Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.07.2017, Az. IV R 34/14

4. Senat | REWIS RS 2017, 8019

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Gegenstand

Bildung einer Rückstellung für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen - Klagebefugnis bei einheitlich und gesonderter Feststellung


Leitsatz

1. NV: Die Abzinsung einer Rückstellung für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen richtet sich gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e Satz 2 EStG nach dem Zeitraum bis zur erstmaligen Erfüllung der Sachleistungspflicht. Diesen hat der Steuerpflichtige darzulegen und mit Stichproben zu belegen (Anschluss an BFH-Urteil vom 12. Dezember 2013 X R 25/11, BFHE 244, 309, BStBl II 2014, 517) .

2. NV: Der Ermittlung des Zeitaufwands für die Betreuung pro Vertrag und Jahr kommt auch im Hinblick auf den gegenüber einer Abzinsung über die jeweilige Vertragsdauer verkürzten Abzinsungszeitraum nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e Satz 2 EStG und einen daraus folgenden höheren Barwert entscheidende Bedeutung zu .

Tenor

Auf die Revisionen des Beklagten und der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 13. Juni 2013 13 K 4827/08 F aufgehoben.

Die Sache wird an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin, Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine OHG, betreibt als selbständige Handelsvertreterin eine Geschäftsstelle der [X.]. Je zur Hälfte an der Klägerin beteiligte Gesellschafter sind [X.] (geboren 1962) und [X.] (geboren 1958).

2

Die Geschäftsstelle wurde ursprünglich vom [X.]ater des [X.], [X.], als alleinigem Inhaber geführt. Durch einen im Januar 1983 mit der (damaligen) [X.] ([X.]) geschlossenen [X.]ertrag erhielt [X.] als Einzelunternehmer eine [X.]estellung als weiterer Geschäftsstellenleiter. Unter Nr. 3 [X.]uchst. b dieses [X.]ertrags verpflichtete sich [X.], "neue [X.]ersicherungen zu vermitteln, den [X.]ersicherungsbestand zu pflegen und zu erhalten". Gegenstand des [X.]ertrags waren außerdem Provisionsbestimmungen der [X.], in denen ausschließlich eine einmalige [X.]bschlussprovision vorgesehen war. In Nr. 13 des [X.]ertrags war als [X.]eendigung spätestens der [X.]blauf des Jahres vorgesehen, in dem der Geschäftsstellenleiter das 65. Lebensjahr vollendet; eine [X.]ertragsverlängerung war möglich.

3

Im [X.]ugust 1988 schloss auch [X.] als Einzelunternehmer einen bezüglich der o.g. [X.]estimmungen inhaltsgleichen [X.]ertrag ab, durch den er zum Geschäftsstellenleiter bestellt wurde.

4

Die Klägerin wurde durch [X.]ertrag vom 23. Dezember 1993 zwischen [X.], [X.] und dem noch vor den Streitjahren (2004 und 2005) ausgetretenen [X.] gegründet. In der Präambel des Gesellschaftsvertrags ist ausgeführt: "Die Herren [[X.]] und [[X.]] geben ihre Selbständigkeit auf." In § 4 des [X.]ertrags ist u.a. geregelt, dass jeder Partner "seine volle [X.]rbeitskraft ausschließlich der Gesellschaft zur gemeinsamen [X.]erufsausübung zu widmen" habe.

5

In ihrer auf den 31. Dezember 2004 aufgestellten [X.]ilanz bildete die Klägerin eine Rückstellung in Höhe von 162.013 € für die Nachbetreuung von [X.], die sie in der auf den 31. Dezember 2005 aufgestellten [X.]ilanz um weitere 5.171 € auf 167.184 € erhöhte. Entsprechend den eingereichten Feststellungserklärungen erließ der [X.]eklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --F[X.]--) insoweit erklärungsgemäße, unter dem [X.]orbehalt der Nachprüfung stehende [X.]escheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von [X.]esteuerungsgrundlagen 2004 vom 1. September 2006 und 2005 vom 24. [X.]ugust 2007, in denen der Gewinn 2004 in Höhe von ... € und 2005 in Höhe von ... € festgestellt wurde.

