedenen) und in die [X.]. 3921 19 00 [[[X.].].] einzureihenden Kunststofffolien sind nach den Feststellungen des [[[X.].].] bunt bedruckt und weisen eine Dicke von unter 100 µm auf. Sie bestehen jeweils aus zwei [X.], die mit einem Zwei-Komponenten-Kleber aus Polyurethan verbunden sind. Der in den Waren vorhandene Polyurethankleber sowie in einem Fall die Metallisierung aus Polyester führen nicht zu einer anderen Einreihung, weil die Waren aus mehreren Bestandteilen bestehen und die [X.] gemäß [[[X.].].] 3 Buchst. [X.] sind. Von weiteren Ausführungen diesbezüglich sieht der Senat ab, weil die Tarifierung in die [X.]. 3921 19 00 [[[X.].].] zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

bb) Die Zollaussetzung gemäß Art. 1 i.V.m. Anhang I der [[[X.].].] 1387/2013 für [X.] mit einer Dicke von nicht mehr als 100 µm ex [[[X.].].]-[X.]ode 3921 19 00 mit dem Taric-Zusatzcode 91 ist auf die vorliegenden Waren nicht anzuwenden, weil diese neben den [X.] auch eine Schicht Polyurethankleber sowie in einem Fall auch eine Metallisierung aus Polyester aufweisen.

Die [[[X.].].] 3 Buchst. b, wonach Mischungen, Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen, und für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen, die nach der [[[X.].].] 3 Buchst. a nicht eingereiht werden können, nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht werden, der ihnen ihren wesentlichen [X.]harakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann, ist auf [[[X.].].] (vgl. Art. 3 Abs. 2 und 3 und Art. 5 [[[X.].].] 2658/87) nicht anzuwenden (s. oben unter [X.]). Dies ergibt sich bereits daraus, dass die [[[X.].].] nach ihrem Wortlaut für die Einreihung von Waren in die [[[X.].].] gelten, während etwaige Taric-[X.]itionen nicht in Bezug genommen werden. Die [[[X.].].] umfasst jedoch ausschließlich die ersten acht Stellen der [X.]odenummer (Art. 3 Abs. 1 [[[X.].].] 2658/87).

Darüber hinaus werden die [[[X.].].]s und [X.] gemäß Art. 5 Abs. 2 [[[X.].].] 2658/87 auf die Einfuhren von Waren angewandt, die von den betreffenden [X.]itionen erfasst werden. Es kommt somit auf die genaue Bezeichnung der Waren in der Taric-[X.]ition an (vgl. auch [[[X.].].]-Urteile Ethicon vom 18.03.1986 - 58/85, Rz 12 ff., Slg. 1986, 1131, und Schoonbroodt vom 03.12.1998 - [X.]/97, [[[X.].].]:[X.]:1998:586, Rz 23, [[[X.].].] 1999, 88; s.a. Senatsurteil vom 31.05.2016 - VII R 47/14, [[[X.].].]/NV 2016, 1759, Rz 18). Zu bedenken ist ferner, dass die Entrichtung der Zölle als der Normalfall anzusehen ist, weshalb die gemäß Art. 31 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] gewährten Zollaussetzungen eine Ausnahme vom Normalfall darstellen (vgl. Ziffern 2.1.2, 2.2.1 und 2.3.3 der Mitteilung der [[[X.].].] zu den autonomen Zollaussetzungen und Zollkontingenten 2011/[X.] 363/02, ABl[[[X.].].] Nr. [X.] 363, 6; vgl. auch Art. 5 Abs. 1 [[[X.].].] 2658/87); sie sind daher eng auszulegen.

Die Zollaussetzung für die oben genannten [X.] wurde eingeführt, weil diese Waren nicht oder nicht in ausreichender Menge in der [X.] vorhanden waren (Erwägungsgrund 1 der [[[X.].].] 1387/2013). Mit der Zollaussetzung wird demnach der Zweck verfolgt, bestimmte Wirtschaftszweige mit bestimmten Waren zu versorgen, weshalb nur die in Anhang I der [[[X.].].] 1387/2013 beschriebenen Waren von der Zollaussetzung erfasst werden. Darüber hinaus muss bei der Einführung einer Zollaussetzung gewährleistet sein, dass der Rat den Bedarf an Waren im Einzelfall prüfen kann, was jedoch nicht der Fall wäre, wenn der begünstigte [X.] durch eine Anwendung der [[[X.].].] 3 Buchst. b erweitert würde. Dadurch wäre auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt (vgl. Erwägungsgrund 8 der [[[X.].].] 1387/2013).

c) Sofern die Abgaben in zu geringer Höhe festgesetzt wurden, ist dies aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden erfolgt, weil die im Rahmen der Abfertigung beteiligten Zollstellen aktiv gehandelt haben.

Bezüglich der Zollanmeldungen vom 21.01., 21.03., 01.11. und 05.12.2016 fand eine Überprüfung der zu den Anmeldungen gehörenden Unterlagen statt, zur Prüfung der Zollanmeldungen vom 03.07.2015 und 09.09.2016 wurde eine Beschau durchgeführt, und die am 03.07.2015 angemeldeten Waren wurden durch das BWZ untersucht. In jedem Fall wurde der [[[X.].].] 3921 19 00 91 0 für die eingeführten Waren bestätigt.

