Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2004, Az. 4 StR 199/04

4. Strafsenat | REWIS RS 2004, 1743

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES Urteil 4 [X.] vom 9. September 2004 in der Strafsache gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 9. September 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende [X.]in am [X.] [X.],

[X.] am [X.] Maatz, Prof. Dr. [X.], [X.], [X.]in am [X.] Sost-Scheible

als beisitzende [X.],

Staatsanwalt

als Vertreter der [X.],

Rechtsanwalt

als Verteidiger,

Rechtsanwalt

als Nebenkläger-Vertreter, Justizangestellte

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt: - 3 - 1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 26. November 2003 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere - allgemeine -Strafkammer
des [X.]s zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten der gefährlichen Körperverlet-zung, begangen zum Nachteil des [X.] [X.] [X.]

, für schuldig befunden und ihn zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision, die sie wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Das - vom [X.] ver-tretene - Rechtsmittel hat Erfolg. [X.] 1. Nach den Feststellungen traf der - bereits alkoholisierte - Angeklagte in der Nacht zum 1. Juni 2003 in der Diskothek "M.

" auf den mit ihm - 4 - flüchtig bekannten Nebenkläger, der sich in Begleitung seiner Nachbarin [X.]befand. [X.] war in sie verliebt und reagierte entspre-chend eifersüchtig, als er im Laufe des Abends bemerkte, daß es zwischen dem Angeklagten und [X.] —[X.] hatte. Er verließ deshalb [X.] die Diskothek, tauchte aber einige [X.] später wieder auf, worauf es zwi-schen beiden zu einer verbalen Auseinandersetzung kam, obwohl der Ange-klagte keinen Streit wollte. Beide trennten sich schließlich und der Angeklagte fuhr mit dem Taxi nach Hause. Dort überkam ihn wegen des Geschehens plötz-lich eine "ungeheure Wut". Er nahm sich aus der Küche drei Messer mit [X.] zwischen 11 und 20 cm und ging, mit diesen Messern bewaffnet, zur Wohnung des [X.]. Dort wartete er auf der gegenüberliegenden Straßenseite, bis der Nebenkläger mit einem Taxi erschien. Als dieser [X.], näherte sich ihm der Angeklagte, dessen [X.] in diesem [X.]punkt 2,43 › betrug, unbemerkt. "In diesem Augenblick wollte er [X.] [X.] töten. Er rief nur '[X.]'. [X.]drehte sich um. Sofort stach der Angeklagte auf ihn ein" ([X.]). [X.] war durch den Stich zwar verletzt, fühlte aber noch keinen Schmerz und bewegte sich rückwärts in Richtung einer Trinkhalle. Der Angeklagte verfolgte ihn über 50 Meter und stach dabei weiter auf ihn ein. [X.] äußerte er: "Ich stech' Dich ab, das wird meine Perle". Schließlich ließ der Angeklagte von ihm ab und gab seinen Tötungsvorsatz auf. [X.] [X.]war schwer verletzt. Der Angeklagte erkannte das nicht, weil dieser wegrannte. Dem Nebenkläger gelang es, mit seinem Mobiltelefon den Polizeinotruf zu betätigen. Die darauf erschienenen Polizeibeamten fanden auf einen Hin-weis des [X.] auch den Angeklagten in der Nähe auf einer Mauerbe-grenzung sitzend vor, von wo aus er die Beamten auf sich aufmerksam machte; er war "fassungslos über sein eigenes Verhalten". - 5 - [X.] erlitt drei lebensgefährliche Stichverletzungen in Bauch und Brust. Er konnte nur durch eine Notoperation gerettet werden. [X.] waren drei Operationen erforderlich. [X.] befand sich drei Wochen in stationärer Behandlung im Krankenhaus und anschließend zur Weiterbehandlung in einer Reha-Klinik. Er ist immer noch stark belastet und nicht arbeitsfähig. 2. Das [X.] hat einen strafbefreienden Rücktritt vom unbeende-ten Versuch eines Tötungsdelikts angenommen und den Angeklagten deshalb lediglich der gefährlichen Körperverletzung nach den Tatvarianten der [X.] 2 und 5 des § 224 Abs. 1 StGB für schuldig befunden. Es hat - sachver-ständig beraten - eine alkoholbedingt erheblich verminderte Steuerungsfähig-keit des Angeklagten bejaht und deshalb bei der Strafbemessung den Regel-strafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemildert. Diesen so gemilderten Strafrahmen hat es sodann [X.] gemäß §§ 46 a Nr. 2, 49 Abs. 1 StGB gemildert, weil der Angeklagte, der "den Prozeß dazu nutzen (wollte), sich bei [X.] [X.] zu entschuldigen", "ein Darlehen in Höhe von 5.000 Euro bei seiner Mutter aufgenommen und dieses Geld im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs als Erstzahlung an [X.]

