Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.10.2011, Az. V ZR 33/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2386

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 33/11

vom

13. Oktober 2011

in dem Rechtsstreit

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 13. Oktober 2011
durch [X.] Prof. Dr. Krüger, die Richter Prof. Dr.
[X.] und Dr. Roth
und die Richterinnen
Dr. Brückner
und Weinland
beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 14. Zivilsenats des [X.] vom 28. Dezember 2010 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 292.817

Gründe:
I.
Der Beklagte war Gesellschafter eines privaten Unternehmens, das ein Betriebsgrundstück in [X.] hatte und 1972 enteignet wurde. Das [X.] wurde in Volkseigentum überführt und zuletzt einem [X.] Denkmalschutz als Rechtsträger zugewiesen. Am 11. März 1990 beantragte der Beklagte die Restitution des Unternehmens. Der [X.] übergab dem Beklagten daraufhin im Vorgriff auf die als sicher angesehene Restitution das Grundstück, das dieser ihm
sogleich wieder überließ. Mit Mietvertrag vom 9.
September 1991 vermiete-te der Beklagte das Grundstück zunächst dem inzwischen (durch Einzelum-wandlung) in eine GmbH umgewandelten [X.] und später einem Abschleppun-ternehmen. Auf Grund einer Einigung zwischen
der [X.] und dem [X.] erteilte die zuständige Zuordnungsbehörde der [X.] unter dem 29.
Mai 2001 einen Zuordnungsbescheid, dem-zufolge diese Eigentümerin des Betriebsgrundstücks ist. Die [X.] 1
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trat am 6. April 2001 als Vermieterin in den Mietvertrag mit dem Abschleppun-ternehmen ein. Mit Bescheid vom 12. September 2001 wurde der [X.] des Beklagten (mangels Erreichens des [X.] nach §
6 Abs.
1a Satz
2 [X.]) zurückgewiesen. Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht der [X.] von dem Beklagten Herausgabe der
von ihm von 1990 bis e-tung einer
titulierten Restmietforderung des Beklagten gegen das [X.]. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache wirft
keine entschei-dungserheblichen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine Entschei-dung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheit-lichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO).
1. Die Revision ist nicht deshalb
zuzulassen, weil das Berufungsgericht einen falschen Obersatz gebildet hätte.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, der der Klägerin abgetretene
Anspruch der [X.] aus § 988 BGB scheitere daran, dass der [X.] in dem [X.]raum, für den Herausgabe der Mieten verlangt wird, auf Grund eines Leihvertrags mit dem ehemaligen [X.] nach §
986 BGB zum Besitz des Grundstücks berechtigt gewesen sei. Dem liege, meint die Klägerin, der falsche Obersatz zugrunde, dass "der Rechtsträger eines ehemals volkseigenen Grundstücks [] befugt gewesen
[sei], dieses wie ein Eigentümer im Sinne von §
985 BGB an eine natürliche Person zu überlassen". Zudem habe das Zivilge-2
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setzbuch der [X.] anders als das Bürgerliche Gesetzbuch das Rechtsinstitut der Grundstücksleihe nicht gekannt.
b) Das führt nicht zur Zulassung.
aa) Entgegen der Meinung der Klägerin waren [X.] durchaus befugt, als Rechtsträger von Volkseigentum Nutzungsverträge über volkseigene Grundstü-cke abzuschließen. Ihnen gehörten diese Grundstücke zwar nicht (Senat, Urteil vom 29. März 1996 -
V
ZR 326/94, [X.], 245, 257). Die [X.] vermittelte ihnen
auch kein dingliches Recht an dem volkseigenen Grundstück
([X.], Eigentumszuordnung, [X.] und Nutzungsrechte an Grundstücken, 2. Aufl., S. 14 f., 19). Sie waren aber nach §
19 Abs.
1 ZGB berechtigt, zur Durchführung der ihnen übertragenen Aufga-ben und zur Wahrnehmung der ihnen übertragenen Befugnisse
das Volkseigen-tum zu besitzen und zu nutzen. Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 ZGB
durften sie in den Grenzen des § 20 Abs. 3 ZGB darüber auch "verfügen". Zu den danach mögli-chen "Verfügungen"
gehörten nach dem Verständnis des Zivilgesetzbuchs der [X.] in
erster Linie nicht die Veräußerung oder Belastung von Volkseigentum, die § 20 Abs. 3
ZGB verbot, sondern der Abschluss von schuldrechtlichen [X.]n, unter anderem über die Nutzung des [X.] durch andere Rechtssubjekte
([X.], 2. Aufl., § 19 [X.]. 1.4). Darunter fällt
insbe-sondere der Abschluss von Miet-, Pacht-
und anderen [X.]. Das zeigen die Beispiele der Wohnraummiet-
und der Erholungsnutzungsverträge, die vor dem 3. Oktober 1990 auf der Grundlage von §
95 Abs.
1 Satz
1 und §
312 ZGB zum weit überwiegenden Teil von ehemals volkseigenen Betrieben mit den interessierten Bürgern geschlossen wurden und nach Art. 232 §§
2 und 4 EGBGB nach dem Wirksamwerden des Beitritts bestehen blieben.
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bb) Zu den möglichen schuldrechtlichen [X.] gehörten nicht nur die Wohnraummiete und der Erholungsnutzungsvertrag. Das Zivilge-setzbuch der [X.]
kannte vielmehr auch die Gewerberaummiete, für
die nach §
131 ZGB die Regelungen über Wohnraum entsprechend galten. Auch ein Grundstücksleihvertrag war im Ergebnis möglich. Die Leihe war zwar in §