6

Nach Durchführung einer [X.]ußenprüfung erkannte das F[X.] die Rückstellung für die Nachbetreuung der [X.]ersicherungsverträge nicht mehr an. In seinen gemäß § 164 [X.]bs. 2 der [X.]bgabenordnung geänderten Gewinnfeststellungsbescheiden 2004 und 2005 vom 5. September 2007 stellte es die Einkünfte der Klägerin auf ... € (2004) und ... € (2005) fest und hob den [X.]orbehalt der Nachprüfung auf. Diese [X.]eträge wurden durch Hinzurechnung der Rückstellung in Höhe von 162.013 € (2004) bzw. 5.171 € (2005) und [X.]bzug einer erhöhten Gewerbesteuer-Rückstellung in Höhe von 30.782 € (2004) bzw. 982 € (2005) ermittelt.

7

Der hiergegen unter [X.]erufung auf das Urteil des [X.]undesfinanzhofs ([X.]FH) vom 28. Juli 2004 XI R 63/03 ([X.]FHE 207, 205, [X.]St[X.]l II 2006, 866) eingelegte Einspruch blieb erfolglos. In seiner Einspruchsentscheidung vom 17. November 2008 führte das F[X.] aus, das vorgenannte Urteil dürfe aufgrund eines "Nichtanwendungserlasses" des [X.]undesministeriums der Finanzen vom 28. November 2006 nicht angewendet werden. Im Übrigen habe die Klägerin auch nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die [X.]oraussetzungen zur [X.]ildung einer Rückstellung tatsächlich vorlägen. Weder habe sie dargelegt, dass mit den erhaltenen [X.]ertragsprovisionen bereits [X.]ufwendungen für die [X.]estandspflege abgegolten worden seien und kein [X.]nspruch auf Folgeprovisionen bestehe, noch sei ein Erfüllungsrückstand erkennbar. [X.]ußerdem seien aus den vorgelegten [X.]ilanzen diverse Folgeprovisionen ersichtlich. Es seien Erlöse für die "Kommissarische [X.]etreuung" und "[X.]" für den Innen- und [X.]ußendienst gebucht worden. [X.]ußerdem seien allgemein Schadensregulierungsvergütungen gezahlt worden. Es sei nicht erkennbar, in welchem Umfang daneben noch nicht vergütete [X.]estandspflegekosten entstehen könnten.

8

Die Klage, mit der die Klägerin die [X.]erücksichtigung einer Rückstellung in Höhe von 109.496,40 € (2004) bzw. 110.619,60 € (2005) beantragte und u.a. geltend machte, dass bei den [X.] ein zur [X.]ildung einer Rückstellung berechtigender Erfüllungsrückstand bestehe, hielt das Finanzgericht ([X.]) Münster in seinem Urteil vom 13. Juni 2013  13 K 4827/08 F für teilweise begründet. Das F[X.] habe zu Unrecht die [X.]ildung einer Rückstellung für zukünftige [X.]ufwendungen aus der Nachbetreuung von [X.]ersicherungsverträgen versagt. Die Klägerin sei dem Grunde und in dem vom [X.] erkannten Umfang auch der Höhe nach zur [X.]ildung einer Rückstellung berechtigt.

9

Hiergegen wendet sich das F[X.] mit seiner Revision. Es rügt eine [X.]erletzung von § 5 [X.]bs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren gültigen Fassung (EStG) i.[X.].m. § 249 des Handelsgesetzbuchs in der in den Streitjahren gültigen Fassung (HG[X.] a.F.). Im Übrigen habe das [X.] es versäumt, [X.] und [X.] beizuladen, weil eine Rückstellung allenfalls in deren Sonderbetriebsvermögen habe gebildet werden dürfen.

Das F[X.] beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen, die [X.]orentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision des F[X.] zurückzuweisen und unter teilweiser [X.]ufhebung der [X.]orentscheidung, soweit sie die Klage abgewiesen hat, die geänderten [X.] und 2005 vom 5. September 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. November 2008 dahin zu ändern, dass eine Rückstellung in Höhe von 76.995 € (2004) bzw. in Höhe von 81.103 € (2005) berücksichtigt wird.

