Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.04.2012, Az. 4 AZR 139/10

4. Senat | REWIS RS 2012, 7221

ARBEITSRECHT MINDESTLOHN

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Gegenstand

Anrechnung von Arbeitgeberleistungen auf den tariflichen Mindestlohn


Leitsatz

Die Leistung eines Arbeitgebers aus einem von ihm angewandten Haustarifvertrag ist dann auf den Anspruch des Arbeitnehmers auf den Mindestlohn aus einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag anzurechnen, wenn der Zweck der Leistung des Arbeitgebers dem Zweck des Mindestlohns funktional gleichwertig ist. Deshalb ist eine vom Arbeitgeber nach dem Haustarifvertrag geleistete Erschwerniszulage dann auf den tariflichen Mindestlohn anzurechnen, wenn der Mindestlohntarifvertrag dieselbe (erschwerte) Tätigkeit durch den Mindestlohn selbst als abgegolten ansieht.

Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 17. September 2009 - 8 [X.]/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über [X.] für den Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 30. Juni 2008, die der Kläger aus einem Vergleich zwischen dem Entgelt ableitet, welches ihm die Beklagte auf Grundlage von Tarifverträgen für die Konzernunternehmen der [X.] ([X.]) geleistet hat und demjenigen, welches in allgemeinverbindlichen Tarifverträgen für den Bereich der Gebäudereinigung geregelt ist.

2

Der seit dem 1. Jan[X.]r 2004 bei der [X.] beschäftigte Kläger ist als Fahrzeugreiniger angestellt und wird dementsprechend beschäftigt. Die Beklagte ist zusammen mit anderen Servicegesellschaften Teil des Konzerns der [X.] und erbringt in deren Bereich Dienstleistungen. Sie wendet auf alle bei ihr bestehenden Arbeitsverhältnisse diejenigen Tarifverträge des Konzerns der [X.] an, unter deren Geltungsbereich sie fällt.

3

Die Beklagte berechnete im Streitzeitraum die dem Kläger gezahlte Vergütung nach dem Entgeltrahmentarifvertrag für die Arbeitnehmer verschiedener Gesellschaften des Geschäftsfelds Services im [X.] ([X.]), nach dem Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer und Auszubildenden der [X.] ([X.]) und nach der Lohntabelle für gewerbliche Arbeitnehmer des Bereichs Gebäude- und [X.] (Anlage 2), Lohngruppe A 3. Der Kläger erhielt ab dem 1. April 2005 einen Stundenlohn von 7,56 Euro und ab dem 1. April 2008 einen solchen von 7,90 Euro sowie für jede geleistete Arbeitsstunde einen [X.] von 0,76 Euro für die Monate Juli 2007 bis einschließlich März 2008 und von 0,79 Euro für die Monate April bis einschließlich Juni 2008. Dieser Zuschlag in Höhe von [X.] des Stundenlohns ist in Anlage 4 zum [X.] für die „Reinigung von öffentlichen Verkehrsmitteln einschließlich Entsorgungsmaschinen“ vorgesehen. Des Weiteren erbrachte die Beklagte im Streitzeitraum weitere Leistungen auf Grundlage der der für sie geltenden Tarifverträge des [X.], darunter [X.]. eine sog. „Ergebnisbeteiligung“, eine „Einmalzahlung“, ein sog. Weihnachtsgeld sowie ein Urlaubsgeld.

4

Mit Bekanntmachung vom 19. März 2004 wurde der Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung (vom 4. Oktober 2003, [X.]) und mit Bekanntmachung vom 21. April 2004 der [X.] für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung (vom 4. Oktober 2003, [X.]) jeweils mit Wirkung vom 1. April 2004 (mit einer hier nicht relevanten Einschränkung) für allgemeinverbindlich erklärt. § 2 [X.] sieht für den Bereich [X.] für die vom Kläger auszuübende Tätigkeit einen Stundenlohn von 7,87 Euro vor. Der [X.] trat mit Ablauf des 29. Febr[X.]r 2008 außer [X.].

