Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.02.2014, Az. 7 C 6/12

7. Senat | REWIS RS 2014, 7713

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Gegenstand

Versäumnis der Abgabe von Emissionszertifikaten; Zahlungspflicht; Schuldgrundsatz


Leitsatz

§ 18 Abs. 1 TEHG ist mit dem bundesverfassungsrechtlichen Schuldgrundsatz vereinbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Auferlegung einer Zahlungspflicht gemäß § 18 des Gesetzes über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen vom 8. Juli 2004 ([X.] 1578 - im Folgenden: [X.]).

2

Sie betreibt in [X.] an den Standorten [X.] sowie in [X.] am Standort [X.] zur Herstellung von Schieber- und Grobkeramik sowie feuerfesten Dämmstoffen. Für die vorgenannten Anlagen erstellte sie für das [X.] jeweils einen von einem Sachverständigen geprüften und verifizierten Emissionsbericht. Die Berichte weisen Gesamtemissionen in Höhe von 506 t Kohlendioxid für die Anlage in [X.], 2 817 t für die Anlage in [X.] und 2 898 t für die Anlage in [X.] aus. Zum maßgeblichen Stichtag des 30. April 2006 gab die Klägerin keine Emissionsberechtigungen an die [X.] ([X.]) ab.

3

Mit für alle drei Anlagen gleich lautenden Schreiben vom 31. Juli 2006 wies die Beklagte die Klägerin auf die Verletzung der Abgabepflicht hin und hörte sie zu der beabsichtigten Festsetzung einer Zahlungspflicht an. Die Klägerin berief sich auf das Vorliegen höherer Gewalt, da ihr von der [X.] kein Passwort für den Zugang zu dem im [X.] eingerichteten [X.] übermittelt worden sei. Im Übrigen machte sie geltend, dass die verschuldensunabhängige Verhängung einer Sanktion gegen Gemeinschafts- und Verfassungsrecht verstoße. Am 2. Oktober 2006 gab sie eine den geprüften Emissionen entsprechende Anzahl an Berechtigungen ab.

4

Mit Bescheiden vom 7. Dezember 2007 setzte die Beklagte Zahlungspflichten in Höhe von 20 240 € für die Anlage in [X.], 112 680 € für die Anlage in [X.] und 115 920 € für die Anlage in [X.] fest. Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhobene Klage mit Urteil vom 11. Juni 2010 abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 19. Januar 2012 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

5

Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] für die Festsetzung einer Zahlungspflicht seien erfüllt. Die Klägerin habe ihre Abgabepflicht aus § 6 Abs. 1 [X.] verletzt. Sie habe zum maßgeblichen Stichtag des 30. April 2006 keine Emissionsberechtigungen abgegeben. Ein Fall höherer Gewalt im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 2 [X.] liege nicht vor. Ob ihre Behauptung, eine Mitteilung über das Passwort für das Emissionsregister nicht erhalten zu haben, glaubhaft sei, könne offen bleiben. Denn sie hätte jedenfalls rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen müssen, um eine fristgerechte Erfüllung ihrer Abgabepflicht sicherzustellen. Im Übrigen habe die Beklagte nach ihren erstinstanzlichen Angaben alle Anlagenbetreiber noch einmal gesondert vor Ablauf der Abgabefrist per E-Mail vom 3. und 21. April 2006 auf die sanktionsbewehrte Erfüllung der Abgabepflicht hingewiesen. Diesem Vorbringen sei die Klägerin nicht entgegengetreten.

6

Die verschuldensunabhängige Ausgestaltung des § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] verstoße nicht gegen den Grundsatz "nulla poena sine culpa". Bei der Festsetzung der Zahlungspflicht handele es sich weder um eine strafrechtliche noch um eine strafähnliche Maßnahme. Die Zahlungspflicht diene nach der amtlichen Überschrift des § 18 [X.] der Durchsetzung der Abgabepflicht. Der Gesetzgeber habe die Androhung einer Zahlungsverpflichtung ausdrücklich als eine präventive Verwaltungsmaßnahme angesehen (BTDrucks 15/2328 S. 16). Nach seinem Willen solle das präventive Inaussichtstellen einer Zahlungspflicht nicht an ein vorwerfbares Verhalten anknüpfen, sondern - dem marktwirtschaftlichen Ansatz des gesamten Emissionshandelssystems folgend - einen zusätzlichen wirtschaftlichen Anreiz zur Durchsetzung des Emissionshandels darstellen. Anders als eine zumindest strafähnliche Maßnahme weise § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] damit einen deutlich zukunftsbezogenen Charakter auf.

