Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.07.2019, Az. IV R 49/16

4. Senat | REWIS RS 2019, 5064

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Gegenstand

Bildung einer Rückstellung für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen; Bindung des BFH an die Vertragsauslegung des FG


Leitsatz

1. NV: Eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands ist zu bilden, wenn ein Versicherungsvertreter die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des Versicherungsvertrags erhält. Ein Erfüllungsrückstand setzt jedoch voraus, dass der Steuerpflichtige zur Betreuung der Versicherungen rechtlich --vertraglich oder gesetzlich-- verpflichtet ist. Leistungen, die ohne Rechtspflicht erbracht werden, sind für die Bemessung der Rückstellung irrelevant (Bestätigung der BFH-Rechtsprechung) .

2. NV: Die Vertragsauslegung obliegt dem FG als Tatsacheninstanz. Entspricht sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB, verstößt sie nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze und ist sie jedenfalls möglich, ist sie für den BFH bindend .

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 09.09.2016 - 4 K 2068/13 G,F wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

A.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt seit [X.]eginn des Jahres 2003 in der Rechtsform einer OH[X.] in [X.] eine Versicherungsagentur der [X.]. [X.]er zu je 50 % sind [X.] und [X.] Die [X.]ewinnermittlung erfolgt durch [X.]estandsvergleich (§ 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren --2006 und 2008-- gültigen [X.]assung --ESt[X.]--).

2

Als Versicherungsvertreter nach §§ 84 ff. des Handelsgesetzbuchs (H[X.][X.]) in der in den Streitjahren gültigen [X.]assung (H[X.][X.] a.[X.].) vermittelt die Klägerin Versicherungsprodukte und sonstige [X.]inanzdienstleistungen der [X.] und ihrer Kooperationspartner. Nach Maßgabe der Provisionsvereinbarungen hat die Klägerin im [X.]alle des Abschlusses von Versicherungsverträgen u.Ä. Anspruch auf Abschlussprovisionen. In den mit beiden [X.]ern der Klägerin abgeschlossenen Vertretungsverträgen vom [X.] heißt es unter [X.]. 2.1.1 ("Aufgaben") wie folgt:

  

"Der Vertreter ist ständig damit betraut, der vertragschließenden [X.] und den mit dieser im Rahmen der … [X.]ruppe in [X.] verbundenen [X.]en sowie deren Kooperationspartnern (alle nachfolgend [X.]en genannt) Versicherungsgeschäft sowie sonstiges [X.]inanzdienstleistungsgeschäft nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen bzw. der dem Vertreter ausgehändigten Richtlinien und Produktbeschreibungen der [X.]en zu vermitteln. Der Vertreter ist dabei verpflichtet, sich mit [X.] um den regelmäßigen Zugang neuer und die Erhaltung bestehender Verträge zu bemühen ([X.]emühungspflicht).

  

Um die bestehenden Verträge zu erhalten, pflegt der Vertreter im Rahmen seiner Möglichkeiten laufend Kontakt mit den Kunden, berät sie aus eigener Initiative oder auf deren Wunsch. Ziel ist es dabei immer, dass der Kunde umfassend versichert ist und bleibt, sowie sonstige [X.]inanzdienstleistungen der [X.] umfassend nutzt.

  

Der Vertreter nimmt stets die Interessen der [X.]en mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahr und weist die [X.]en auf drohende [X.]efahren hin (Interessenwahrnehmungspflicht)."

3

Unter [X.]ezugnahme auf das Urteil des [X.]undesfinanzhofs ([X.][X.]H) vom 28.07.2004 - XI R 63/03 ([X.][X.]HE 207, 205, [X.]St[X.]l II 2006, 866) passivierte die Klägerin zum 31.12.2006 eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands aus einer Nachbetreuungsverpflichtung von [X.] in Höhe von 16.540 €. [X.]ei der [X.] ging sie davon aus, dass die Nachbetreuung für 827 im [X.]estand befindliche Lebensversicherungsverträge durch eine Mitarbeiterin (Stundenlohn 10 €) zwei Stunden je Vertrag und je Jahr erfordere. Der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (das [X.]inanzamt --[X.]--) erkannte in seinem [X.]escheid über die gesonderte und einheitliche [X.]eststellung von Einkünften für das [X.] vom 16.04.2008 die Rückstellung im Hinblick auf den seinerzeit insoweit geltenden Nichtanwendungserlass des [X.]undesministeriums der [X.]inanzen vom [X.] ([X.]St[X.]l I 2006, 765) nicht an.

4

Zum 31.12.2007 bilanzierte die Klägerin die Rückstellung in unveränderter Höhe, so dass weder bilanzieller Aufwand noch Ertrag entstand.

