Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.07.2004, Az. V ZR 33/04

V. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 2517

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 2. Juli 2004 K a n i k , Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja [X.] §§ 254 Da, 823 Abs. 1 Ac, [X.], [X.], 923

a) Ein [X.]aum ist ein Grenzbaum im Sinne von § 923 [X.], wenn sein Stamm dort, wo er aus dem [X.]oden heraustritt, von der Grundstücksgrenze durchschnitten wird.
b) Jedem Grundstückseigentümer gehört der Teil des [X.], der sich auf seinem Grundstück befindet (vertikal geteiltes Eigentum).
c) Jeder Grundstückseigentümer ist für den ihm gehörenden Teil eines [X.] in demselben Umfang verkehrssicherungspflichtig wie für einen vollständig auf seinem Grundstück stehenden [X.]aum.
d) Verletzt jeder Eigentümer die ihm hinsichtlich des ihm gehörenden Teils eines [X.] obliegende Verkehrssicherungspflicht, ist für den ihnen daraus ent-standenen Schaden eine Haftungsverteilung nach § 254 [X.] vorzunehmen.
[X.], [X.]. v. 2. Juli 2004 - [X.] - [X.]

LG Krefeld - 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juli 2004 durch den Vizepräsidenten des [X.] Dr. [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richte-rin [X.] für Recht erkannt: Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das [X.]eil des 22. Zivilsenats des [X.] vom 16. Januar 2004 aufgehoben und das [X.]eil der 5. Zivilkammer des [X.] vom 3. Juni 2003 abgeändert.

Die [X.]eklagte wird verurteilt, an die Klägerin 48.639,04 • nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem [X.]asiszinssatz seit dem 26. April 2002 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand: Die Parteien sind (Mit-) Eigentümer benachbarter Grundstücke. [X.] teilweise auf der Grundstücksgrenze stand eine alte Steineiche, die seit mehreren Jahren eine verringerte [X.]elaubung sowie totes Holz in der Krone zeigte; außerdem hatte sich rings um den Stamm der Fruchtkörper eines Pilzes (Riesenporling) gebildet. [X.] ließ der (inzwischen verstor-bene) Ehemann der [X.] in dem Teil der [X.]aumkrone, der sich über ihrem Grundstück befand, das tote Holz durch ein Fachunternehmen (Streithelferin der [X.]) entfernen. Weitere [X.]aumpflegemaßnahmen erfolgten weder auf der Grundstücksseite der Klägerin noch auf der der [X.].
Im Dezember 2001 stürzte die Eiche ohne Sturmeinwirkung um und be-schädigte das Wohnhaus der Klägerin erheblich. Diese verlangt aus eige-nem und von ihrem Ehemann abgetretenem Recht von der [X.] [X.], weil sie meint, die [X.]eklagte sei zumindest anteilig für den [X.]aum verkehrssicherungspflichtig gewesen. Das [X.] hat die auf die Verurteilung der [X.] zur Zahlung von [X.] • nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Die [X.]erufung, mit der die Klägerin nur noch die Hälfte der Klageforderung geltend gemacht hat, ist zurückgewiesen worden. Hiergegen richtet sich die in dem [X.]eru-fungsurteil zugelassene Revision der Klägerin. Die [X.]eklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

