Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.04.2011, Az. 33 W (pat) 57/10

33. Senat | REWIS RS 2011, 7704

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "SCHWEFAL/SCHWEDOKAL" – zur Kennzeichnungskraft - teilweise Waren- und Dienstleistungsidentität – keine unmittelbare Verwechslungsgefahr - keine Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 30 2008 027 074

hat der 33. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 12. April 2011 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] und die Richterin Dr. Hoppe

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Gegen die am 24. April 2008 angemeldete und am 10. November 2008 eingetragene Wortmarke 30 2008 027 074

2

[X.]

3

für

4

[X.]:

5

chemische Erzeugnisse für gewerbliche, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke; Chemikalien zur Verwendung bei der Herstellung von [X.]üngemitteln; Bodenverbesserungsmittel; [X.]üngemittel; chemische Zusatzmittel für [X.]üngemittel, soweit in [X.] enthalten;

6

[X.]lasse 35:

7

Einzelhandels-, Großhandels-, Versandhandels- und Internethandelsdienstleistungen in Bezug auf chemische Erzeugnisse für gewerbliche, land-, garten- und forstwirtschaftliche Zwecke, Chemikalien zur Verwendung bei der Herstellung von [X.]üngemitteln, Bodenverbesserungsmittel, [X.]üngemittel, chemische Zusatzmittel für [X.]üngemittel;

8

[X.]lasse 44:

9

Beratung der Land-, [X.]orst- und Wasserwirtschaft sowie des Gartenbaus bezüglich Bodenverbesserungsmaßnahmen; Ausbringen von [X.]üngemitteln und Stoffen zur Bodenverbesserung auf Nutzflächen

ist Widerspruch erhoben worden aus der am 4. April 1995 angemeldeten und am 21. März 1996 eingetragenen Marke Wortmarke 395 14 588

[X.][X.]O[X.]

für

[X.]:

[X.]üngemittel, [X.]üngemittel für landwirtschaftliche Zwecke; Bodenverbesserungsmittel, insbesondere Bodenhilfsstoffe, chemische Erzeugnisse für die Landwirtschaft, [X.]orstwirtschaft, den Gartenbau und die Teichwirtschaft, chemische Erzeugnisse für die Teichwirtschaft zur Verbesserung des Wassers und des Bodens; chemische Erzeugnisse für die Landwirtschaft, insbesondere zum Einsatz bei der Tierzucht zur Gülleverbesserung; Nährstoffdünger für die Landwirtschaft, die [X.]orstwirtschaft und den Gartenbau enthaltend mineralische Stoffe aus natürlichen Quellen und/oder chemisch hergestellte Bestandteile; Spezialbodenverbesserungsmittel für Skipisten;

[X.]lasse 5:

chemische Erzeugnisse für die Landwirtschaft, insbesondere zum Einsatz bei der Tierzucht zur Geruchsbindung;

[X.]lasse 44:

Beratung der Landwirtschaft, der [X.]orstwirtschaft, des Gartenbaus und der Teichwirtschaft bezüglich der Bodenverbesserung; Ausbringen von [X.]üngemitteln und Stoffen zur Bodenverbesserung auf Nutzflächen.

Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2009 hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nach § 43 Abs. 1 [X.] bestritten. [X.]arauf hin hat die Widersprechende verschiedene Unterlagen zu den Akten gereicht, die darauf abzielen, die Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft zu machen.

Mit Beschluss vom 9. April 2010 hat die Markenstelle für [X.] den Widerspruch zurückgewiesen.

Sie ist der Ansicht, dass keine [X.] nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] bestehe und hat hierzu ausgeführt, dass die Waren der [X.] identisch seien bzw. in einem sehr engen Ähnlichkeitsbereich liegen würden und die Widerspruchsmarke mangels entgegenstehender Anhaltspunkte über eine durchschnittliche [X.]ennzeichnungskraft verfüge.