Hinsichtlich der übrigen Zollanmeldungen liegt ebenfalls ein aktiver Irrtum der Zollbehörden vor, weil diese in großer Zahl fehlerhafte Zollanmeldungen angenommen haben, indem sie den zu Unrecht angegebenen [[[X.].].] 3921 19 00 91 0 akzeptiert haben (vgl. Ziffer 1.1.2. Buchst. A Punkt 5 [[[X.].].]-Informationspapier).

d) Ob sich die Klägerin auf Vertrauensschutz i.S. des Art. 220 Abs. 2 Buchst. b Unterabs. 1 [[[X.].].] berufen kann oder die Abgaben gemäß Art. 119 Abs. 1 [[[X.].].] zu erlassen bzw. zu erstatten sind, weil sie den Irrtum der Zollbehörden bei der Gewährung der Zollaussetzung für die von ihr eingeführten Verbundfolien vernünftigerweise nicht hätte erkennen können, kann der erkennende Senat nicht abschließend entscheiden bzw. ist einem eventuellen Erlass-/Erstattungsverfahren vorbehalten.

Wie eingangs dargestellt kommt es für die Erkennbarkeit eines Irrtums u.a. auf die Art des Irrtums, die Komplexität der betreffenden Regelung sowie die Berufserfahrung des betroffenen Wirtschaftsteilnehmers und die von ihm aufgewandte Sorgfalt an (s. oben unter [X.]). Es sind also alle Umstände des jeweiligen Falles zu prüfen (vgl. 1.2.1. [[[X.].].]-Informationspapier).

3. Im zweiten Rechtsgang wird das [[[X.].].] daher zu prüfen haben, inwieweit die von der Klägerin vorgenommenen Einfuhren von der Bindungswirkung der [[[X.].].]e erfasst waren und --soweit zunächst Zoll in einer zu geringen Höhe festgesetzt worden [X.] ob die Klägerin den Irrtum der Zollbehörden vernünftigerweise hätte erkennen können, oder ob sie sich auf Vertrauensschutz berufen kann.

a) Hinsichtlich einer etwaigen Bindungswirkung der [[[X.].].]e [[[X.].].] 1, [[[X.].].] 2 und [[[X.].].] 3 hat das [[[X.].].] festzustellen, ob sich die Klägerin, soweit die Einfuhren noch unter Geltung des [[[X.].].] durchgeführt worden waren, in ihren Zollanmeldungen auf die jeweilige [[[X.].].] berufen hat. Ferner hat das [[[X.].].] zu klären, ob die eingeführten Waren mit den in den [[[X.].].]en beurteilten Waren übereinstimmen. Soweit das [[[X.].].] durch die [[[X.].].]e gebunden war, war die Nacherhebung unzulässig, weil die Abgaben dann bereits bei der Annahme der jeweiligen Zollanmeldung in der richtigen Höhe festgesetzt worden sind.

b) Soweit die Anwendung des [[[X.].].]s 3921 19 00 91 0 nicht durch die [[[X.].].]e vorgegeben ist, wurde der Zoll zunächst in zu geringer Höhe festgesetzt, weil die von der Klägerin eingeführten Folien nicht von der Zollaussetzung aufgrund der [[[X.].].] 1387/2013 erfasst werden.

In diesem Fall hat das [[[X.].].] jedoch weiter zu prüfen, ob die Klägerin den Irrtum der Zollbehörden vernünftigerweise hätte erkennen können. Dabei wird es ernsthaft in Erwägung zu ziehen haben, dass im Rahmen der Abfertigung in mehreren Fällen die dazugehörigen Unterlagen geprüft worden sind oder eine Beschau durchgeführt worden ist. Zudem hat das BWZ die am 03.07.2015 angemeldeten Waren untersucht und der [X.]. 3921 19 00 [[[X.].].] mit dem Taric-Zusatzcode 91 zugewiesen. Dies fällt insofern besonders ins Gewicht, als es sich bei dem BWZ um eine spezialisierte Abteilung der Zollverwaltung handelt und diese Untersuchung eine der ersten der hier zu beurteilenden Einfuhren betroffen hat. Das [[[X.].].] wird auch zu bedenken haben, dass sogar mehreren Zollstellen ein Irrtum unterlaufen ist.

Zwar wurde durch die [[[X.].].], die am 25.06.2015 im ABl[[[X.].].] veröffentlicht wurde, in Art. 1 Abs. 2 [[[X.].].] 1387/2013 ausdrücklich klargestellt, dass die in Anhang I aufgelisteten Zollaussetzungen nicht für Gemische, Zubereitungen oder aus verschiedenen Bestandteilen bestehende Waren, die die in Anhang I aufgeführten Waren enthalten, gelten. Im Zeitpunkt der hier zu beurteilenden Einfuhren ab dem 03.07.2015 war diese Klarstellung somit im ABl[[[X.].].] veröffentlicht und hätte beachtet werden müssen. Allerdings wird das [[[X.].].] bei seiner erneuten Prüfung feststellen müssen, ob diese Veröffentlichung hinreichend klar und verständlich war, zumal im Streitfall auch die an der Prüfung der Waren beteiligten Zollstellen den Ausschluss der Zollaussetzung nicht erkannten.

4. [X.] wird gemäß § 143 Abs. 2 [[[X.].].]O dem [[[X.].].] übertragen.

Meta

VII R 27/19

19.10.2021

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 12. Juni 2019, Az: 4 K 754/18 Z, Urteil

Art 12 Abs 5 Buchst a Ziff i ZK, Art 12 Abs 5 Buchst a Ziff i EWGV 2913/92, Art 9 Abs 1 ZK, Art 9 Abs 1 EWGV 2913/92, Art 220 ZK, Art 220 EWGV 2913/92, Art 105 Abs 3 EUV 952/2013, Art 119 Abs 1 EUV 952/2013, Art 252 EUV 2015/2446, Anh 1 EUV 1387/2013, Art 105 Abs 4 EUV 952/2013

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 19.10.2021, Az. VII R 27/19 (REWIS RS 2021, 1789)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1789

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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