5

Zum 1. Juli 2007 trat das Erste Gesetz zur Änderung des [X.] in [X.], wodurch unter anderem die Bestimmungen des damaligen § 1 Abs. 1 [X.] ([X.]) auf das [X.] erstreckt wurden, so dass seitdem auch die Verordnungsermächtigung des § 1 Abs. 3a iVm. Abs. 1 [X.] ([X.]) für das [X.] bestand. Am 27. Febr[X.]r 2008 wurde die dann zum 1. März 2008 in [X.] getretene Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im [X.] ([X.], BAnz Nr. 34 vom 29. Febr[X.]r 2008 S. 762) erlassen. Nach § 1 Satz 1 [X.] finden die in der Anlage zur Verordnung aufgeführten Rechtsnormen des Tarifvertrages zur Regelung der Mindestlöhne für gewerbliche Arbeitnehmer in der Gebäudereinigung im Gebiet der [X.] vom 9. Oktober 2007 ([X.]) auf alle nicht an ihn gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anwendung, die unter seinen am 1. März 2008 gültigen Geltungsbereich fallen. Nach § 2 Nr. 1 Buchst. a [X.] beträgt der Stundenlohn der Lohngruppe 1 in [X.] 8,15 Euro. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird vom Geltungsbereich der Tarifverträge für das [X.] erfasst.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nach Aufnahme der Tarifverträge des [X.]s in die Regelungen des [X.] zum 1. Juli 2007 stünden ihm weitergehende Vergütungsansprüche zu. Dies ergebe sich aus der Differenz zwischen dem Stundenlohn nach den allgemeinverbindlichen [X.]n und der ihm gezahlten Vergütung nach dem [X.]. Soweit die [X.] der [X.] nicht aufgrund des [X.] zwingend seien, kämen die Arbeitsbedingungen der spezielleren Tarifverträge - [X.] und [X.] - zur Anwendung. Die Zuschläge seien auf der Grundlage des erhöhten [X.] unter Anwendung derjenigen [X.] zu zahlen, die in den von der [X.] angewandten Tarifverträgen geregelt sind. Die weiteren von der [X.] gezahlten sonstigen Leistungen seien keine Entgeltbestandteile, die auf den nach Maßgabe des [X.] zu bestimmenden Mindestlohn angerechnet werden könnten. Das gelte insbesondere für den [X.], der ein Ausgleich für besondere Erschwernisse der konkret zu verrichtenden Tätigkeit des [X.] sei.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 760,32 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie habe an den Kläger eine höhere Vergütung als diejenige geleistet, die in den allgemeinverbindlichen Tarifverträgen vorgesehen sei. Namentlich die Verkehrsmittelzulage sei als mindestlohnwirksam einzubeziehen. Im Übrigen seien die [X.] aus verschiedenen grundsätzlichen Erwägungen neben den von ihr angewandten unternehmensbezogenen Konzerntarifverträgen unabhängig von den Regelungen des [X.] nicht anzuwenden.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des [X.] ist erfolglos geblieben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision des [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat die Berufung gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Vergütungsansprüche des [X.] für die von ihm im Streitzeitraum geleisteten Arbeitsstunden erfüllt. Hinsichtlich weiterer Vergütungsansprüche ist die Revision schon deshalb unbegründet, weil die Berufung des [X.] insoweit unzulässig war.

I. Die Berufung des [X.] gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts war mangels einer den Anforderungen von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, § 64 Abs. 6 ArbGG entsprechenden Berufungsbegründung insoweit unzulässig, als der [X.] zu dem erhaltenen Urlaubsentgelt, das zusätzliche Urlaubsgeld und Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtschichtarbeiten verlangt hat.

Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung. Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (s. nur [X.] 17. Jan[X.]r 2007 - 7 [X.] - Rn. 10, [X.] 121, 18). Das [X.] hätte die Berufung insoweit bereits als unzulässig verwerfen müssen, da sich der Kläger in der Berufungsbegründung mit den Erwägungen des Arbeitsgerichts, die zur Abweisung der genannten [X.] führten, nicht auseinandergesetzt hat.

