Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.12.2018, Az. 30 W (pat) 50/16

30. Senat | REWIS RS 2018, 801

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "SCHNEIDER (Wort-Bild-Marke)/Schneider Electric (IR-Marke, Wort-Bild-Marke)/Schneider Electric (IR-Marke, Wort-Bild-Marke)" – zur Widerspruchsmarke zu 2): überwiegende Waren- und Dienstleistungsidentität – zur Kennzeichnungskraft – Verwechslungsgefahr – zur Widerspruchsmarke zu 1) – z. Zt. Gegenstandslosigkeit der Beschwerde


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2013 033 718

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 6. Dezember 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 09 des [X.] vom 31. März 2016 aufgehoben, soweit darin die Widersprüche aus den international registrierten Marken [X.] 715 396 und [X.] 715 395 zurückgewiesen worden sind.

Wegen des Widerspruchs aus der Marke [X.] 715 395 wird die Löschung der Marke 30 2013 033 718 angeordnet.

Gründe

I.

1

Die am 23. Mai 2013 angemeldete [X.]

Abbildung

2

ist am 11. Juli 2013 unter der Nummer 30 2013 033 718 für die Waren und Dienstleistungen

3

„[X.]:

4

Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Hardware für die Datenverarbeitung, Computer; Computersoftware; alle vorgenannten Waren ausgenommen auf dem Gebiet der Optik

5

[X.]:

6

Wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software; alle vorgenannten Dienstleistungen ausgenommen auf dem Gebiet der Optik“

7

in das beim [X.] geführte Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung erfolgte am 16. August 2013.

8

Gegen die Eintragung ist am 15. November 2013 Widerspruch erhoben worden von der Inhaberin der jeweils am 15. März 1999 international registrierten Marken [X.] 715 396

Abbildung

9

und [X.] 715 395

Abbildung

deren Schutz u. a. für die Waren und Dienstleistungen

[X.]: [X.] et instruments scientifiques, électriques, pour le transport, [X.], [X.], [X.], [X.], le réglage, [X.], [X.], [X.], le contrôle ou la commande du courant électrique, y compris les composants électriques pour de tels appareils et instruments, redresseurs, [X.], relais électriques, [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], tableaux de commande, alimentations électriques sans interruption, onduleurs, batteries, [X.]; distributeurs automatiques et mécanismes pour appareils à prépaiement; caisses enregistreuses, machines à calculer;

[X.]: Hôtellerie; maisons de repos et de convalescence; [X.]; accompagnement en société; [X.]; salons de beauté, de coiffure; [X.], [X.]; [X.] pour voyageurs, travaux d'ingénieurs, consultations professionnelles et établissement de plans sans rapport avec [X.] des affaires; travaux de génie (non pour la construction); prospection; essais de [X.]; [X.]; location de matériel pour exploitation agricole, de vêtements, [X.], [X.]; imprimerie; [X.] ordinateurs”

auf [X.] erstreckt worden ist. Beide Widersprüche wurden ausdrücklich auf die vorgenannten Waren und Dienstleistungen gestützt.

Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für [X.] des [X.]s hat mit Beschluss vom 31. März 2016 beide Widersprüche zurückgewiesen, da eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken nicht vorliege.

Selbst soweit sich die jeweiligen Marken nach der vorliegend maßgeblichen [X.] auf identischen Waren und/oder Dienstleistungen begegnen könnten, scheide eine Verwechslungsgefahr trotz Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und sich daraus ergebender überdurchschnittlich hoher Anforderungen an den [X.] mangels hinreichender Ähnlichkeit der [X.] aus.

Zwar sei der Bestandteil „[X.]“ beschreibend, so dass der Wort- bzw. Namenbestandteil „[X.]“ als der eigentlich prägende Bestandteil der [X.] anzusehen sei und sich somit gleichlautende Worte bzw. Namen gegenüberstünden. Allerdings seien für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen der Klasse 9 und 42 sehr viele in [X.] stehende Marken mit dem Namen „[X.]“ eingetragen, nämlich 52 in der Klasse 9 sowie 41 in der [X.].

Der Verkehr sei demnach daran gewöhnt, bei der Vielzahl der eingetragenen Marken nicht nur auf den Namensbestandteil, sondern auch auf weitere Unterscheidungsmerkmale wie z. B. weitere Wortelemente zu achten.

