Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.2009, Az. IX ZB 91/09

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 763

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[X.][X.]/09 vom 5. November 2009 in dem Verbraucherinsolvenzverfahren - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] Ganter, [X.], Prof. Dr. [X.], die Richterin [X.] und [X.] Pape am 5. November 2009 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde gegen den [X.]uss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 9. März 2009 wird auf Kosten des Schuldners als unzulässig verworfen. Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 • fest-gesetzt. Gründe: [X.] Über das Vermögen des Schuldners wurde am 18. Februar 2003 das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Die Verfahrenskosten waren bereits mit [X.]uss vom 2. Oktober 2002 gestundet worden. Der weitere Beteiligte (fortan: Treuhänder) wurde zum Treuhänder bestellt. Das Verfahren ist bisher nicht aufgehoben worden. 1 Der Schuldner, von Beruf Steinmetz und Bildhauer, bezieht Arbeitslo-sengeld I[X.] Daneben ist er als freiberuflicher Künstler tätig. Mit Schreiben vom 2 - 3 - 7. April 2008 regte der Treuhänder die Aufhebung der Stundung an, weil der Schuldner Einkommensnachweise nur sporadisch und auf mehrfache Mahnun-gen hin [X.]. Das Insolvenzgericht gab dem Schuldner Gelegenheit zur Stel-lungnahme. Der Schuldner überreichte dem Treuhänder mit Schreiben vom 2. Juni 2008 die [X.] II-Bescheide sowie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum 28. Mai bis 4. Juli 2008. Er teilte mit, er übe seine freiberufli-che Tätigkeit nach wie vor aus und werde die hierzu geforderten Nachweise bis zum 13. Juni 2008 nachreichen; außerdem kündigte der Schuldner an, anwaltli-che Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen. Der Schuldner legte keine Belege hin-sichtlich seiner freiberuflichen Tätigkeit vor und erteilte auch keine weitere [X.]. Mit Verfügung vom 8. Juli 2008 mahnte das Insolvenzgericht die [X.] der Belege an. Hierauf reagierte der Schuldner nicht. Mit Verfügung vom 19. August 2008 wies das Insolvenzgericht den Schuldner darauf hin, dass die Verfahrenskostenstundung aufgehoben werden könne, wenn eine vom Gericht verlangte Erklärung nicht abgegeben werde, und forderte ihn auf, die Einkom-mensnachweise bis zum 12. September 2008 bei Gericht vorzulegen. Auch auf dieses Schreiben antwortete der Schuldner nicht. Mit [X.]uss vom 14. Oktober 2008 hat das Insolvenzgericht die [X.] aufgehoben. Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist erfolg-los geblieben. Mit seiner Rechtsbeschwerde will der Schuldner weiterhin die Aufhebung des die Kostenstundung aufhebenden [X.]usses erreichen. 3 I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist nach § 4d Abs. 1, §§ 6, 7 [X.], § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Auch ein [X.] kann eine gegen ihn er-4 - 4 - gangene Entscheidung vom Rechtsmittelgericht darauf überprüfen lassen, ob die Vorinstanz ihn zu Recht als prozessfähig oder prozessunfähig behandelt hat. Gleiches gilt, wenn eine [X.], deren Prozessfähigkeit fraglich sein könnte, sich gegen die in der Vorinstanz ergangene Sachentscheidung wendet und mit ihrem Rechtsmittel eine andere, ihrem Begehren entsprechende Sachentschei-dung anstrebt (vgl. [X.], 122, 127). Im Übrigen bestehen hier - worauf später noch einzugehen sein wird - keine Zweifel an der Prozessfähigkeit des Schuldners. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch aus anderen Gründen unzuläs-sig. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fort-bildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung [X.] eine Entscheidung des [X.] (§ 574 Abs. 2 ZPO). 1. Die Rechtsbeschwerde meint im [X.] an die Kommentierung von [X.], [X.] 12. Aufl. § 4c Rn. 2, das Insolvenzgericht dürfe den Schuldner nur dann zu einer Erklärung über seine Verhältnisse auffordern (§ 4c Nr. 1, § 4b Abs. 2 [X.]), wenn es Anhaltspunkte für eine wesentliche Änderung habe und diese dem Schuldner mitteile; erst auf eine derart qualifizierte [X.] hin sei der Schuldner überhaupt verpflichtet, sich zu äußern. Im Wort-laut des Gesetzes findet diese Ansicht jedoch keine Stütze. Das Insolvenzge-richt kann vom Schuldner eine Erklärung über seine Verhältnisse verlangen, um zu prüfen, ob sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners verbessert haben und die Entscheidung über die Stundung deshalb gemäß § 4b Abs. 2 [X.] zu ändern ist. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus § 120 Abs. 4 ZPO, auf dessen Sätze 1 und 2 § 4b Abs. 2 Satz 3 [X.] verweist. In § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO heißt es ausdrücklich, die [X.] habe sich auf Verlangen des [X.] darüber zu erklären, ob eine Änderung der Verhältnisse eingetreten sei. Die Erklärungspflicht wird also gerade nicht davon abhängig gemacht, dass das Gericht der [X.] zuvor eine Änderung ihrer Verhältnisse vorgehalten hat. [X.] - 5 - stanzgerichtliche Entscheidungen, die der von der Rechtsbeschwerde vertrete-nen - fern liegenden - Ansicht gefolgt wären, weist die Rechtsbeschwerde nicht nach. Eine vereinzelt gebliebene, möglicherweise nur missverständlich formu-lierte Kommentarstelle begründet keinen Klärungsbedarf. 