1. Das Arbeitsgericht hat sich zunächst mit der Berechnung des klägerischen Anspruchs befasst und entschieden, dass ihm das Urlaubsentgelt bereits deshalb nicht zustehe, weil er ausweislich der von ihm selbst vorgelegten Abrechnungen jeweils ein Urlaubsentgelt in der von ihm geforderten Höhe erhalten habe. Das von ihm weiter geltend gemachte zusätzliche Urlaubsgeld könne er nicht verlangen, weil es hierfür an einer Anspruchsgrundlage fehle. Gleiches gelte für die Vergütungsansprüche auf Sonn-, Feiertags- und [X.]. Letztere seien zwar in § 3 [X.] geregelt; diese Bestimmungen gehörten jedoch nicht zu den in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 [X.] 2007 genannten Regelungen über Mindestentgeltsätze, Überstundensätze und andere Lohnbestandteile. Hinsichtlich der verbleibenden Anspruchselemente Mindestlohn und Überstundenzuschläge sei der Anspruch durch die Leistungen der [X.] erfüllt.

2. Bei den Ansprüchen auf das Urlaubsentgelt, das zusätzliche Urlaubsgeld sowie auf die Sonn-, Feiertags- und [X.] handelt es sich jeweils um gesonderte Streitgegenstände. Die Ansprüche beruhen auf unterschiedlichen Lebenssachverhalten und Anspruchsgrundlagen. Der Kläger hätte diese Zahlungen jeweils auch in einem eigenständigen Antrag oder einer eigenständigen Klage geltend machen können.

Bei mehreren [X.] muss die Berufungsbegründung für jeden eine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils enthalten, wenn das Gericht die einzelnen Ansprüche aus unterschiedlichen Gründen abgewiesen hat. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig (s. nur [X.] 27. Juli 2010 - 1 [X.] - Rn. 19 mwN, [X.] 2010, 1446; [X.] 5. Dezember 2006 - VI ZR 228/05 - Rn. 10, NJW-RR 2007, 414).

3. Diesen Anforderungen entspricht die Berufungsbegründung des [X.] nicht. Sie bezieht sich ausschließlich auf die vom Arbeitsgericht als Erfüllungsleistungen der [X.] angesehenen Zahlungen, insbesondere zur Anrechenbarkeit der [X.] auf den dem Kläger zustehenden Mindestlohn. Die vom Arbeitsgericht dargelegten Entscheidungserwägungen zu den als unbegründet zurückgewiesenen Ansprüchen hinsichtlich der weiteren Streitgegenstände erwähnt die Berufungsbegründung mit keinem Wort.

II. Das [X.] hat die Klage hinsichtlich der weiteren vom Kläger geltend gemachten Vergütungsdifferenzen hinsichtlich des ihm geleisteten Stundenlohns im Ergebnis zu Recht als unbegründet angesehen.

1. Dabei kann zu Gunsten des [X.] unterstellt werden, dass im Streitzeitraum der [X.] und die [X.] der Parteien normativ galten (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 [X.], § 1 Abs. 3a [X.] 2007). Einer Entscheidung über die von der [X.] erhobenen weiteren grundsätzlichen Einwände bedurfte es nicht.

2. Der Kläger konnte danach im Streitzeitraum einen Stundenlohn entsprechend den allgemeinverbindlichen Tarifverträgen des [X.] verlangen.

a) Der [X.] wurde durch Bekanntmachung vom 19. März 2004 mit Wirkung vom 1. April 2004 für allgemeinverbindlich erklärt; dies hat sich während des gesamten [X.] nicht geändert. Jedenfalls für die [X.] vom 1. Juli 2007 bis zu seinem Außerkrafttreten am 29. Febr[X.]r 2008 galt weiterhin der bereits seit dem 1. April 2004 allgemeinverbindliche [X.] 2004. Für die [X.] ab dem 1. März 2008 unterfiel das Arbeitsverhältnis hinsichtlich des vom Kläger beanspruchten Entgelts bis einschließlich Juni 2008 dem [X.], der insoweit aufgrund der am 27. Febr[X.]r 2008 erlassenen [X.] zum 1. März 2008 in [X.] getreten war.

b) Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde grundsätzlich vom - einheitlich formulierten - Geltungsbereich der Tarifverträge des [X.] erfasst. Die Beklagte übt [X.]. die Reinigung und Pflege von [X.] aus (§ 1 II Nr. 4 [X.]). Hierüber besteht zwischen den Parteien auch kein Streit.

c) Die Wirkung der Allgemeinverbindlicherklärungen vom 19. März 2004 und vom 21. April 2004 besteht in der Erstreckung der Tarifnormen auf das Arbeitsverhältnis der Parteien (§ 5 Abs. 4 [X.]). Gleiches gilt für die Wirkung der [X.] vom 27. Febr[X.]r 2008 (§ 1 Abs. 3a [X.] 2007).