gezahlt" hat ([X.]). I[X.] 1. Der Strafausspruch hat keinen Bestand, weil die doppelte Strafrah-menmilderung durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet. Die Staatsan-waltschaft rügt mit ihrer Revision zu Recht, daß die Voraussetzungen für einen - 6 - erfolgreichen Täter-Opfer-Ausgleich (§ 46 a StGB) nicht hinreichend dargetan sind.
a) Das [X.] geht davon aus, daß die Voraussetzungen des § 46 a Nr. 2 StGB gegeben seien, weil der Angeklagte 5.000 Euro gezahlt und [X.], "auch wenn dies noch keine vollständige Leistung auf den [X.] ist" ([X.]), angesichts seiner sonstigen hohen Verschuldung eine erhebliche persönliche Leistung erbracht habe, zumal er für die Zahlung an den Geschädigten einen zurückzuzahlenden "Kredit bei seiner Mutter" habe aufnehmen müssen. Die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen allein ge-nügt jedoch nicht, um die durch § 46 a StGB eröffnete Strafrahmenmilderung zu rechtfertigen (BGHR StGB § 46 a Wiedergutmachung 5). Das gilt hier umso mehr, als die Zahlung von 5.000 Euro angesichts der Schwere der [X.] und der Folgen der Tat für das Opfer dessen berechtigten Ansprüchen auch nicht annähernd gerecht wird und diese Art der Schadenswiedergutma-chung schon deshalb eine friedensstiftende Wirkung, wie sie § 46 a StGB vor-aussetzt, nicht entfalten kann.
b) Im übrigen hat das [X.] nicht bedacht, daß § 46 a Nr. 2 StGB den materiellen Schadensersatz betrifft, während sich der für eine Strafrah-menmilderung erforderliche Ausgleich der immateriellen Folgen einer Straftat, um die es hier vor allem geht (Schmerzensgeldanspruch), jedenfalls vorrangig nach Nr. 1 des § 46 a StGB bestimmt (vgl. BGHR StGB § 46 a Nr. 1 Ausgleich 1). Diese Vorschrift setzt einen kommunikativen Prozeß zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftaten verursachten Folgen gerichtet sein muß; das einseitige Wiedergutmachungs-bestreben ohne den Versuch einer Einbeziehung des Opfers genügt nicht - 7 - (BGHSt 48, 134, 142 f.; BGHR StGB § 46 a Nr. 1 Ausgleich 5). Regelmäßig sind dazu Feststellungen erforderlich, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des [X.] gestellt hat und wie sicher die Erfüllung der über den bisher gezahl-ten Betrag hinausgehenden weiteren Schmerzensgeldzahlungsverpflichtung ist (BGHR aaO Ausgleich 6). Derartige Feststellungen hat das [X.] nicht getroffen. Sie waren auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Denn ein erfolg-reicher Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne von § 46 a Nr. 1 StGB setzt [X.] voraus, daß das Opfer die erbrachten Leistungen oder Bemühungen des [X.] als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert. Daß dies hier der Fall ist, kann auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnommen werden. Dagegen könnte sogar sprechen, daß sich das vom Angeklagten ge-zahlte Geld nicht bei dem Nebenkläger, sondern auf einem Treuhandkonto [X.] Prozeßbevollmächtigten befindet.
Über den Strafausspruch ist deshalb erneut zu befinden. 2. Im übrigen deckt die Überprüfung des Urteils zum Strafausspruch ei-nen Rechtsfehler weder zu Gunsten noch [X.] was der Senat gemäß § 301 StPO zu beachten hat [X.] zum Nachteil des Angeklagten auf. Insbesondere hat das Schwurgericht entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin neben den Tatmodalitäten der [X.]. 2 und 5 des § 224 Abs. 1 StGB zu Recht nicht auch die Nr. 3 der Vorschrift ("mittels eines hinterlistigen Überfalls") angewandt. [X.] setzt voraus, daß der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung seiner wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um dadurch dem Gegner die Ab-wehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach Möglichkeit auszuschließen (st. Rspr.; BGHR StGB § 223 a StGB Hinterlist 1 m.w.N.; [X.], 93). Ein solches planmäßig - 8 - auf Verdeckung ausgerichtetes Verhalten des Angeklagten kann den vom [X.] getroffenen Feststellungen nicht entnommen werden. Indem der Angeklagte sich [X.] —unbemerkt von hinten oder seitlich ([X.] ([X.]) und auf ihn sofort einstach, nachdem sich dieser auf seinen Zuruf umge-dreht hatte, hat der Angeklagte für den Angriff lediglich das [X.] ausgenutzt. Das genügt aber für Hinterlist im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht (st. Rspr.; Senatsurteil vom 4. März 2004 [X.] 4 [X.]; [X.] in [X.]/[X.] StGB 26. Aufl. § 224 Rn. 10 m.w.N.). II[X.] Der Senat verweist die Sache an eine allgemeine Strafkammer des [X.]s zurück, nachdem das Verfahren nicht mehr eine die Zuständigkeit des Schwurgerichts betreffende Straftat zum Gegenstand hat. Tepperwien

Maatz [X.]

[X.]

Sost-Scheible

Meta

4 StR 199/04

09.09.2004

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.09.2004, Az. 4 StR 199/04 (REWIS RS 2004, 1743)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 1743

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