Bundespatentgericht, Beschluss vom 04.04.2019, Az. 30 W (pat) 19/18

30. Senat | REWIS RS 2019, 8540

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Tenor

In der Beschwerdesache

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 4. April 2019 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 17. Oktober 2014 angemeldete und am 24. November 2014 in das beim [X.] geführte Register eingetragene Wortmarke 30 2014 063 237

2

[X.]

3

beansprucht nach einer mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2016 vorgenommenen Änderung des [X.] zu [X.], welches ursprünglich die Waren „Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren; Klebstoffe für Haushaltszwecke“ umfasste, nunmehr noch Schutz für die Waren

4

„Klasse 01:

5

chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, insbesondere durch Energieeintrag umwandelbare Dispersionen

6

[X.]:

7

Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren, nämlich zur Benutzung im industriellen Bereich“.

8

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der am 7. September 2009 für die Waren

9

„Klasse 01: Klebstoffe für gewerbliche Zwecke“

eingetragenen Wortmarke 30 2009 042 096

[X.][X.]

Der Widerspruch ist auf die Waren der [X.] der angegriffenen Marke beschränkt.

Die Markenstelle für Klasse 01 des [X.]s hat mit zwei Beschlüssen vom 15. September 2016 und vom 12. April 2018, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken in Bezug auf die mit dem Widerspruch angegriffenen Waren der [X.] bejaht und insoweit deren Löschung angeordnet.

Zur Begründung ist im Erinnerungsbeschluss vom 12. April 2018 ausgeführt, dass die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke entgegen der Auffassung der Markeninhaberin als normal einzustufen sei.

Zwar weise der innerhalb des [X.] jedenfalls für den [X.] erkennbare Endbestandteil „melt“, welcher auf Grundlage seiner Bedeutung als [X.] Verb für „schmelzen (lassen), (zer)fließen lassen“ in einer Reihe chemischer Fachbegriffe wie „hot melt“, „polymer melt“, „plastic melt“ verwendet werde, in Zusammenhang mit den vorliegend maßgeblichen Waren einen beschreibenden Anklang in Richtung „[X.]e“ auf.

Dispomelt keine klare beschreibende Bedeutung auf.

Letztlich könne dies sogar offen bleiben, da eine Verwechslungsgefahr zwischen den [X.] selbst bei unterdurchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht verneint werden könne.

So könnten sich beide Marken auch auf Grundlage der seitens der angegriffenen Marke nunmehr noch zu [X.] beanspruchten Waren „Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren, nämlich zur Benutzung im industriellen Bereich“ auf hochgradig ähnlichen Waren begegnen. Beide Streitmarken beanspruchten Schutz für Klebstoffe. Dabei handele es sich um Erzeugnisse der chemischen Industrie, die aus der maßgeblichen Sicht des angesprochenen [X.]s unabhängig vom konkreten Einsatzzweck und von der formalen Klassifizierung in Klasse 01 oder 16 dieselbe betriebliche Herkunft haben könnten. Darüber hinaus könnten die Vergleichswaren denselben Vertriebswegen folgen und in ihrer stofflichen Zusammensetzung und Beschaffenheit weitreichende Übereinstimmungen aufweisen. Unter diesen Umständen bestehe jedenfalls eine enge Ähnlichkeit.

Dahingestellt bleiben könne auch, ob der infolge der Erklärung der Markeninhaberin vom 20. Oktober 2016 eingetragene Warenbegriff „Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren, nämlich zur Benutzung im industriellen Bereich“ zutreffend in [X.] klassifiziert wurde bzw. eine unzulässige Erweiterung in Bezug auf die zu [X.] eingetragenen Waren darstelle, da dadurch jedenfalls kein größerer Warenabstand entstanden sei; vielmehr stünden sich nunmehr auf beiden Seiten ausschließlich Klebstoffe für gewerbliche bzw. industrielle Zwecke gegenüber, bei denen nur noch auf den [X.] abzustellen sei.

