Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.09.2019, Az. IX ZR 190/18

9. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 3691

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Gesamtschuldnerische Haftung innerhalb einer Partnergesellschaft


Leitsatz

War ein Partner mit der Bearbeitung eines Auftrags befasst, endet seine Mithaftung nicht mit der Abgabe des Mandats innerhalb der Partnerschaftsgesellschaft.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird der die Berufung zurückweisende Beschluss des 2. Zivilsenats des [X.] vom 7. Mai 2018 im Kostenpunkt sowie insoweit aufgehoben, als die Berufung hinsichtlich der Klage gegen den Beklagten zu 1 zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ließ sich seit 2009 von der Partnerschaftsgesellschaft R.        in einer [X.] anwaltlich beraten. Innerhalb der Partnerschaftsgesellschaft war zunächst der Beklagte zu 1 für das Mandat der Klägerin zuständig. Er riet der Klägerin schriftlich von der Erhebung einer Klage ab. In der Folgezeit wurde das Mandat vom früheren Beklagten zu 2 bearbeitet. Nach unter Beweis gestellter Darstellung der Klägerin hatte der Beklagte zu 1 der Klägerin zuvor versichert, er werde die Arbeit des früheren Beklagten zu 2 überwachen. Die im Juli 2011 erhobene Klage blieb in zwei Instanzen ohne Erfolg.

2

Die Klägerin hat beiden Beklagten eine unsachgemäße Prozessführung im Vorprozess vorgeworfen und Schadensersatz wegen vergeblich aufgewandter Kosten in Höhe von 60.897,43 € nebst Zinsen und Kosten verlangt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründung hat sie erklärt, zunächst nur einen Teilbetrag von 2.500 € geltend machen zu wollen. Nachdem das Berufungsgericht gemäß § 522 Abs. 2 ZPO darauf hingewiesen hatte, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe, hat die Klägerin die Berufung auf einen Betrag von 22.000 € erweitert. Das Berufungsgericht hat die Berufung durch Beschluss zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 21. Februar 2019 hat der Senat die Revision hinsichtlich des Beklagten zu 1 zugelassen. Insoweit verfolgt die Klägerin den in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision führt im Umfang ihrer Zulassung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

4

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Nach den unbeanstandeten Feststellungen des [X.] habe der [X.] zu 1 zutreffend von der Erhebung der Klage im Vorprozess abgeraten. Danach sei er nicht mehr mit der Angelegenheit befasst gewesen. Für etwaige Fehler bei der Bearbeitung des Mandats durch den früheren [X.]n zu 2 hafte er nicht. Dies folge unmittelbar aus § 8 Abs. 2 [X.].

II.

5

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts lässt sich eine Haftung des [X.]n zu 1 nicht verneinen.

6

1. Die Haftung des [X.]n zu 1 folgt aus § 8 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Nach dieser Vorschrift haften die Partner neben dem Vermögen der Partnerschaft als Gesamtschuldner für Verbindlichkeiten der Partnerschaftsgesellschaft. Das gilt, wie der [X.] für den Fall eines in die Partnerschaft eintretenden Gesellschafters bereits entschieden hat, auch dann, wenn der in Anspruch genommene Partner selbst keinen beruflichen Fehler zu verantworten hat ([X.], Urteil vom 19. November 2009 - [X.], [X.], 139 Rn. 17).

7

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind die tatsächlichen Voraussetzungen des [X.] des § 8 Abs. 2 [X.] nicht erfüllt.

8

a) Waren nur einzelne Partner mit der Bearbeitung eines Auftrags befasst, so haften nur sie für berufliche Fehler neben der Partnerschaft; ausgenommen sind Bearbeitungsbeiträge von untergeordneter Bedeutung (§ 8 Abs. 2 [X.]). Die Vorschrift des § 8 Abs. 2 [X.] begründet nicht die Haftung des einzelnen Partners, sondern schränkt sie ein. Sie setzt die Bearbeitung des Auftrags durch einen oder mehrere Partner voraus und besagt, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzung diejenigen Partner, die nicht oder nicht wesentlich mit dem Mandat befasst waren, nicht haften. Sinn der in § 8 Abs. 2 [X.] angeordneten Haftungsbeschränkung ist es, den betroffenen Angehörigen der freien Berufe Planungssicherheit zu vermitteln und ihre jeweiligen Haftungsrisiken kalkulierbar zu machen (BT-Drucks. 13/9820, [X.]). Das Haftungsrisiko der Partner, die mit der Sache nicht befasst waren, soll eingeschränkt werden.

9

b) Voraussetzung einer Haftungsbeschränkung gemäß § 8 Abs. 2 [X.] ist danach, dass der in Anspruch genommene Partner nicht mit der Bearbeitung des Auftrags befasst war oder nur einen Bearbeitungsbeitrag von untergeordneter Bedeutung geleistet hat. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist diese Voraussetzung hier nicht erfüllt.