Unter diesen Gesichtspunkten wiesen die gegenüberstehenden Marken hinreichende Unterscheidungsmerkmale auf. Dies seien zum einen auf Seiten der [X.] der zusätzliche [X.] „[X.]“, welcher vor dem Hintergrund, dass auch die Firmenbezeichnung „[X.] [X.]“ laute, mitbenannt werde, sowie auf Seiten der angegriffenen Marke ein rotes Dreieck am [X.]. Bei der [X.]-Marke 715 396 bilde das auffällige graphische Element ein weiteres Abgrenzungsmerkmal.

Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt, mit der sie geltend macht, dass die sich nach der maßgeblichen [X.] gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke und der [X.] teilweise identisch und ansonsten hochgradig ähnlich seien.

Sie macht weiterhin unter Berufung auf verschiedene Internetauszüge insbesondere zu Produkten der Widersprechenden sowie einer mit Schriftsatz vom 24. Mai 2017 vorgelegten, in [X.] verfassten „[X.] UNDER OATH“ des „Managers F… geltend, dass die

[X.] im vorliegend maßgeblichen Waren- und Dienstleistungsbereich der Klassen 09 und 42 über eine überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügten.

Ausgehend davon seien dann aber überdurchschnittlich hohe Anforderungen an den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr erforderlichen [X.] zu stellen, welchen die angegriffene Marke jedoch nicht gerecht werde.

Die Vergleichsmarken stimmten in ihrem jeweiligen kennzeichnungskräftigen Bestandteil „[X.]“ überein. Das der angegriffenen Marke vorangestellte Dreieck wirke wie ein Pfeil und lenke lediglich die Aufmerksamkeit auf das Wort „[X.]“, trage aber nicht zur Kennzeichnungskraft der Gesamtmarke bei. Dies gelte gleichermaßen für die Elemente „S“ und/oder „[X.]“ der beiden [X.], welche klar und eindeutig auf das Betätigungsgebiet der Widersprechenden hinwiesen bzw. lediglich eine Wiederholung des ersten Buchstabens des Wortes „[X.]“ darstellten.

Der kennzeichnenden Wirkung von „[X.]“ stehe nicht entgegen, dass es sich um einen geläufigen [X.] Nachnamen handele. Denn ein Nachname, mag er auch noch so oft vorkommen, werde traditionell als klassisches betriebliches Kennzeichnungsmittel verstanden.

[X.] wie klanglich wirke daher die Übereinstimmung in dem Begriff „[X.]“, auf den die Marken verkürzt würden, kollisionsbegründend.

Daran ändere entgegen der Auffassung der Markenstelle auch eine gewisse Häufigkeit von Markeneintragungen mit dem Wort „[X.]“ nichts. Zum einen sei über deren Benutzung nichts bekannt. Ferner überprüfe der durchschnittlich informierte Verbraucher nicht das Markenregister hinsichtlich eventueller gleichlautender Voreintragungen. Jedenfalls würde eine Schwächung dieses Bestandteiles durch den Umfang der Benutzung der [X.] im Inland wieder aufgehoben.

Dementsprechend sei auch in vergleichbaren Fällen einer Kollision von Marken mit Namensbestandteilen wie [X.], [X.] o. ä. eine Verwechslungsgefahr angenommen worden.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des [X.]s vom 31. März 2016 aufzuheben, soweit darin die vorgenannten Widersprüche zurückgewiesen worden sind, und die angegriffene Marke 30 2013 033 718 zu löschen.

Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Mit der Markenstelle sei davon auszugehen, dass der Gesamteindruck beider [X.] aufgrund der Vielzahl von Marken mit dem Bestandteil „[X.]“ auch durch den in beiden [X.] vorhandenen weiteren Wortbestandteil „[X.]“, bei der [X.]-Marke Nr. 715396 zusätzlich noch durch den graphisch gestalteten Buchstaben „S" und dessen elliptische Umrandung mitbestimmt werde.

Ausgehend davon bestehe aber ein hinreichend deutlicher Abstand zu der angegriffenen Marke, welche lediglich den Wortbestandteil „[X.]“ aufweise. Begünstigt werde die Unterscheidung zwischen den Vergleichsmarken ferner durch das bei der angegriffenen Marke vorhandene grafische Element in Form eines Dreiecks sowie die Großschreibung des Namens „[X.]“.

Eine seitens der Widersprechenden geltend gemachte überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft der [X.] sei nicht belegt, insbesondere nicht durch die mit Schriftsatz vom 24. Mai 2017 eingereichte eidesstattliche Versicherung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

A. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, da bereits zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke [X.] 715 395 Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] besteht.

1. Soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 10. August 2017 zu der seitens der Widersprechenden als Beleg für eine von ihr geltend gemachte gestärkte Kennzeichnungskraft eingereichten „[X.] UNDER OATH“ des Managers F… vom 3. Mai 2017 vorgetragen hat, dass diese nicht geeignet sei, die Verwendung der [X.] in [X.] zu belegen, ist darin keine Nichtbenutzungseinrede nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und/oder Satz 2 [X.] zu sehen. Denn der Wille, die Benutzung der Widerspruchsmarke i. S. v. § 43 Abs. 1 [X.] zu bestreiten, muss eindeutig erklärt werden (vgl. Ströbele/Hacker/ Thiering, [X.], 12. Aufl., § 43 Rdnr. 31). Dagegen können allgemeine Ausführungen zur Benutzung der Widerspruchsmarke in ersichtlich anderem Zusammenhang wie insbesondere bei der Erörterung deren Kennzeichnungskraft oder Schutzumfang nicht als Nichtbenutzungseinrede gewertet werden (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 43 Rdnr. 32).

So verhält es sich auch vorliegend. Die Widersprechende hat die eidesstattliche Versicherung („[X.]) vom 3. Mai 2017 nicht als Benutzungsnachweis, sondern ausschließlich zum Beleg einer gesteigerten Kennzeichnungskraft vorgelegt. Im Schriftsatz vom 10. August 2017 äußert sich die Inhaberin der angegriffenen Marke mit ihrem Vortrag, dass die eidesstattliche Versicherung u. a. mangels Angaben zu einer Benutzung in [X.] keine gesteigerte Kennzeichnungskraft belegen könne, allein zu dieser Frage, ohne in irgendeiner Weise zum Ausdruck zu bringen, die rechtserhaltende Benutzung der [X.] bestreiten zu wollen. Vielmehr fasst sie ihre Ausführungen dazu auf Seite 3 des Schriftsatzes vom 10. August 2017 nochmals ausdrücklich dahingehend zusammen, dass die „Angaben in der eidesstattlichen Versicherung ...ungeeignet (seien), eine behauptete gesteigerte Kennzeichnungskraft der [X.] zu belegen“.

2. Mangels Erhebung einer Benutzungseinrede ist somit bei der Beurteilung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit von der [X.], d. h. von den für die beiden Marken eingetragenen Waren- und Dienstleitungsoberbegriffen auszugehen. Danach können sich die Vergleichsmarken überwiegend auf identischen Waren und Dienstleistungen und ansonsten („Computersoftware“) eng ähnlichen Waren begegnen.

a. Die von der angegriffenen Marke zu [X.] beanspruchten Waren „Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität“ umfassen insbesondere auch „[X.] et instruments scientifiques, électriques, pour le transport, [X.], [X.], [X.], [X.], le réglage, [X.], [X.], [X.], le contrôle ou la commande du courant électrique, y compris les composants électriques pour de tels appareils et instruments“, für die die Widerspruchsmarke Schutz beansprucht, so dass sich beide Marken insoweit auf identischen Waren begegnen können. Warenidentität besteht auch in Bezug auf die in beiden Warenverzeichnissen enthaltenen „Registrierkassen, Rechenmaschinen“ (bei der Widerspruchsmarke caisses enregistreuses, machines à calculer“.

b. Die „caisses enregistreuses, machines à calculer“ der Widerspruchsmarke umfassen oberbegrifflich auch elektronische/computergesteuerte Rechenmaschinen bzw. Kassen, so dass sie auch unter die von der angegriffenen Marke beanspruchten weiten [X.] „Hardware für die Datenverarbeitung, Computer“ fallen.

c. Eine enge Ähnlichkeit besteht zwischen den bei der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden Waren caisses enregistreuses, machines à calculer“ und der von der angegriffenen Marke zu [X.] beanspruchten „Computersoftware“, da die Hersteller von Rechenmaschinen und Registrierkassen auch die von dem Warenoberbegriff „Computersoftware“ umfasste (Grund)Software für diese Waren entwickeln, installieren und auch anbieten, so dass für den Verkehr die Annahme nahe liegt, dass Entwicklung, Herstellung und Vertrieb der Hardware (Rechenmaschinen, Kassen) und der zugehörigen Software in der Regel als zusammengehörige Einheit unter der Verantwortung eines einzigen Herstellers erfolgen.

