Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.03.2019, Az. 8 B 8/19

8. Senat | REWIS RS 2019, 9230

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Gegenstand

Zur Anwendung der Beweiserleichterung gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 BerRehaG


Gründe

1

Der Kläger, der 1984 einen Ausreiseantrag gestellt und die [X.] am 21. März 1986 mit seiner Ehefrau und seinem [X.] verlassen hatte, begehrt eine berufliche Rehabilitierung in größerem als dem bereits anerkannten zeitlichen Umfang. Mit bestandskräftigem [X.]escheid vom 2. Juni 1998 stellte der [X.]eklagte unter anderem fest, die Verfolgungszeit dauere vom 1. August 1984 - dem [X.] der Kündigung des Arbeitsverhältnisses des [X.] - bis zur Ausreise am 21. März 1986. Im Mai 2015 beantragte der Kläger, einen früheren Verfolgungsbeginn anzuerkennen, weil er 1982 oder - nach späteren Angaben - am 26. März 1981 einen ersten Ausreiseantrag gestellt habe und daraufhin beruflichen Nachteilen ausgesetzt gewesen sei. Dieser Antrag wurde bestandskräftig abgelehnt. Im März 2016 beantragte der Kläger erneut, eine Verfolgungszeit ab dem 26. März 1981, und zwar nun bis zum 2. Oktober 1990, anzuerkennen. Nach erfolglosem Widerspruch gegen die Ablehnung auch dieses Antrages hat er Klage erhoben und geltend gemacht, das [X.] der [X.] ([X.]) habe ihn und seine Familie bereits vor dem 26. März 1981 überwacht. Außerdem sei ihm versagt worden, sich als Elektromeister selbständig zu machen. Das Verwaltungsgericht hat das Verfahren nach teilweiser Klagerücknahme - hinsichtlich des [X.]raums nach dem 21. März 1986 - insoweit eingestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Revision gegen sein Urteil hat es nicht zugelassen.

2

Die dagegen eingelegte [X.]eschwerde des [X.], die sich auf die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO beruft und Verfahrensfehler gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO rügt, hat keinen Erfolg.

3

1. Die [X.]eschwerdebegründung legt keine grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache dar. Dazu hätte sie eine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwerfen müssen, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung zukäme. Das ist nicht geschehen.

4

Die sinngemäß aufgeworfene Frage,

ob auch ein vom [X.] abgefangener [X.]rief mit von den [X.]-Sicherheitsbehörden als negativ angesehenen Äußerungen eine politische Verfolgung verursacht haben kann,

würde sich im Revisionsverfahren nicht stellen, weil das angegriffene Urteil nicht auf Überlegungen zur möglichen Ursächlichkeit eines solchen [X.]riefs für eine politische Verfolgung beruht. Das Verwaltungsgericht hat nicht ausgeschlossen, dass ein [X.]rief dieser Art Verfolgungsmaßnahmen auslösen konnte. Es hat lediglich den auf einer Karteikarte des [X.] erwähnten [X.]rief der Ehefrau des [X.] vom 26. März 1981 mit - aus der Sicht des [X.] - negativen Äußerungen über Verdienst, Preise und Warenangebot in der [X.] nicht als ursächlich für eine rehabilitierungsrechtlich relevante Verfolgung des [X.] im verfahrensgegenständlichen [X.]raum gewertet. Vielmehr hat es aufgrund der [X.]eweislage schon nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Kläger in der [X.] vom 26. März 1981 bis zum 31. Juli 1984 überhaupt einem rehabilitierungsfähigen Eingriff in seinen [X.]eruf ausgesetzt war. Es hat das entsprechende Klägervorbringen auch nicht für glaubhaft gehalten. Die Frage der Ursächlichkeit für einen etwaigen Eingriff stellte sich ihm deshalb nicht mehr. Hat die Vorinstanz eine Tatsache, aus der sich die Erheblichkeit der aufgeworfenen Frage ergäbe, nicht festgestellt, scheidet eine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung aus (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 6. Juni 2006 - 6 [X.] - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Nr. 35 S. 2).

5

2. Das angegriffene Urteil leidet auch nicht an den geltend gemachten Verfahrensmängeln.

6

a) Ein als Verfahrensfehler einzuordnender Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) ist der [X.]eschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