- 4 - Entscheidungsgründe: [X.] Das [X.]erufungsgericht ist der Ansicht, die Klägerin habe keinen nachbar-rechtlichen Ausgleichsanspruch. Die umgestürzte Eiche sei ein Grenzbaum gewesen. Die Klägerin habe von der [X.] jederzeit seine [X.]eseitigung verlangen können und sei deshalb keinem Duldungszwang ausgesetzt ge-wesen. Auch ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der [X.] bestehe nicht. Die [X.]eklagte sei zwar aufgrund ihres Mitei-gentums an der Eiche verpflichtet gewesen, den [X.]aum auf Krankheitsbefall und Gefahr durch Windbruch und [X.] zu überwachen sowie bei Anzeichen für eine Erkrankung dessen Standfestigkeit untersuchen zu lassen. Diese Pflicht bestünde auch zugunsten der Eigentümer von [X.]. Obwohl die [X.]eklagte dieser Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen sei, scheide ihre Haftung aus, weil die Klägerin und ihr Ehemann in gleichem Maße verkehrssicherungspflichtig gewesen und dieser Pflicht ebenfalls nicht nachgekommen seien. Denn die Verkehrssicherungspflicht bestehe nur ge-genüber Dritten, zu denen der Verpflichtete selbst nicht gehöre, und nicht zwischen gleichrangig Verkehrssicherungspflichtigen. Daß die [X.]eklagte bzw. ihr Ehemann durch die 1996 vorgenommene Auslichtung der [X.]aumkrone eine Seitenlastigkeit herbeigeführt und damit die Fallrichtung des [X.]aumes auf das Grundstück der Klägerin vorgegeben haben, wirke sich nicht zugun-sten der Klägerin aus. Die Maßnahme sei zwar ursächlich für den Schaden geworden, der aber weder voraussehbar noch vermeidbar gewesen sei; vielmehr habe es sich um eine gewöhnliche [X.]aumpflegemaßnahme gehan-delt. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Streithelferin sei der [X.]aum zudem fachgerecht beschnitten worden; er habe damals keinerlei äußerlich [X.] 5 - bare Anzeichen für einen Pilzbefall aufgewiesen. Demgegenüber sei nicht hinreichend ersichtlich oder dargelegt, daß die einseitige [X.]eschneidung des [X.]aumes das Haus der Klägerin gefährdet habe.

Das hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

I[X.]
1. Ob das [X.]erufungsgericht zu Recht einen verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 [X.] analog verneint hat, kann dahingestellt bleiben; denn der Klägerin steht gegen die [X.] ein dem vorgehender (Senat, [X.] 120, 239, 249) deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch zu.

2. Die [X.]eklagte und ihr Ehemann haben die ihnen hinsichtlich des um-gestürzten [X.]aumes obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt; die [X.]eklagte ist deshalb nach § 823 Abs. 1 [X.] dem Grunde nach zum Ersatz des der Klä-gerin dadurch entstandenen Schadens verpflichtet. Daß auch die Klägerin und ihr Ehemann hinsichtlich des [X.]aumes verkehrssicherungspflichtig waren, läßt - entgegen der Auffassung des [X.]erufungsgerichts - die Haftung der [X.] nicht entfallen.

a) Der Eigentümer eines Grundstücks hat im Rahmen des Möglichen dafür zu sorgen, daß von dort stehenden [X.]äumen keine Gefahr für andere aus-geht, der [X.]aumbestand vielmehr so angelegt ist, daß er im Rahmen des nach forstwissenschaftlichen Erkenntnissen Möglichen gegen Windbruch und [X.] 6 - wurf, insbesondere aber auch gegen Umstürzen aufgrund fehlender Standfe-stigkeit gesichert ist (Senat, [X.]. v. 21. März 2003, [X.], NJW 2003, 1732, 1733). Diese Verkehrssicherungspflicht haben die [X.]eklagte und ihr [X.] verletzt.

[X.]) Zweifelhaft ist bereits der Ansatz des [X.]erufungsgerichts, daß bei bestehendem Miteigentum eine Haftung der Eigentümer untereinander für Schäden, die auf die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zurückzufüh-ren sind, ausscheide. Das berücksichtigt nicht, daß sich aus dem Gemein-schaftsverhältnis (§§ 741 ff. [X.]) etwas anderes ergeben kann. Aber darauf kommt es hier nicht an, weil die Parteien nicht Miteigentümer, sondern [X.] des später umgestürzten [X.]aumes waren.

[X.]) Die [X.]eklagte und ihr Ehemann waren Eigentümer des Grundstücks, auf dem der [X.]aum bis zum Umstürzen teilweise stand. Damit waren sie auch Eigentümer des auf ihrem Grundstück stehenden Teils des [X.]aumes.