d. Was die von der angegriffenen Marke zu [X.] beanspruchten „Wissenschaftliche(n) und technologische(n) Dienstleistungen und Forschungsarbeiten“ – welche um „diesbezügliche Designerdienstleistungen“ erweitert werden –, die weiterhin zu dieser Klasse beanspruchten „industrielle(n) Analyse- und Forschungsdienstleistungen“ wie auch die ebenfalls zu dieser Klasse erfassten Dienstleistungen „Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software“ betrifft, besteht Identität zu den für die Widerspruchsmarke zu [X.] eingetragenen Dienstleistungen „travaux d’ingénieurs“ bzw. “travaux des génie“ (welche mit „Ingenieurarbeiten“ übersetzt werden können). Denn Ingenieure können als „Fachleute auf dem Gebiet der Technik“ auch wissenschaftlich bzw. auf dem Gebiet der wissenschaftlichen und/oder industriellen Analyse bzw. Forschung tätig sowie mit „Entwurf und Entwicklung von Computerhardware und -software“ beschäftigt sein. Daran ändert auch der auf Seiten der angegriffenen Marke zu den Dienstleistungen der [X.] eingefügte Disclaimer „alle vorgenannten Waren ausgenommen auf dem Gebiet der Optik“ nichts.

Unerheblich ist, dass die von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungsoberbegriffe nicht auf die bei der Widerspruchsmarke zu berücksichtigenden „Ingenieurarbeiten“ beschränkt sind (was übrigens auch „umgekehrt“ für die „Ingenieurarbeiten“ im Verhältnis zu den Dienstleistungen der [X.] der angegriffenen Marke gilt).

e. Darüber hinaus können sich beide Marke auch hinsichtlich der von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistung „Entwurf und Entwicklung von Computersoftware“ bei identischen Dienstleistungen begegnen, da die für die Widerspruchsmarke eingetragene Dienstleistung „progammation pour ordinateurs“ (= Computerprogrammierung) sich ihrem Gegenstand und Inhalt nach mit dem Entwurf und der Entwicklung von Computersoftware beschäftigen kann.

3. Was die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke [X.] 715 395 betrifft, wird diese originär durch die Eignung einer Marke bestimmt, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterscheidungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. [X.] [X.], 1096 Rdnr. 31 – [X.] [X.] [Buchst. a]; [X.] a. a. [X.] Rdnr. 31 – BioGourmet).

a. Ausgehend davon tragen zwar weder die glatt beschreibende Angabe „[X.]“, welche sich in einem Hinweis zu Eigenschaften der beanspruchten Waren bzw. zum Gegenstand der beanspruchten Dienstleistungen, die den Bereich der Elektronik bzw. der Elektrik betreffen, erschöpft, noch die im Geschäftsverkehr wie auch der Werbung herkömmliche Schriftart etwas zur Individualisierung und damit zur Kennzeichnungskraft des Zeichens bei.

Dies gilt aber nicht gleichermaßen für den weiteren Wortbestandteil „[X.]“. Als Bezeichnung eines „Handwerkers, der (aus Stoffen nach Maß) Kleidung anfertigt, näht (Berufsbezeichnung)“ (vgl. DUDEN-online zu „[X.]“) kommt diesem Bestandteil in Zusammenhang mit den vorliegend relevanten Waren und Dienstleistungen keinerlei beschreibende Bedeutung zu.

Auch soweit es sich bei „[X.]“ in [X.] um einen sogenannten Allerweltsnamen handelt, gibt es keinen markenrechtlichen Grundsatz, nach dem solchen Namen von Haus aus eine geminderte Kennzeichnungskraft zukommt. Vielmehr kann grundsätzlich auch ein verbreiteter Nachname die Herkunftsfunktion der Marke erfüllen und damit Unterscheidungskraft für die betroffenen Waren oder Dienstleistungen besitzen (vgl. [X.] GRUR 2004, 946 [X.]. 30 – [X.]; [X.]/ [X.], [X.], 3. Aufl., § 14 Rdnr. 573; vgl. ferner [X.] (pat) 134/01 v. 28. Januar 2003 – [X.] / [X.] Fertigungstechnik).

b. Ebenso wenig kann eine Schwächung der Kennzeichnungskraft dieses Bestandteils durch [X.] festgestellt werden.

Allein der von der Markenstelle ermittelte Registerstand von in [X.] stehenden Marken mit dem Bestandteil „[X.]“ in den Klassen 09 und 42 erlaubt keine Rückschlüsse auf eine Schwächung dieses Markenbestandteils. Allein die Anzahl der [X.] reicht dafür nicht aus ([X.] [X.], 685, Nr. 25 – [X.]). Vielmehr müssen der Umfang der Benutzung und die Bekanntheit der Marken am Markt im Einzelnen dargelegt werden ([X.], 29 W (pat) 70/11 – [X.] A-One Consult/[X.], juris).

