Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.03.2023, Az. 2 StR 358/22

2. Strafsenat | REWIS RS 2023, 4866

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Gegenstand

Beweiswürdigung zum Vorliegen einer Bande; konkrete Darlegung der Gegenstände in Einziehungsentscheidung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 2. Juni 2022

a) aufgehoben

aa) in den Schuldsprüchen zu Fall 1 und 2 der Urteilsgründe, insoweit mit den zugehörigen Feststellungen,

bb) soweit eine Festsetzung der [X.] im Fall 3 der Urteilsgründe unterblieben ist,

cc) im [X.] sowie

dd) hinsichtlich der Einziehung von “diversem Goldschmuck (Ringe, Uhren, Ketten) aus der [X.]. Nr. 1“,

b) dahingehend klargestellt, dass in Höhe von 14.000 Euro die Einziehung des Werts von Taterträgen angeordnet ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den [X.]geklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, wegen schweren Bandendiebstahls sowie wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Außerdem hat es verschiedene [X.] getroffen. Die auf die Rüge formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des [X.]geklagten hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. Die Verfahrensrüge ist entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht ausgeführt und deshalb unzulässig.

3

2. Während der Schuldspruch im Fall 3 der Urteilsgründe rechtlicher Nachprüfung standhält, begegnet die Verurteilung in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

4

Das [X.] ist in beiden Fällen vom Vorliegen einer [X.] ausgegangen, in deren Ausführung es unter Beteiligung des [X.]geklagten zu den Taten gekommen sei. Bandenmitglieder seien neben dem [X.]geklagten die gesondert verfolgten [X.]  und [X.]sowie weitere nicht bekannte Personen. Die dieser [X.]nahme zugrunde liegende Beweiswürdigung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

5

a) Nach den Feststellungen des [X.]s kamen die gesondert verfolgten             [X.]   und     [X.] zusammen mit weiteren, namentlich nicht bekannten Personen überein, in großem Stil und auf Dauer in arbeitsteiligem Zusammenwirken im Raum [X.], aber auch in den [X.] und in [X.], Raubüberfälle zu begehen, bei denen Opfern hochwertige Armbanduhren der Marke [X.] von den Handgelenken gerissen werden sollten. Nachdem der [X.]geklagte unter einer Aliaspersonalie in den [X.] im Jahr 2020 bereits einmal wegen des Verdachts der Beteiligung an ähnlich gelagerten Delikten festgenommen worden war, stieß er spätestens im Frühjahr 2021 zu der Gruppierung um [X.]   und [X.]  , zu der sehr wahrscheinlich auch die in [X.] wohnhafte Freundin des [X.]geklagten gehörte. Nach einem bestimmten Modus Operandi, nach dem unter Beteiligung von mindestens drei Bandenmitgliedern ein Opfer mit einer wertvollen Uhr ausfindig gemacht wurde, einer der Täter mit diesem Kontakt aufnahm und ihn ins Gespräch verwickelte, um ihm sodann die Uhr vom Handgelenk zu entwenden, und die anderen im Bedarfsfall bei der Sicherung der Beute oder Flucht behilflich waren, konnte zwischen 13 Fällen in [X.]und einem Fall in [X.]   ein Zusammenhang hergestellt werden. Auch in den [X.] und [X.] kam es zu entsprechenden Taten. Neben den angeklagten beiden Taten verübten Mitglieder der Gruppierung jedenfalls am 30. März 2021 und am 22. April 2021 Taten in [X.], ferner ein     S.    am 3. und 5. Juni 2021 in [X.].   , wobei dieser dort [X.]   als Drahtzieher belastete. Wahrscheinlich kam dem [X.]geklagten im Rahmen der Gruppe die Aufgabe zu, die geraubte Ware nach den jeweiligen Taten zu veräußern. Darüber hinaus war er jedoch auch an den zwei hier angeklagten Taten vom 15. Juni 2021 und vom 31. Juli 2021 vor Ort aktiv beteiligt.

