Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.07.2022, Az. B 12 KR 4/22 BH

12. Senat | REWIS RS 2022, 3919

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Besetzungsrüge - Gebot des gesetzlichen Richters - Verstoß - keine Bindung des Revisionsgerichts an die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs - Willkür - Verkennung von Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 21. Oktober 2021 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines anwaltlichen Bevollmächtigten zu gewähren, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger aufgrund einer außerordentlichen Kündigung die Mitgliedschaft bei der beklagten Krankenkasse wirksam beendet hat und deshalb seit dem 14.9.2018 keine Beiträge mehr schuldet.

2

Der Kläger war bis 30.6.2017 aufgrund abhängiger Beschäftigung in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtkranken- und pflegeversichert. Danach führten ihn die Beklagten als freiwilliges Mitglied und forderten Beiträge. Die [X.] unterrichtete sie am 8.12.2017, dass der Kläger vom [X.] bis zum [X.] I beziehe. Im Zuge der rückwirkenden Beitragsabwicklung kam es nach den Feststellungen des [X.] zu einer Reihe von Fehlern durch die Beklagten. Im Ergebnis wurden dem Kläger die zu viel entrichteten Beträge erstattet.

3

Nach Ende des [X.] führte die Beklagte die Krankenversicherung des [X.] als obligatorische freiwillige Versicherung fort (§ 188 Abs 4 [X.]B V). Wiederholte [X.] beantwortete der Kläger nicht. Die Beklagten berechneten daraufhin Beiträge nach der Beitragsbemessungsgrenze (Bescheid vom [X.]) und forderten vom Kläger für die [X.] vom 14.9.2018 bis zum [X.] Beiträge, Säumniszuschläge und Mahnkosten in Höhe von insgesamt 6150,02 Euro (Bescheid vom [X.]). Im Klageverfahren reduzierte sie gemäß den Angaben des [X.], wonach er keine Einkünfte erziele, die Forderung auf 1642,28 Euro für die [X.] September 2018 bis Juni 2019 sowie 194,90 Euro aus vergangenen [X.]räumen (Bescheide vom 18. und 19.7.2019, Widerspruchsbescheid vom [X.]). Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 7.2.2020). Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen (Urteil vom [X.]). Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger mit Schreiben vom 23.1.2022 Beschwerde beim B[X.] eingelegt und für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.

4

II. Der Antrag des [X.] auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen.

5

Nach § 73a [X.]G iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem B[X.] nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Es ist nicht zu erkennen, dass ein nach § 73 Abs 4 [X.]G zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen. Die Durchsicht der Akten und die Würdigung des Vorbringens des [X.] in den Schreiben vom 23.1. und [X.] haben bei der gebotenen summarischen Prüfung keinen Hinweis auf das Vorliegen eines Revisionszulassungsgrunds ergeben.

6

1. Dass eine Zulassung der Revision gegen das angegriffene Urteil auf § 160 Abs 2 [X.] [X.]G gestützt werden könnte, ist nicht ersichtlich. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur B[X.] Beschluss vom 17.4.2012 - [X.] R 347/11 B - [X.] 4-2600 § 72 [X.] Rd[X.]7; B[X.] Beschluss vom 28.1.2019 - [X.]2 KR 94/18 B - juris Rd[X.] mwN). Rechtsfragen, die in diesem Sinne grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind nicht ersichtlich.

7

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anders ausgedrückt - das [X.] tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das [X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des B[X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.]verfassungsgerichts ([X.]) aufgestellt hat. Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

8

3. Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G zur Zulassung der Revision führen könnte.

9

Eine Verletzung des Rechts auf [X.] (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) und eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 [X.]G, Art 103 GG) sind nicht ersichtlich. Das [X.] hat wiederholt Ablehnungsgesuche des [X.] zurückgewiesen: Durch Beschluss vom [X.] bzgl der richterlichen Senatsmitglieder und durch Beschlüsse vom [X.] bzgl der Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle. In der mündlichen Verhandlung am [X.] hat der persönlich anwesende Kläger kein neuerliches Ablehnungsgesuch gestellt. Zwar ist das Revisionsgericht im Hinblick auf § 557 Abs 2 ZPO (iVm § 202 [X.]G) an Entscheidungen gebunden, die dem Endurteil des [X.] vorausgegangen sind, sofern sie unanfechtbar sind. Dies gilt grundsätzlich auch für Entscheidungen der Vorinstanz, die ein Ablehnungsgesuch unter fehlerhafter Anwendung einfachen Rechts zurückgewiesen haben (§§ 60, 177 [X.]G; vgl hierzu entsprechend [X.] Beschluss vom [X.] - 2BvR 225/69 -[X.]E 31, 145, 164; B[X.] Beschluss vom 2.11.2007 - [X.] KR 72/07 B -[X.] 4-1100 Art 101 [X.] Rd[X.] mwN). Das Revisionsgericht ist nur in engen Ausnahmen wegen eines fortwirkenden Verstoßes gegen das Gebot des gesetzlichen Richters iS des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG an die Zurückweisung von Ablehnungsgesuchen, die dem Endurteil des [X.] vorausgegangen sind, nicht gebunden, wenn [X.] an der Endentscheidung des [X.] mitgewirkt haben. Die Bindung des [X.] fehlt, wenn die Zurückweisung des [X.] auf willkürlichen manipulativen Erwägungen beruht, die für die Fehlerhaftigkeit des als Mangel gerügten Vorgangs bestimmend gewesen sind oder wenn die Zurückweisung des [X.] darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] KR 51/09 B - [X.] 4-1500 § 60 [X.] Rd[X.] mwN). Hierfür ist nichts ersichtlich. Daran ändert auch die Auflistung vermeintlicher Gründe unter [X.] im Schreiben des [X.] vom 23.1.2022 nichts, zumal diese überwiegend bereits nicht das angefochtene Urteil betreffen.

4. Soweit der Kläger geltend macht, das angefochtene Urteil sei inhaltlich falsch, ist darauf hinzuweisen, dass die Behauptung, die Entscheidung des [X.] sei inhaltlich unrichtig, im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zur Zulassung der Revision führen kann (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.]2 KR 62/04 B - [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.]8).

5. Die von dem Kläger persönlich gegen das Urteil des [X.] eingelegte Beschwerde ist bereits deshalb unzulässig, weil sie nicht durch einen vor dem B[X.] zugelassenen Prozessbevollmächtigten (vgl § 73 Abs 4 [X.]G) eingelegt worden ist.

6. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 [X.]G).

7. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

[X.]

Meta

B 12 KR 4/22 BH

28.07.2022

Bundessozialgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Duisburg, 7. Februar 2020, Az: S 27 KR 1076/19, Gerichtsbescheid

§ 73a SGG, § 60 SGG, § 160a SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 202 SGG, § 114 ZPO, § 557 Abs 2 ZPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.07.2022, Az. B 12 KR 4/22 BH (REWIS RS 2022, 3919)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 3919

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