7

Die Ausgestaltung des § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Da sich nur schwer abschätzen lasse, bei welcher Höhe eine Sanktion tatsächlich wirksame und abschreckende Wirkung entfalte, müsse dem Richtlinien- und Gesetzgeber insoweit ein Prognose- bzw. Ermessensspielraum zugestanden werden. Dass dieser Spielraum überschritten wäre, sei weder substantiiert dargetan noch ersichtlich. Für eine unverhältnismäßige wirtschaftliche Belastung im konkreten Einzelfall habe zu Recht bereits das Verwaltungsgericht keine Anhaltspunkte gesehen.

8

Die Klägerin hat die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt, dass die in § 18 Abs. 1 [X.] vorgesehenen Strafzahlungen den verfassungsrechtlichen Schuldgrundsatz missachteten, in ihrer Höhe gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit und gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verstießen und somit insgesamt Art. 20 Abs. 3 GG verletzten. § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] sei eine Strafnorm. Die Vorschrift bezwecke eine abschreckende Wirkung; sie diene nicht der Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustands oder der Wiedergutmachung eines Schadens, sondern sei ein geradezu klassischer Ausdruck vergeltender Gerechtigkeit. Ihre Kategorisierung durch den Gesetzgeber sei irrelevant. Unabhängig hiervon verstoße das Urteil gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Auch bei [X.] das Übermaßverbot, die strafbegründende Schuld unter Beachtung aller Umstände anhand konkreter Tatsachen zu ermitteln und zu berücksichtigen. Die Einordnung der Zahlungspflicht als "Verwaltungsmaßnahme eigener Art" sei im Übrigen mit dem Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 20 Abs. 3 GG bzw. - für das Strafrecht - Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar. Das Unionsrecht stehe einer grundrechtskonformen Umsetzung des Art. 16 Abs. 3 [X.] nicht entgegen.

9

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des [X.] vom 11. Juni 2010 und des [X.] vom 19. Januar 2012 sowie die Bescheide vom 7. Dezember 2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 15. August 2008, soweit darin eine Zahlungspflicht festgesetzt wird, aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Urteil des [X.] beruht nicht auf einer Verletzung revisiblen Rechts. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Auferlegung der Zahlungspflicht ist § 18 Abs. 1 [X.].

1. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Die Klägerin hat in Bezug auf alle drei Anlagen die aus § 6 Abs. 1 [X.] folgende Pflicht verletzt, bis zum 30. April 2006 eine Anzahl von Berechtigungen abzugeben, die den durch den Betrieb der Anlagen im Jahr 2005 verursachten Emissionen entspricht. Einen Fall höherer Gewalt, in dem gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 [X.] von der Festsetzung einer Zahlungspflicht abgesehen werden kann, liegt unstreitig nicht vor. Die Höhe der Zahlungspflichten für die einzelnen Anlagen ist - ausgehend von 40 € für jede emittierte Tonne [X.] - richtig berechnet.