Im Hinblick auf die angesprochenen Verkehrskreise seien neben den [X.]achverkehrskreisen auch Hobbygärtner und -landwirte angesprochen, die aber bei den speziellen Waren der Land-, Garten- und [X.]orstwirtschaft, die einen bestimmten Zweck erfüllen sollen und bei fehlerhafter Anwendung Schäden verursachen können, eine gewisse Sorgfalt walten lassen und diese gezielt oder nach Beratung erwerben würden. Unter diesen Umständen müsse die angegriffene Marke einen deutlichen Abstand einhalten, an den indes aufgrund des [X.] der Verkehrskreise, der sich [X.] auswirke, keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden dürften. [X.]er gebotene Abstand werde von der angegriffenen Marke indes selbst bei identischen Waren sowie bei Anwendung nur durchschnittlicher Sorgfalt noch eingehalten.

[X.]ie beiden Wortmarken würden sich schon durch die Wortlänge auffällig unterscheiden. Zudem wiesen sie eine andere [X.], eine andere Vokalfolge sowie einen unterschiedlichen Sprech- und Betonungsrhythmus auf. [X.]ie angegriffene Marke verfüge in der Mitte über den [X.] „[X.]“, während die Widerspruchsmarke den [X.] „[X.]“, den Vokal „O“ sowie den [X.] „[X.]“ enthalte. Nur die erste der [X.] „[X.]-“ sei identisch. [X.]ie Betonung liege indes nicht auf dem Wortbeginn, sondern eher auf dem Wortende, an dem sich auch Unterschiede befinden würden, nämlich der markante [X.] „[X.]“ der Widerspruchsmarke gegenüber dem klangschwachen [X.] „[X.]“ der angegriffenen Marke. Auch die Mittelsilbe „[X.]O“ der Widerspruchsmarke, die der angegriffenen Marke fehle, werde nicht verschluckt. [X.]ie genannten Unterschiede würden ausreichen, um den Marken ein eigenständiges [X.]langbild zu verleihen. Auch eine schriftbildliche Ähnlichkeit sei angesichts der unterschiedlichen Wortlängen sowie der typischen Umrisscharakteristik der Bestandteile „[X.]“ gegenüber „[X.]O[X.]“ ausgeschlossen. Bei handschriftlicher Wiedergabe in Normalschrift würden die Wortmarken zudem über unterschiedliche Ober- und Unterlängen verfügen.

Auf die Benutzung der Widerspruchsmarke, die von der Inhaberin der angegriffenen Marke bestritten worden sei, komme es bei dieser Sachlage nicht an.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.

Sie ist der Ansicht, dass die originäre [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aufgrund ihrer Eigentümlichkeit, Originalität und der Einprägsamkeit auf einem hohen Maße anzusetzen sei.

[X.]er von der angegriffenen Marke einzuhaltende deutliche Abstand werde vorliegend nicht eingehalten. Insbesondere liege eine klangliche Ähnlichkeit vor, weil die Betonung der zu vergleichenden Marken auf dem jeweiligen Wortende liege. [X.]ie eingeschobene Zwischensilbe „[X.]O“ sei demgegenüber [X.]. Aus diesem Grund sei die [X.]e Zwischensilbe im Wortinneren nicht geeignet, die Verwechslung der Zeichen zu verhindern. [X.]arüber hinaus sei der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Wortanfang vom Verkehr regelmäßig stärker beachtet werde. [X.]ie Unterschiede im weiteren Verlauf der Worte würden auf der Suche nach dem [X.] zurücktreten. Aufgrund des identischen Wortanfangs „[X.]“ und der Betonung auf dem nahezu identischen Wortende „[X.][X.]“ und „[X.]“ läge eine [X.] vor. Bei chemischen Produkten werde dem Namensende typischerweise mehr Beachtung geschenkt, da sich aus diesem Ende häufig die jeweilige funktionelle Gruppe, welche die Stoffeigenschaften und das Reaktionsverhalten der sie tragenden Verbindungen bestimme, ergebe. Vorliegend habe die Endsilbe jedoch keine chemische Bedeutung.