Mit ihrer innerhalb der einmonatigen Frist nach § 116 [X.]bs. 7 Satz 2 i.[X.].m. § 120 [X.]bs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) eingelegten Revision rügt sie eine [X.]erletzung von § 96 [X.]bs. 1 und [X.]bs. 2 [X.]O und einen [X.]erstoß gegen den klaren Inhalt der [X.]kten und beanstandet dabei die vom [X.] vorgenommene Kürzung des Stundensatzes der die [X.]etreuung leistenden Mitarbeiter sowie die pauschale Kürzung des künftigen [X.]etreuungsaufwands um 10 %. [X.]ei einem Stundensatz von 15,59 € und ohne [X.]bschlag ergebe sich ein [X.]etreuungsaufwand und damit eine Rückstellung 2004 in Höhe von 76.995 € (4 935,62 Stunden x 15,60 €) und 2005 in Höhe von 81.103 € (5 198,95 Stunden x 15,60 €).

Entscheidungsgründe

II. Die Revisionen des [X.] und der Klägerin sind begründet; sie führen zur [X.]ufhebung der [X.]orentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur anderweitigen [X.]erhandlung und Entscheidung (§ 126 [X.]bs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O).

1. Die Revision (auch) der Klägerin ist statthaft, denn die Zulassung der Revision --hier durch den erkennenden Senat-- wirkt zugunsten aller [X.]eteiligter (z.[X.]. [X.]FH-Urteil vom 31. Mai 1989 II R 110/87, [X.] 156, 566, [X.]St[X.]l II 1989, 733, m.w.[X.]). Sie ist auch fristgerecht (§ 116 [X.]bs. 7 Satz 2 i.[X.].m. § 120 [X.]bs. 1 Satz 1 und [X.]bs. 2 [X.]O) eingelegt und begründet worden.

2. Das [X.] hat entgegen der [X.]nsicht des [X.] keine [X.]eiladung von [X.] und [X.] versäumt.

a) Sind an einem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie nach § 60 [X.]bs. 3 Satz 1 [X.]O notwendig beizuladen. Klagen nicht alle von mehreren nach § 48 [X.]O Klagebefugten, müssen deshalb die übrigen Klagebefugten mit [X.]usnahme solcher klagebefugter Personen, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt von dem [X.]usgang des Rechtsstreits betroffen sind, zum [X.]erfahren beigeladen werden (z.[X.]. [X.] vom 20. Februar 2009 I[X.] R 61/06, m.w.[X.]). Gegen einen [X.]escheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte einer Mitunternehmerschaft kann --neben der Personengesellschaft in Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter (§ 48 [X.]bs. 1 Nr. 1 [X.]lternative 1 [X.]O)-- nach § 48 [X.]bs. 1 Nr. 5 [X.]O jeder [X.]eteiligte hinsichtlich einer Frage, die ihn persönlich angeht, Klage erheben. [X.]etrifft der [X.]escheid Einkünfte im Zusammenhang mit einem Wirtschaftsgut des Sonderbetriebsvermögens, sind die Mitunternehmer persönlich betroffen, in deren Eigentum das betreffende Wirtschaftsgut steht (z.[X.]. [X.] vom 20. Februar 2009 I[X.] R 61/06).

