Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.01.2012, Az. XI ZR 254/10

11. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 10087

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Darlegungs- und Beweislastregeln bei bereicherungsrechtlichen Ansprüchen und bei Feststellungsklagen


Tenor

Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass der [X.] beabsichtigt, die Revision gemäß § 552a ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.

Gründe

1

Der Sache kommt entgegen der Annahme des Berufungsgerichts keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu. Die Revision der Klägerin hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

2

1. Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Erblassers mit der Revision weiterverfolgten [X.] (Klageantrag zu 1.) zu Recht verneint, so dass das Rechtsmittel unbegründet ist.

3

a) Nach der vom Berufungsgericht zutreffend zugrunde gelegten Rechtsprechung des erkennenden Senats muss in Fällen der vorliegenden Art im Rahmen des Anspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB der Bereicherungsgläubiger die tatsächlichen Voraussetzungen des Fehlens der Vertretungsmacht des Treuhänders und damit auch das Fehlen einer Rechtsscheinvollmacht im Sinne von §§ 171 f. BGB darlegen und beweisen; der [X.] ist hingegen lediglich gehalten, innerhalb seiner sekundären Behauptungslast konkret und nachvollziehbar zu den Umständen einer Urkundenvorlage vorzutragen (Senatsurteile vom 23. September 2008  [X.], [X.], 2155 Rn. 21 und [X.], [X.], 2158 Rn. 36; Senatsbeschluss vom 16. März 2010 - [X.], juris Rn. 13).

4

Ob Parteivortrag der sekundären Darlegungslast genügt, hat das [X.] im Einzelfall zu beurteilen. Dabei ist zu beachten, dass sich der Umfang der sekundären Darlegungslast einerseits nach der Intensität des Sachvortrags der beweisbelasteten Partei richtet (Senatsbeschluss vom 30. November 2010 - [X.], juris mwN) und er andererseits seine Grenze in der Zumutbarkeit der den Prozessgegner treffenden Offenbarungspflicht findet ([X.], Urteile vom 11. Dezember 2001 - [X.]/00, [X.], 347, 349, vom 17. Januar 2008 - [X.], [X.], 982 Rn. 16 und Senatsurteil vom 16. Dezember 2008 - [X.], [X.], 645 Rn. 18 mwN). Die insoweit gebotene tatrichterliche Würdigung der Umstände des konkreten Einzelfalls kann in der Revisionsinstanz nur beschränkt darauf überprüft werden, ob sie gegen die Denkgesetze verstößt oder auf verfahrensfehlerhafter Tatsachenfeststellung beruht (vgl. Senatsurteil vom 27. Mai 2008 - [X.], [X.], 1260 Rn. 21 mwN).

5

Solche Fehler liegen hier nicht vor. Das Berufungsgericht ist, ausgehend von den vorstehenden Grundsätzen, unter eingehender Würdigung aller maßgeblichen tatsächlichen Umstände in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, die Beklagte habe ihrer sekundären Darlegungslast zum Vorliegen einer Rechtsscheinvollmacht im Sinne der §§ 171 f. BGB genügt. Hierbei hat es insbesondere auch die in den Vorinstanzen vom Erblasser vorgetragenen, auch aus Sicht des Berufungsgerichts eher gegen eine rechtzeitige Vorlage der Vollmachtsausfertigung sprechenden Indizien ausdrücklich in die tatrichterliche Gesamtwürdigung einbezogen und sich in den Entscheidungsgründen hiermit ausführlich auseinandergesetzt. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht sich daher über den Sachvortrag der Klägerseite insbesondere weder willkürlich noch in einer das Gebot rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG bzw. die Vorschrift des § 286 ZPO verletzenden Art und Weise hinweggesetzt.