Die Erwägungen der Markeninhaberin zu (vermeintlich) unterschiedlichen Aggregatzuständen der Vergleichswaren sei unerheblich, da nach der vorliegend allein maßgeblichen [X.] weder die Waren der angegriffenen Marke noch die Waren der Widerspruchsmarke auf Klebstoffe mit einer bestimmten stofflichen Beschaffenheit beschränkt seien.Den danach zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr gebotenen Abstand halte die angegriffene Marke nicht ein, selbst wenn man insoweit statt überdurchschnittlicher lediglich unterdurchschnittliche Anforderungen an den Markenabstand stelle.

In klanglicher Hinsicht würden die jeweils dreisilbigen Vergleichsbezeichnungen bei gleichem Betonungs- und Sprechrhythmus in den betonten [X.] und [X.] „DIS-“ und „ -[X.]“ sowie im konsonantischen Anlaut „P“ der [X.] identisch übereinstimmen. Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin sei unter Zugrundelegung einer dem natürlichen Sprachempfinden folgenden Aussprache bei keiner der Vergleichsmarken mit einer Betonung der Mittelsilbe zu rechnen. Die einzige Abweichung in den Lauten „ER“ bzw. „O“ läge somit in der jeweils unbetonten Mittelsilbe und sei nicht geeignet, einen ausreichenden klanglichen Abstand herzustellen.

Obwohl es bei dieser Sachlage darauf nicht mehr darauf ankomme, sei auch die schriftbildliche Ähnlichkeit beider Markenwörter bei Wiedergabe sowohl in Normalschrift als auch in Versalien angesichts der Übereinstimmungen in insgesamt 8 von 9 bzw. 10 Buchstaben, welche sich zudem an dem für den visuellen Gesamteindruck besonders bestimmenden Wortanfang bzw. -ende befänden, ebenso stark ausgeprägt wie die klangliche Ähnlichkeit.

Ob die Anfangselemente für den angesprochenen [X.] verständliche begriffliche Anklänge aufwiesen, könne dahingestellt bleiben, da selbst dann aufgrund der hochgradigen Ähnlichkeit weder klangliche noch schriftbildliche Verwechslungen ausgeschlossen werden könnten.

[X.][X.] von der Widersprechenden für einen [X.] verwendet werde, der bei [X.] und Windeln anwendbar sei. Diese Waren seien jedoch als „disposables“, also als Einmalprodukte/Wegwerfprodukte anzusehen. [X.] sei hingegen eine Dispersion, bei der ein Feststoff feinverteilt in einer Flüssigkeit vorliege. Beide Zeichen verfügten daher über einen voneinander abweichenden beschreibenden Charakter. Das Fachpublikum, das einen [X.] benötige, könne also gar nicht fälschlicherweise zu [X.] greifen, da es sich dabei um eine wässrige Dispersion handele, die auf dem Klebstoffauftragsystem für [X.]e ohnehin nicht verarbeitet werden könne.

Zudem seien auch die phonetischen und schriftbildlichen Unterschiede beider [X.] deutlich und ausreichend. So sei nicht nur die [X.] unterschiedlich, sondern auch das Gesamtklangbild der „angegriffenen Marke“ werde durch die betonte Mittelsilbe „po“ geprägt. Denn der Vokal „o“ schwinge nach und wirke insgesamt harmonisch auch auf den folgenden Teil „melt“. Der Vokal „o“ sei statistisch gesehen der am seltensten genutzte Vokal. Allein deshalb falle er besonders auf in Wort und Schrift. Das „o“ sei im Übrigen ein Hintergaumenvokal. Der Vokal „e“ hingegen sei ein Vordergaumenvokal und zudem der am häufigsten genutzte Buchstabe überhaupt. Sie macht weiter geltend, dass bei der „Widerspruchsführerin“ auf den Vokal „e“ der Buchstabe „r“ folge. Dadurch entstehe nach der zweiten Silbe (per) eine Zäsur. Während somit das „angegriffene Zeichen“ durch den auffälligen Vokal „o“ bestimmt und geprägt werde, welcher das angegriffene Zeichen in seiner Gesamtheit harmonisch verbinde, werde das „Zeichen der Widerspruchsführerin“ auf der zweiten Silbe hart artikuliert mit einer deutlichen Zäsur gegenüber dem nachfolgenden „melt“.