[X.]ie Widersprechende beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für [X.] vom 9. April 2010 aufzuheben und dem Widerspruch aus der Marke 395 14 588 „[X.][X.]O[X.]“ in vollem Umfang stattzugeben sowie die angegriffene Marke in vollem Umfang zu löschen.

[X.]ie Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,

die Beschwerde in vollem Umfang zurückzuweisen.

[X.]ie Inhaberin der angegriffenen Marke hat die erhobene Nichtbenutzungseinrede in vollem Umfang aufrecht erhalten und ist der Ansicht, dass die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke für die in Rede stehenden Waren und [X.]ienstleistungen zumindest nicht in vollem Umfang glaubhaft gemacht worden sei.

[X.]ie Inhaberin der angegriffenen Marke meint, dass die zu vergleichenden Zeichen sich sowohl in ihrer Wortlänge als auch in ihrer [X.] hinreichend unterscheiden würden. Es ergebe sich ein unterschiedlicher Sprech- und Betonungsrhythmus, der bei der Widerspruchsmarke von den [X.]en „[X.]“ und „[X.]“ dominiert werde, die den dunklen Vokal „O“ in der Mitte des Zeichens umranden würden. [X.]ie Anfangssilbe „[X.]“ enthalte in Zusammenhang mit den beanspruchten Waren einen deutlichen Hinweis auf den Schwefelgehalt der [X.]üngemittel und trete somit als beschreibender Bestandteil der Marke in den Hintergrund. [X.]ies führe dazu, dass die Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise gerade nicht auf den Wortanfang, sondern auf die sich unterscheidenden und unterscheidungskräftigen Elemente gerichtet sei. Auch die Endung „[X.]“ könne als Hinweis auf eine funktionelle Gruppe bzw. chemische Stoffklasse verstanden werden, weshalb die [X.] an Produkte, die auf „[X.]“ enden gewöhnt seien, so dass diese als eher kennzeichnungsschwach einzustufen seien.

[X.]ie originäre [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei aufgrund des beschreibenden Bestandteils „[X.]“ eher vermindert.

Eine Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalles führe vorliegend dazu, dass eine [X.] nicht angenommen werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

[X.]ie zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet. Zu Recht hat die Markenstelle eine [X.] im Sinne von § 42 Abs. 2 Nr. 1 [X.] verneint. Es kann daher dahinstehen, ob die von der Widersprechenden vorgelegten Unterlagen geeignet sind, für sämtliche Waren und [X.]ienstleistungen eine rechtserhaltende Benutzung zu belegen.

1.

[X.] liegt vor, wenn die Öffentlichkeit glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder [X.]ienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. [X.]as Vorliegen von [X.] ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. [X.]abei ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, [X.]lang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen.

Bei dieser umfassenden Beurteilung der [X.] ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (vgl. [X.] GRUR 2008, 343 (Nr. 33) - BAINBRI[X.]GE; [X.] GRUR 2007, 700 (Nr. 35) - [X.]; [X.], 1055 (Nr. 23) - airdsl). [X.]er Gesamteindruck ist deshalb maßgeblich, weil der [X.]urchschnittsverbraucher eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet ([X.] GRUR 2007, 700 (Nr. 35) - [X.]; [X.], 295 (Nr. 21) - Goldhase).

Insbesondere bestimmt sich die [X.] anhand einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/[X.]ienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren/[X.]ienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der [X.]ennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr. [X.] GRUR 1998, 387 (Nr. 22) - [X.]/[X.]; [X.] GRUR 1998, 922 (Nr. 17) - [X.]; [X.] GRUR 2008, 343 (Nr. 48) - BAINBRI[X.]GE; [X.], 235 (Nr. 15) - [X.]/AI[X.]U m. w. N.).

2.

