Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.09.2022, Az. 3 StR 238/21

3. Strafsenat | REWIS RS 2022, 5706

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Gegenstand

Voraussetzungen der erweiterten Wertersatzeinziehung


Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24. Juli 2020 wird auch insoweit verworfen, als sie sich gegen die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen richtet.

2. Der Angeklagte hat die Kosten seines gesamten Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen jeweils fünf Fällen des Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt und mehrere Einziehungsentscheidungen getroffen.

2

Gegen das Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt und sie auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts und eine Verfahrensbeanstandung gestützt. Auf dieses Rechtsmittel hat der Senat mit Beschluss vom 8. März 2022 das Urteil in den den Angeklagten betreffenden Aussprüchen über die Einziehung des Wertes von Taterträgen sowie sichergestellter Betäubungsmittel und Gegenstände teilweise geändert, teilweise aufgehoben und die Anordnungen entfallen lassen. Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der im Urteil angeordneten erweiterten Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 99.810 € sowie über die Kosten des Rechtsmittels hat der Senat vorbehalten und das Verfahren insoweit gemäß § 422 Satz 1 StPO aus Beschleunigungsgründen abgetrennt, weil eine Erledigung im [X.] insoweit nicht in Betracht kam. Im Übrigen hat er die Revision verworfen.

3

Das Revisionsverfahren hat in der Sache damit nur noch die Anordnung der erweiterten Einziehung von [X.] zum Gegenstand. Insoweit hat die Überprüfung des Urteils entgegen der in der Antragsschrift des [X.] dargelegten Auffassung keinen Rechtsfehler aufgedeckt.

I.

4

Das [X.] hat festgestellt, dass sich der Angeklagte mit Mittätern zusammenschloss, um Betäubungsmittel aus den [X.] über [X.] in das [X.] Ausland zu verbringen und dort zu verkaufen. Von Januar bis Juli 2018 schmuggelte er auf sieben Fahrten insgesamt 80 kg Kokain und 92 kg Amphetamin nach Skandinavien, verfügte in zwei weiteren Fällen über größere [X.] Kokain und betrieb eine [X.]. Die jeweiligen Verkaufserlöse wurden zu ihm verbracht und von ihm entgegengenommen. An Nettogewinn erwirtschaftete er durch die Taten wenigstens den nach § 73 Abs. 1, § 73c Abs. 1 StGB als [X.] eingezogenen Betrag von 14.200 €. Insoweit ist das Urteil - wie ausgeführt - rechtskräftig.

5

Die hier in Rede stehende erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen hat das [X.] darauf gestützt, dass beim Angeklagten 88.010 € Bargeld und ein von ihm für 26.600 € gekauftes Motorrad aufgefunden wurden. Die Werte rührten unzweifelhaft aus [X.] her, denn über legale Einkünfte in dieser Höhe habe der Angeklagte nicht verfügt. Das Kraftrad habe er in bar bezahlt, ohne dass damit Abbuchungen auf seinen Konten korrespondiert hätten. Der Angeklagte habe das Geld mit 27 [X.] zwischen Juli 2017 bis Mai 2018 verdient, die nach Art und Menge nicht konkretisierbar und von der Staatsanwaltschaft vor Anklageerhebung nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt worden seien.

6

Die 99.810 € errechnen sich aus der Summe der beiden genannten Beträge, von denen die [X.] die als [X.] eingezogenen 14.200 € Gewinn aus den abgeurteilten Taten in Abzug gebracht hat. In diesem Zusammenhang hat sie ausgeführt, nicht ausschließbar stamme das sichergestellte oder das zum Kauf des Motorrads aufgewendete Geld aus den abgeurteilten Taten.

II.

7

Die Anordnung der erweiterten Einziehung eines Betrags von 99.810 € nach § 73a Abs. 1, § 73c StGB hält rechtlicher Überprüfung stand.

8

1. Das [X.] hat mit dieser Einziehung Erlöse abgeschöpft, die der Angeklagte mit Drogenverkäufen erzielte, bei denen es sich um "andere rechtswidrige Taten" im Sinne des § 73a Abs. 1 StGB handelte. Die Vorschrift ist auch dann anzuwenden, wenn nach Ausschöpfung aller Beweismittel nicht aufklärbar ist, ob die Vermögenswerte aus den Anknüpfungs- oder anderen Taten stammen, die Herkunft aus rechtswidrigen Taten aber feststeht (s. [X.], Beschlüsse vom 19. August 2020 - 3 StR 219/20, juris Rn. 7 mwN; vom 31. Mai 2022 - 3 [X.], juris Rn. 23). So liegt es hier. Die Urteilsgründe sind dahin zu verstehen, dass sich letztlich nicht hat aufklären lassen, ob die beim Angeklagten aufgefundenen Vermögenswerte aus den abgeurteilten oder anderen Transportfahrten herrühren, der Angeklagte sie aber sicher deliktisch erwirtschaftete.

9

Zwar hat das [X.] die Gelder zunächst den 27 nicht angeklagten [X.] zugeordnet. Die Urteilsgründe verhalten sich jedoch im Folgenden nicht dazu, weshalb die beim Angeklagten aufgefundenen Vermögensgegenstände gerade aus diesen 27 Taten stammen sollten. Nach den getroffenen Feststellungen erzielte er im Tatzeitraum durchweg hohe illegale Verkaufserlöse, wobei sich die eingestellten und die abgeurteilten Fälle zeitlich überschnitten. Die von der [X.] an anderer Stelle angestellte Überlegung, es sei nicht ausgeschlossen, dass das aufgefundene und das für den Motorradkauf aufgewendete Bargeld aus den abgeurteilten Taten stamme, hat sie zum Anlass dafür genommen, die als [X.] eingezogenen 14.200 €, die der Angeklagte durch die zehn festgestellten Fälle als Nettogewinn erwirtschaftete, von dem Wert der aufgefundenen Vermögensgegenstände abzuziehen. Anderenfalls hätte eine "doppelte Berücksichtigung" des Betrags gedroht ([X.]). An diesen Formulierungen wird deutlich, dass die konkrete Herkunft der Gelder im Prozess letztlich unklar geblieben ist.

