Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.02.2011, Az. V ZR 137/10

5. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 9312

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nachbarrecht: Anspruch des Grundstücksnachbarn auf Anbringung einer Wärmedämmung bei Abriss einer Giebel- bzw. Grenzwand


Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des [X.] vom 24. Juni 2010 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien sind Eigentümer nebeneinander liegender Grundstücke, die entlang der gemeinsamen Grenze bebaut waren. 2006 riss die Beklagte das auf ihrem Grundstück stehende Gebäude ab. Dabei wurde auch die sechs Meter hohe, an das Nachbargebäude angrenzende Giebelwand bis auf eine Höhe von 2,50 Metern abgetragen. Auf dem darüber befindlichen, nunmehr freiliegenden Teil der Außenmauer des [X.] ließ die Beklagte einen Glattputz auftragen. Der Kläger forderte die Beklagte vergeblich auf, diesen Teil der Mauer mit einer den heutigen Anforderungen entsprechenden Wärmedämmung zu versehen.

2

Mit der Klage verlangt der Kläger Zahlung der für die Anbringung einer Wärmedämmung erforderlichen Kosten als "Vorschuss für eine Mängelbeseitigung" sowie die Verurteilung der Beklagten, es ihm und von ihm beauftragten Handwerkern zu gestatten, ihr Grundstück "zum Zwecke der Mängelbeseitigung" zu betreten.

3

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, das [X.] hat sie abgewiesen. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

I.

4

Das Berufungsgericht meint, der geltend gemachte Anspruch stehe dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Ein solcher ergebe sich insbesondere nicht aus § 10 Abs. 3 des [X.] ([X.]), wonach derjenige, der sein Gebäude abreißt, verpflichtet ist, die Außenfläche des bisher gemeinsam genutzten Teils der Wand auf eigene Kosten in einen für eine Außenwand geeigneten Zustand zu versetzen. Dieser Verpflichtung sei genügt, wenn die durch den Abriss entstandene Außenwand vor [X.] geschützt sei. Die Anbringung einer bisher nicht vorhandenen Wärmeisolierung werde nicht geschuldet. Damit entfalle auch die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger das Betreten ihres Grundstücks zu gestatten.

II.

5

Die Revision des [X.] bleibt ohne Erfolg. Das angefochtene Urteil erweist sich im Umfang der revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis als richtig.

6

1. a) Der [X.] hat bereits entschieden, dass dem Eigentümer eines entlang der Grundstücksgrenze bebauten Grundstücks kein Anspruch auf Vervollständigung des Witterungsschutzes seiner Außenmauer zusteht, wenn das Nachbargebäude abgerissen und dadurch eine parallel verlaufende [X.] beseitigt wird, die dieser Außenmauer bislang Schutz vor Witterungseinflüssen bot ([X.], Urteil vom 16. April 2010 - [X.], NJW 2010, 1808). Bestehen zwei Grenzwände, ist jeder Eigentümer für die auf seinem Grundstück errichtete Wand verantwortlich. Der Vorteil, der sich daraus ergibt, dass eine Außenwand so lange keines oder keines vollständigen Witterungsschutzes bedarf, wie dieser Schutz von der [X.] des Nachbargrundstücks geboten wird, wird durch das Bürgerliche Gesetzbuch nicht geschützt.

7

Dieser Grundsatz findet auch hier Anwendung. Nach den dem Berufungsurteil zugrundeliegenden Feststellungen aus dem selbständigen Beweisverfahren waren die angrenzenden Gebäude durch zwei voneinander unabhängige Wände getrennt. Denn der gerichtlich bestellte Sachverständige unterscheidet zwischen der Giebelwand des [X.] und der parallel zu dieser ehemals vorhandenen, von der Beklagten abgetragenen Brandwand. Folgerichtig bezeichnet das Berufungsgericht die von der Beklagten abgerissene Wand im Tatbestand auch als [X.].

8

Demgegenüber betreffen die Entscheidungen, aufgrund derer das Berufungsgericht die hier maßgebliche Rechtsfrage für umstritten hält ([X.], Urteil vom 28. November 1980 - [X.], [X.], 397; [X.], NJW-RR 2008, 613; vgl. ferner [X.], Urteil vom 11. April 2008 - [X.], [X.], 2032), eine andere bauliche Situation, nämlich die sogenannte Nachbarwand (auch halbscheidige Giebelmauer oder Kommunmauer genannt). Bei dieser handelt es sich um eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung, die dazu bestimmt ist, von jedem der beiden Nachbarn in Richtung auf sein eigenes Grundstück benutzt zu werden; das hierdurch begründete Rechtsverhältnis der Nachbarn ist durch die §§ 921, 922 BGB sowie durch landesrechtliche Vorschriften besonders geregelt (vgl. zur Unterscheidung zwischen Nachbarwand und [X.] Staudinger/[X.], BGB [2002], § 921 Rn. 19 ff. und Rn. 54 ff. sowie die Abschnitte 2 [Nachbarwand] und 3 [[X.]] des [X.] von Sachsen-Anhalt).