5

In ihrem Jahresabschluss auf den 31.12.2008 erhöhte die Klägerin die streitige Rückstellung auf 24.860 € ([X.]etreuungsaufwand für jetzt 1 243 Lebensversicherungsverträge x 2 Stunden x 10 € Stundenlohn). Die hiermit einhergehende [X.]ewinnminderung von 8.320 € erkannte das [X.] in seinem [X.] 2008 vom 17.05.2010 ebenfalls nicht an. Entsprechend wich das [X.] auch in seinem [X.]ewerbesteuermessbescheid 2008 vom 25.05.2010 von der Erklärung ab.

6

Die Einsprüche wies das [X.] mit [X.] vom 27.05.2013 ([X.] 2006) bzw. vom 28.05.2013 ([X.] 2008 sowie [X.] 2008) zurück.

7

Im nachfolgenden Klageverfahren legte die Klägerin ein Schreiben der [X.]-A[X.] vom 14.01.2014 vor, wonach die sich aus [X.]. 2.1 des [X.] ergebende sog. [X.]emühungspflicht einer [X.]etreuungspflicht gleichzusetzen sei. Nachdem der [X.]erichterstatter des [X.]inanzgerichts ([X.][X.]) mit Schreiben vom 02.06.2016 unter [X.]ezug auf das [X.][X.]H-Urteil vom 09.06.2015 - X R 27/13 darauf hingewiesen hatte, dass konkrete Verpflichtungen für bestimmte Nachbetreuungsleistungen erforderlich seien, legte die Klägerin außerdem einen mit der [X.]-A[X.] am [X.] vereinbarten "Nachtrag zur [X.]etreuungsverpflichtung" vor, mit dem die in den Vertretungsverträgen vom [X.] niedergelegten Pflichten der Klägerin wie folgt "klargestellt" werden sollen:

  

"1. Um die bestehenden Verträge zu erhalten, pflegen Sie laufend Kontakt mit den Kunden, beraten Sie aus eigener Initiative oder auf deren Wunsch (Kundenbetreuung). Ziel ist es dabei immer, dass der Kunde umfassend bei den Produktgebern versichert ist und bleibt (Erhaltung des [X.]estandes), sowie [X.]ank- und sonstige [X.]inanzdienstleistungen der Produktgeber umfassend nutzt. Hierzu halten Sie regelmäßig Kontakt zu den von Ihnen betreuten Kunden, wobei Sie die von der [[X.]-A[X.]] ... hierfür bereitgestellten Hilfsmittel nutzen. Soweit datenschutzrechtlich zulässig, sammeln und hinterlegen Sie systematisch Kundendaten in den entsprechenden elektronischen Systemen der [[X.]] und aktualisieren diese kontinuierlich.

  

2. Sie übernehmen im Rahmen Ihrer [X.]etreuungsverpflichtung für die [[X.]-A[X.]] und den Produktgeber insbesondere folgende Tätigkeiten:

  

Entgegennahme, [X.]earbeitung und/oder Weiterleitung von Anliegen und Mitteilungen der Kunden,

  

Erteilung von Auskünften zum Vertrag und Anforderung und [X.]earbeitung aller Vertragsänderungswünsche der Kunden,

  

[X.]eratung der Kunden während der Laufzeit der von Ihnen betreuten Verträge, insbesondere wenn ein Anlass für eine Nachfrage beim Kunden oder [X.]eratung des Kunden erkennbar ist,

  

Unterstützung des Kunden bei Vertragsablauf, Entgegennahme von Zahlungsverfügungen und Versicherungsscheinen sowie

  

Stornoabwehr."

8

[X.]erner übersandte die Klägerin die E-Mail eines (leitenden) Angestellten der Rechtsabteilung der [X.] vom 17.06.2016, in der es heißt, dass "vertragsrechtliche Konsequenzen im [X.]alle von Pflichtverletzungen ... z.[X.]. die Kündigung des [X.]" seien.

9

Das [X.] wies die Klage mit Urteil vom 09.09.2016 - 4 K 2068/13 [X.],[X.] als unbegründet ab. Die Klägerin sei in den Streitjahren gegenüber der [X.] weder gesetzlich noch vertraglich --d.h. rechtlich-- verpflichtet gewesen, die im [X.]estand befindlichen Lebens- und Rentenversicherungsverträge nachzubetreuen.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 5 Abs. 1 Satz 1 ESt[X.] i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 H[X.][X.] a.[X.].