b) Der --soweit ersichtlich-- erstmals im Revisionsverfahren vorgebrachte Einwand des [X.], dass eine Rückstellung allenfalls im Sonderbetriebsvermögen des [X.] habe gebildet werden dürfen, rechtfertigt keine [X.]eiladung der in den Streitjahren an der Klägerin beteiligten Gesellschafter. Denn nach ständiger Rechtsprechung (z.[X.]. [X.]FH-Urteil vom 28. Mai 2015 I[X.] R 26/12, [X.] 249, 536, [X.]St[X.]l II 2015, 797, Rz 17, m.w.[X.]) kann ein Gewinnfeststellungsbescheid eine [X.]ielzahl selbständiger und damit auch selbständig anfechtbarer Feststellungen enthalten, die eigenständig in [X.]estandskraft erwachsen und deshalb für die in dem nämlichen [X.]escheid getroffenen und rechtlich nachgelagerten Feststellungen [X.]indungswirkung entfalten können. Die streitbefangenen [X.] und 2005 sind jeweils nur insoweit angefochten, als sie die selbständige Feststellung des Gesamthandsgewinns --dem gegenüber die Höhe des [X.] nach neuerer Rechtsprechung des Senats lediglich eine nicht selbständig anfechtbare Rechengröße darstellt (z.[X.]. [X.]FH-Urteil vom 16. März 2017 I[X.] R 31/14, [X.] 257, 292, Rz 18)-- in den Streitjahren betreffen. Ungeachtet der Frage, inwieweit die Höhe des Gewinns oder [X.]erlusts im [X.]ereich des Sonderbetriebsvermögens eines Gesellschafters eine selbständige [X.]esteuerungsgrundlage bilden kann (dazu z.[X.]. [X.]FH-Urteil vom 10. Februar 1988 [X.]III R 352/82, [X.] 152, 414, [X.]St[X.]l II 1988, 544), ist eine derartige Feststellung hier nicht im Streit. Deshalb ist nicht ersichtlich, dass [X.] und [X.] gemäß § 48 [X.]bs. 1 Nr. 5 [X.]O neben der Klägerin klagebefugt sein könnten. Ihre [X.]eiladung nach § 60 [X.]bs. 3 Satz 1 [X.]O kommt somit nicht in [X.]etracht.

3. Das [X.] ist auch in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Klägerin dem Grunde nach gesetzlich verpflichtet war, in den Streitjahren eine Rückstellung für zukünftige [X.]ufwendungen aus der Nachbetreuung von [X.]erträgen zu bilden.

a) Nach § 5 [X.]bs. 1 EStG i.[X.].m. § 249 [X.]bs. 1 Satz 1 HG[X.] a.[X.] sind für ungewisse [X.]erbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Zwar dürfen [X.]nsprüche und [X.]erbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft in der [X.]ilanz grundsätzlich nicht ausgewiesen werden. Ein [X.]ilanzausweis ist u.a. aber dann geboten, wenn das Gleichgewicht der [X.]ertragsbeziehungen durch [X.]orleistungen oder Erfüllungsrückstände eines [X.]ertragspartners gestört ist (vgl. [X.]eschluss des Großen Senats des [X.]FH vom 23. Juni 1997 GrS 2/93, [X.] 183, 199, [X.]St[X.]l II 1997, 735, m.w.[X.]). Es entspricht gefestigter [X.]FH-Rechtsprechung, dass eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands zu bilden ist, wenn ein [X.]ersicherungsvertreter die [X.]bschlussprovision nicht nur für die [X.]ermittlung der [X.]ersicherung, sondern auch für die weitere [X.]etreuung des [X.] erhält (z.[X.]. [X.]FH-Urteile vom 12. Dezember 2013 [X.], [X.] 244, 309, [X.]St[X.]l II 2014, 517, Rz 21, m.w.[X.], und vom 9. Juni 2015 [X.], Rz 16). Ein Erfüllungsrückstand setzt hiernach voraus, dass der Steuerpflichtige zur [X.]etreuung der [X.]ersicherungen rechtlich --vertraglich oder gesetzlich (vgl. [X.]FH-Urteil vom 16. September 2014 [X.] verpflichtet ist. Leistungen, die ohne Rechtspflicht erbracht werden, sind für die [X.]emessung der Rückstellung irrelevant ([X.]FH-Urteile vom 27. Februar 2014 III R 14/11, [X.] 246, 45, [X.]St[X.]l II 2014, 675, Rz 11, m.w.[X.], und vom 9. Juni 2015 [X.], Rz 16).