3. Den sich danach für den Kläger ergebenden Entgeltanspruch in Höhe eines Stundenlohns der [X.]uppe 1 (§ 7 Abs. 3 Nr. 3.2 [X.]) von 7,87 Euro (§ 2 [X.]. 1 [X.] 2004) in der [X.] vom 1. Juli 2007 bis zum 29. Febr[X.]r 2008 und von 8,15 Euro (§ 1 iVm. § 2 Nr. 1 Buchst. a der Anlage zu § 1 [X.]) für die [X.] vom 1. März bis zum 30. Juni 2008 hat die Beklagte erfüllt.

a) Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger seine Gesamtforderung für den Streitzeitraum in ausreichender Form beziffert hat. Ausgangspunkt seiner Darlegung ist - auf Grundlage der von der [X.] abgerechneten Arbeitsstunden, die der Kläger als Basis für seine eigene Berechnung heranzieht - stets die Differenz zwischen dem ihm nach den allgemeinverbindlichen Tarifverträgen zustehenden Stundenlohn (7,87 Euro gemäß § 2 [X.]. 1 [X.] 2004) und Mindestlohn (8,15 Euro gemäß § 1 iVm. § 2 Nr. 1 Buchst. a der Anlage zu § 1 [X.]) einerseits sowie der ihm von der [X.] nach den Tarifverträgen für die Konzernunternehmen der [X.] als Stundenlohn geleistete Betrag andererseits. Weiterhin kann zugunsten des [X.] unterstellt werden, ihm stehe hinsichtlich der von ihm geleisteten Überstunden ein weiterer Zuschlag in rechnerisch unstreitiger Höhe von 0,07 Euro je Stunde für 8,5 Überstunden im September 2007 und 15,3 Überstunden im Dezember 2007 sowie iHv. 0,14 Euro je Stunde für 14,25 Überstunden im März 2008 zu.

b) Dieser Anspruch des [X.] ist durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB).

aa) Die Beklagte hat dem Kläger für jede geleistete Arbeitsstunde eine Vergütung gezahlt, die den Stundenlohn und den Mindestlohn, den der Kläger nach den Lohntarifverträgen des [X.] beanspruchen kann, übersteigt. Sie hat an den Kläger nach den Entgelttarifverträgen für die Konzernunternehmen der [X.] im [X.]raum von Juli 2007 bis einschließlich März 2008 einen Stundenlohn von 7,56 Euro und in der [X.] von April 2008 bis einschließlich Juni 2008 von 7,90 Euro geleistet.

bb) Die danach noch bestehende Vergütungsdifferenz zu den Ansprüchen des [X.] nach den allgemeinverbindlichen Tarifverträgen des [X.] iHv. 0,31 Euro/Stunde von Juli 2007 bis einschließlich Febr[X.]r 2008, von 0,59 Euro/Stunde im Monat März 2008 und von 0,25 Euro/Stunde im nachfolgenden [X.]raum hat die Beklagte bereits durch die geleistete [X.] iHv. 0,76 Euro (Juli 2007 bis einschließlich März 2008) und von 0,79 Euro (April 2008 bis einschließlich Juni 2008) erfüllt, selbst wenn man von einer Zuschlagsdifferenz für geleistete Überstunden iHv. 0,07 Euro (September 2007, Dezember 2007) und von 0,14 Euro für jede Überstunde (März 2008) ausgeht. Die [X.] ist auf den Anspruch des [X.] nach den allgemeinverbindlichen Tarifverträgen anzurechnen.