6

b) Der [X.]geklagte hat die Tatbegehung eingeräumt, aber angegeben, als Alleintäter gehandelt zu haben. Demgegenüber ist die [X.] davon ausgegangen, dass die beiden Taten in Ausführung einer zuvor getroffenen [X.] begangen worden seien. Das hat das [X.] zunächst auf Erkenntnisse aus der Telefon- und Funkzellenauswertung gestützt. Ein Abgleich der Rufnummer des [X.]geklagten mit den [X.] habe ergeben, dass das Mobiltelefon des [X.]geklagten in den [X.] der nicht angeklagten Taten vom 30. März und 22. April 2021 sowie der hiesigen Taten eingeloggt gewesen sei und es in unmittelbarem Zusammenhang mit den Taten zu telefonischen Kontakten mit anderen Personen – darunter seinen Mittätern – gekommen sei. Die Inhalte der Telefonate seien zwar wie die einzelnen [X.]schlussinhaber nicht bekannt, doch zeichne bereits die Tatsache des Aufenthalts untereinander in Kontakt stehender Personen vor Ort das Bild einer Bande, deren Mitglieder in unterschiedlichen Konstellationen an verschiedenen Taten mitgewirkt hätten, wobei bisher lediglich [X.]   und [X.] als Bandenmitglieder hätten identifiziert werden können. Gegen eine Alleintäterschaft spreche auch das offenkundig arbeitsteilige Vorgehen mehrerer Personen vor Ort in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe. Das [X.] hat weiter in den Blick genommen, dass der [X.]geklagte im Verdacht stehe, zusammen mit [X.] und weiteren Mittätern in den [X.] gleichgelagerte Straftaten begangen zu haben. Außerdem kenne der [X.]geklagte nicht nur [X.], sondern auch – wie sich unter anderem aus der Auswertung des Handys des [X.]geklagten ergebe – den gesondert verfolgten [X.]   . Aus der Auswertung des Mobiltelefons gehe ferner hervor, dass dort eine Vielzahl von Fotos gefunden worden seien, auf denen hochwertige Markenuhren abgebildet seien. Ein deutliches Indiz für die Beteiligung des [X.]geklagten sei zudem, dass in seiner Wohnunterkunft auffälliges Diebeswerkzeug und Tatbeute („diverser Goldschmuck“) aufgefunden worden seien. Daraus ergebe sich, dass der [X.]geklagte entsprechend der [X.] jedenfalls auch für das Veräußern der Uhren zuständig gewesen sein dürfte. Ergebnis des Ermittlungsverfahrens sei auch, dass es in den Jahren 2020/21 zu einer erhöhten Zunahme von Raubüberfällen zum Nachteil älterer Menschen gekommen sei, bei denen es bis auf einen Fall [X.]-Uhren geraubt worden seien. Bei identischem Modus Operandi sei zwischen 13 Fällen in [X.]und einem Fall in [X.]   ein Zusammenhang hergestellt worden. [X.]   und [X.] seien am Tatort vom 30. März 2021 ermittelt worden; auch hätten beide eine Tat in [X.]   gemeinsam verübt. Beide seien auch wegen Raubes von [X.]-Uhren in den [X.] und [X.] inhaftiert gewesen. Nach Festnahme des [X.]geklagten und der gesondert verfolgten [X.]   und [X.] sei die Raubserie abgerissen.

7

c) Die Beweiswürdigung des [X.]s zum Vorliegen einer Bande zum Zeitpunkt der hier abgeurteilten Taten erweist sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft. Sie weist Lücken auf, weil sie sich mit wesentlichen gegen eine Bande sprechenden Umständen nicht auseinandersetzt.

8

Nicht in seine Erwägungen einbezogen hat das [X.] zum einen den Umstand, dass [X.] zum Zeitpunkt der hier abgeurteilten Tat vom 15. Juni 2021 bereits seit sechs Wochen in [X.] in Untersuchungshaft saß. Es erscheint zwar nicht völlig ausgeschlossen, dass er aus der Haft heraus (weiter) an der Planung der Taten beteiligt gewesen ist; die Tatsache seiner Inhaftierung hätte aber jedenfalls [X.]lass für das [X.] sein müssen, sich mit der Frage zu befassen, ob er unter dieser äußeren Bedingung (noch) Mitglied einer Gruppierung zur Begehung von Raubstraftaten gewesen sein kann. Ebenso wenig erörtert hat die [X.] in diesem Zusammenhang zudem, dass mit der Inhaftierung der gesondert verfolgten [X.]   und [X.] sowie des [X.]geklagten die Raubserie „abgerissen“ ist, andere also die [X.] nicht fortgesetzt haben. Dies könnte ein Hinweis dafür sein, dass lediglich diese drei inhaftierten Personen und – entgegen der [X.]nahme einer Bandenzugehörigkeit weiterer unbekannter Personen – nicht auch weitere an der Ausführung der Taten Beteiligte den Entschluss gefasst hatten, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbständige „Raubstraftaten“ zu begehen. [X.]sonsten wäre es – wie nach der Inhaftierung [X.]   – womöglich zu erwarten gewesen, dass die verbliebenen Bandenmitglieder der [X.] entsprechend weiter Straftaten begehen. Dass an der Tat Beteiligte in jedem Fall auch – wie wohl die [X.] annimmt – Mitglieder der Bande sind, erschließt sich im Übrigen anhand der Urteilsfeststellungen nicht und hätte näherer Darlegung bedurft. Der Hinweis des [X.]s, es habe ein „Zusammenhang zwischen 13 Taten in [X.]und einer Tat in [X.]   hergestellt“ werden können, genügt ohne Darlegung von Abläufen und Tatbeteiligten nicht, um dem [X.] die Überprüfung dieser [X.]nahme zu ermöglichen.

