Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.05.2021, Az. AnwSt (B) 1/21

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2021, 6230

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Gegenstand

Anwaltsgerichtliches Verfahren zur Ahndung von Pflichtverletzungen: Begründung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision


Tenor

Der Antrag des Rechtsanwalts auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 2. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 27. Juli 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Beschwerde des Rechtsanwalts gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Der Rechtsanwalt hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

1

Das Anwaltsgericht hat gegen den Rechtsanwalt wegen Verstoßes gegen das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten (§§ 43, 43a Abs. 4 [X.], § 3 Abs. 1 [X.]) einen Verweis und eine Geldbuße in Höhe von 15.000 € verhängt. Dagegen haben der Rechtsanwalt und die Generalstaatsanwaltschaft [X.]erufung eingelegt, die sie in der Hauptverhandlung jeweils auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt haben. Der [X.] hat beide [X.]erufungen mit Urteil vom 27. Juli 2020 als unbegründet verworfen. Das Urteil ist dem Verteidiger des Rechtsanwalts am 21. August 2020 zugestellt worden.

2

Nachdem dem Rechtsanwalt unter dem 1. Oktober 2020 die Rechtskraft des Urteils mitgeteilt worden war, hat er mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2020 erklärt, er habe am 2. September 2020 die dem Schreiben beigefügte Nichtzulassungsbeschwerde versandt, auf seine Nachfrage nach Erhalt der Rechtskraftmitteilung aber von der Geschäftsstelle erfahren, dass die [X.] dort nicht eingegangen sei. Er bitte um Überprüfung des Posteingangs, da er sich der Versendung sicher sei und ihn kein Rückläufer erreicht habe. Hilfsweise hat er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die in der beiliegenden Nichtzulassungsbeschwerde enthaltenen Anträge gestellt.

3

Der [X.] hat das Verfahren - nach weiterem Vorbringen des Rechtsanwalts mit Schriftsätzen vom 26. Oktober 2020 und vom25. November 2020 und Stellungnahmen der Generalstaatsanwaltschaft vom 15. Oktober 2020 und vom 3. November 2020 - dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Der [X.] hat beantragt, den Wiedereinsetzungsantrag des Rechtsanwalts und seine Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen. Der Rechtsanwalt hat hierauf keine Gegenerklärung abgegeben.

II.

4

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen.

5

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist bereits wegen Fristversäumung unzulässig, da sie nicht innerhalb der Monatsfrist des § 145 Abs. 3 Satz 1 [X.] eingelegt worden ist.

6

a) Das Urteil des [X.]s ist dem Verteidiger des Rechtsanwalts am 21. August 2020 zugestellt worden. Die am 7. Oktober 2020 beim [X.] eingegangene [X.]eschwerdeschrift des Rechtsanwalts hat daher die Einlegungsfrist des § 145 Abs. 3 Satz 1 [X.] nicht gewahrt.

7

b) Dem Antrag des Rechtsanwalts auf Wiedereinsetzung in den Stand vor Ablauf der versäumten [X.]eschwerdefrist nach § 116 Abs. 1 Satz 2 [X.] i.V.m. § 45 Abs. 1 [X.] ist nicht stattzugeben, da das Wiedereinsetzungsgesuch nicht zulässig erhoben ist.

8

aa) Es fehlt bereits an fristgerechtem substantiierten Vortrag der Tatsachen, die ein Verschulden des Rechtsanwalts an der Fristversäumung ausschließen und damit einen Anspruch auf Wiedereinsetzung begründen könnten (§ 116 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 [X.]).