2. Die Rechtsbeschwerde rügt eine Verletzung des Anspruchs des Schuldners auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), weil dem Schuldner nicht deutlich gemacht worden sei, was eigentlich von ihm erwartet werde. Der Schuldner habe die fehlende Bestimmtheit des Auskunftsverlangens des [X.] bereits in der Begründung seiner sofortigen Beschwerde gerügt. Das [X.] hat sich mit diesem Einwand jedoch auseinandergesetzt. Der [X.] wendet sich der Sache nach also nur gegen die inhaltliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte jedoch nicht, der Rechtsansicht einer [X.] zu folgen (vgl. [X.] 64, 1, 12; [X.] NJW 2005, 3345, 3346; [X.], [X.]. v. 16. September 2008 - [X.], [X.]-Report 2009, 255, 256 Rn. 10). 6 3. Eine weitere Verletzung des Anspruchs des Schuldners auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sieht die Rechtsbeschwerde darin, dass das Be-schwerdegericht den Vortrag des Schuldners zu seiner psychischen Erkran-kung als Schutzbehauptung angesehen, kein Gutachten eines Sachverständi-gen zur Schwere der Beeinträchtigungen eingeholt und die Vorlage eines schriftsätzlich angekündigten fachärztlichen Attestes nicht abgewartet hat. 7 Der Schuldner hätte Gelegenheit gehabt, ein Attest zu den Akten zu rei-chen. Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2009, der am selben Tag per Fax bei [X.] eingegangen ist, hatte er angekündigt, das Attest werde "kurzfristig" [X.]. Bis zum Erlass des angefochtenen [X.]usses am 9. März 2009 hat 8 - 6 - er sich dann nicht mehr geäußert, also weder ein Attest übersandt noch um die Einräumung einer weiteren Frist gebeten. Im Übrigen gilt auch hier, dass das [X.] den Vortrag des Schuldners zur Kenntnis genommen und in seiner Entscheidung berücksichtigt hat. Es hat lediglich nicht die vom Schuldner ge-wünschte Schlussfolgerung gezogen, die Missachtung der gerichtlichen [X.] unter Androhung der Aufhebung der Stundung sei nicht grob fahrlässig gewesen. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde entbehrt die Würdigung des Vorbringens des Schuldners als "offenkundiges Schutzvorbringen" nicht jeder tatsächlichen Basis. Das [X.] hat seine Entscheidung [X.] darauf gestützt, dass der Schuldner seine sofortige Beschwerde zunächst damit begründet hatte, im Jahre 2008 keine Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielt und sein Atelier bereits im Januar 2008 aufgelöst zu haben. Daraufhin legte der Treuhänder ein Schreiben des Schuldners vom 2. Juni 2008 vor, in dem es heißt, die freiberufliche Tätigkeit werde noch ausgeübt, und die Nach-weise über Einnahmen und Ausgaben würden bis zum 13. Juni 2008 [X.]. Erst danach behauptete der Schuldner, es fehle am Verschulden, weil er aufgrund psychosomatischer Beeinträchtigungen den Inhalt und die Wichtigkeit von Mitwirkungspflichten nicht habe abschätzen können. 9 4. Der Senat sieht sich nicht veranlasst, seinerseits ein Gutachten zur Frage der Prozessfähigkeit des Schuldners einzuholen. Die fehlende Prozess-fähigkeit einer Prozesspartei oder des Beteiligten eines Insolvenzverfahrens ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen. Nach [X.] Lebenserfahrung ist ein Erwachsener allerdings prozessfähig. Die Pro-zessfähigkeit ausschließende Störungen der Geistestätigkeit treten nur in [X.] auf. Von einer [X.], die sich auf sie beruft, muss deshalb die [X.] - 7 - legung von Tatsachen erwartet werden, aus denen sich ausreichende Anhalts-punkte für eine Prozessunfähigkeit ergeben ([X.]Z 18, 184, 190; [X.]Z 86, 184, 189; [X.], [X.]. v. 9. Januar 1996 - [X.], NJW 1996, 1059, 1060). Das ist hier nicht der Fall. Das vom Schuldner nunmehr vorgelegte Attest der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. [X.]vom 4. März 2009 beschreibt die Beschwerden, wegen derer der Schuldner sich in fachärztliche Behandlung begeben hat, und bescheinigt ihm Antriebslo-sigkeit, eine Einschränkung der Konzentration und Aufmerksamkeit, teils [X.] überschießende Reaktionen in Belastungssituationen sowie multiple somati-sche Beschwerden. Dass der Schuldner deshalb nicht mehr in der Lage sei, Prozesshandlungen, die er selbst angekündigt hat, in eigener Person oder durch einen selbst bestellten Vertreter vornehmen oder entgegennehmen zu können, steht nicht in dem Attest und ist auch im Übrigen nicht ersichtlich; we-der der Schuldner noch die von ihm in den Vorinstanzen und in der [X.] - 8 - schwerdeinstanz beauftragten Anwälte gehen von einem Fehlen der Geschäfts- oder Prozessfähigkeit des Schuldners aus. [X.]Raebel [X.] [X.] Pape Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 14.10.2008 - 174 [X.][X.], Entscheidung vom 09.03.2009 - 1 T 620/08 -

Meta

IX ZB 91/09

05.11.2009

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.2009, Az. IX ZB 91/09 (REWIS RS 2009, 763)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 763

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