Selbst wenn die Gelder indes ausschließlich den 27 nicht angeklagten [X.] zugeordnet würden, wäre zu bedenken, dass das [X.] beanstandungsfrei angenommen hat, diese Taten seien mangels Konkretisierbarkeit nicht im Wege eines subjektiven Strafverfahrens verfolgbar. Durch sie erlangte Erlöse wären mithin ohne Weiteres taugliches Objekt der erweiterten Einziehung (vgl. [X.], Beschlüsse vom 19. August 2020 - 3 StR 219/20, juris Rn. 7; vom 8. November 2018 - 4 [X.], [X.], 271 Rn. 8).

2. Das [X.] hat außerdem hinreichend belegt, dass der Angeklagte durch die "anderen rechtswidrigen Taten" Einnahmen in Höhe von wenigstens 99.810 € erlangte. Insoweit haben ihm die beim Angeklagten aufgefundenen Vermögenswerte als Bemessungsgrundlage gedient. Die [X.] hat nachvollziehbar begründet, dass ein dem sichergestellten Bargeld entsprechender Betrag und der für das Motorrad aufgewendete Kaufpreis nicht aus legalen Quellen stammen konnten. Aus diesem Umstand hat sie geschlossen, dass der Angeklagte in zumindest diesem Umfang Profit aus nicht konkret feststellbaren Betäubungsmittelverkäufen erzielt hatte. Das [X.] hat mithin zutreffend nicht den Wert der Surrogate, sondern denjenigen des ursprünglich [X.] eingezogen.

3. Schließlich hatte der Angeklagte sowohl das Geld als auch das Motorrad zum Zeitpunkt der Begehung der [X.] in seiner Verfügungsgewalt. Dies ergibt sich für beide Gegenstände ohne Weiteres aus dem Umstand, dass sie bei ihm anlässlich seiner Festnahme und damit zu einem Zeitpunkt aufgefunden wurden, in dem er jedenfalls noch die [X.] betrieb, aufgrund derer ihn das [X.] zu einer Einzelfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt hat.

Die Anwendung des § 73a Abs. 1 i.V.m. § 73c Satz 1 StGB setzt voraus, dass der durch die anderen rechtswidrigen Taten erlangte Gegenstand oder sein Surrogat bei Begehung der Anknüpfungstat im Vermögen des betroffenen [X.] oder Teilnehmers vorhanden war (s. insgesamt [X.], Beschlüsse vom 4. März 2021 - 5 [X.], [X.]R StGB § 73c nF Anwendungsbereich 1 Rn. 10; vom 8. März 2022 - 3 StR 238/21, juris Rn. 13 f. mwN). Der Kaufzeitpunkt des Motorrads ist deshalb entgegen der in der Antragsschrift des [X.] geäußerten Rechtsmeinung nur insoweit maßgeblich, als er nicht nach den [X.] gelegen haben darf. Denn dann wäre der inkriminierte Vermögenszuwachs unter Umständen erst im [X.] an das abgeurteilte Geschehen eingetreten. Dies ist ausweislich der vom [X.] getroffenen Feststellungen auszuschließen.

Es ist daran festzuhalten, dass in Fallkonstellationen wie der vorliegenden nach dem seit dem 1. Juli 2017 geltenden neuen Vermögensabschöpfungsrecht weder das Surrogat noch sein Wert eingezogen werden dürfen (st. Rspr.; s. etwa [X.], Beschluss vom 30. Juni 2022 - 1 [X.], juris Rn. 3 mwN), der Wert des ursprünglich [X.] gleichwohl der erweiterten Einziehung unterliegt ([X.], Beschluss vom 21. September 2021 - 3 StR 158/21, [X.], 83 Rn. 14 mwN; missverständlich insoweit [X.], [X.], 162, 163). Denn der [X.] hat nur die Regelung über den erweiterten Verfall des [X.] ersatzlos gestrichen. Es ist auszuschließen, dass er damit zugleich beabsichtigte, den Anwendungsbereich der erweiterten [X.]einziehung einzuschränken und künftig dem Täter der Anknüpfungstat die im Zeitpunkt deren Begehung bei ihm eingetretene anderweitig strafrechtswidrige Vermögensmehrung generell zu belassen ([X.], Beschluss vom 21. September 2021 - 3 StR 158/21, aaO). Ein Mehrfachtäter könnte anderenfalls allein durch Investition seiner illegalen Gewinne deren Abschöpfung verhindern. Dies liefe dem Ziel der Gesetzesreform zuwider, "die Nutznießung von [X.] zu unterbinden" (BT-Drucks. 18/9525 S. 45).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO. Der eingangs aufgezeigte geringfügige Erfolg des Rechtsmittels lässt es nicht unbillig erscheinen, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten.

Berg     

      

Paul     

      

Anstötz

      

Erbguth     

      

[X.]     

      

Meta

3 StR 238/21

22.09.2022

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend BGH, 8. März 2022, Az: 3 StR 238/21, Beschluss

§ 73a Abs 1 StGB, § 73c S 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.09.2022, Az. 3 StR 238/21 (REWIS RS 2022, 5706)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5706

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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