(1) Die umgestürzte Eiche war ein Grenzbaum im Sinne des § 923 [X.], weil sie mit ihrem Stamm auf der Grundstücksgrenze stand. Das gilt [X.] davon, ob diese Situation bereits im Zeitpunkt des [X.] oder natür-lichen Aufwuchses vorhanden war; unerheblich ist auch, auf welchem der bei-den Grundstücke sich das Wurzelwerk befand. Entscheidend ist allein, daß der Stamm des [X.]aumes - und zwar dort, wo er aus dem [X.]oden heraustrat - von der Grenze durchschnitten wurde ([X.], NJW-RR 1992, 1369; Münch-Komm-[X.]/[X.], 4. Aufl., § 923 Rdn. 2; [X.]/[X.], [X.], 63. Aufl., § 923 Rdn. 1; [X.]/[X.], [X.] [2002], § 923 Rdn. 2; ebenso für die ein-zelnen Pflanzen einer Hecke als Grenzeinrichtung: Senat, [X.] 143, 1, 4). - 7 -

(2) Die Eigentumsverhältnisse an einem Grenzbaum, der noch nicht ge-fällt ist, werden unterschiedlich beurteilt. Nach einer Auffassung - der das [X.] ohne weiteres folgt - steht der [X.]aum im Miteigentum der beiden Grundstückseigentümer zu gleichen Teilen ([X.], [X.], 973; MünchKomm-[X.]/[X.], [X.]O, Rdn. 1; [X.]/[X.]/[X.], Nachbarrecht im [X.] [ohne [X.]], 5. Aufl., § 12; [X.], Nachbarrecht, 7. Aufl., [X.] § 2 II, § 12; Laibling, [X.] 1994, 28). Nach anderer Auffassung besteht vertikal geteiltes Eigentum in dem Sinn, daß jedem Grundstückseigentümer der Teil des [X.]aumes gehört, der sich auf seinem Grundstück befindet ([X.], [X.] 1994, 197; [X.]-RGRK/[X.], 12. Aufl., § 923 Rdn. 3; Pa-landt/[X.], [X.]O; Soergel/[X.], [X.], 13. Aufl., § 923 Rdn. 1; [X.]/[X.], [X.]O, Rdn. 4; für die einzelnen Pflanzen einer Hecke als Grenzein-richtung: ebenso [X.], [X.] 1978, 190, 191; offen gelassen von Senat, [X.] 143, 1, 8). Dem schließt sich der Senat an. Nach dem Wortlaut des Gesetzes gebührt erst der gefällte [X.]aum den Nachbarn zu gleichen Teilen (§ 923 Abs. 1 [X.]). Diese Regelung wäre überflüssig, wenn dieselbe [X.] bereits vorher bestünde. Das wird durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt. Der Gesetzgeber ging davon aus, daß vor dem Fällen des [X.]aumes kein Miteigentum besteht ([X.] III, 278), sondern der Grundsatz der vertikalen Eigentumsteilung gilt ([X.]/[X.], [X.]O, § 923 Rdn. 1). Diese Sicht steht nicht im Wertungswiderspruch zu § 93 [X.] (so aber MünchKomm-[X.]/[X.], [X.]O), sondern räumt dem § 94 Abs. 1 [X.] insoweit Vorrang ein und dient damit der Herstellung klarer Rechtsverhältnisse (vgl. Senat, [X.]. v. 27. September 1978, [X.], NJW 1979, 712). Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, daß von dem gesamten [X.]aum - z.[X.]. infolge man-gelnder Standfestigkeit - Gefährdungen ausgehen können, die einer der beiden - 8 - Eigentümer allein nicht beseitigen kann. In diesem Fall hat jeder Eigentümer die Möglichkeit, von dem anderen das Fällen des [X.]aumes zu verlangen (§ 923 Abs. 2 Satz 1 [X.]).