2. § 18 Abs. 1 [X.] dient der Umsetzung von Art. 16 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2003/87/[X.] und des Rates vom 13. Oktober 2003 über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der [X.] und zur Änderung der [X.]/[X.] (ABl EU Nr. L 275 S. 32 - im Folgenden: [X.]). Nach dieser Vorschrift haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Betreibern, die nicht bis zum 30. April jeden Jahres eine ausreichende Anzahl von Zertifikaten zur Abdeckung ihrer Emissionen im Vorjahr abgeben, eine Sanktion wegen Emissionsüberschreitung auferlegt wird; die Sanktion beträgt für jede von der Anlage ausgestoßene Tonne [X.], für die der Betreiber keine Zertifikate abgegeben hat, 100 €, während der ersten Handelsperiode 40 €. Art. 16 Abs. 3 und 4 [X.] ist mit höherrangigem Unionsrecht, insbesondere mit dem unionsrechtlich gewährleisteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, vereinbar. Der [X.] hat in seinem Urteil vom 17. Oktober 2013 ([X.] - [X.]/12 - NVwZ 2013, 1536 Rn. 22) entschieden, dass die Sanktion wegen Emissionsüberschreitung ungeachtet der Ursache der Nichtabgabe oder der Anzahl der Zertifikate, über die die betreffenden Betreiber tatsächlich verfügen, zu verhängen ist. Die Höhe der pauschalen Sanktion darf nicht unter Berufung auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angepasst werden (Urteil vom 17. Oktober 2013 a.a.[X.] Rn. 42). Der Gerichtshof hat die Sanktion auch in der für die erste Handelsperiode maßgebenden Höhe von 40 € pro Tonne nicht beanstandet (Urteil vom 17. Oktober 2013 a.a.[X.] Rn. 40). Die Auferlegung einer Zahlungspflicht in starrer, von den Gründen für die Nichtabgabe der Zertifikate unabhängiger Höhe ist hiernach mit den im maßgebenden Zeitpunkt bei Erlass der [X.] (Urteil vom 17. Oktober 2013 a.a.[X.] Rn. 37) auf [X.] gewährleisteten Grundrechten und den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts vereinbar. Der gegenteiligen Auffassung des Generalanwalts (Schlussanträge des Generalanwalts [X.] vom 16. Mai 2013 ) ist der Gerichtshof nicht gefolgt. Das Vorbringen der Klägerin gibt keinen Anlass, dem Gerichtshof die Frage der Vereinbarkeit des Art. 16 Abs. 3 und 4 [X.] mit höherrangigem Unionsrecht erneut vorzulegen.

3. Soweit § 18 Abs. 1 [X.] zwingende Vorgaben des Unionsrechts umsetzt, scheidet eine Überprüfung der Vorschrift am Maßstab des [X.] Verfassungsrechts, insbesondere der Grundrechte des Grundgesetzes, grundsätzlich aus (Urteile vom 10. Oktober 2012 - BVerwG 7 [X.] 8.10 - [X.] 406.255 § 20 ZuG 2012 Nr. 1 Rn. 32 und vom 30. Juni 2005 - BVerwG 7 [X.] 26.04 - BVerwGE 124, 47 <56 ff.> = [X.] 451.91 Europ UmweltR Nr. 19 S. 104 <111 ff.>; [X.], Beschluss vom 13. März 2007 - 1 [X.] - [X.]E 118, 79 <95> und Kammerbeschluss vom 14. Mai 2007 - 1 BvR 2036/05 - NVwZ 2007, 942 Rn. 8). An die Stelle der inzidenten Kontrolle am Maßstab des [X.] Rechts tritt jene am Maßstab [X.] Rechts (Urteil vom 30. Juni 2005 a.a.[X.] S. 57 bzw. S. 112).

a) Spielraum bei der Umsetzung von Art. 16 Abs. 3 und 4 [X.] verbleibt den Mitgliedstaaten nach dem Urteil des Gerichtshofs vom 17. Oktober 2013 nur in sehr engen Grenzen. Zum einen können die Mitgliedstaaten - unter den im Urteil dargelegten Voraussetzungen (a.a.[X.] Rn. 31) - Fälle höherer Gewalt anerkennen. Von dieser Möglichkeit hat [X.] in § 18 Abs. 1 Satz 2 [X.] Gebrauch gemacht. Höhere Gewalt lag jedoch hier unstreitig nicht vor. Zum anderen steht es den Mitgliedstaaten frei, Mechanismen zur Mahnung, Aufforderung und vorzeitigen Abgabe einzuführen, durch die gutgläubige Betreiber umfassend über ihre Abgabepflicht informiert werden und so der Gefahr einer Sanktion entgehen können (Urteil vom 17. Oktober 2013 a.a.[X.] Rn. 41). Das [X.] enthält derartige Mechanismen nicht. Ihre Einführung ist durch den bundesverfassungsrechtlich insoweit allein in Betracht kommenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit jedoch auch nicht geboten. Der maßgebende Abgabezeitpunkt ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§ 6 Abs. 1 [X.]). Mehr Klarheit ist auch durch eine Erinnerung oder Mahnung nicht zu erreichen. Ein vor dem Abgabezeitpunkt erfolgender Hinweis auf die Folgen einer Fristversäumung könnte ebenfalls nur das wiederholen, was sich bereits unmissverständlich aus dem Gesetz ergibt; Spielräume bestehen bei der Festlegung der Zahlungspflicht nicht. Dass sie über ihre Abgabepflicht und deren Sanktionsbewehrung nicht hinreichend informiert worden sei, macht die Klägerin im Übrigen selbst nicht geltend. Die Beklagte hat vorgetragen, die [X.] habe u.a. die Klägerin per E-Mail vom 3. und 21. April 2006 auf die sanktionsbewehrte Erfüllung der Abgabepflicht gesondert hingewiesen. Die Klägerin ist diesem Vortrag nicht entgegengetreten (Urteil des [X.] S. 9).

