Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.09.2010, Az. 27 W (pat) 53/10

27. Senat | REWIS RS 2010, 2942

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Bionic" – kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 307 09 971.7

hat der 27. Senat ([X.]) des [X.] am 28. September 2010 durch [X.] [X.], [X.] und Richterin Werner

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle vom 15. Oktober 2009 wird aufgehoben.

Gründe

I.

1

Die Markenstelle für Klasse 25 des [X.] hat mit Beschluss vom 15. Oktober 2009 die Anmeldung der für

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als Wortmarke beanspruchten Kennzeichnung

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[X.]

nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 [X.] als nicht unterscheidungskräftige und freihaltungsbedürftige Angabe für alle beanspruchten Waren zurückgewiesen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, bei dem Zeichen „[X.]“ handle es sich um das vom [X.] Begriff „bionics“ abgeleitete Adjektiv, auf [X.] „bionisch“, „auf der Wissenschaft der Bionik beruhend“. Dieser Begriff sei aus den Wörtern „Biologie“ und „Technik“ zusammengesetzt und bezeichne die Wissenschaft, technische Probleme nach dem Vorbild biologischer Funktionen zu lösen. Als Beispiele habe die Anmelderin den sogenannten Lotuseffekt und die Haifischhaut für die Beschaffenheit von Oberflächen genannt.

Der Begriff sei für sämtliche beanspruchten Waren beschreibend, da diese nach dem Vorbild der Natur produziert werden könnten. In Verbindung mit Kosmetik könne er auf natürliche Inhaltsstoffe hinweisen, in Verbindung mit Taschen, Schirmen und Bekleidung auf eine selbstreinigende Oberfläche. Auch Material und Schnitt von Kleidungsstücken könnten nach Vorbildern in der Natur entwickelt sein bzw. entsprechende Eigenschaften aufweisen.

Der beschreibende Charakter werde zumindest von den am Handelsverkehr beteiligten inländischen Fachkreisen erkannt. Der Begriff werde auch bereits vielfach produktbeschreibend verwendet, insbesondere im Zusammenhang mit Bekleidung, Materialien, Design und Kosmetik. Insofern könne vom Verständnis des Verbrauchers ausgegangen werden.

Wegen der Verwendung des Begriffs „[X.]“ als Sachangabe, die als solche verstanden werde, fehle der Marke auch jegliche Unterscheidungskraft.

Eine Beschwerdebegründung der Anmelderin liegt derzeit nicht vor. Im Anmeldeverfahren hat sie argumentiert, bei der Marke „[X.]“ handle es sich um einen Begriff, der in der Gesamtheit seiner Aussage keine allgemeinverständliche, beschreibende Angabe in Bezug auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen darstelle.

Die Bionik bezeichne die Wissenschaft, welche die Grenzgebiete zwischen Biologie und Technik untersuche. Ziel der Bionik sei es, biologische Strukturen und Funktionen im Hinblick auf deren technische Verwertbarkeit zu untersuchen und als Anregung für eigenständiges technisches Gestalten zu nehmen. Im [X.] beschränke sich die Bedeutung von „bionics“ zumeist auf die Konstruktion von Körperteilen oder allgemeiner auf eine Kombination von Biologie und Elektronik. Was im [X.] als „Bionik“ bezeichnet werde, werde im [X.] üblicherweise als „biomimicry“ oder „biomimetics“ bezeichnet. Ein Beispiel für die bionische Forschung sei der Lotuseffekt, der sich vom Selbstreinigungseffekt der [X.] Lotusblüte herleite und in der technischen Umsetzung zur Herstellung selbstreinigender Oberflächen diene.

In Bezug auf die [X.] sei zweifelhaft, ob die angesprochenen Verkehrskreise den wenig geläufigen Begriff kennen würden. Jedenfalls sei er für die beanspruchten Waren nicht beschreibend, da diese mit „Biologie“ und „Technik“ in keinerlei Verbindung stünden und nicht auf speziellen biologischen Vorgängen oder Techniken beruhten, welche die Waren besonders kennzeichnen könnten.

Körperpflegemittel etc. würden zwar möglicherweise aus natürlichen Bestandteilen hergestellt. In diesem Bereich spiele die besondere Wissenschaft der Bionik jedoch keine Rolle. Auch für die verschiedenen Taschen der Klasse 18 gebe es keine Vorbilder in der Natur. Dasselbe gelte für die Waren der Klasse 25. Zwar sei es denkbar, dass bspw. die Bekleidung aus speziellen Funktionsstoffen hergestellt sei. Dass diese auf der Wissenschaft der Bionik beruhten, werde vom Publikum jedoch weder erkannt noch sei es diesem bekannt.