6

b) Keine Erfolgsaussicht ergibt sich für die Revision des Weiteren aus ihrer vorsorglich zur Überprüfung durch den Senat gestellten Auffassung, die im Rahmen des [X.] vom Berufungsgericht angenommene Beweisfälligkeit der Beklagten müsse entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auf den bereicherungsrechtlichen Anspruch des Darlehensnehmers zu dessen Gunsten "durchschlagen". Der [X.] hat bereits wiederholt entschieden, dass die Darlegungs- und Beweislast für vertragliche und bereicherungsrechtliche Ansprüche, die auf demselben Lebenssachverhalt beruhen, entsprechend den jeweiligen Regeln des materiellen Rechts unterschiedlich verteilt ist und daher für die einzelnen Ansprüche auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juli 2003 - [X.], [X.], 195, 196; Senatsurteile vom 23. September 2008 - [X.], [X.], 2155 Rn. 21 und [X.], [X.], 2158 Rn. [X.] "schlägt" weder die eine noch die andere Beweislastverteilung auf die jeweils andere Anspruchssituation "durch", sondern jeder der unterschiedlichen Ansprüche teilt beweisrechtlich das Schicksal der für ihn maßgeblichen Beweisregeln.

7

Entgegen der Auffassung der Revision sind hierdurch keine Wertungswidersprüche im Verhältnis von Leistungs- zu Feststellungsklagen zu besorgen. Zwar kann nach der Rechtsprechung des [X.]s eine Feststellungsklage trotz der grundsätzlich vorrangigen Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, dann zulässig sein, wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt ([X.], Urteil vom 10. Mai 1978 - [X.], NJW 1978, 1520, 1521, insoweit in [X.]Z 71, 306 ff. nicht abgedruckt). Der erkennende Senat geht zudem davon aus, insbesondere bei einer beklagten Bank könne hinreichende Gewähr dafür bestehen, sie werde sich an ein Feststellungsurteil auch insoweit gebunden sehen, als ihr Prozessgegner ein weitergehendes Herausgabe- oder Erstattungsbegehren bereits angekündigt hat (vgl. Senatsurteile vom 30. Mai 1995 - [X.], [X.], 1219, 1220, insoweit in [X.]Z 130, 59 ff. nicht abgedruckt, und vom 3. Juni 1997 - [X.], [X.], 1280, 1281). Hieraus lässt sich aber für den Standpunkt der Revision nichts Wesentliches ableiten. Abgesehen davon, dass die vorgenannten Rechtsprechungsgrundsätze (nur) die Frage betreffen, ob ein ausreichendes Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO zugunsten des Klägers besteht, vermögen sie nichts daran zu ändern, dass einem stattgebenden Feststellungsurteil die Vollstreckbarkeit eines Leistungsurteils fehlt. Das darin liegende Risiko trägt der Feststellungskläger, wenn er sich - wie von der Revision erwogen - dafür entschieden hat, nur eine isolierte Feststellungsklage zu erheben und auf einen Leistungstitel zu verzichten.

8

2. Es liegt auch kein Zulassungsgrund im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO vor. Anders als vom Berufungsgericht angenommen, ist eine Entscheidung des Senats insbesondere nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) erforderlich. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil es gemeint hat, wegen der unterschiedlichen Beweislastverteilung hinsichtlich der bereicherungsrechtlichen Zahlungsklage (Klageantrag zu 1.) einerseits und der negativen Feststellungsklage (Klageantrag zu 2.) andererseits von dem Urteil des [X.] vom 8. April 2009 (23 [X.], juris Rn. 14) abzuweichen. Die insoweit angenommene Divergenz im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO besteht indes nicht.