b) Ob, soweit die Vorgaben des Unionsrechts zwingend sind, eine Überprüfung der [X.] Umsetzung auch am Maßstab der sogenannten Wesensgehaltsgarantie (Art. 19 Abs. 2 GG) ausscheidet, kann offen bleiben. Für die von der Klägerin ohne weitere Substantiierung behauptete Verletzung der Wesensgehaltsgarantie gibt es keine Anhaltspunkte.

Jedenfalls der [X.] dürfte von dem Ausschluss der Überprüfung am Maßstab des [X.] Verfassungsrechts jedoch nicht umfasst sein. Der Grundsatz, dass jede Strafe Schuld voraussetzt, hat nach der Rechtsprechung des [X.] seine Grundlage in der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG; das [X.] gehört zu der wegen Art. 79 Abs. 3 GG unverfügbaren Verfassungsidentität, die auch vor Eingriffen durch die supranational ausgeübte öffentliche Gewalt geschützt ist ([X.], Urteil vom 30. Juni 2009 - 2 [X.] u.a. - [X.]E 123, 267 <413>). Hat die Maßnahme eines Organs der [X.] Auswirkungen, die die durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Verfassungsidentität berühren, so ist sie in [X.] von vornherein unanwendbar ([X.], Beschluss vom 14. Januar 2014 - 2 BvR 2728/13 u.a. - [X.], 141 Rn. 27). Mit dem bundesverfassungsrechtlichen [X.] ist § 18 Abs. 1 [X.] jedoch vereinbar.

Der Grundsatz "Keine Strafe ohne Schuld" (nulla poena sine culpa) gebietet, dass Strafen oder strafähnliche Sanktionen in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Verschulden des [X.] stehen. Straftatbestand und Strafrechtsfolge müssen sachgerecht aufeinander abgestimmt sein. Der [X.] schließt die strafende oder strafähnliche Ahndung einer Tat ohne Schuld des [X.] aus ([X.], Beschluss vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95 - [X.]E 110, 1 <13> m.w.[X.]). Die im Einzelfall verhängte Strafe muss in einem gerechten Verhältnis zur Schwere der Tat und zum Maß der Schuld des [X.] stehen ([X.], Urteil vom 20. März 2002 - 2 BvR 794/95 - [X.]E 105, 135 <154> m.w.[X.]).

Diese Anforderungen gelten nicht für alle Arten von Sanktionen, sondern nur für Strafen und strafähnliche Maßnahmen. Die Strafe ist im Gegensatz zur reinen Präventionsmaßnahme dadurch gekennzeichnet, dass sie - wenn nicht ausschließlich, so doch auch - auf gerechte Vergeltung für ein rechtlich verbotenes Verhalten abzielt. Mit der Strafe wird dem Täter ein sozialethisches Fehlverhalten vorgeworfen ([X.], Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a. - NJW 2013, 1058 Rn. 54 m.w.[X.]). [X.] ist eine Maßnahme nicht schon dann, wenn sie mit einer Einbuße an Freiheit oder Vermögen verbunden ist und damit faktisch die Wirkung eines Übels entfaltet. Bei der Beurteilung des pönalen [X.]harakters einer Rechtsfolge sind vielmehr weitere, wertende Kriterien heranzuziehen, insbesondere der Rechtsgrund der Anordnung und der vom Gesetzgeber mit ihr verfolgte Zweck ([X.], Beschluss vom 14. Januar 2004 a.a.[X.] <13 f.>).