9

b) Die Annahme des [X.], ein Anspruch des [X.] auf Anbringung einer Wärmeisolierung an seiner [X.] ergebe sich nicht aus § 10 Abs. 3 [X.] (gemeint offenbar: in Verbindung mit § 15 [X.]), unterliegt keiner revisionsrechtlichen Nachprüfung, da sich der Geltungsbereich dieser Vorschriften nicht über den Bezirk eines [X.]s, hier des [X.], hinaus erstreckt (§ 545 Abs. 1 ZPO aF). Zwar hat der Gesetzgeber die Beschränkung der Revisibilität von Landesrecht zwischenzeitlich aufgehoben, jedoch ist die durch das [X.] vom 17. Dezember 2008 ([X.] I 2586, 2702) erfolgte Änderung nach der Übergangsvorschrift des § 111 Abs. 1 Satz 1 FamFG erst auf Verfahren anzuwenden, die ab dem 1. September 2009 eingeleitet worden sind (vgl. [X.], Beschluss vom 1. Juli 2010 - [X.], [X.] 2010, 222; [X.], Urteil vom 11. Mai 2010 - [X.], [X.], 1715, 1716 Rn. 5; Urteil vom 19. November 2009 - [X.], NJW-RR 2010, 671 Rn. 8). Die diesem Verfahren zugrunde liegende Klage wurde aber bereits im Jahr 2008 erhoben.

Entgegen der Auffassung der Revision ist die Auslegung von § 10 Abs. 3 i.V.m. § 15 [X.] nicht deshalb revisionsrechtlich nachprüfbar, weil sich der Geltungsbereich der Vorschriften jedenfalls über den Bezirk des [X.], nämlich des [X.], hinaus erstreckt. Der [X.] hat bereits entschieden, dass der Begriff "[X.]" in § 545 Abs. 1 ZPO aF nicht deshalb wie "Berufungsgericht" zu lesen ist, weil die Revision seit der am 1. Januar 2002 in [X.] getretenen Zivilprozessreform auch gegen Urteile des [X.] stattfindet (vgl. Urteil vom 21. November 2008 - [X.], NJW-RR 2009, 311, 312 Rn. 8 f.).

2. Aus demselben Grund nicht [X.] ist die Annahme des [X.], mangels Verpflichtung der Beklagten, eine Wärmedämmung anzubringen, stehe dem Kläger gemäß § 15 [X.] (gemeint offenbar: § 18 [X.]) auch nicht das Recht zu, deren Grundstück zu betreten. Keiner Entscheidung bedarf, anders als die Revision meint, die Frage, ob sich für den Fall, dass der Kläger die Wärmedämmung nunmehr auf eigene Kosten anzubringen beabsichtigt, ein Betretensrecht aus dem Bundesrecht ergibt. Denn Gegenstand des Antrags ist nach dessen Formulierung ("zum Zwecke der Mängelbeseitigung") nur das Betretensrecht, welches sich als Annex zu einer Verpflichtung der Beklagten ergeben hätte, die Anbringung einer Wärmedämmung durch den Kläger im Wege einer "Ersatzvornahme" zu dulden. Dem entspricht es, dass sich der Antrag bei der Streitwertfestsetzung der Vorinstanzen wertmäßig nicht ausgewirkt hat.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Krüger                                        [X.][X.]

                      Brückner                                                Weinland

Meta

V ZR 137/10

18.02.2011

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Halle (Saale), 24. Juni 2010, Az: 1 S 131/09, Urteil

§ 921 BGB, § 922 BGB, § 10 Abs 3 NachbG ST, § 15 NachbG ST, § 18 NachbG ST, § 545 Abs 1 ZPO, § 111 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.02.2011, Az. V ZR 137/10 (REWIS RS 2011, 9312)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9312

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZR 137/10 (Bundesgerichtshof)


V ZR 25/21 (Bundesgerichtshof)

Reihen- oder Doppelhaus: Mitbenutzungsrecht an einer Nachbarwand; Besonderheiten bei zweischaligem Wandaufbau


V ZR 2/12 (Bundesgerichtshof)

Abriss eines Gebäudes bei gemeinsamer Giebelwand mit dem Nachbargebäude: Anspruch des Nachbarn auf Anbringung von …


V ZR 144/18 (Bundesgerichtshof)

Nachbarrecht in Hessen: Pflicht des Grundstückseigentümers zur Duldung von Veränderungen an seinem Gebäude infolge des …


V ZR 12/19 (Bundesgerichtshof)

Anspruch des Grundstücksnachbarn auf Wiederherstellung der Funktionstüchtigkeit der durch einen Brand freigelegten gemeinsamen Giebelwand: Vorliegen …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.