b) Die Gesamtwürdigung des [X.], dass die Klägerin zur Nachbetreuung von [X.]ersicherungsverträgen rechtlich verpflichtet gewesen sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie beruht im Wesentlichen auf seiner [X.]uslegung der Geschäftsstellenleiterverträge zwischen [X.] und der [X.] sowie des Gesellschaftsvertrags der Klägerin vom 23. Dezember 1993. Die [X.]ertragsauslegung obliegt dem [X.] als Tatsacheninstanz. [X.]orliegend entspricht sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 des [X.]ürgerlichen Gesetzbuchs und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Sie ist jedenfalls möglich und damit für den Senat gemäß § 118 [X.]bs. 2 [X.]O bindend (z.[X.]. [X.]FH-Urteile vom 29. November 2007 I[X.] R 62/05, [X.] 220, 85, [X.]St[X.]l II 2008, 557, unter [X.]; vom 28. Mai 2015 I[X.] R 3/13, Rz 18, m.w.[X.]).

aa) [X.]us den in den Jahren 1983 und 1988 von [X.] und [X.] mit [X.] geschlossenen Geschäftsstellenleiterverträgen hat das [X.] zunächst geschlossen, dass sich die darin jeweils vereinbarte "Pflege und Erhaltung" ausdrücklich auf den [X.]ersicherungsbestand bezogen habe und damit eine rechtliche [X.]erpflichtung für weitere Leistungen ohne weitere [X.]ergütung bzw. Provision geregelt worden sei. Denn die Provisionstabellen der [X.] hätten keine Folgeprovisionen vorgesehen. Die entsprechenden Leistungen hätten von der [X.] eingefordert werden können und seien gegenüber den [X.]ersicherungsnehmern zu erbringen gewesen. Diese Würdigung ist auf der Grundlage der Feststellungen des [X.] jedenfalls möglich.

bb) [X.]us dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin vom 23. Dezember 1993 hat das [X.] sodann ebenfalls vertretbar geschlossen, dass die zunächst von [X.] und [X.] im Rahmen der jeweiligen Geschäftsstellenleiterverträge übernommenen [X.] auf der Grundlage des später geschlossenen Gesellschaftsvertrags als eigene Pflicht der Klägerin anzusehen seien. Das [X.] hat seine [X.]uffassung darauf gestützt, dass [X.] und [X.] nach der Präambel des Gesellschaftsvertrags ihre "Selbständigkeit" aufgegeben hätten und nach § 4 des [X.]ertrags ihre volle [X.]rbeitskraft ausschließlich der [X.] zur gemeinsamen [X.]erufsausübung zu widmen hätten. Seine [X.]uslegung, dass diese [X.]ertragsbestimmungen nur bei Erfüllung der [X.] durch die Klägerin sinnvoll seien, weil ihre Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag zu einer selbständigen Tätigkeit nicht mehr befugt gewesen seien, ist möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze. Wenn sich das [X.] in dieser [X.]uffassung durch die tatsächliche Handhabung, dass die Nachbetreuung durch die Klägerin bzw. deren [X.]ngestellte erfolgt sei, bestätigt gesehen hat, ist dies ebenfalls nachvollziehbar.

4. Indes hält die vom [X.] ermittelte Höhe der Rückstellung revisionsrechtlicher Überprüfung schon deshalb nicht stand, weil das [X.] noch nicht die Grundsätze des [X.]FH-Urteils in [X.] 244, 309, [X.]St[X.]l II 2014, 517 beachten konnte, in dem der [X.] des [X.]FH seine Rechtsprechung zur [X.]ildung einer Rückstellung für die [X.]erpflichtung zur Nachbetreuung von [X.]ersicherungsverträgen (Urteile vom 19. Juli 2011 [X.], [X.] 234, 239, [X.]St[X.]l II 2012, 856, [X.] und [X.]) fortentwickelt hat.