9

a) Zwar weicht das Berufungsurteil in der Frage der Beweislastverteilung von der Entscheidung des [X.] (aaO) ab. Es stimmt insoweit aber - wie vorstehend unter [X.]) dargestellt - mit der Rechtsprechung des [X.]s zur unterschiedlichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei vertraglichen und bereicherungsrechtlichen Ansprüchen überein. Daher könnte allenfalls bei dem von dieser Rechtsprechung abweichenden Urteil des [X.], nicht aber bei dem mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung gerade übereinstimmenden Berufungsurteil ein allgemeines Interesse an einer korrigierenden Entscheidung des [X.]s bestehen. Nur das Vergleichsurteil, nicht aber das Berufungsurteil ist gegebenenfalls geeignet, das Vertrauen in die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu erschüttern (vgl. Senatsbeschluss vom 22. April 2008 - [X.], [X.], 1211 Rn. 17 mwN).

Der Umstand, dass der in Rede stehende vertragliche Anspruch der Beklagten vorliegend im Rahmen einer negativen Feststellungsklage zu prüfen ist, ändert daran nichts. Dass die bei Erhebung einer negativen Feststellungsklage vertauschten Parteirollen keinen Einfluss auf die Darlegungs- und Beweislast haben, die nach den allgemeinen Regeln für alle rechtsbegründenden Tatsachen denjenigen trifft, der das Bestehen des Anspruchs behauptet, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt. Bleibt im Erkenntnisverfahren offen, ob die streitige Forderung besteht, muss einer negativen Feststellungsklage daher nach den gleichen Darlegungs- und Beweislastregeln stattgegeben werden, nach denen einer entsprechenden Leistungsklage der Erfolg zu versagen wäre (st. Rspr.; siehe nur [X.], Urteil vom 2. März 1993 - [X.], NJW 1993, 1716, 1717 und Senatsurteil vom 3. April 2001 - [X.], [X.]Z 147, 203, 208, jeweils mwN).

b) Unabhängig davon scheidet eine Divergenz im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO im Streitfall auch deshalb aus, weil die abweichende Auffassung des [X.] für den dortigen Streitfall nicht entscheidungserheblich war. Das [X.] hat nämlich die Vorlage einer Ausfertigung der Vollmachtsurkunde bei Abschluss des Darlehensvertrages als bewiesen angesehen (aaO Rn. 15). Damit war die dortige negative Feststellungsklage des Darlehensnehmers bereits nach den hierfür allgemein anerkannten Beweislastregeln (vgl. Senatsurteil vom 3. April 2001 - [X.], [X.]Z 147, 203, 208; [X.]/[X.], ZPO, 29. Aufl., § 256 Rn. 18 mwN) unbegründet. Auf die hier in Rede stehende Rechtsfrage kam es deshalb im Ergebnis gar nicht an. Dass das Berufungsgericht vorliegend gleichwohl von einer Divergenz zu diesem Urteil ausgegangen ist, ist unerheblich (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Juni 2006 - [X.], [X.], 486 Rn. 10).

Wiechers                                  Mayen                                Grüneberg

                      Maihold                                   Pamp

Meta

XI ZR 254/10

17.01.2012

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 30. Juni 2010, Az: 9 U 54/09

§ 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB, § 256 ZPO, § 543 Abs 2 S 2 Nr 2 Alt 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.01.2012, Az. XI ZR 254/10 (REWIS RS 2012, 10087)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10087

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XI ZR 254/10 (Bundesgerichtshof)


XI ZR 471/11 (Bundesgerichtshof)

Negative Feststellungsklage eines Girokontoinhabers: Darlegungs- und Beweislastverteilung bei streitiger Kontokorrentforderung


XI ZR 198/11 (Bundesgerichtshof)

Rückabwicklung der Finanzierung eines steuersparenden Immobilienerwerbs: Arglistige Täuschung über die Vertriebsprovision und die erzielbare Miete; …


XI ZR 472/11 (Bundesgerichtshof)

Saldoforderung aus Kontokorrentkonto: Darlegungslast der Bank für die eingestellten Aktiv- und Passivposten; Devisenoptionsgeschäfte als selbstständige …


XI ZR 198/11 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

8 U 787/23

35 U 5534/22

II ZR 311/14

VII ZR 6/14

XI ZR 254/10

XI ZB 35/18

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.