Entgegen der Auffassung der Widersprechenden kann vorliegend nicht von einer gesteigerten [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen werden. Zum einen wird die originäre [X.]ennzeichnungskraft nicht durch eine besondere Originalität oder Einprägsamkeit des Zeichens gesteigert ([X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 9 Rd. 112; [X.]/[X.] [X.], 3. Aufl., § 14 Rd. 532), sondern eine von Hause aus eigenartige und einprägsame Marke könnte im Verkehr lediglich leichter bekannt gemacht werden als eine originalitätsschwache Marke und dadurch leichter eine erhöhte [X.]ennzeichnungskraft in [X.]olge von Benutzung erlangen ([X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 9 Rd. 112; [X.]/[X.] [X.], 3. Aufl., § 14 Rd. 532). Im Hinblick auf die Widerspruchsmarke bestehen indes weder Anhaltspunkte für eine besondere Originalität oder Einprägsamkeit, noch ergibt sich aus dem Vortrag der Widersprechenden und den von ihr vorgelegten Unterlagen eine erhöhte Verkehrsbekanntheit, die die [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke erhöhen könnte.

Vielmehr bestehen sogar Zweifel an einer durchschnittlichen [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. [X.]er Schutzbereich von Marken, die nur eine geringe Unterscheidungskraft aufweisen oder an beschreibende Angaben angelehnt sind, ist nämlich eng zu bemessen und auf die jeweilige eintragungsbegründende Eigenprägung beschränkt ([X.], 905 (Nr. 16) - [X.]/[X.]; [X.], 909 (Nr. 17) - Pantogast/[X.]; [X.], 1002 (Nr. 26) - [X.]; [X.], 258 (Nr. 24) - [X.]/T-InterConnect).

[X.]ie Anfangssilbe „[X.]“ bzw. „[X.][X.]“ der Widerspruchsmarke ist erkennbar an die chemische Substanz „Schwefel“ und damit an die Bezeichnung eines Merkmals der registrierten Waren und [X.]ienstleistungen, die sämtlich einen Zusammenhang zu schwefelhaltigen [X.]üngemitteln aufweisen können, angelehnt. [X.]ie Bedeutung von Schwefel für die Pflanzendüngung ist insbesondere in den beteiligten [X.]achkreisen bekannt. [X.]ies folgt z. B. aus dem von der Widersprechenden vorgelegten Auszug aus der Zeitschrift „praxisnah-[X.]achinformation für die Landwirtschaft“ (Sonderdruck Juni 2006), wo es heißt: “[X.]ass Schwefeldüngung für Ertrag und Qualität notwendig ist, weiß heutzutage jeder in der Landwirtschaft…“.

[X.]arüber hinaus ist auch die Endsilbe des [X.] nur eingeschränkt unterscheidungskräftig, weil das Suffix „al“ bei chemischen Substanzen bzw. Erzeugnissen häufig am Begriffsende erscheint, um auf bestimmte Stoffeigenschaften oder das Reaktionsverhalten chemischer Produkte hinzuweisen. So können bspw. Alkanale nach der [X.] den Namen des Alkkans derselben Anzahl an [X.]ohlenstoff-Atomen mit dem Suffix -al erhalten. [X.]ementsprechend heißt der von Methan abgeleitete Aldehyd „[X.]“, das von [X.] abgeleitete Aldehyd „[X.]al“ (vgl. auch: [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], [X.]ecanal). [X.]arüber hinaus existieren zahlreiche Produktbezeichnungen mit dem Suffix „al“, z. B.: [X.], [X.]; [X.], [X.], [X.], [X.], [X.]; für [X.]üngemittel: [X.], [X.]ertisal, [X.], Complesal.

3.