9

Der Mangel in der Beweiswürdigung führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung im Fall 1 der Urteilsgründe sowie wegen schweren Bandendiebstahls im Fall 2 der Urteilsgründe. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] bei vollständiger Würdigung das Vorliegen einer Bande verneint und damit zu einem für den [X.]geklagten günstigeren Schuldspruch gelangt wäre.

3. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe bedingt die Aufhebung der jeweiligen [X.] sowie des Gesamtstrafenausspruchs. Der Strafausspruch im Fall 3 der Urteilsgründe bedarf der Aufhebung, soweit die Festsetzung der [X.] unterblieben ist. Die Festsetzung der [X.] ist auch dann nicht entbehrlich, wenn die Geldstrafe – wie hier – in eine Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen wird. Im Übrigen weist der Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des [X.]geklagten auf.

4. Die Einziehungsentscheidung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit diese „diversen Goldschmuck (Ringe, Uhren, Ketten) aus der [X.]. Nr. 1“ betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung sind die einzuziehenden Gegenstände in der Urteilsformel so konkret zu bezeichnen, dass für die Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht; eine bloße Bezugnahme auf ein Asservatenverzeichnis ist nicht ausreichend (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 25. August 2020 – 6 [X.]). Mangels weiterer [X.]gaben in den Urteilsgründen zur Konkretisierung der einzuziehenden Gegenstände kann der [X.] die Ergänzung der Urteilsformel nicht selbst nachholen. Dies führt zur Aufhebung der insoweit getroffenen [X.] und Zurückverweisung an das [X.], das erneut über die Einziehung zu entscheiden hat. Dabei stünde einer Einziehung nicht die mögliche Überzeugung des [X.]s entgegen, dass es sich um [X.] oder Raubgut handelt, an dem der [X.]geklagte kein Eigentum erwerben konnte. Es handelt sich gleichwohl um „Gegenstände des [X.]“ im Sinne von § 73a Abs. 1 StGB, ausreichend ist insoweit die faktische Verfügungsgewalt des [X.] (vgl. [X.][X.]/[X.], StGB, 2. Aufl., § 73a, Rn. 4). Die Rechtsinhaberschaft des [X.] ist keine Voraussetzung für die [X.], bei fremden Sachen greift § 75 Abs. 1 Satz 2 StGB (vgl. [X.]/[X.]/Eser/[X.], 30. Aufl., § 73a, Rn. 9). Die Entscheidung des 1. Strafsenats vom 23.Oktober 2018 (1 [X.], [X.], 141) steht nicht entgegen, diese betrifft bei möglicher Aufbewahrung des einzuziehenden Gegenstands eine andere Fallkonstellation.

Der [X.] stellt weiter die Urteilsformel dahingehend klar, dass in Höhe von 14.000 Euro die Einziehung des Werts von Taterträgen angeordnet ist. Im Übrigen weist die [X.] keinen Rechtsfehler auf.

5. [X.] einer Entscheidung im [X.] ist der [X.] nicht dadurch gehindert, dass der [X.] einen weitergehenden [X.]trag auf Entfallen der [X.] hinsichtlich des „diversen Goldschmucks (Ringe, Uhren, Ketten) aus der [X.]. Nr. 1“gestellt hat. Denn der [X.] hat die Revision des [X.]geklagten zu diesem Teil der Einziehungsentscheidung nach § 349 Abs. 4 StPO einstimmig für begründet erachtet, so dass kein Fall des § 349 Abs. 5 StPO gegeben ist. Ob das Revisionsgericht anschließend eine Entscheidung nach § 354 Abs. 2 StPO oder (entsprechend) § 354 Abs. 1 StPO trifft, ist hierfür unbeachtlich (vgl. [X.], Beschluss vom 8. Dezember 2021 – 5 [X.], NJW 2022, 339, 340 f.).

Franke     

  

Krehl     

  

Eschelbach

  

Meyberg     

  

Schmidt     

  

Meta

2 StR 358/22

30.03.2023

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aachen, 2. Juni 2022, Az: 60 KLs 6/22

§ 73a Abs 1 StGB, § 75 Abs 1 S 2 StGB, § 250 Abs 1 Nr 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.03.2023, Az. 2 StR 358/22 (REWIS RS 2023, 4866)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4866

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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5 StR 312/21

1 StR 503/18

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