In der Literatur werden - mit unterschiedlicher Gewichtung - verschiedene Zielrichtungen der Zahlungspflicht herausgearbeitet, die wegen ihrer Vielgestaltigkeit eine Einordnung der Sanktion in das herkömmliche Sanktionensystem erschweren. Einige Autoren rücken den präventiven [X.]harakter der Zahlungspflicht in den Vordergrund ([X.], [X.], 3. Aufl. 2012, § 30 Rn. 6; [X.], [X.] - Handkommentar, 2005, § 18 Rn. 7; [X.]/von [X.], [X.], 2004, §§ 17, 18 Rn. 1), verstehen § 18 Abs. 1 [X.] wegen der Anknüpfung an die in der Vergangenheit liegende Verletzung der Abgabepflicht jedoch teilweise gleichwohl als Norm des Vollstreckungsrechts ([X.], a.a.[X.] Rn. 8; [X.]/von [X.], a.a.[X.]). Hiergegen wird eingewandt, dass die nachträgliche Abgabe der Berechtigungen die Zahlungspflicht nicht entfallen lasse; die Zahlungspflicht sei deshalb eher den Säumniszuschlägen und Säumniszinsen des Steuerrechts vergleichbar ([X.], in: [X.]/[X.], [X.], 2005, § 18 Rn. 2). Wieder andere sehen die Zahlungspflicht als Sanktion eigener Art, der materiell Strafcharakter zukomme ([X.], in: [X.][X.], Umweltrecht, Band II, § 18 [X.] Rn. 2), oder als Bußgeld eigener Art ([X.], [X.] 2004, 10 <18>). Dass § 18 Abs. 1 [X.] gegen das [X.] verstoße, hat keiner der genannten Autoren angenommen.