a) Das [X.] hat bei seiner [X.]erechnung der Höhe der streitbefangenen Rückstellungen in beiden Streitjahren hinsichtlich der nach § 6 [X.]bs. 1 Nr. 3a [X.]uchst. e Satz 1 EStG gebotenen [X.]bzinsung als [X.]bzinsungsfaktor die Werte aus der [X.]nlage 26 zum [X.]ewertungsgesetz ([X.]ewG) zugrunde gelegt. In jener Tabelle sind [X.]bzinsungsfaktoren bezogen auf die Restlaufzeit der dort genannten [X.]ezugsgrößen in Jahren genannt. Dem entsprechend ist das [X.] bei seiner [X.]erechnung von einer (restlichen) [X.]ertragsdauer in Jahren (ihr zugeordnet jeweils die Zahl der [X.]erträge mit einer solchen Restlaufzeit) ausgegangen und hat als [X.]bzinsungsfaktor den bei einem Zinssatz in der in § 6 [X.]bs. 1 Nr. 3a [X.]uchst. e Satz 1 EStG bestimmten Höhe (5,5 %) der jeweiligen Restlaufzeit zugeordneten Wert der [X.]nlage 26 zum [X.]ewG berücksichtigt.

b) Gemäß § 6 [X.]bs. 1 Nr. 3a [X.]uchst. e Satz 2 EStG ist jedoch für die [X.]bzinsung von Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen der Zeitraum bis zum [X.]eginn der Erfüllung maßgebend, d.h. der Zeitraum bis zur konkreten Umsetzung der [X.] ([X.]FH-Urteil in [X.] 244, 309, [X.]St[X.]l II 2014, 517, Rz 44). Für die [X.]bzinsung einer Rückstellung für die [X.]erpflichtung zur Nachbetreuung von [X.]ersicherungsverträgen bedeutet dies, dass entsprechend dem Gesetzeswortlaut des § 6 [X.]bs. 1 Nr. 3a [X.]uchst. e Satz 2 EStG entscheidend darauf abzustellen ist, wann im konkreten Einzelfall erstmalig [X.]estandspflegemaßnahmen (z.[X.]. als Reaktion auf eine [X.]dressänderung des Kunden, eine Änderung der [X.]ankverbindung o.Ä.) durchgeführt werden ([X.]FH-Urteil in [X.] 244, 309, [X.]St[X.]l II 2014, 517, Rz 44, m.w.[X.]). Der Steuerpflichtige hat insoweit darzulegen und mittels Stichproben zu belegen, zu welchem nach dem [X.]ertragsabschluss liegenden Zeitpunkt unter [X.]erücksichtigung von Erfahrungswerten im einzelnen [X.]ertrag erstmals mit [X.]etreuungsmaßnahmen zu rechnen ist ([X.]FH-Urteil in [X.] 244, 309, [X.]St[X.]l II 2014, 517, Rz 45).

5. Unter [X.]eachtung der in dem [X.]FH-Urteil in [X.] 244, 309, [X.]St[X.]l II 2014, 517 --auch in Zusammenfassung der früheren [X.]FH-Rechtsprechung (vgl. dort unter Rz 32 ff.)-- aufgestellten Rechtsgrundsätze wird das [X.] im zweiten Rechtsgang die nach den genannten Maßstäben noch erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben. Hierbei wird das [X.] zu beachten haben, dass als Folge der gesetzlichen [X.]erpflichtung aus § 5 [X.]bs. 1 EStG i.[X.].m. § 249 [X.]bs. 1 Satz 1 HG[X.] a.[X.] die [X.]ildung einer Rückstellung keinesfalls ganz zu unterbleiben hat, sondern jedenfalls im Wege der Schätzung zu bestimmen ist, wenn --wie im Streitfall vom [X.] zu Recht angenommen-- der Steuerpflichtige zur Nachbetreuung der [X.]ersicherungen rechtlich verpflichtet ist (möglicherweise missverständlich [X.]FH-Urteil in [X.] 244, 309, [X.]St[X.]l II 2014, 517, Rz 53, soweit dort nur von "[X.]erechtigung" die Rede ist).