Zu Gegenstand und Umfang der Benutzung solcher Marken ist seitens der Inhaberin der angegriffenen Marke jedoch nichts vorgetragen worden. Allein die Eintragung solcher Marken in derselben Waren- bzw. Dienstleistungsklasse besagt nichts über deren konkrete Benutzung im vorliegend konkret relevanten Waren- und Dienstleistungsbereich aus. Vielmehr kann im Widerspruchsverfahren nur eine konkrete und von der Inhaberin „liquide“ dargelegte, d. h. glaubhaft gemachte Benutzung von [X.] zu einer Schwächung der Widerspruchsmarke bzw. von Bestandteilen der Widerspruchsmarke wie vorliegend dem Namen „[X.]“ führen (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, a. a. [X.], § 9 Rdnr. 187).

c. Gleichwohl erscheint es vertretbar, bei einem allseits geläufigen und häufig vorkommenden sog. Allerweltsnamen wie „[X.]“ von einem Originalitätsmangel auszugehen mit der Folge, dass dieser Name in seiner Kennzeichnungskraft einer gewissen Schwächung unterliegt (so [X.]/2011-1 v. 18. Oktober 2012 [X.]. 45 – Kaiser/Kaiser’s), wenngleich diese Schwächung bzw. dieser Originalitätsmangel keineswegs so deutlich und nachhaltig ausfällt wie es z. B. bei einer nichts zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung beitragenden glatt beschreibenden Angabe wie z. B. „[X.]“ in Bezug auf die vorliegend maßgeblichen Waren und Dienstleistungen der Fall ist.

d. Letztlich kann vorliegend zugunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke ohne nähere Sachprüfung und abschließender Entscheidung von einer solchen Einschränkung der Kennzeichnungskraft des Bestandteils „[X.]“ ausgegangen werden. Zwar zieht diese eine – wenngleich auch eher geringe –Einschränkung der Kennzeichnungskraft des Widerspruchszeichens in seiner Gesamtheit nach sich. Da aber auch unter Zugrundelegung einer insgesamt etwas eingeschränkten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken nicht verneint werden kann, muss vorliegend auch nicht weiter der Frage nachgegangen werden, ob eine evtl. Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke durch eine von der Widersprechenden geltend gemachte umfangreiche Benutzung ausgeglichen wurde.

4. Die [X.] weisen eine hochgradige Ähnlichkeit auf.

a. In ihrer Gesamtheit sind die Vergleichsmarken zwar durch den zusätzlichen, in etwa gleicher Größe wie der weitere Wortbestandteil „[X.]“ ausgestalteten Wortbestandteil „[X.]“ auf Seiten der Widerspruchsmarke [X.] 715 395 sowie das grafische Element der angegriffenen Marke in Form eines Dreiecks, welches in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung findet, noch hinreichend deutlich zu unterscheiden.

Jedoch ergibt sich eine deutlich überdurchschnittliche Zeichenähnlichkeit aus der Übereinstimmung beider Marken in dem Bestandteil „[X.]/[X.]“.

b. Der Grundsatz der Maßgeblichkeit des Gesamteindrucks zwingt nicht dazu, die Vergleichsmarken stets in ihrer Gesamtheit miteinander zu vergleichen. Vielmehr ist nicht ausgeschlossen, dass ein oder mehrere Bestandteile eines zusammengesetzten Zeichens für den Gesamteindruck prägend sein und insoweit eine rechtlich relevante Verwechslungsgefahr begründen können (vgl. [X.] [X.] [X.], 1239, Nr. 32 – [X.]/Volks.Inspektion; [X.], 833, [X.] – Culinaria/[X.]; [X.], 772, [X.] – [X.]). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile für die angesprochenen Verkehrskreise weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen (vgl. [X.] GRUR 2012, 64, [X.] – Maalox/[X.]; [X.], 729, Nr. 31 – [X.]; [X.], 1055, Nr. 23 – airdsl), so dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl. [X.] GRUR 2016, 80, Nr. 37 – [X.]/[X.]; GRUR 2007, 700, Nr. 42 – [X.] Shaker, [X.]. 2010, 129, [X.] – [X.]/[X.]; [X.], 1098, Nr. 56 – [X.]/[X.]; [X.] GRUR 2004, 778, 779 – [X.] D[X.]EKT; GRUR 2008, 719, Nr. 37 – idw Informationsdienst Wissenschaft; [X.], 828, [X.] – DiSC).