(1) Bei der Anrechnung von Leistungen auf tariflich begründete Forderungen ist darauf abzustellen, ob die vom Arbeitgeber erbrachte Leistung ihrem Zweck nach diejenige Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten soll, die mit der tariflich begründeten Zahlung zu vergüten ist. Daher ist dem erkennbaren Zweck des tariflichen Mindestlohns, den der Arbeitnehmer als unmittelbare Leistung für die verrichtete Tätigkeit begehrt, der zu ermittelnde Zweck der jeweiligen Leistung des Arbeitgebers, die dieser aufgrund anderer (individ[X.]l- oder kollektivrechtlicher) Regelungen erbracht hat, gegenüberzustellen. Besteht danach - ähnlich wie bei einem Günstigkeitsvergleich mit [X.] nach § 4 Abs. 3 [X.] - eine funktionale Gleichwertigkeit der zu vergleichenden Leistungen (vgl. dazu etwa [X.] 30. März 2004 - 1 [X.]/03 - zu II 4 b bb der Gründe, [X.] 1972 § 112 Nr. 170 = EzA [X.] 2001 § 112 Nr. 10; 27. Jan[X.]r 2004 - 1 [X.] - zu II 2 b aa der Gründe, [X.] 109, 244: „funktional äquivalent“), ist die erbrachte Leistung auf den zu erfüllenden Anspruch anzurechnen.

(2) Nach diesen Maßstäben ist die [X.] auf die Ansprüche des [X.] anzurechnen.

(a) Der tariflich begründete Anspruch des [X.] auf den Stundenlohn nach dem [X.] 2004 ist Entgelt für die arbeitsvertragliche Tätigkeit eines Gebäudereinigers.

(aa) Der [X.] 2004 enthält keine eigenständige Definition des Begriffs des (Stunden-)Lohns. Anhaltspunkte für das Verständnis der Tarifvertragsparteien finden sich dagegen in § 7 Abs. 1 Nr. 1.1 [X.]. Dort wird „der Lohn“ auf der Grundlage des [X.] „und des [X.]“ - hier der von denselben Tarifvertragsparteien geschlossene [X.] 2004 - geregelt. Weiterhin finden sich Bestimmungen zu den [X.] und die Tätigkeitsmerkmale der einzelnen [X.]uppen. Der allein im [X.] 2004 geregelte „Stundenlohn“, um dessen Erfüllung es dem Kläger geht, erfasst nicht etwa weitere, allein im [X.] geregelte Lohnelemente, namentlich nicht die dort gesondert geregelten [X.], wie sie etwa in § 9 [X.] für [X.] unter besonderen erschwerten Arbeitsbedingungen vorgesehen sind (zB Arbeiten mit persönlicher Schutzausrüstung, Staubdacharbeiten, Reinigen von [X.] unter Verwendung von Strahlgut oder [X.], Innenreinigungsarbeiten in Arbeitsbereichen mit außergewöhnlicher Verschmutzung). Damit verbleibt der Stundenlohn als Entgelt für die arbeitsvertragliche Tätigkeit, in der der Arbeitnehmer ohne die Verwirklichung eines Tatbestandes für Zuschläge oder Zulagen im Rahmen seiner eingruppierungsrelevanten Tätigkeit arbeitet - „Normaltätigkeit“.

(bb) Die Beklagte zahlt die [X.] für die vom Kläger geleistete Arbeit, ohne dass einer der Tatbestände gegeben ist, aufgrund derer ein tariflicher Zuschlag oder eine Zulage nach dem [X.] verwirklicht wäre. Mit ihr vergütet die Beklagte die konkreten Arbeitsbedingungen des [X.], die nach dem [X.] 2004 allein einen Anspruch mit dem Stundensatz von 7,87 Euro nach (§ 2) für die dort geregelte „Normaltätigkeit“ begründen würde.

([X.]) Dabei ist es für die Erfüllungswirkung der [X.] ohne Bedeutung, dass es sich bei dieser - bezogen auf die Regelungen der [X.] der [X.] - um eine „Erschwerniszulage“ handelt. Die zulagenbegründende Besonderheit der Arbeitsbedingungen des [X.] ergibt sich nur aus einem Vergleich der Tätigkeiten „innerhalb“ der bei der [X.] angewandten Vergütungsordnung der [X.]. Diese unterscheidet zwischen solchen Tätigkeiten, die mit dem Stundengrundlohn zu vergüten sind, und denjenigen mit zusätzlichen Arbeitsbelastungen, wie sie zB bei Reinigungsarbeiten in [X.] anfallen. Diese Unterscheidung trifft der [X.] 2004 iVm. dem [X.] gerade nicht. Zwar sieht auch der [X.], in dessen Geltungsbereichsbestimmung die Reinigung von [X.] ausdrücklich genannt ist (§ 1 II Nr. 4), die Zahlung von [X.] für bestimmte belastende Arbeitsbedingungen vor. Die Reinigung von [X.] erfüllt die Voraussetzungen für eine Erschwerniszulage nach § 9 [X.] aber nicht. Hierüber streiten die Parteien auch nicht. Nur in einem solchen Fall jedoch könnte die [X.] für die Erfüllung des [X.] aus dem [X.] 2004 nicht angerechnet werden. Der Kläger hätte bei alleiniger Anwendung des [X.] 2004 iVm. dem [X.] für seine ausgeübte Tätigkeit als Fahrzeugreiniger im ersten Streitzeitraum keine höhere Vergütung beanspruchen können, als er sie selbst berechnet hat, also 7,87 Euro.

