Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.11.2013, Az. 4 StR 464/13

4. Strafsenat | REWIS RS 2013, 1050

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Gegenstand

Nachträgliche Gesamtstrafenbildung: Fall der Nichteinbeziehung von mehreren nicht erledigten Geldstrafen


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 7. Juni 2013 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels bleibt dem für das Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO zuständigen Gericht vorbehalten.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Diebstahls, versuchten „gemeinschaftlichen“ Diebstahls, räuberischer Erpressung und schwerer räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Von einer Einbeziehung der Geldstrafen aus den Strafbefehlen des [X.]        vom 17. Oktober 2012 ([X.]. 19b [X.] – 84 Js 779/10 – 856/10) und vom 20. November 2012 ([X.]. 19a [X.] – 91 Js 1515/12 – 190/12) sowie des [X.]        vom 28. Februar 2013 ([X.]. 240 [X.] – 3231 Js 8091/12 – 432/12) hat es abgesehen. Die mit der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des [X.]s; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Bildung der Gesamtstrafe gemäß § 55 Abs. 1 StGB begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

3

a) Einer nach einer abgeurteilten Tat ergangenen und noch nicht erledigten früheren rechtskräftigen Verurteilung zu einer Geldstrafe kommt auch dann eine Zäsurwirkung zu, wenn diese Geldstrafe in Anwendung von § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB gesondert bestehen bleiben soll ([X.], Beschluss vom 10. Januar 2012 – 3 [X.], [X.], 170; Beschluss vom 12. November 2003 – 2 [X.], Rn. 6 insoweit in NStZ 2004, 329 nicht abgedruckt; Urteil vom 12. August 1998 – 3 StR 537/97, [X.]St 44, 179, 184; Beschluss vom 7. Dezember 1983 – 1 [X.], [X.]St 32, 190, 194).

4

Nach den Feststellungen hat der Angeklagte die Tat Nr. 4 (versuchter Diebstahl) am 27. November 2012 und damit nach dem Strafbefehl des [X.]        vom 17. Oktober 2012 und auch nach dem Strafbefehl desselben Gerichts mit dem [X.]. 19a [X.] – 91 Js 1515/12 – 190/12 verübt, sofern dieser – wie im [X.] und auf [X.] angegeben – am 20. November 2012 und nicht – wie in den Feststellungen auf [X.] aufgeführt – am 12. Dezember 2012 ergangen ist. Da Feststellungen zum Vollstreckungsstand bezogen auf den Zeitpunkt des angefochtenen Urteils ebenso fehlen wie die Angabe der den jeweiligen Verurteilungen zugrunde liegenden [X.] (zu den Anforderungen an die Entscheidungsgründe bei Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe vgl. [X.], Beschluss vom 3. Mai 2011 – 3 [X.]; Beschluss vom 8. Februar 2011 – 4 [X.]), das [X.] jedoch die Voraussetzungen für eine Einbeziehung nach § 55 StGB ersichtlich für gegeben erachtet hat, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass bereits dem Strafbefehl des [X.]         vom 17. Oktober 2012 als erster unerledigter Verurteilung eine Zäsurwirkung zukommt und deshalb eine Gesamtstrafenbildung nur für die bis dahin begangenen Taten Nr. 1 bis 3 möglich ist (vgl. [X.], Beschluss vom 8. Juni 2011 – 4 StR 249/11, [X.], 307; Beschluss vom 28. Juli 2006 – 2 [X.], [X.], 28, 29).

5

Dieser Rechtsfehler kann sich zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben, weil für die Tat Nr. 4 eine Einzelgeldstrafe (90 Tagessätze in Höhe von je 10 Euro) verhängt worden ist und deren möglicherweise nicht veranlasste Einbeziehung zu einer Erhöhung der Gesamtfreiheitsstrafe geführt haben kann.

6

b) Schließlich hat das [X.] auch nicht beachtet, dass im Fall der Nichteinbeziehung von mehreren nicht erledigten Geldstrafen in eine Gesamtstrafe gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz StGB auch im Verfahren nach § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB insoweit gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz StGB auf eine Gesamtgeldstrafe zu erkennen ist, sofern die erforderlichen Voraussetzungen dafür vorliegen (vgl. [X.], Beschluss vom 18. September 1974 – 3 [X.], [X.]St 25, 382). Für die Nachvollziehbarkeit der hierzu getroffenen Entscheidungen bedarf es ebenfalls der Mitteilung des Vollstreckungsstands und der jeweiligen [X.].

7

2. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 1b Satz 1 StPO Gebrauch, die Entscheidung über den [X.] dem Nachverfahren nach den §§ 460, 462 StPO zuzuweisen. Das danach zuständige Gericht wird auch über die Kosten des Rechtsmittels zu entscheiden haben.

[X.]Franke

                         Bender                               [X.]

Meta

4 StR 464/13

19.11.2013

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 7. Juni 2013, Az: 52 KLs 35/12

§ 53 Abs 2 S 2 Halbs 2 StGB, § 55 Abs 1 S 1 StGB, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.11.2013, Az. 4 StR 464/13 (REWIS RS 2013, 1050)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1050

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3 StR 370/11

4 StR 249/11

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