Selbst wenn man aber trotz der bestehenden Zweifel eine (noch) durchschnittliche [X.]ennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke unterstellt, ist eine [X.] im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 [X.] auszuschließen. [X.]ie sich gegenüberstehenden Waren und [X.]ienstleistungen der [X.]lassen 1 und 44 liegen allerdings im Identitätsbereich. Inwieweit im Hinblick auf die [X.]ienstleistungen der [X.]lasse 35 eine Ähnlichkeit vorliegt, kann dahinstehen, da die angegriffene Marke selbst im Hinblick auf die identischen Waren und [X.]ienstleistungen den erforderlichen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke einhält.

Bei der Beurteilung der [X.] ist - wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat - auch zu berücksichtigen, dass die angesprochenen Verkehrskreise, bei denen es sich sowohl um [X.]achverkehrskreise als auch um ein breites Publikum, das sich aus Hobbygärtnern und -landwirten zusammensetzt,  handelt, die beanspruchten Waren gezielt und nicht spontan erwerben werden. Mit chemischen Erzeugnissen für gewerbliche, land-, -garten und forstwirtschaftliche Zwecke, insbesondere mit [X.]üngemitteln, soll nämlich ein bestimmter Zweck erreicht werden, der es nahelegt, auf die konkrete Bezeichnung und Zusammensetzung der Produkte besonderes Augenmerk zu legen. [X.]ies gilt auch für die Beratungsdienstleistungen der [X.]lasse 44, die gerade bestimmte chemische Zusammensetzungen und deren Wirkungen thematisieren können. [X.]er normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige [X.]urchschnittsverbraucher, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der fraglichen Waren oder [X.]ienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann ([X.] GRUR Int. 2010, 129 (Nr. 74) - [X.]; [X.], 506 (508) - [X.]/TISSERAN[X.]), wird hier daher angesichts der deutlichen Zeichenunterschiede keiner [X.] unterliegen.

[X.]ie beiden Zeichen unterscheiden sich nämlich deutlich erkennbar durch die Wortlänge, da die angegriffene Marke aus zwei, die Widerspruchsmarke aus drei Silben besteht. [X.]abei enthält die Widerspruchsmarke die zusätzliche Mittelsilbe „[X.]O“ bzw. „[X.]O[X.]“. [X.]er Einfluss von Silben in der Wortmitte auf den klanglichen Gesamteindruck ist eine [X.]rage des Einzelfalls ([X.], 1161 - [X.]/[X.]). Auch eingeschobene Silben- oder Wortbestandteile im Wortinneren können geeignet sein, eine [X.] zu verhindern, wenn der Einschub im Gesamteindruck hinreichend hervortritt ([X.], 1161 - [X.]/[X.]; [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., § 9 Rd. 195). So liegt es hier, da der Gesamteindruck der Widerspruchsmarke auch bzw. gerade von der zusätzlichen Mittelsilbe „do“ bzw. „dok“ bestimmt wird.

Selbst wenn bei der Prüfung der [X.] im Einzelfall die Übereinstimmungen der zu vergleichenden Marken stärker im Erinnerungsbild haften bleiben können als die Abweichungen (vgl. [X.], 924 - salvent/Salventerol; [X.], 118 (120) - [X.]/[X.]), ist vorliegend festzustellen, dass die angegriffene Marke so wesentlich durch die zusätzliche Mittelsilbe geprägt wird, dass eine [X.] auszuschließen ist (vgl. ebenso für die zusätzliche Mittelsilbe „pu“ bei sonst übereinstimmenden Anfangs- und Endsilben: [X.], 1161 - [X.]/[X.]).