Bei der visuellen Wahrnehmung sei zudem zu berücksichtigen, dass das Schriftbild von Marken erfahrungsgemäß eine genauere und in der Regel sogar wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestatte als das gesprochene Wort. Der Vokal „o“ falle somit auf. Eine Verwechslungsgefahr bestehe daher nicht.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 01 des [X.]s vom 15. September 2016 und vom 12. April 2018 aufzuheben und den Widerspruch aus der Marke 30 2009 042 096 zurückzuweisen.

Die Widersprechende hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da auch nach Auffassung des Senats zwischen den Vergleichsmarken eine Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs. 2 Nr. 1 [X.] in Bezug auf die mit dem Widerspruch angegriffenen Waren der [X.] der angegriffenen Marke besteht. Daher hat die Markenstelle zu Recht die Löschung der angegriffenen Marke im beantragten Umfang angeordnet (§ 43 Abs. 2 Satz 1 [X.]).

A. Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des [X.] unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (vgl. z. B. [X.] [X.], 1098, Nr. 44 – [X.]/[X.]; [X.], 933, Nr. 32 – [X.]; GRUR 2011, 915, [X.] – [X.]; [X.], 1040, [X.] – [X.]/pure; [X.], 930, Nr. 22 – [X.]/[X.]; [X.], 64, [X.] – [X.]/[X.]; [X.], 235, [X.] – [X.]/[X.]). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren (oder Dienstleistungen). Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und – davon abhängig – der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (st. Rspr., z. B. [X.], 833, Nr. 30 – Culinaria/[X.]; [X.], 1040, [X.] – [X.]/pure; [X.], 930, Nr. 22 – [X.]/[X.]; [X.], 64, [X.] – [X.]/[X.]; [X.], 1103, Nr. 37 – Pralinenform II; [X.] GRUR 2008, 343 Nr. 48 – [X.]/[X.]).

B. Nach diesen Grundsätzen ist zwischen den Vergleichsmarken eine markenrechtlich relevante Gefahr von Verwechslungen in Bezug auf die mit dem Widerspruch angegriffenen Waren der [X.] der angegriffenen Marke zu besorgen.

1. Für die Beurteilung der Warenähnlichkeit ist mangels Erhebung der Einrede der Nichtbenutzung von der [X.] auszugehen.

Maßgebend ist dabei bei beiden Marken allein das zum Zeitpunkt der Entscheidung eingetragene [X.] (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 9 Rdnr. 50, 71). Unerheblich ist, ob zwischenzeitlich auf Antrag vorgenommene Änderungen des [X.] fehlerhaft waren, weil sie z. B. unzulässige Erweiterungen gegenüber dem angemeldeten [X.] enthalten, da dies im patentamtlichen Widerspruchsverfahren nicht mehr überprüfbar ist.

Danach stehen den Waren der Klasse 01 „Klebstoffe für gewerbliche Zwecke“, für die die Widerspruchsmarke Schutz beansprucht, die bei der jüngeren Marke zu [X.] nunmehr eingetragenen und mit dem beschränkten Widerspruch allein angegriffenen Waren „Klebstoffe für Papier- und Schreibwaren, nämlich zur Benutzung im industriellen Bereich“ gegenüber.

Beide Marken können sich danach nicht nur auf hochgradig ähnlichen, sondern sogar auf identischen Waren begegnen. Denn durch die seitens der Markeninhaberin aufgenommene Bestimmungsangabe „zur Benutzung im industriellen Bereich“ werden die von der angegriffenen Marke zu [X.] beanspruchten Waren nunmehr von dem seitens der Widerspruchsmarke zu Klasse 1 beanspruchten Warenoberbegriff „Klebstoffe für gewerbliche Zwecke“ umfasst.

Die unterschiedliche Klassifizierung der Waren in den Klassen 1 bzw. 16 ist insoweit unerheblich, da der Klassifizierung von Waren/Dienstleistungen keine Bedeutung für die Beurteilung ihrer Ähnlichkeit zukommt.

Soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke auch in ihrer Beschwerdebegründung wiederholt hervorhebt, dass die Widerspruchsmarke für einen [X.], die angegriffene Marke hingegen für eine wässrige Dispersion verwendet werde, so dass völlig verschiedene Anwendungsbereiche gegeben seien, verkennt sie nach wie vor, dass für die Beurteilung der [X.] allein von den im Register eingetragenen Waren- und/oder Dienstleistungsoberbegriffen auszugehen ist, nicht jedoch von den Waren, für die die Marken tatsächlich im Verkehr eingesetzt werden (vgl. [X.]/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 9 Rdnr. 71 m. w. Nachw.). Zutreffend hat die Markenstelle dabei darauf hingewiesen, dass nach der vorliegend allein maßgeblichen [X.] weder die Waren der angegriffenen Marke noch die Waren der Widerspruchsmarke auf Klebstoffe mit einer bestimmten stofflichen Beschaffenheit beschränkt sind.

2. Die Widerspruchsmarke verfügt über eine von Haus aus durchschnittliche Kennzeichnungskraft.

Zwar enthält der Bestandteil „-[X.]“ aus den von der Markenstelle zutreffend genannten Gründen einen beschreibenden Hinweis auf „[X.]e“. Der vorangestellte Bestandteil „[X.]-“ weist jedoch auch für den [X.] keinen sich ohne weiteres erschließenden beschreibenden Anklang auf. Ein Verständnis von „[X.]“ als allgemein geläufiges Kurzwort für „Dispositionskredit“ ist im vorliegenden Warenbereich weder beschreibend noch naheliegend. Auch ein von der Inhaberin der angegriffenen Marke geltend gemachtes Verständnis als Hinweis auf den Einsatz- und Verwendungsbereich („disposable“) erschließt sich vor dem Hintergrund, dass „[X.]“ kein nachweisbares Kurzwort für „disposables“ darstellt, allenfalls nach eingehenden Überlegungen, zumal die Verwendung bei der Herstellung solcher Produkte nur eine von unzähligen Verwendungsmöglichkeiten der beanspruchten Waren darstellt. Aber selbst dann würde die Widerspruchsmarke in ihrer Gesamtheit noch den Eindruck eines hinreichend phantasievollen und von Haus aus durchschnittlich kennzeichnungskräftigen „sprechenden“ Zeichens erwecken.

3. Beide Vergleichsmarken weisen eine überdurchschnittliche Zeichenähnlichkeit auf.

a. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist grundsätzlich vom jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen auszugehen (vgl. z. B. [X.], 833, [X.] – Culinaria/[X.]; [X.], 1040, [X.] – [X.]/pure; [X.], 930, Nr. 22 – [X.]/[X.]; [X.], 64, [X.] – [X.]/[X.]; [X.], 729, Nr. 23 – [X.]). Dabei ist von dem allgemeinen Erfahrungssatz auszugehen, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterwerfen. Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit in Klang, ([X.] und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht wirken (vgl. [X.] GRUR 2006, 413, Nr. 19 – [X.]/SIR; GRUR 2005, 1042, Nr. 28 – [X.] LIFE; [X.]. 2004, 843, Nr. 29 – [X.]; [X.], 1009 Nr. 24 – [X.]; [X.], 235, [X.] – [X.]/[X.]; [X.], 484, Nr. 32 – [X.]; GRUR 2006, 60, Nr. 17 – [X.]; [X.], 779, 781 – Zwilling/ Zweibrüder). Dabei genügt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Richtung (st. Rspr. vgl. z. B. [X.], 1009, Nr. 24 – [X.]; [X.], 1114, Nr. 23 – [X.]; [X.], 235, Nr. 18 – [X.]/[X.] m. w. N.; vgl. Ströbele/ Hacker/Thiering, a. a. O., § 9 Rdn. 268 m. w. N.).

b. Ausgehend davon weisen beide Marken jedenfalls im Klangbild eine überdurchschnittliche Zeichenähnlichkeit auf, und zwar auch dann, wenn man mit der Inhaberin der angegriffenen Marke davon ausgeht, dass sich die vorliegend maßgeblichen Waren in erster Linie an den [X.] wenden, so dass von einer erhöhten Aufmerksamkeit auszugehen ist.

