Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.12.2007, Az. IX ZR 105/07

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 71

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[X.]BESCHLUSS [X.] ZR 105/07 vom 20. Dezember 2007 in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], [X.] Ganter und [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] am 20. Dezember 2007 beschlossen: Die Revision der [X.] gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 19. März 2007 wird zugelassen. Auf die Revision der [X.] wird das Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 19. März 2007 im Kosten-punkt und insoweit aufgehoben, als es die Beklagte beschwert. In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 106.507,91 • festgesetzt. - 3 - Gründe: [X.] Der Kläger ist der Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermö-gen der [X.]; die Beklagte ist die Verwalterin in dem Insol-venzverfahren über das Vermögen der [X.] (im Folgenden: [X.] ). 1 Am 11. Juli 2002 schloss die unter Zahlungsschwierigkeiten leidende [X.] mit der [X.]

GmbH als Factor einen schriftlichen Factoring-Vertrag. Die [X.] verkaufte danach ihre nach Abschluss des [X.] aus Warenlieferungen und Dienstleistungen gegen ihre Kunden (Debitoren) an den Factor, trat sie diesem ab und zog sie für diesen ein. Das Risiko der Zahlungsunfähigkeit der Debitoren trug die [X.] . Was hin-sichtlich der von dem schriftlichen Vertrag nicht erfassten "[X.]" ver-einbart wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Am 15. und 16. Juli 2002 überwies der Factor unter Angabe des Verwendungszwecks "Abschlag Facto-ring - Vereinbarung vom 15.07.2002" zunächst 1 Mio. • und sodann 0,5 Mio. • auf das Konto der [X.] . Zu diesem Zeitpunkt waren [X.]und Dr. [X.] zugleich Gesellschafter der S.

GmbH und Kommanditisten der [X.] 2 Am 22. Oktober 2002 wurde die Beklagte zur vorläufigen Insolvenzver-walterin über das Vermögen der [X.] bestellt. In der Folgezeit zog die Beklagte von Debitoren insgesamt 270.345,52 • auf ein von ihr geführtes [X.] ein. Davon entfallen 106.507,91 • auf "[X.]". 3 - 4 - Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger von der [X.] - ge-stützt auf ein Ersatzaussonderungsrecht - die Auskehr der von ihr eingezoge-nen Beträge. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsge-richt hat die Verurteilung der [X.] in Höhe von 106.507,91 • ("Altforderun-gen") bestätigt und die weitergehende Klage abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde begehrt die Beklagte letztlich die vollständige Klageabweisung. 4 I[X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der schriftliche Vertrag sei auf ein unechtes Factoring gerichtet gewesen und von der [X.] gemäß § 135 In-sO, § 32a GmbHG wirksam angefochten worden. Soweit die Beklagte Beträge auf die "[X.]" eingezogen habe, hätten jene jedoch der [X.] GmbH aufgrund eines unanfechtbaren Forderungskaufs zugestan-den. 5 II[X.] Die Revision ist zuzulassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 ZPO); auf die Revision ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zurückzuverwei-sen (§ 544 Abs. 7 ZPO), weil das Berufungsgericht den Anspruch der [X.] auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (Art. 103 Abs. 1 GG). 6 - 5 - 1. Das Berufungsgericht ist von dem Vortrag des [X.] ausgegangen (§ 138 Abs. 3 ZPO), wonach die [X.] die in der "[X.]" vom 10. Juli 2002 aufgeführten Forderungen ("[X.]") aufgrund eines - neben dem schriftlichen Vertrag vom 11. Juli 2002, der ein unechtes Factoring zum Gegenstand gehabt habe - am selben Tage mündlich zustande [X.] echten Factoring-Vertrages erworben habe. Das Bestreiten der [X.] sei nach § 138 Abs. 2 ZPO unerheblich. Denn nachvollziehbare Erklärungen zum Rechtsgrund der unstreitig erfolgten Zahlung von insgesamt 1,5 Mio. • ha-be die Beklagte "nicht dargetan". Der Vortrag der [X.] in zweiter Instanz sei zwar über das einfache Bestreiten hinausgegangen. Sie habe nunmehr be-hauptet, dass der genannte Betrag [X.] gezahlt worden sei. Dieser Vortrag sei jedoch neu gewesen und somit nicht zu berücksichtigen (§ 531 Abs. 2 ZPO). 7 2. Mit dieser Begründung hat das Berufungsgericht den Anspruch der [X.] auf rechtliches Gehör verletzt. 8 a) Bereits in der Klageerwiderung hat die Beklagte ausdrücklich bestrit-ten, die [X.] und die [X.] hätten am 11. Juli 2002 zusätzlich zu dem schriftlichen Factoring-Vertrag über die "[X.]" eine Vereinbarung des vom Kläger behaupteten Inhalts geschlossen. Die Beklagte hat weiter [X.] hingewiesen, dass der von ihr zu Beginn der Insolvenzverwaltung befragte Zeuge [X.], der nach den Angaben des [X.] für die [X.] die mündliche Vereinbarung getroffen habe, keine Angaben dazu habe machen können, was die rechtliche Grundlage für die Überweisung der insgesamt 1,5 Mio. • (der an-geblichen Kaufpreissumme) gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] hat die Prozessbevollmächtigte der [X.] nochmals zu der Überweisung Stellung genommen. Sie hat hierzu vorgetragen, bei den [X.] - 6 - lungen handele es sich ebenfalls um ein (eigenkapitalersetzendes) Darlehen. Die dafür erforderlichen Geldmittel hätten von [X.]und Dr. [X.] ge-stammt - was der Prozessbevollmächtigte des [X.] sogleich unstreitig ge-stellt hat - und seien nur formal über die S.