cc) Als Eigentümer eines Teils des [X.] waren die [X.]eklagte und ihr Ehemann für diesen Teil in demselben Umfang verkehrssicherungs-pflichtig wie für einen vollständig auf ihrem Grundstück stehenden [X.]aum. Sie mußten deshalb die nach dem jeweiligen Stand der Erfahrungen und Technik als geeignet und genügend erscheinenden Sicherungen treffen, also den [X.] vorbeugend Rechnung tragen, die nach der Einsicht eines besonnenen, verständigen und gewissenhaften Menschen erkennbar sind, und diejenigen Maßnahmen ergreifen, die zur [X.] objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben zumutbar sind ([X.], [X.]. v. 21. Januar 1965, [X.], NJW 1965, 815). Danach waren sie u.a. verpflichtet, den Grenz-baum in angemessenen Abständen auf Krankheitsbefall zu überwachen ([X.], [X.]. v. 30. Oktober 1973, [X.], [X.], 88, 89). Wie oft und in welcher Intensität solche [X.]aumkontrollen durchzuführen sind, läßt sich nicht generell beantworten. Ihre Häufigkeit und ihr Umfang sind von dem Alter und Zustand des [X.]aumes sowie seinem Standort abhängig ([X.]reloer, [X.], 3, 8). Werden dabei Anzeichen erkannt, die nach der Erfah-rung auf eine besondere Gefahr durch den [X.]aum hinweisen, ist eine einge-hende Untersuchung vorzunehmen; solche Anzeichen können trockenes Laub, dürre Äste oder verdorrte Teile, Pilzbefall, äußere Verletzungen oder [X.]eschä-digungen, hohes Alter des [X.]aumes, sein Erhaltungszustand, die Eigenart sei-ner Stellung und sein statischer Aufbau sein ([X.], [X.]. v. 21. Januar 1965, [X.]O). Das haben die [X.]eklagte und ihr Ehemann nicht beachtet, obwohl die [X.] nach den Feststellungen des [X.]erufungsgerichts seit mehreren Jahren eine - 9 - Fruchtkörperbildung des Riesenporlings rings um den Stamm, verringerte [X.]e-laubung sowie Totholz in der Krone zeigte. Damit war für die [X.]eklagte und ih-ren Ehemann eine Erkrankung des [X.]aumes erkennbar. Da die [X.] auch an dem ihnen gehörenden [X.]aumteil vorhanden waren, hätten sie eine fachmännische Untersuchung veranlassen müssen. Dabei wäre die man-gelnde Standfestigkeit erkannt worden, so daß rechtzeitig geeignete Maßnah-men gegen ein plötzliches Umstürzen hätten ergriffen werden können. Davor haben die [X.]eklagte und ihr Ehemann die Augen verschlossen, indem sie ledig-lich im Jahr 1996 Totholz aus der [X.]aumkrone haben entfernen lassen, ohne später den Zustand des [X.]aumes zu kontrollieren und untersuchen zu lassen. Damit haben sie die [X.]eschädigung des Nachbargrundstücks in [X.]. Das gilt auch für den Fall, daß der die Grundstücke der Parteien [X.] den von der [X.] behaupteten Verlauf gehabt hat, so daß der [X.]aum nach dem äußeren Erscheinungsbild auf dem Grundstück der Klägerin stand. Denn die [X.]eklagte hat sich lediglich darauf berufen, wegen des [X.] habe sie nicht um den [X.]aum herumgehen und sein Wurzelwerk unter-suchen können; daß der [X.]aum auf der Grundstücksgrenze stand, hat sie be-reits in ihrer Klageerwiderung eingeräumt.

b) Somit ist die [X.]eklagte der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet. Sie muß allerdings nicht den gesamten Schaden ersetzen, sondern nur die Hälfte.

[X.]) Die Klägerin und ihr Ehemann waren zwar als Eigentümer des auf ihrem Grundstück befindlichen Teils des [X.]aumes für diesen ebenfalls [X.]. Darauf kommt es hier aber für die Haftungsverteilung nicht an, weil der umgestürzte [X.]aum nicht im gemeinschaftlichen Eigentum der - 10 - Grundstückseigentümer stand. Die von dem [X.]erufungsgericht aufgeworfene Frage, ob sich derjenige, dem die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich einer Sache obliegt, auf die Verletzung der Sicherungspflicht durch den hinsichtlich derselben Sache (gleichrangig) Verkehrssicherungspflichtigen berufen kann (grundsätzlich verneinend [X.], [X.], 1299), stellt sich deshalb nicht; denn wegen des [X.] jedes Grundstückseigentümers an ei-nem Teil des [X.]aumes sind beide Eigentümer wie jeder Dritte in den Schutzbe-reich der Verkehrssicherungspflicht einbezogen, die dem jeweils anderen Ei-gentümer hinsichtlich des ihm gehörenden Teils des [X.]aumes obliegt.