aa. Ausgehend davon wird zunächst der rechtlich maßgebliche Gesamteindruck der Widerspruchsmarke in Bezug auf die vorliegend relevanten Waren und Dienstleistungen der Klassen 9 und 42 allein durch den in beiden Marken identisch enthaltenen Bestandteil „[X.]“ geprägt. Denn der weitere Bestandteil „[X.]“ erschöpft sich – wie bereits dargelegt – in einem glatt beschreibenden Hinweis auf Art, Gegenstand und Inhalt der Waren und Dienstleistungen. Der Verkehr wird diesen Begriff daher vorliegend nicht für eine Individualisierung geeignet halten und somit innerhalb der Widerspruchsmarke allein den zudem aufgrund seines ausgeprägteren [X.] auch optisch gegenüber „[X.]“ hervorgehobenen Bestandteil „[X.]“ als individualisierenden betrieblichen Herkunftshinweis auffassen und die Widerspruchsmarke somit als „[X.]“-Marke wahrnehmen und verstehen.

Daran ändert auch eine mögliche Schwächung bzw. ein Originalitätsmangel des Bestandteils „[X.]“ nichts. Denn angesichts des rein beschreibenden Begriffsinhalts des Markenbestandteils „[X.]" kann von einer erst durch diesen Bestandteil bewirkten markenrechtlichen Individualisierungsfunktion keine Rede sein. Vielmehr rückt ein derart kennzeichnungsschwacher Bestandteil auch gegenüber einem möglicherweise in seiner kennzeichnenden Wirkung (etwas) beeinträchtigten, aber dennoch grundsätzlich zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung geeigneten sog. „Allerweltsnamen“ derart in den Hintergrund, dass der Verkehr ihm innerhalb des [X.] keine kennzeichnende Funktion beimessen wird.

bb. Weiterhin wird auch der rechtlich maßgebliche Gesamteindruck der angegriffenen Marke allein durch den identischen Begriff „[X.]“ geprägt. da das Bildelement im Gesamteindruck der angegriffenen Marke für die angesprochenen Verkehrskreise ebenfalls in einer Weise zurücktritt, dass es für den Gesamteindruck vernachlässigt werden kann.Das Bildelement der angegriffenen Marke in Form eines pfeilartig in Richtung des [X.] „[X.]“ ausgerichteten Dreiecks wird lediglich als einfaches dekoratives und die Aufmerksamkeit auf den Wortbestandteil lenkendes Element wahrgenommen, dem der Verkehr keine kennzeichnende Bedeutung beimessen wird. Insoweit gilt der Erfahrungssatz, dass sich der Verkehr bei einer Wort-/Bildmarke an dem Wortbestandteil orientiert, wenn - wie vorliegend - der Bildbestandteil keine ins Gewicht fallende graphische Gestaltung aufweist (vgl. [X.]Z 167, 322, Nr. 30 – Malteserkreuz; [X.] GRUR 2008, 258, Nr. 23 – [X.]/T-InterConnect).

cc. Werden beide Marken daher in Zusammenhang mit den vorliegend maßgeblichen Waren und Dienstleistungen jeweils durch den Bestandteil „[X.]/[X.]“ geprägt, ist angesichts der Identität dieser Bestandteile von einer hochgradigen Zeichenähnlichkeit auszugehen.

5. Ausgehend davon kann dann aber in der Gesamtabwägung vor dem Hintergrund, dass sich die Vergleichsmarken ganz überwiegend auf identischen Waren und Dienstleistungen und ansonsten – was die Ware „Computersoftware“ der angegriffenen Marke betrifft – eng ähnlichen Waren begegnen können, auch bei einer etwas eingeschränkten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken nicht verneint werden.

B. Da die Beschwerde im Hinblick auf die Widerspruchsmarke [X.] 715 395 in vollem Umfang Erfolg hat, ist sie hinsichtlich des weiteren Widerspruchs aus der Marke [X.] 715 396 zurzeit gegenstandslos.

C. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 [X.], da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.

D. Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung getroffen werden, da die Inhaberin der angegriffenen Marke keinen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gestellt hat, auch nicht hilfsweise (§ 69 Nr. 1 [X.]).

Meta

30 W (pat) 50/16

06.12.2018

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.12.2018, Az. 30 W (pat) 50/16 (REWIS RS 2018, 801)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 801

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