(b) Gleiches gilt für den [X.]raum vom 1. März bis zum 30. Juni 2008. Auch hier erfüllt die geleistete [X.] den Mindestlohnanspruch des [X.] nach § 2 Nr. 1 Buchst. a [X.] iHv. 8,15 Euro.

In dem [X.] ist der Begriff des Stundenlohns, wie er im [X.] 2004 verwendet wurde, durch den des Mindestlohns ersetzt worden, ohne dass sich hieraus rechtliche Unterschiede für die Erfüllungswirkung der gezahlten [X.] ergeben. Die Regelungen in § 2 [X.] entsprechen im Übrigen den gleichlautenden Bestimmungen des [X.] über [X.]uppen und Eingruppierungsgrundsätze, der auch in diesem [X.]raum allgemeinverbindlich war.

(3) Entgegen der Auffassung der Revision ist es für die Erfüllungswirkung der [X.] ohne Bedeutung, dass die Beklagte dem Kläger im Rahmen ihres Direktionsrechts eine Tätigkeit hätte zuweisen können, die die Anforderungen der [X.]uppe 1 des [X.] erfüllt, ohne dass die Voraussetzungen einer [X.] nach dem [X.] gegeben wären. Die Revision verkennt, dass es nicht um einen abstrakten Vergleich zweier Vergütungsordnungen geht. Maßgebend sind vorliegend Vergütungsdifferenzansprüche für eine konkrete, vom Kläger ausgeübte Tätigkeit. Eine bloß hypothetische Versetzungsmöglichkeit, die in der Vergangenheit bestanden hätte, von der jedoch tatsächlich kein Gebrauch gemacht worden ist, bleibt schon deshalb außer Betracht.

(4) Soweit sich die Revision darauf stützt, dass der [X.] im Anwendungsbereich des [X.] bei der Bewertung einzelner Lohnbestandteile davon ausgegangen sei, diese müssten für eine Berechnung verlässlich, dauerhaft und anteilig auf die zu verrechnende Arbeitszeit gezahlt werden, übersieht sie, dass es in der vom [X.] zu entscheidenden Konstellation ([X.] 14. April 2005 - [X.]/02 - Slg. 2005, [X.]) um die abstrakte Beurteilung der Eignung von Vergütungsregelungen und nicht um die konkrete Beurteilung der Eignung von Vergütungsleistungen ging, die für einen in der Vergangenheit liegenden [X.]raum für eine konkret ausgeübte Tätigkeit gewährt worden sind. Hinsichtlich dieser abgeschlossenen Sachverhalte war die [X.] von der [X.] an den Kläger „verlässlich, dauerhaft und anteilig auf die zu verrechnende Arbeitszeit“ gezahlt worden.

III. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen (§ 97 ZPO).

        

    [X.] am
Bundesarbeitsgericht Prof. Bepler ist
in den Ruhestand getreten und daher
an der Unterschriftsleistung gehindert.
Creutzfeldt    

        

    Treber    

        

    Creutzfeldt    

        

        

        

    Steding     

        

    Rupprecht    

                 

Meta

4 AZR 139/10

18.04.2012

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hamburg, 17. Februar 2009, Az: 19 Ca 283/08, Urteil

§ 1 Abs 1 AEntG vom 25.04.2007, § 1 S 1 GebäudeArbbV, § 1 Abs 3a AEntG vom 25.04.2007

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.04.2012, Az. 4 AZR 139/10 (REWIS RS 2012, 7221)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7221

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5 Sa 298/15

1 Ca 551/15

1 Ca 677/15

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