Für die [X.]emessung der Höhe der Rückstellung wird das [X.] zu prüfen haben, ob laufende [X.]ufzeichnungen der Klägerin vorliegen, die so konkret und spezifiziert sind, dass nicht nur eine angemessene Schätzung der Höhe der zu erwartenden [X.]etreuungsaufwendungen möglich ist, sondern auch des Zeitraums bis zum [X.]eginn der erstmaligen Durchführung von [X.]etreuungsmaßnahmen --[X.]bzinsungszeitraum-- (vgl. [X.]FH-Urteil in [X.] 244, 309, [X.]St[X.]l II 2014, 517, Rz 47). Mit dem Erfordernis, dass die laufenden [X.]ufzeichnungen "vertragsbezogen" zu führen sind und der Steuerpflichtige zu belegen hat, welche einzelnen Tätigkeiten (z.[X.]. Fälle von Namens- und [X.]dressänderungen, [X.]eitragsfreistellungen, [X.]aufinanzierungen, [X.]btretungen, Änderungskündigungen) in welcher Häufigkeit mit welchem Zeitaufwand über die Gesamtlaufzeit des einzelnen [X.]ertrags (typischerweise) anfallen werden ([X.]FH-Urteil in [X.] 244, 309, [X.]St[X.]l II 2014, 517, Rz 49), wird auch dem --sinngemäßen-- Einwand des [X.] Rechnung getragen, dass der bislang berücksichtigte [X.] nicht hinreichend vertragsbezogen sei. [X.]llerdings muss diese Prüfung nicht für alle [X.]erträge einzeln vorgenommen werden; im Einzelfall können fundierte Stichproben (z.[X.]. anhand eines bestimmten Prozentsatzes der [X.]erträge oder nach bestimmten [X.]nfangsbuchstaben der Kundennamen) ausreichen, um eine hinreichende Rückstellungswahrscheinlichkeit zu begründen ([X.]FH-Urteil in [X.] 244, 309, [X.]St[X.]l II 2014, 517, Rz 49). Dies gilt auch für die Prüfung des für den [X.]bzinsungszeitraum maßgeblichen [X.]eginns der erstmaligen Durchführung von [X.]etreuungsmaßnahmen. Muss das [X.] den [X.]bzinsungszeitraum schätzen, gehen jedoch Unklarheiten infolge nicht nachvollziehbarer [X.]ufzeichnungen zu Lasten des Steuerpflichtigen ([X.]FH-Urteil in [X.] 244, 309, [X.]St[X.]l II 2014, 517, Rz 55).

Wird für die [X.]bzinsung von Rückstellungen für Sachleistungsverpflichtungen der Zeitraum bis zur konkreten Umsetzung der [X.] zugrunde gelegt (§ 6 [X.]bs. 1 Nr. 3a [X.]uchst. e Satz 2 EStG), so führt dies regelmäßig zu einem kürzeren [X.]bzinsungszeitraum als in den [X.]erechnungen des [X.]. Rechnerisch hat dies einen höheren [X.]arwert zur Folge, was ohne Änderung der übrigen vom [X.] angesetzten Werte zu einem möglicherweise sogar deutlich höheren [X.] führen würde. Der Ermittlung des Zeitaufwands für die [X.]etreuung pro [X.]ertrag und Jahr kommt auch deshalb entscheidende [X.]edeutung zu (vgl. auch [X.]FH-Urteil in [X.] 244, 309, [X.]St[X.]l II 2014, 517, Rz 37). Neben der Übertragbarkeit der von der Klägerin vor dem [X.] vorgetragenen Zahlen zum zeitlichen [X.]etreuungsaufwand auf die Streitjahre wird das [X.] deshalb auch zu prüfen haben, ob der von der Klägerin im [X.]usgangsverfahren vorgelegte "Nachweis" über [X.]etreuungsleistungen von [X.] für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2006 den [X.]nforderungen an die Darlegung des (voraussichtlichen) Zeitaufwands genügt (im Einzelnen dazu [X.]FH-Urteil in [X.] 244, 309, [X.]St[X.]l II 2014, 517, Rz 38 bis 41). [X.]ufgrund der derzeitigen Feststellungen des [X.] ergibt sich nach [X.]uffassung des Senats jedenfalls keine hinreichend gesicherte Grundlage dafür, mit dem [X.] den zeitlichen [X.]etreuungsaufwand pro [X.]ertrag und Jahr mit einem Wert von 42,7 Minuten anzusetzen. Sollte der zeitliche [X.]etreuungsaufwand mangels seiner hinreichenden Darlegung durch die Klägerin vom [X.] zu schätzen sein, so wird es zu beachten haben, dass sich eine solche Schätzung im Hinblick auf die den Steuerpflichtigen treffende Darlegungs- und [X.]eweislast im unteren Rahmen bewegen muss (vgl. [X.]FH-Urteil in [X.] 244, 309, [X.]St[X.]l II 2014, 517, Rz 55).