7

Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe gesetzliche [X.]eweisregeln missachtet, ist nicht begründet. Die Vorinstanz hat weder in Abrede gestellt noch übersehen, dass § 25 Abs. 2 [X.] eine Glaubhaftmachung von Angaben unter anderem zur Verfolgteneigenschaft oder zur Verfolgungszeit genügen lässt, wenn [X.]eweismittel dafür nicht vorliegen, nicht beschafft werden können oder unverschuldet verloren gegangen sind. Das angegriffene Urteil geht zutreffend davon aus, dass in Fällen der [X.]eweisnot die glaubhafte Darlegung der Verfolgung genügt (vgl. [X.] und 8). Es hat einen Verfolgungsbeginn am 26. März 1981 nicht für belegbar gehalten, weil die vorgelegten [X.]eweismittel nach seiner Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung keine zureichenden Indizien für einen bereits damals gestellten Ausreiseantrag oder für berufsbezogene Repressionen aus politischen Gründen seit diesem [X.]punkt darstellten. Angesichts fehlender [X.]eweismittel hat es anschließend geprüft, ob sich ein Verfolgungsbeginn am 26. März 1981 auf glaubhafte Angaben des [X.] stützen lässt. Dies hat es wegen widersprüchlichen Vorbringens verneint und dabei auf Widersprüche sowohl zu den vorgelegten [X.]eweismitteln als auch zum Vorbringen im Ausgangsverfahren abgestellt.

8

Der Vorwurf, diese Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 1 [X.] verkehre die [X.]eweislast, ist nicht berechtigt. Er ordnet die [X.]eweiserleichterung durch Herabsetzung des [X.]eweismaßes (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 29. Juli 2015 - 3 [X.] 39.14 - [X.] 428.8 § 25 [X.] Nr. 1) unzutreffend als [X.]eweislastregel ein. Zudem übersieht er, dass die [X.]eweislastverteilung dem materiellen Recht angehört und deshalb nicht Gegenstand einer Verfahrensrüge sein kann.

9

Auch sonstige (vermeintliche) Fehler in der Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung des Tatsachengerichts sind regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern ebenfalls dem sachlichen Recht zuzuordnen. Sie können daher grundsätzlich keinen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begründen. Eine Ausnahme kommt nur bei Mängeln in [X.]etracht, die allein die Tatsachenfeststellung und nicht auch die Subsumtion unter die materiell-rechtliche Norm betreffen. Zu diesen Mängeln gehören aktenwidrige Feststellungen oder denkfehlerhafte Schlussfolgerungen von Indizien auf Haupttatsachen (stRspr, vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 6. März 2008 - 7 [X.] 13.08 - [X.] 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 54 S. 17 und vom 29. Juli 2010 - 8 [X.] 106.09 - insoweit in [X.] 428 § 3 VermG Nr. 77 nicht abgedruckt - juris Rn. 31). Solche Mängel sind nicht schon mit dem Vortrag dargetan, die vom Verwaltungsgericht gezogenen Schlussfolgerungen seien sachwidrig, unrichtig oder fernliegend. Vielmehr müssen denklogisch schlechthin unmögliche, von Willkür geprägte Schlussfolgerungen aufgezeigt werden ([X.], [X.]eschluss vom 10. Dezember 2003 - 8 [X.] 154.03 - NVwZ 2004, 627). Daran fehlt es hier. Die [X.]eschwerdebegründung kritisiert lediglich die verwaltungsgerichtliche Einschätzung der [X.]eweiskraft verschiedener, nach der Auffassung der Vorinstanz unergiebiger oder sogar gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben des [X.] sprechender Indizien und stellt der vorinstanzlichen [X.]eweiswürdigung die eigene, abweichende Würdigung entgegen. Dies gilt auch für die Einwände gegen die verwaltungsgerichtliche Würdigung von Abweichungen des Klagevorbringens vom Vortrag im Ausgangsverfahren und vom Inhalt der vorgelegten Unterlagen.

b) Eine Verletzung der Pflicht zur gerichtlichen Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht substantiiert dargetan. Dazu hätte nicht nur eine aufklärungsbedürftige tatsächliche Frage benannt, sondern darüber hinaus dargelegt werden müssen, welche Ermittlungen sich dem Verwaltungsgericht nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung auch ohne förmlichen [X.]eweisantrag des bereits in erster Instanz anwaltlich vertretenen [X.] hätten aufdrängen müssen, welche [X.]eweismittel in [X.]etracht gekommen wären, welches Ergebnis eine entsprechende [X.]eweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und inwieweit dies zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. [X.], Urteile vom 12. Februar 1998 - 3 C 55.96 - [X.]E 106, 177 <182> und vom 20. April 2004 -1 C 13.03 - [X.]E 120, 298 <303>). Diesen Anforderungen genügt die [X.]eschwerdebegründung nicht. Sie verlangt nur eine Klärung der Frage, ob schon das [X.]ekanntwerden des Inhalts des [X.]riefes vom 26. März 1981 die behaupteten Repressionsmaßnahmen hätte auslösen können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Meta

8 B 8/19

19.03.2019

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend VG Berlin, 22. Februar 2018, Az: 9 K 169.17, Urteil

§ 132 Abs 2 Nr 1 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 25 Abs 2 S 1 BerRehaG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.03.2019, Az. 8 B 8/19 (REWIS RS 2019, 9230)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 9230

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Referenzen
Wird zitiert von

Au 8 S 23.50409

W 1 K 21.50271

M 30 S 22.50330

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