9

Die [X.]egründung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfordert gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 [X.] grundsätzlich eine genaue Darlegung und Glaubhaftmachung aller zwischen dem [X.]eginn und Ende der versäumten Frist liegenden Umstände, die für die Frage bedeutsam sind, wie und gegebenenfalls durch wessen Verschulden es zur Versäumung gekommen ist (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 20. Juli 2011 - 1 [X.], juris Rn. 8; [X.]eschluss vom 28. August 2013 - 4 StR 336/13, [X.], 458 mwN; [X.] in[X.]/[X.], [X.], 63. Aufl., § 45 Rn. 5a). Diese Angaben müssen innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 [X.] erfolgen ([X.], [X.]eschluss vom 23. April 1996 - 1 StR 99/96, [X.], 338) und können nicht nachgeholt, sondern später lediglich ergänzt oder verdeutlicht werden ([X.], [X.]eschlüsse vom 15. November 1995 - 3 [X.], [X.]; vom 30. April 2015 - 1 [X.], juris Rn. 4; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 63. Aufl., § 45 Rn. 5; [X.]rauer in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 6. Aufl., § 45 Rn. 8). Fehlen die Angaben, ist der Antrag bereits unzulässig (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 20. Juli 2011 - 1 [X.], juris Rn. 5).

Hier beschränkt sich das Vorbringen des Rechtsanwalts in seinem Wiedereinsetzungsantrag vom 7. Oktober 2020 auf die Mitteilung, er sei sich sicher, die Nichtzulassungsbeschwerde am 2. September 2020 versandt zu haben und ihn habe kein Rückläufer erreicht. Eine nähere Schilderung des von ihm behaupteten Versendungsablaufs am 2. September 2020 hat er erst mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2020, d.h. jedenfalls über eine Woche nach seiner Kenntnis von der Versäumung der Nichtzulassungsbeschwerdefrist und damit nach Ablauf der Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 [X.] nachgereicht.

bb) Unabhängig davon hat der Rechtsanwalt auch mit seinem weiteren Vorbringen nicht gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 [X.] i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 1 [X.] glaubhaft gemacht, dass er die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde ohne eigenes Verschulden versäumt hat.

Seine eigene Schilderung der Versendung der [X.]eschwerdeschrift am 2. September 2020 reicht hierfür nicht aus, da die schlichte Erklärung des von der Fristversäumung [X.]etroffenen hierzu regelmäßig und insbesondere auch im vorliegenden Fall nicht genügt (vgl. [X.], [X.]eschlüsse vom 19. Oktober 2010 - 1 [X.], juris Rn. 4 und vom 12. Januar 2012 - 5 StR 462/11, juris Rn. 1; [X.] 41, 332, 339 f.; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 63. Aufl., § 45 Rn. 9). Dass dem Rechtsanwalt außer seiner eigenen Erklärung unverschuldet keine anderen Mittel zur Glaubhaftmachung zur Verfügung stehen und eine Glaubhaftmachung daher ausnahmsweise verzichtbar wäre (vgl. [X.], [X.]eschluss vom 12. Januar 2012 - 5 StR 462/11, juris Rn. 1; [X.] 41, 332, 339 f.), ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. So wurde etwa eine eidesstattliche Versicherung der nach seiner Schilderung mit der Versendung der [X.]eschwerdeschrift betrauten Angestellten nicht vorgelegt.

2. Im Übrigen wäre die Nichtzulassungsbeschwerde aber auch deswegen unzulässig, weil der Rechtsanwalt keine Rechtsfrage ausdrücklich bezeichnet oder in einer Weise angesprochen hat, die den Anforderungen des § 145 Abs. 3 Satz 3 [X.] genügen könnte (vgl. dazu [X.], [X.]eschlüsse vom11. Dezember 1961 - [X.] ([X.]) 6/61, [X.]St 17, 21, 27 f.; vom 20. März 2007 - [X.] ([X.]) 6/06, NJW-RR 2007, 1506 Rn. 9; [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 145 Rn. 9, 11 f.). Auch eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör hat der Rechtsanwalt nicht dargetan.

Limperg     

        

Remmert     

        

Grüneberg

        

Schäfer     

        

Lauer     

        

Meta

AnwSt (B) 1/21

04.05.2021

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof München, 27. Juli 2020, Az: BayAGH II - 2 - 12/20, Urteil

§ 43 BRAO, § 43a Abs 4 BRAO, § 116 Abs 1 S 2 BRAO, § 145 Abs 3 S 1 BRAO, § 45 Abs 1 StPO, § 45 Abs 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 04.05.2021, Az. AnwSt (B) 1/21 (REWIS RS 2021, 6230)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 6230

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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4 StR 336/13

1 StR 135/15

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