Schließlich weist der Senat --ohne [X.]indungswirkung-- für den zweiten Rechtsgang darauf hin, dass nach dem Einleitungssatz des § 6 [X.]bs. 1 Nr. 3a des Einkommensteuergesetzes i.d.[X.] des [X.] 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 ([X.]G[X.]l I 1999, 402) und damit auch in der in den Streitjahren gültigen Fassung Rückstellungen "höchstens" insbesondere unter [X.]erücksichtigung folgender --sodann in der [X.]orschrift [X.] anzusetzen sind. Der [X.] des [X.]FH hat dazu in seinem Urteil vom 11. Oktober 2012 I R 66/11 ([X.] 239, 315, [X.]St[X.]l II 2013, 676, Rz 14) unter [X.]erufung auf die Gesetzesmaterialien ([X.]TDrucks 14/443, S. 23) ausgeführt, dass § 6 [X.]bs. 1 Nr. 3a EStG die [X.]ewertung von Rückstellungen nicht abschließend regele, sondern die nach dem Maßgeblichkeitsgrundsatz (§ 5 [X.]bs. 1 Satz 1 EStG) zu beachtende handelsrechtliche [X.]ewertung (§ 253 [X.]bs. 1 Satz 2 HG[X.] a.[X.]) nur dann durchbreche, wenn die steuerrechtlichen Sonderbestimmungen des § 6 [X.]bs. 1 Nr. 3a [X.]uchst. a bis e EStG dazu führten, dass der handelsrechtliche Wertansatz (Höchstwert) unterschritten werde. Diese Rechtsansicht hat zur Folge, dass ein niedrigerer Handelsbilanzwert für eine Rückstellung gegenüber einem höheren steuerlichen [X.] die Obergrenze bildet (vgl. auch Urteil des [X.] Rheinland-Pfalz vom 7. Dezember 2016  1 K 1912/14, mit Darstellung des Streitstands, Revision anhängig unter I R 18/17). Der erkennende Senat vermag aufgrund der bisherigen Feststellungen des [X.] nicht zu beurteilen, ob diese Rechtsfrage im Streitfall [X.]edeutung erlangt, zumal in den Streitjahren das erstmals in § 253 [X.]bs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs i.d.[X.] des [X.]ilanzrechtsmodernisierungsgesetzes vom 25. Mai 2009 ([X.]G[X.]l I 2009, 1102) für Rückstellungen bestimmte [X.]bzinsungsgebot noch keine Gültigkeit hatte. Das [X.] erhält mit der Zurückverweisung Gelegenheit, auch zu prüfen, ob sich im Streitfall nach handelsrechtlichen Maßstäben ein niedrigerer [X.] ergibt.

6. Da das Urteil der [X.]orinstanz schon aus anderen Gründen aufzuheben war, musste über die von der Klägerin erhobenen [X.]erfahrensrügen nicht mehr entschieden werden.

7. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 [X.]bs. 2 [X.]O.

Meta

IV R 34/14

13.07.2017

Bundesfinanzhof 4. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 13. Juni 2013, Az: 13 K 4827/08 F, Urteil

§ 5 Abs 1 EStG 2002, § 6 Abs 1 Nr 3a Buchst e S 2 EStG 2002, § 249 Abs 1 S 1 HGB, § 48 FGO, EStG VZ 2005

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.07.2017, Az. IV R 34/14 (REWIS RS 2017, 8019)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 8019

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