aa) Seinem eigenen Vorbringen nach hat der [X.] zu 1 den von der Klägerin erteilten Auftrag selbst bearbeitet. Er hat die Erfolgsaussichten der von der Klägerin beabsichtigten Klage geprüft und von der Erhebung einer entsprechenden Klage abgeraten. Ob sein Rat, keine Klage zu erheben, der Sach- und Rechtslage entsprach und ob er danach nicht mehr, auch nicht beratend oder überwachend, in der fraglichen [X.] tätig geworden ist, ist unerheblich. Ein Ende der Haftung eines Partners mit Abgabe des Mandats innerhalb der Partnerschaftsgesellschaft und eine gesonderte Prüfung ordnet § 8 Abs. 1 und Abs. 2 [X.] nicht an. Für eine entsprechende teleologische Reduktion der Vorschrift sieht der [X.] keinen Anlass. Der [X.] hat es bereits abgelehnt, die Haftung gemäß § 8 Abs. 2 [X.] auf Berufsfehler zu beschränken, die sich zugetragen haben, während der in Anspruch genommene Partner der Partnerschaft angehörte ([X.], Urteil vom 19. November 2009, aaO Rn. 19). Nichts anderes gilt für Fehler, die nach Abgabe des Mandats innerhalb der Partnerschaft geschehen sind. Wer den Fehler intern begangen hat, können schon die Partner oft nicht leicht erkennen. Umso mehr gilt dies für den geschädigten Mandanten. Da der Gesetzgeber eine einfache und unbürokratische gesetzliche Regelung der Handelndenhaftung schaffen wollte (vgl. BT-Drucks. 13/9820, [X.]), darf der Mandant denjenigen Partner in Anspruch nehmen, der sich - für ihn erkennbar - mit seiner Sache befasst hat ([X.], Urteil vom 19. November 2009 - [X.], [X.], 139 Rn. 17).

bb) Nach dem revisionsrechtlich maßgeblichen Sachverhalt hat der [X.] zu 1 das Mandat überdies auch noch im Sinne von § 8 Abs. 2 [X.] bearbeitet, nachdem der frühere [X.] zu 2 das Mandat von ihm übernommen hatte. Die Klägerin hat unter Beweisantritt behauptet, der [X.] zu 1 habe das Mandat zunächst allein bearbeitet. Sodann sei der frühere [X.] zu 2 für sie tätig geworden. Als sie, die Klägerin, insoweit Bedenken geäußert habe, habe der [X.] zu 1 ihr versichert, er, der [X.] zu 1, werde die Arbeit des früheren [X.]n zu 2 überwachen. Damit blieb er mit dem Fall befasst.

cc) Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] geäußerten Ansicht des [X.]n zu 1 bietet der bisher festgestellte Sachverhalt keinen Grund für die Annahme, der von der Klägerin erteilte Auftrag sei mit dem Schreiben, in welchem der [X.] zu 1 von der Erhebung einer Klage abriet, abgeschlossen und erledigt gewesen; die Klage sei aufgrund eines sodann neu erteilten und bei der Frage eines Haftungsausschlusses nach § 8 Abs. 2 [X.] gesondert zu prüfenden Auftrags erhoben worden. In den Entscheidungen der [X.] heißt es zwar, der Auftrag zur Erhebung der Klage sei "allein" dem früheren [X.]n zu 2 erteilt worden. Damit ist jedoch ersichtlich nicht gemeint, dass der frühere [X.] zu 2 nicht für die Partnerschaftsgesellschaft, sondern in eigenem Namen tätig geworden sei. Im Übrigen gehen die Entscheidungen der Vorinstanzen davon aus, dass dem früheren [X.]n zu 2 die weitere Bearbeitung des der Partnerschaftsgesellschaft einmal erteilten Auftrags übertragen worden ist. Tatsachen, welche den Schluss auf einen im Rechtssinne beendeten (und abgerechneten) Auftrag, mit welchem der [X.] zu 1 befasst war, und auf die Erteilung eines neuen Auftrags, den ausschließlich der [X.] zu 2 bearbeitet hat, rechtfertigen, hat der für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 [X.] darlegungs- und beweispflichtige [X.] zu 1 nicht vorgetragen. Er hat vielmehr stets darauf verwiesen, nicht in die "weitere Mandatsbearbeitung" eingebunden gewesen zu sein. Die Klägerin hat ausdrücklich erklärt, der Partnerschaftsgesellschaft nur einen Auftrag erteilt zu haben, der von Anfang an auch den Auftrag zur Erhebung einer Klage umfasst habe.

III.

Die angefochtene Entscheidung kann daher, soweit sie Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, keinen Bestand haben. Sie ist im Umfang der Anfechtung aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird sich nunmehr mit den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs befassen müssen.

Kayser     

      

Lohmann     

      

Grupp 

      

Möhring     

      

Schoppmeyer     

      

Meta

IX ZR 190/18

12.09.2019

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend BGH, 21. Februar 2019, Az: IX ZR 190/18, Beschluss

§ 8 Abs 2 PartGG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.09.2019, Az. IX ZR 190/18 (REWIS RS 2019, 3691)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 1348 WM2020,569 NJW 2019, 3520 REWIS RS 2019, 3691


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IX ZR 190/18

Bundesgerichtshof, IX ZR 190/18, 12.09.2019.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 190/18 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 12/09 (Bundesgerichtshof)


AnwZ (Brfg) 33/16 (Bundesgerichtshof)

Verwaltungsrechtliche Anwaltssache: Beteiligung einer Partnerschaftsgesellschaft an einer Rechtsanwaltsgesellschaft


24 L 1990/22 (Verwaltungsgericht Köln)


II ZB 23/22 (Bundesgerichtshof)

Partnerschaftsregistersache: Name einer Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten


Referenzen
Wird zitiert von

IX ZR 190/18

13 U 326/18

VIII ZR 38/21

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.