Zwar schenkt der Verkehr dem Wortanfang eines Zeichens regelmäßig größere Bedeutung als End- oder [X.] ([X.], 924 - salvent/Salventerol; [X.], 118 (120) - [X.]/[X.]). [X.]ieser Erfahrungssatz ist indes stets einzelfallbezogen festzustellen und kann nicht zum absoluten Grundsatz erhoben werden (vgl. [X.] GRUR-RR 2009, 356 ([X.]) - [X.]/[X.]; [X.]/[X.], 3. Aufl., § 14 Rd. 864). [X.]er Erfahrungssatz kann daher insbesondere bei kennzeichnungsschwachen Anfangsbestandteilen unanwendbar sein ([X.]. 2008, 231 (Nr. 54, 56) - [X.]/[X.]). [X.]ementsprechend ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die [X.] beider Zeichen („Schwe“ bzw. „Schwef“), wie bereits oben erläutert, aufgrund ihrer Anlehnung an den beschreibenden Begriff „Schwefel“ vom Verkehr weniger beachtet werden. Gleiches gilt für die Endsilbe „al“, bei der es sich um eine [X.] handelt, die in zahlreichen chemischen Bezeichnungen bzw. Substanzen verwendet wird und der deshalb eine den Gesamteindruck des Zeichens nur geringfügig prägende Bedeutung zugemessen werden kann (vgl. ebenso zur Endung „erol“: [X.], 924 (925) - salvent/Salventerol; zur Endung „sal“: [X.], 118 (120) - [X.]/[X.]).

In klanglicher Hinsicht unterscheiden sich die Marken zudem dadurch, dass die angegriffene Marke in der Mitte den Lippenreibelaut „[X.]“ enthält, bei dem es sich um einen klangschwachen [X.]onsonanten handelt; wohingegen  die Widerspruchsmarke in der zusätzlichen Mittelsilbe die Abfolge aus dem Zahnsprenglaut „[X.]“, dem den klangstarken dunklen Vokal „O“ sowie dem Gaumensprenglaut „[X.]“ enthält und dadurch einen auffällig abweichenden Gesamtklang hat.

Im Hinblick auf die klangliche Betonung der Silben ist berücksichtigen, dass es sich bei beiden Zeichen um Phantasiebegriffe handelt, deren Betonung nicht eindeutig festzustellen ist. In Anlehnung an den Begriff „Schwefel“ und andere auf „al“ endende Worte (z. B. [X.]anal, final, pauschal, universal) ist aber davon auszugehen, dass klanglich eher die letzte Silbe betont werden wird. [X.]ies ändert aber nichts daran, dass beim Verhältnis von zwei- zu dreisilbigen Worten regelmäßig davon auszugehen ist, dass eine zusätzlichen Mittelsilbe auffällt ([X.]/ [X.], [X.], 9. Aufl., § 9 Rd. 195; vgl. [X.], 1161 - [X.]/ [X.]), zumal die unterschiedliche Vokalfolge - E-O-A in der Widerspruchsmarke im Vergleich zu [X.] bei der angegriffenen Marke - zu einem unterschiedlichen Sprechrhythmus führt.

In schriftbildlicher Hinsicht begründen die unterschiedliche Zeichenlänge und die in der Widerspruchsmarke zusätzlich enthaltenen [X.] ebenfalls deutliche Unterschiede, die bei der Wiedergabe in Hand-/oder Normalschrift durch unterschiedliche Ober- und Unterlängen des Buchstabens „[X.]“ einerseits und der Buchstaben „[X.]O[X.]“ andererseits noch verstärkt werden.

4.

Es sind auch keine Umstände dafür erkennbar, dass die Marken begrifflich oder durch gedankliche Verbindung miteinander verwechselt werden könnten (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 a. E. [X.]).

Insbesondere hat die Widersprechende keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Serienmarke vorgetragen. [X.]ie im Verfahren vor der Markenstelle erwähnten Marken „[X.]“ und „Gidokal“ enthalten als Stammbestandteil lediglich die in der Widerspruchsmarke enthaltene Silbenfolge „dokal“ und damit gerade den Zeichenteil „dok“, der die Widerspruchsmarke von der angegriffenen Marke unterscheidet.

5.

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass, aus Gründen der Billigkeit einem der Verfahrensbeteiligten die [X.]osten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 [X.] aufzuerlegen.

Meta

33 W (pat) 57/10

12.04.2011

Bundespatentgericht 33. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 12.04.2011, Az. 33 W (pat) 57/10 (REWIS RS 2011, 7704)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7704

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