GmbH erfolgt. Der Zu-satz auf den [X.] "Vereinbarung vom 15.07.2002" sei mit dem klägerischen Vortrag zu einem Forderungskauf nicht in Einklang zu bringen.
Dieses Vorbringen war - entgegen der Auffassung des Berufungsge-richts - erheblich. Aus ihm wurde hinreichend deutlich, dass die Beklagte den Abschluss eines abweichend von dem schriftlichen Factoring-Vertrag (nämlich als echtes Factoring) zu qualifizierenden Kaufs der "[X.]" bestritten hat. Der Rechtsgrund für die Überweisung der 1,5 Mio. • war nach dem Vortrag der Beklagen derselbe wie für die späteren Zahlungen der [X.] an [X.], nämlich ein unechtes Factoring und somit ein ([X.]) Darlehen (vgl. [X.], 364, 367; 69, 254, 257; 82, 50, 61). 10 Das Vorbringen der [X.] gewann zusätzlich Substanz durch ihren Hinweis auf den Vermerk auf den [X.] "Abschlag Factoring - Vereinbarung vom 15.07.2002". Das Wort "Abschlag" passt zu dem Vortrag der [X.], wonach die Überweisungen das Factoringgeschäft in Gang ge-setzt haben und rechtlich nicht anders zu bewerten sind als die späteren Zah-lungen der [X.]. Ob es sich mit der klägerischen Behauptung vereinbaren lässt, die 1,5 Mio. • seien der Kaufpreis aus einem mit den Über-weisungen vollständig abgewickelten Forderungskauf gewesen, erscheint [X.] fraglich. 11 - 7 - Die Annahme, die Beklagte habe sich nicht, wie von § 138 Abs. 2 ZPO gefordert, zu dem Vortrag des [X.] erklärt, ist noch aus einem weiteren Grund unzutreffend. Wie eingehend der Beklagte sich zu der Klage äußern muss, hängt auch von dem Inhalt des [X.] ab ([X.], Urt. v. 23. April 1991 - [X.], NJW 1991, 2707, 2709; v. 20. Mai 1996 - [X.], NJW-RR 1996, 1211). Der Kläger hat vorgetragen, die [X.] habe "sämtliche Kundenforderungen" im eigenen Namen auf eigene Konten eingezogen, die zuvor "eigens für das Factoring eingerichtet worden" seien. Da diese [X.] im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Vortrag zu dem angeblich mündlich abgeschlossenen echten Factoring-Vertrag gegeben worden ist, liegt nahe, den Klägervortrag so zu verstehen, dass in der praktischen Handhabung nicht zwischen "Alt-" und "[X.]" unterschieden worden ist. 12 b) Der Vortrag der [X.] in der Berufungsbegründung war deshalb nicht "neu" im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO. 13 Dort hat die Beklagte lediglich ergänzend - ihren Vortrag bekräftigend, wonach auch die "[X.]" im Wege eines unechten Factoringgeschäfts angekauft worden seien - ausgeführt, die Überweisung von 1,5 Mio. • habe ge-rade den Teil der insgesamt mehr als 2,3 Mio. • betragenden Forderungen ab-gedeckt, mit deren Ausgleich innerhalb von drei Monaten zu rechnen gewesen sei. Das zeige, dass auch insoweit der Factor ([X.]) nicht das [X.] gehabt habe. 14 Selbst wenn das Verteidigungsmittel "neu" gewesen wäre, hätte das Be-rufungsgericht die Vorschrift des § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO in Betracht ziehen müssen. Das [X.] hatte das Vorbringen der [X.] nicht als [X.] - 8 - substantiiert angesehen, wobei es freilich wegen seines abweichenden rechtli-chen Ansatzes nicht darauf ankam. c) Allerdings ist der Beschwerdeerwiderung des [X.] im Ansatz inso-fern Recht zu geben, als Art. 103 Abs. 1 GG das Gericht nur verpflichtet, die