280 ZGB nur für die unentgeltliche Überlassung beweglichen Vermögens vorgese-hen. Das bedeutet aber nicht, dass Grundstücke nicht unentgeltlich überlassen werden konnten. Das war vielmehr in der Form eines Mietverhältnisses ohne Miete (sog. "Mietverhältnis zu null") möglich
([X.], aaO, §
280 [X.]. 1.1 [X.]). Grundlage dafür war §
45 Abs.
3 ZGB, der eine Abweichung von den Bestimmungen des ZGB erlaubte, soweit nicht ausdrücklich Verbote ent-gegenstanden. Die Vorschriften über die Überlassung von (volkseigenen) Grundstücken zur Nutzung durch andere galten nicht nur für die Verträge zwi-schen Bürgern oder für Verträge zwischen Bürgern und den örtlichen Räten. Sie galten nach §
286 Abs.
4 ZGB vielmehr auch für Verträge von [X.] mit [X.] oder zwischen [X.]. Diese Erstreckung bedarf
nicht nur die in §
286 Abs.
1 ZGB ausdrücklich erwähnten Erholungsnutzungsverträge, sondern auch andere Verträge, etwa die schon erwähnten [X.] und [X.] zur gewerblichen Nutzung
([X.], aaO, §
286 [X.]. 4.3).
cc) Die so geschlossenen Nutzungsverträge sind mit dem Inkrafttreten der jeweiligen [X.] auf die neuen Rechtsträger übergegan-gen. Das ist zwar nur für den Fall der Restitution ausdrücklich
geregelt, §
16 Abs.
2 [X.] bzw. §
11 Abs.
2 [X.]. Für die gesetzliche Zuweisung von Ei-gentum gilt aber nach §
1a Abs.
1 Satz
2 [X.] nichts anderes
([X.], Urteil vom 9. Oktober 1996
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VIII
ZR 266/95, [X.]Z 133, 363,
367 f.; [X.], 231, 232 f.).
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2. Die Revision ist auch nicht zur Klärung der Frage zuzulassen, ob ein
"werdendes", aber gescheitertes
Rechtsgeschäft ein Recht zum Besitz [X.] kann.
Diese zudem inhaltlich schon -
im Sinne der Klägerin
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(vor-)
entschiedene (Senat, Urteil vom 21. Januar 2011 -
V
ZR 243/09, NJW 2011, 1436, 1437 f.) Frage stellt sich nicht, weil das Berufungsgericht das Recht des Beklagten zum Besitz des Grundstücks nicht aus einem solchen Rechtsge-schäft ableitet, sondern aus einem von vornherein gültigen Vertrag.
a) Gescheitert ist die Restitution, die der Beklagte am 11. März 1990 [X.] hat. Das Recht des Beklagten zum Besitz des Grundstücks beruht aber nicht auf diesem Antrag. Den Antrag haben der ehemalige [X.] und der [X.] vielmehr zum Anlass genommen, ihre Rechtsbeziehungen bis zur Entschei-dung darüber
mit einem Vertrag zu regeln, den das Berufungsgericht als Leih-vertrag eingeordnet hat.
b) Dieser Vertrag sollte zwar nur die [X.] bis zu der sicher erwarteten Restitution überbrücken. Er ist aber ein sofort vollständig wirksamer eigenstän-diger Vertrag. Er nimmt
inhaltlich
auf schuldrechtlicher Ebene
eine vorläufige Einweisung vorweg, wie sie später mit dem heutigen §
6a Abs. 1 [X.] in das [X.] eingefügt worden ist. Der nach den §§
17 bis 22 des [X.] über die Gründung und Tätigkeit privater Unternehmen und über Unter-nehmensbeteiligungen vom 7. März 1990 (GBl. [X.]) mögliche
[X.] des Beklagten führte nach §
17 Abs.
4 dieses Gesetzes dazu, dass Rechtshandlungen zur Veränderung der Eigentumsform und die Entnahme von Grund-
und Arbeitsmitteln bis zur Entscheidung über den Antrag nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden durften. Die Zustimmung erreichte
der [X.] durch die (vorläufige) Überlassung des Grundstücks an den Beklagten und [X.] an sich. Genau wie eine vorläufige Einweisung stellt der [X.] bis zur Entscheidung über die Restitution ein von der angestrebten Restitu-10
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tion unabhängiges Recht zum Besitz dar. Daran ändert der Umstand nichts, dass in dem Vertrag, anders als etwa im Fall der vorläufigen
Einweisung nach §
6a [X.],
nicht geregelt war, was bei einem Scheitern der Restitution ge-schehen, ob etwa -
wie nach §
6a Abs.
2 Sätze
4 und 5 [X.]
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eine Pacht oder ein Kaufpreis zu zahlen sein sollte. Dieses Versäumnis hätte
Anlass zu einer Anpassung des Vertrags nach § 78 ZGB oder zu seiner gerichtlichen Auf-hebung nach §
122 ZGB geben können.
Da beides
nicht geschehen ist, hatte das Versäumnis auf die Wirksamkeit des Vertrags
keinen Einfluss. Er bestand deshalb unabhängig vom Schicksal der Restitution fort, bis ihn der Beklagte und die [X.] einvernehmlich durch die Übernahme des Mietvertrags mit dem Abschleppunternehmen beendeten, ohne Zahlungspflichten des Beklagten zu vereinbaren.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97
Abs. 1 ZPO.
Krüger
[X.]
Roth

Brückner
Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 16.07.2010 -
5 O 4585/05 -

OLG Dresden, Entscheidung vom 28.12.2010 -
14 U 1291/10 -

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Meta

V ZR 33/11

13.10.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.10.2011, Az. V ZR 33/11 (REWIS RS 2011, 2386)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2386

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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