Das Oberverwaltungsgericht hat § 18 Abs. 1 [X.] zu Recht nicht als Strafnorm oder strafähnliche Vorschrift qualifiziert. Die Zahlungspflicht ist keine Strafe, sondern ein auf Prävention angelegtes Druck- und Zwangsmittel zur Durchsetzung der Abgabepflicht nach § 6 Abs. 1 [X.]. Sie ist insoweit der Zahlungspflicht nach § 31b PartG bei Unrichtigkeiten im Rechenschaftsbericht einer Partei (vgl. Urteile vom 12. Dezember 2012 - BVerwG 6 [X.] 32.11 - BVerwGE 145, 194 = [X.] 150 § 24 PartG Nr. 1, jeweils Rn. 65 und vom 25. April 2013 - BVerwG 6 [X.] 5.12 - BVerwGE 146, 224 = [X.] 150 § 25 PartG Nr. 2, jeweils Rn. 46), dem Zwangsgeld zur Durchsetzung von [X.] nach § 74 Abs. 2 AuslG i.d.[X.] vom 3. Dezember 2001 ([X.] 3306; vgl. Urteil vom 21. Januar 2003 - BVerwG 1 [X.] 5.02 - BVerwGE 117, 332 = [X.] 402.240 § 74 AuslG Nr. 3 S. 7) und den Säumniszuschlägen nach § 240 Abs. 1 [X.] (vgl. [X.], Urteile vom 17. Januar 1964 - I 256/59 U - [X.]E 79, 385 und vom 17. Juli 1985 - [X.]/79 - [X.]E 145, 1 ) vergleichbar, auf die das [X.] ebenfalls nicht anwendbar ist. § 18 Abs. 1 Satz 1 [X.] knüpft die Sanktion an einen rein objektiven Tatbestand an. Die Zahlungspflicht ist festzusetzen, wenn ein Anlagenbetreiber seiner Pflicht, rechtzeitig eine ausreichende Anzahl von Berechtigungen zur Abdeckung seiner Emissionen im Vorjahr abzugeben (§ 6 Abs. 1 [X.]), nicht nachkommt. Wenn der Zahlungsbescheid bestandskräftig ist, ist gemäß § 18 Abs. 4 [X.] zudem der Name des Verantwortlichen im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. In ihrer allein an die nicht rechtzeitige Abgabe von Berechtigungen anknüpfenden Ausgestaltung unterscheiden sich die Sanktionen zur Durchsetzung der Abgabepflicht nach § 18 [X.] von den [X.] des § 19 [X.], die neben einem objektiven Pflichtenverstoß ein vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln voraussetzen. Ein sozialethisches Unwerturteil ist mit der Festsetzung der Zahlungspflicht nach § 18 Abs. 1 [X.] - anders als mit der Ahndung einer Ordnungswidrigkeit nach § 19 [X.] - nicht verbunden. Die Festsetzung der Zahlungspflicht wird auch nicht in ein Strafregister eingetragen. Ihre Inaussichtstellung soll Verstöße gegen die Abgabepflicht verhindern. Sie wirkt dem Anreiz entgegen, die Abgabe der Zertifikate aus ökonomischen Gründen bewusst zu verzögern, z.B. um von fallenden Zertifikatspreisen zu profitieren. Zudem hält sie dazu an, bei der Erfüllung der Abgabepflicht besondere Sorgfalt walten zu lassen. Die [X.] bestätigen diese Auslegung. Der Gesetzentwurf bezeichnet die Zahlungsverpflichtung als präventive Verwaltungsmaßnahme, die nicht an ein vorwerfbares Verhalten anknüpft, sondern einen zusätzlichen wirtschaftlichen Anreiz zur Durchsetzung des Emissionshandels darstellt und damit dem marktwirtschaftlichen Ansatz des gesamten Emissionshandels folgt (BTDrucks 15/2328 S. 16). Der erste Referentenentwurf, der die Sanktion wegen Emissionsüberschreitung noch als Ordnungswidrigkeit mit starrem Bußgeld ausgestaltete, wurde nicht weiter verfolgt. Der Richtlinienvorschlag der [X.] sah bei Verstößen gegen die Abgabepflicht die Verhängung einer "Strafe" bzw. "Geldstrafe" vor (Vorschlag für eine Richtlinie des [X.] und des Rates über einen Rahmen für den Handel mit Treibhausgasemissionen in der Europäischen [X.] und zur Änderung der [X.]/[X.] KOM<2001> 581 S. 5, 15 f.). In der [X.] Fassung des Entwurfs wurde - wie später in der Richtlinie - der Begriff "penalty" verwendet. Dies ist ein weiter Begriff, der nicht nur Strafen und Bußgelder, sondern Sanktionen aller Art umfasst. Bereits im [X.] wurde dargelegt, entscheidend sei, dass die "Strafe" für die Nichteinhaltung so hoch sei, dass Betreiber nicht darauf verzichteten, die tatsächlichen Emissionen ihrer Anlage durch eine ausreichende Zahl von Berechtigungen abzudecken. So sei bei [X.] in [X.] eine sehr gute Beachtung der Auflagen zu beobachten, weil die "Strafen" bei Nichteinhaltung so hoch seien (KOM<2001> 581 S. 15 f.). Auch nach der [X.] war die "excess emissions penalty" mithin von vornherein ein auf Prävention angelegtes Druck- und Zwangsmittel. Dass die Sanktion - insoweit einer Strafe vergleichbar - an einen in der Vergangenheit liegenden Verstoß gegen die Abgabepflicht anknüpft, und dass auch eine Strafe neben der Vergeltung der Abschreckung dient, stellt den präventiven [X.]harakter der Zahlungspflicht nicht in Frage. Wesentlich für eine Strafnorm ist der rechtsethische Schuldvorwurf. Ein solcher Vorwurf ist mit der Festsetzung der Zahlungspflicht - wie dargelegt - nicht verbunden.

Meta

7 C 6/12

20.02.2014

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 19. Januar 2012, Az: 12 B 21.10, Urteil

§ 6 Abs 1 TEHG, § 18 Abs 1 S 1 TEHG, § 18 Abs 1 S 2 TEHG, § 18 Abs 4 TEHG, § 19 TEHG, Art 1 Abs 1 GG, Art 19 Abs 2 GG, Art 79 Abs 3 GG, Art 16 Abs 3 EGRL 87/2003, Art 16 Abs 4 EGRL 87/2003

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20.02.2014, Az. 7 C 6/12 (REWIS RS 2014, 7713)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7713

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Zitiert

1 BvF 1/05

2 BvR 564/95

2 BvR 794/95

2 BvR 2628/10

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