Anträge und die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Er schützt nicht davor, dass das Gericht das [X.] eines Beteiligten aus Gründen des materiellen oder formellen Rechts unberücksichtigt lässt ([X.] 69, 145, 148 f; 96, 205, 216; 105, 279, 311). Anders verhält es sich jedoch, wenn eine Partei mit ihrem Vorbringen aus Gründen ausgeschlossen wird, die im Prozessrecht keine Stütze mehr finden ([X.] 50, 32, 36; 69, 141, 143 f; 105, 279, 311; [X.] NJW 2001, 1565). Art. 103 Abs. 1 GG ist jedenfalls dann verletzt, wenn die Anwendung einer Präklusionsvorschrift durch den Tatrichter offenkundig unrichtig ist (vgl. [X.] 69, 145, 149; [X.] NJW 2001, 1565). So verhält es sich hier. 16 d) Der Berücksichtigung des Gehörsverstoßes steht - entgegen der [X.] der Beschwerdeerwiderung - die Beweiskraft des Tatbestandes (§ 314 ZPO) nicht entgegen. Diese bezieht sich darauf, von den insgesamt eingezoge-nen 270.345,52 • sei ein Anteil von 106.507,91 • auf die "[X.]" ent-fallen und auch diese Forderungen habe die [X.] GmbH von [X.] erworben. Darauf, ob dieser Erwerb im Rahmen eines echten Factorings erfolgt ist, bezieht sich die Beweiskraft nicht. 17 e) [X.] ist auch entscheidungserheblich. Dies ist bereits dann der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei [X.] Vorgehen anders entschieden hätte ([X.] 60, 247, 250; 89, 381, 392 f; [X.], Urt. v. 18. Juli 2003 - [X.], NJW 2003, 3205). 18 - 9 - Vorliegend erscheint dies nicht als ausgeschlossen, weil das Berufungsgericht das zweitinstanzliche Vorbringen der [X.] - für sich genommen - als er-heblich angesehen hat; andernfalls hätte es dieses nicht als verspätet zurück-gewiesen. Allerdings hat die Beschwerdeerwiderung zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beklagte für den Vortrag, die von der [X.] zur Verfü-gung gestellten Mittel hätten auch insoweit, als damit "[X.]" bezahlt wurden, eigenkapitalersetzenden Charakter gehabt, darlegungs- und beweisbe-lastet ist. Denn sie ficht das bei Annahme eines unechten Factorings gegebene (Ersatz-) Absonderungsrecht (vgl. [X.]/Ganter, 2. Aufl. § 47 Rn. 266) nach den Vorschriften über eigenkapitalersetzende Darlehen (§ 135 [X.], § 32a GmbHG) an, macht also ein Gegenrecht geltend. Indes durfte die Beklagte nicht ohne vorherigen gerichtlichen Hinweis wegen Beweisfälligkeit verurteilt werden. Sie ist davon ausgegangen, darlegungs- und beweisbelastet für das Vorliegen eines Forderungskaufs sei der Kläger, der auch Beweis an-geboten hat. Diesen Irrtum hatte das Berufungsgericht richtig zu stellen (§ 139 19 - 10 - Abs. 2 ZPO). Die Beklagte hat sich in ihrer Beschwerdebegründung darauf be-rufen, sie hätte im Falle eines gerichtlichen Hinweises ihren Vortrag durch die Zeugen [X.] und [X.]sowie gegebenenfalls die Zeugen [X.] und Dr. [X.] unter Beweis gestellt. Dr. [X.] [X.] [X.] [X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 27.10.2006 - 8 O 277/06 - [X.], Entscheidung vom 19.03.2007 - 2 U 215/06 -

Meta

IX ZR 105/07

20.12.2007

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.12.2007, Az. IX ZR 105/07 (REWIS RS 2007, 71)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 71

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