Selbst bei einer analysierenden Betrachtungsweise könne die [X.] die verschiedenen beanspruchten Waren nicht unmittelbar beschreiben. Der Begriff „Bionik“ sei so weit und unbestimmt und könne thematisch so viele verschiedene Bereiche berühren, dass vollkommen unklar sei, inwiefern die beanspruchten Waren - wenn überhaupt - „bionisch“ sein könnten. Ein hinreichend enger Zusammenhang mit Merkmalen der Waren sei nicht gegeben. Die [X.] erwecke - wenn überhaupt - allenfalls unklare Vorstellungen in Bezug auf mögliche Eigenschaften der so bezeichneten Waren.

Das [X.] habe am 7. November 2007 „[X.]“ im Rahmen der Schutzerstreckung einer [X.] der Anmelderin auf die [X.] für schutzfähig erachtet.

Die Anmelderin beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des [X.]en Patent- und Markenamtes vom 15. Oktober 2009 aufzuheben und die Eintragung der [X.] zu beschließen.

II.

1) Die Beschwerde ist zulässig. Insbesondere wurde sie fristgerecht eingelegt.

Die Zustellung des angefochtenen Beschlusses erfolgte laut [X.] am 29. Januar 2010. Die Monatsfrist des § 66 Abs. 2 [X.] endete gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 [X.] i. V. m § 222 ZPO i. V. m §§ 187, 188, 193 BGB am Montag, dem 1. März 2010. An diesem Tag erfolgte die Übersendung der Beschwerdeschrift per Telefax, was nach der Regelung des § 11 Abs. 1 [X.] zulässig ist.

2) Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg; einer Registrierung der angemeldeten Marke stehen für die beanspruchten Waren keine Schutzhindernisse aus § 8 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] entgegen.

a) § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] schließt nur unmittelbar warenbeschreibende Angaben von der Registrierung aus. Sofern die Aussage allenfalls aufgrund gedanklicher Schlussfolgerungen erkennbar ist, steht diese Norm der Eintragung regelmäßig nicht entgegen ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., Rn. 251 zu § 8).

Bei der Bionik handelt es sich um eine Methode der Erkenntnisgewinnung, nämlich um eine der sog. intuitiven Methoden auf dem Gebiet der [X.] bzw. Ideenfindung. Intuitive Methoden arbeiten zum Zweck der Ideenfindung mit [X.] und Verfremdungsmethoden; Lösungen in einem Bereich sollen entsprechende Ideen für einen anderen Bereich liefern.

Das Adjektiv „bionic“ bzw. auf [X.] „bionisch“ bezieht sich also auf einen Prozess der Erkenntnisgewinnung und bedeutet, dass bei der wissenschaftlichen Bearbeitung eines Problems auf dem Gebiet der Technik Lösungen analysiert und kopiert werden, die in analoger Weise aus dem Bereich der Biologie bereits bekannt sind. Das Adjektiv „bionisch“ beschreibt damit eine bestimmte wissenschaftliche Vorgehensweise. Eventuell beschreibt es auch, dass der mit diesem Adjektiv gekennzeichnete Gegenstand auf dieser Vorgehensweise beruht. Es beschreibt aber nicht Eigenschaften des jeweils gelösten technischen Problems oder des Gegenstands selbst.

Somit ist die Argumentation der Markenstelle, die sich auf die Benennung von Eigenschaften der angemeldeten Waren beschränkt, hinsichtlich der objektiven Beschreibungseignung des Begriffs „bionisch“ nicht aussagekräftig. Es kommt nämlich nicht nur darauf an, dass die beanspruchten Waren nach Herstellung, Materialdesign oder Beschaffenheit nach dem Vorbild der Natur produziert werden können. Vielmehr müsste es einen unmittelbaren Zusammenhang der angemeldeten Waren zu einer wissenschaftlichen Vorgehensweise an sich geben, bei der zur technischen Problemlösung Vorbilder in der Biologie gesucht werden. Ein solcher ist aber bei den angemeldeten Waren der Klassen 3, 18 und 25 nicht ersichtlich.

Auch aus den [X.], die dem Zurückweisungsbeschluss der Markenstelle beiliegen, ergibt sich ein solcher Zusammenhang nicht. Die dort abgedruckten Kurzzusammenfassungen deuten überwiegend auf eine markenmäßige Verwendung des Begriffs „bionic“ oder auf eine Verwendung zur Kennzeichnung der Wissenschaft der Bionik an sich hin.

b) Dem Begriff „[X.]“ fehlt auch nicht jegliche Unterscheidungskraft.

Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, Waren, für welche die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und von denjenigen anderer zu unterscheiden. Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren und zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf die Wahrnehmung der Marke durch einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der fraglichen Waren abzustellen ist.

Marken besitzen keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn sie aus gebräuchlichen Wörtern der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden.

Maßgebend für die Unterscheidungskraft ist, ob der angesprochene Verbraucher in der angemeldeten Marke einen Herkunftshinweis erblickt oder nicht.

Vorliegend ist bei allen angemeldeten Waren die Gesamtbevölkerung im Sinn der normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher angesprochen, da es sich bei sämtlichen Waren um Alltagsgegenstände (Taschen, Schirme, Bekleidungswaren, etc.) bzw. Waren des täglichen Bedarfs (Körperpflegemittel, etc.) handelt.

Bei Angaben, die Waren nicht unmittelbar beschreiben, fehlt die Unterscheidungskraft, wenn das Publikum in der Angabe einen üblichen Begriff aber kein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der angemeldeten Waren sieht. Es ist dabei erforderlich, dass der einer Annahme der Unterscheidungskraft entgegenstehende Aussagegehalt so deutlich und unmissverständlich hervortritt, dass er für die beteiligten Verkehrskreise unmittelbar und ohne weiteres Nachdenken erkennbar ist.

Wie bereits erläutert, beschreibt das Adjektiv „bionic“ eine bestimmte wissenschaftliche Vorgehensweise, nämlich das Analysieren und Kopieren von Lösungen, die aus dem Bereich der Biologie bereits bekannt sind, bei der wissenschaftlichen Bearbeitung eines Problems auf dem Gebiet der Technik.

Zwischen dieser wissenschaftlichen Vorgehensweise als dem Sinngehalt der angemeldeten Marke und den beanspruchten Waren, wie Zahnputzmittel, Taschen oder Bekleidung, besteht kein unmittelbarer und konkreter Sachbezug, der sich dem Durchschnittsverbraucher ohne weiteres aufdrängt. Vielmehr bedarf es mehrerer gedanklicher und analysierender Zwischenschritte, um von der wissenschaftlichen Vorgehensweise an sich - d. h. dem Untersuchen und Kopieren biologischer Phänomene für technische Problemlösungen - auf deren mögliche Ergebnisse - etwa den Einsatz des Lotuseffekts zur Ausbildung schmutzabweisender Oberflächen - allgemein und von diesen Ergebnissen weiter auf etwaige Eigenschaften der beanspruchten Waren - zum Beispiel, eine schmutzabweisende Oberfläche einer Campingtasche - zu schließen.

Nur gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache fehlt aber die Unterscheidungskraft, wenn sie nur als solche in ihrer ursprünglichen (nicht markenmäßigen) Bedeutung verstanden werden.

Das Zeichen „bionic“ ist kein geläufiges Wort der [X.]. Vielmehr stellt es einen Fachausdruck einer ingenieur- bzw. naturwissenschaftlichen Disziplin dar, dessen Bedeutung nur einem kleinen Fachpublikum geläufig sein dürfte. Die Zusammensetzung des Wortes aus „Biologie“ und „Technik“ ist nicht ohne Weiteres ersichtlich und wird vom Durchschnittsverbraucher nicht erkannt.

Der maßgebliche Durchschnittsverbraucher, dem weder die semantische Bedeutung noch die „etymologische“ Zusammensetzung des Wortes „bionic“ geläufig ist, wird dieses Wort daher auch nicht in seiner ursprünglichen, nicht markenmäßigen Bedeutung verstehen. Er nimmt das Zeichen „bionic“ auch nicht als Abwandlung einer beschreibenden Angabe wahr, der jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Möglicherweise erweckt das Zeichen beim Durchschnittsverbraucher aufgrund der ersten Silbe „bio“ einen diffusen Anklang an „biologisch“, „natürlich“ oder ähnliches. Der aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher erkennt aber aufgrund der sprachlich unpassenden Endsilbe „nic“ die Eigenart des angemeldeten Zeichens.

Ein Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ist daher nicht anzunehmen.

3) Zu einer Erstattung der Beschwerdegebühr (§ 71 Abs. 3 [X.]) besteht kein Anlass.

Meta

27 W (pat) 53/10

28.09.2010

Bundespatentgericht 27. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 28.09.2010, Az. 27 W (pat) 53/10 (REWIS RS 2010, 2942)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2942

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