[X.]) Indem die Klägerin und ihr Ehemann den für sie ebenfalls erkennba-ren Krankheitsanzeichen an dem ihnen gehörenden [X.]aumteil keine [X.]eachtung geschenkt und damit letztlich die [X.]eschädigung ihres Hauses in [X.] haben, trifft sie eine Mitverantwortung für den eingetretenen Schaden. In welchem Umfang sich das auf ihren Ersatzanspruch gegen die [X.]eklagte [X.], ist nach § 254 [X.] zu beurteilen. Da die Rechtsprechung eine Selbstge-fährdung und Selbstbeschädigung nicht verbietet, geht es im Rahmen dieser Vorschrift nicht um eine rechtswidrige Verletzung einer gegenüber einem ande-ren oder gegenüber der Allgemeinheit bestehenden Rechtspflicht, sondern nur um einen Verstoß gegen Gebote der eigenen Interessenwahrnehmung, der Verletzung einer sich selbst gegenüber bestehenden "Obliegenheit"; sie beruht auf der Überlegung, daß jemand, der diejenige Sorgfalt außer acht läßt, die nach Lage der Sache erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, auch den Verlust oder die Kürzung seiner Ansprüche hinnehmen muß, weil es im Verhältnis zwischen Schädiger und Geschädigtem unbillig er-scheint, daß jemand für den von ihm erlittenen Schaden trotz eigener Mitver-antwortung vollen Ersatz fordert (Senat, [X.] 135, 235, 240 m.w.[X.]). - 11 -

cc) Da hinsichtlich des Maßes der Verursachung, in welchem die [X.]etei-ligten zur Schadensentstehung beigetragen haben, und des beiderseitigen Verschuldens weitere Feststellungen weder erforderlich noch zu erwarten sind, kann der Senat die nach § 254 Abs. 1 [X.] erforderliche Abwägung selbst vor-nehmen. Das führt zu einer Schadensteilung.

(1) Die Klägerin und ihr Ehemann haben das Umstürzen der Eiche durch die unterbliebenen Kontrollen und Untersuchungen in demselben Maß [X.] wie die [X.]eklagte und ihr Ehemann. Das Auslichten der [X.]aumkrone im Jahr 1996 wirkt sich - entgegen der Auffassung der Revision - nicht zu Lasten der [X.] aus. Zwar war damit die spätere Fallrichtung des [X.]aumes vor-gegeben; aber das allein hat, worauf es für die Haftungsverteilung entscheidend ankommt, den Eintritt des Schadens nicht in wesentlich höherem Maß wahrscheinlich gemacht (vgl. [X.], [X.]. v. 20. Januar 1998, [X.], NJW 1998, 1137, 1138). Denn dem steht zum einen gegenüber, daß die Klägerin und ihr Ehemann jegliche [X.]aumpflegemaßnahmen wie das Auslichten der Krone auf ihrer Grundstücksseite unterlassen haben; erst dadurch ist es zu der einseitigen Lastigkeit des [X.]aumes gekommen. Zum anderen hat das Auslichten unstreitig keinen Einfluß auf die fehlende Standfestigkeit und damit auf das Umstürzen des [X.]aumes gehabt.

(2) Der Verschuldensanteil der [X.]eteiligten ist ebenfalls gleich hoch zu bewerten. [X.]eide Grundstückseigentümer konnten die jeweils auf der ihnen ge-hörenden [X.]aumseite vorhandenen Krankheitszeichen erkennen; beide haben die deshalb notwendigen Überwachungs- und Untersuchungsmaßnahmen nicht durchgeführt. Ein Fällen des [X.]aumes wurde nicht verlangt (§ 923 Abs. 2 - 12 - Satz 1 [X.]). Das Auslichten der [X.]aumkrone im [X.]ereich des Grundstücks der [X.] war nicht pflichtwidrig, sondern eine ordnungsgemäßer [X.]ewirtschaf-tung
- 13 - entsprechende Pflegemaßnahme. Die mangelnde Standfestigkeit des [X.]aumes war für keinen der Eigentümer, sondern nur für einen Fachmann erkennbar.

[X.] Tropf Lemke

[X.]

Meta

V ZR 33/04

02.07.2004

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.07.2004, Az. V ZR 33/04 (REWIS RS 2004, 2517)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 2517

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen
Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.