Beide Zeichen stimmen bei gleicher Silbenzahl in der ersten Silbe „Dis-/DIS-“ am in aller Regel stärker beachteten Wortanfang, im klangstarken Anlaut „p/P“ der zweiten Silbe sowie am Wortende „melt/[X.]“ überein und unterscheiden sich lediglich in der Wortmitte („o“ gegenüber „er“). Wenngleich sich beide Markenwörter dadurch auch in der [X.] unterscheiden, so treten diese Abweichungen im weitgehend unbetonten Wortinnern beider Markenwörter nicht so deutlich hervor, dass sie die weitgehend übereinstimmende Gesamtstruktur beider Markenwörter im Klangbild wesentlich beeinflussen könnten. Daran ändert sich auch nichts, wenn man der gemeinsamen Endung „melt“ wegen ihres beschreibenden Anklangs einen geringeren Stellenwert beimisst. Denn auch insoweit kommt es auf den Gesamteindruck an, der auch von kennzeichnungsschwachen oder schutzunfähigen Elementen mitbestimmt wird, wenn weitere Ähnlichkeiten der Marken vorliegen (vgl. [X.], 1043 – [X.]/NEURO-FIBRAFLEX).

Die Abweichungen im Wortinnern stellen somit angesichts der weitreichenden Übereinstimmungen im Übrigen kein ausreichendes Gegengewicht dar, insbesondere wenn berücksichtigt wird, dass der Verkehr die Marken in aller Regel nicht zeitgleich oder in unmittelbarer zeitlicher Abfolge wahrnimmt und seine Auffassung daher erfahrungsgemäß von einem eher undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt wird (vgl. [X.], [X.] 1999, 236, 239 – [X.]/Loints).

Beide Marken weisen auch keinen sofort und ohne weiteres erfassbaren Sinngehalt auf, welcher die Übereinstimmungen im Klangbild beider Marken „neutralisieren“ oder zumindest reduzieren könnte. Dies gilt nicht nur – wie bereits dargelegt – für die Widerspruchsmarke, sondern auch für die angegriffene Marke, bei der zwar der Endbestandteil „melt“ einen beschreibenden Anklang in Richtung „[X.]“ aufweisen mag, nicht jedoch der Anfangsbestandteil „Disper“, bei dem auch der [X.] allenfalls nach einigen analytischen Überlegungen möglicherweise einen Hinweis auf „Dispersion“, für den „Disper“ kein gebräuchliches Kurzwort oder ein gängige Abkürzung darstellt, erkennt.

Im Übrigen ist die Klangähnlichkeit der Markenwörter so groß, dass ein solcher Anklang angesichts der weitgehenden Überschneidungen und Gemeinsamkeiten beider Zeichen infolge möglichen Verhörens bei mündlicher Wiedergabe bzw. Übermittlung gerade nicht erfasst bzw. bemerkt würde (vgl. [X.]/Hacker/ Thiering, a. a. O., § 9 Rn. 312 m. w. N.).

DIS PO [X.] gelten. Weiterhin wird auf Blatt 4 ausgeführt: angegriffene Marke zu – sowie weiterhin auf Blatt 4: Widerspruchsmarke enthalten.

4 . Angesichts einer nach der [X.] möglichen Begegnung der Marken auf identischen Waren, einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der überdurchschnittlichen Ähnlichkeit der [X.] kann dann aber in der Gesamtabwägung eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken in Bezug auf die mit dem Widerspruch angegriffenen Waren der [X.] der angegriffenen Marke nicht verneint werden.

C. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 S. 2 [X.], da Billigkeitsgründe für die Auferlegung der Kosten auf einen Beteiligten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich sind.

D. Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung getroffen werden, da die Widersprechende keinen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung gestellt hat, auch nicht hilfsweise (§ 69 Nr. 1 [X.]).

Meta

30 W (pat) 19/18

04.04.2019

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 04.04.2019, Az. 30 W (pat) 19/18 (REWIS RS 2019, 8540)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 8540

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