Sie trägt vor, das [X.][X.] habe die in [X.]. 2.1.1 der [X.] vom [X.] aufgeführte [X.]emühungspflicht nicht einer [X.]etreuungspflicht gleichgesetzt und deshalb verkannt, dass die Voraussetzungen für die [X.]ildung von Rückstellungen gegeben seien. Die [X.]emühungspflicht stelle eine Verpflichtung und kein Wahlrecht dar. Mit dem Schreiben der [X.]-A[X.] vom 14.01.2014 und dem "Nachtrag zur [X.]etreuungsverpflichtung" vom [X.] würden die Aufgaben der Versicherungsvertreter lediglich konkretisiert. Eine neue Vereinbarung werde damit nicht getroffen, eine solche könne folglich auch nicht zurückwirken. [X.]is zum [X.] habe die [X.] zwar für die Nachbetreuung der Lebensversicherungsverträge eine jährliche [X.]estandspflegeprovision gezahlt; ab dem [X.] --und damit auch im [X.]all der [X.] seien solche Leistungen jedoch mit der Abschlussprovision abgegolten. An dem [X.]estehen einer Verpflichtung zur [X.]etreuung habe sich dadurch nichts geändert.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
unter Aufhebung der Vorentscheidung und der [X.] vom 27. bzw. 28.05.2013 die [X.]e 2006 und 2008 vom 16.04.2008 bzw. vom 17.05.2010 sowie den [X.]ewerbesteuermessbescheid 2008 vom 25.05.2010 dahin zu ändern, dass eine Rückstellung für die Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen in der erklärten Höhe gewinnmindernd berücksichtigt wird.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Es trägt vor, die Revisionsbegründung genüge nicht den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 [X.]uchst. a der [X.]inanzgerichtsordnung ([X.][X.]O), soweit sich die Klägerin nicht mit den [X.]ründen der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt habe. Das [X.][X.] habe unter [X.]ezug auf das [X.][X.]H-Urteil vom 09.06.2015 - X R 27/13 zutreffend darauf hingewiesen, dass konkrete Verpflichtungen für bestimmte Nachbetreuungsleistungen erforderlich seien. Die im Streitfall bestehende [X.]emühungspflicht sei hingegen zu vage formuliert, um daraus eine auf bestimmte Nachbetreuungsleistungen abzielende Pflicht des [X.] ableiten zu können.

Entscheidungsgründe

B.

Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 [X.]O zurückzuweisen.

I. Die Revision ist ordnungsgemäß begründet und deshalb nicht unzulässig, wie das [X.] geltend macht.

1. Nach § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a [X.]O muss die Revisionsbegründung die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Dies erfordert, dass die erhobene Rüge eindeutig erkennen lassen muss, welche Norm des Bundesrechts der Revisionskläger für verletzt hält. Ferner muss der Revisionskläger die Gründe tatsächlicher und rechtlicher Art angeben, die nach seiner Auffassung das erstinstanzliche Urteil als unrichtig erscheinen lassen. Denn er ist gehalten, Inhalt, Umfang und Zweck des Revisionsangriffs von vornherein klarzustellen. Demgemäß muss sich der Revisionskläger mit den tragenden Gründen des finanzgerichtlichen Urteils auseinandersetzen und darlegen, weshalb er diese für unrichtig hält (z.B. [X.]-Urteil vom 18.06.2015 - IV R 5/12, [X.], 121, [X.], 935, Rz 25, m.w.N.).

2. Die Revisionsbegründung der Klägerin benennt --wie auch das [X.] einräumt-- ausdrücklich die aus ihrer Sicht verletzte Rechtsnorm, nämlich § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB a.F. Soweit die Klägerin geltend macht, das [X.] habe die vertretungsvertraglichen Regelungen fälschlich dahin gewürdigt, dass keine (Nach-)Betreuungspflicht bestanden habe, macht ihre Revisionsbegründung hinreichend deutlich, dass sie sich von den Argumenten des [X.] nicht hat überzeugen lassen und dass sie weiter an ihrer schon im Klageverfahren begründeten Rechtsansicht festhält. Wenn alle Argumente angesprochen sind und mehr zu den Streitfragen nicht zu sagen ist, bedarf es keiner weiter gehenden Revisionsbegründung ([X.]-Urteil in [X.], 121, [X.], 935, Rz 26, m.w.N.). Soweit das [X.] der Ansicht ist, die Klägerin habe die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darlegen müssen, verkennt es, dass diese nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O nur im Zusammenhang mit der Zulassung der Revision von Bedeutung ist.

II. Die Revision ist jedoch unbegründet, denn das [X.] hat unter einer Gesamtwürdigung der Umstände des Streitfalls zu Recht entschieden, dass in den Streitjahren schon dem Grunde nach keine Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden sind.

1. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB a.F. sind für ungewisse Verbindlichkeiten Rückstellungen zu bilden. Zwar dürfen Ansprüche und Verbindlichkeiten aus einem schwebenden Geschäft in der Bilanz grundsätzlich nicht ausgewiesen werden. Ein Bilanzausweis ist u.a. aber dann geboten, wenn das Gleichgewicht der Vertragsbeziehungen durch Vorleistungen oder Erfüllungsrückstände eines Vertragspartners gestört ist (vgl. Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 23.06.1997 - GrS 2/93, [X.]E 183, 199, [X.] 1997, 735, m.w.N.). Es entspricht gefestigter [X.]-Rechtsprechung, dass eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands zu bilden ist, wenn ein Versicherungsvertreter die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung des [X.] erhält (z.B. [X.]-Urteile vom 12.12.2013 - X R 25/11, [X.]E 244, 309, [X.] 2014, 517, Rz 21, m.w.N.; vom 09.06.2015 - X R 27/13, Rz 16; vom 13.07.2017 - IV R 34/14, Rz 19). Ein Erfüllungsrückstand setzt jedoch nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung voraus, dass der Steuerpflichtige zur Betreuung der Versicherungen rechtlich --vertraglich oder gesetzlich (vgl. [X.]-Urteil vom 16.09.2014 - X R 38/13, Rz 18 ff. und 28 ff.)-- verpflichtet ist. Leistungen, die ohne Rechtspflicht erbracht werden, sind für die Bemessung der Rückstellung irrelevant ([X.]-Urteile vom 27.02.2014 - III R 14/11, [X.]E 246, 45, [X.] 2014, 675, Rz 11, m.w.N.; vom 09.06.2015 - X R 27/13, Rz 16; vom 13.07.2017 - IV R 34/14, Rz 19).

2. Nach diesen Maßstäben ist die Gesamtwürdigung des [X.], dass die Klägerin in den Streitjahren zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen rechtlich nicht verpflichtet gewesen sei, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Zutreffend hat das [X.] eine gesetzliche Verpflichtung der Klägerin zur nachlaufenden Betreuung verneint. Eine Nachbetreuungspflicht ergibt sich weder aus § 34d der Gewerbeordnung noch aus Vorschriften des HGB oder des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (näher z.B. [X.]-Urteil vom 16.09.2014 - X R 38/13, Rz 29 ff., m.w.N.). Da dies zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist, sieht der Senat von weiteren Ausführungen ab.

b) Das [X.] ist in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auch zu dem Schluss gelangt, dass in den Streitjahren keine vertragliche Verpflichtung der Klägerin zur Nachbetreuung bestanden habe. Die Würdigung des [X.] beruht im Wesentlichen auf seiner Auslegung der [X.]. 2.1.1 der gleich lautenden [X.] vom [X.] und der von der Klägerin im Laufe des Klageverfahrens vorgelegten Unterlagen. Die Vertragsauslegung obliegt dem [X.] als Tatsacheninstanz. Vorliegend entspricht sie den Grundsätzen der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Sie ist jedenfalls möglich und damit für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 [X.]O bindend (z.B. [X.]-Urteil vom 13.07.2017 - IV R 34/14, Rz 20, m.w.N.), zumal das [X.] bei seiner Vertragsauslegung auch die außerhalb der Verträge liegenden Umstände berücksichtigt hat (vgl. [X.]-Urteil vom 09.06.2015 - X R 27/13, Rz 20).

aa) Nicht gegen Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt die Würdigung des [X.], dass die [X.] vom [X.] keine eindeutige Vereinbarung zur Nachbetreuung von Bestandsverträgen enthalten.

(1) Soweit das [X.] keine verbindliche vertragliche Pflicht zur Nachbetreuung daraus abgeleitet hat, dass es in [X.]. 2.1.1 Abs. 2 der [X.] heißt, der Vertreter pflege im Rahmen seiner Möglichkeiten laufend Kontakt mit den Kunden, um die bestehenden Verträge zu erhalten, ist dieser Schluss jedenfalls möglich. Aus dem [X.] wird --wie das [X.] ausgeführt hat-- insbesondere nicht deutlich, um welche Art von [X.] es sich handeln soll. Dass die "Erhaltenspflicht" lediglich "im Rahmen der Möglichkeiten" des Vertreters bestehe, hat das [X.] nachvollziehbar als zu unverbindlich --und damit im Ergebnis als zivilrechtlich nicht durchsetzbar-- angesehen (vgl. dazu auch [X.]-Urteile vom 19.07.2011 - X R 26/10, [X.]E 234, 239, [X.] 2012, 856, Rz 41; vom 09.06.2015 - X R 27/13, Rz 23). Dass die Vertragsklausel im Gesamtkontext eher darauf hindeute, dass die laufende Kontaktaufnahme mit den Kunden dem Abschluss weiterer Verträge gedient habe ("… berät sie aus eigener Initiative oder auf deren Wunsch"; "Ziel ist es dabei immer, dass der Kunde umfassend versichert ist …"), ist unter den Umständen des Streitfalls ebenfalls möglich. Denn die Verpflichtung zur laufenden Kontaktaufnahme zum Abschluss weiterer Verträge ist nicht deckungsgleich mit einer rechtlichen Verpflichtung des [X.] zur Nachbetreuung (vgl. [X.]-Urteil vom 09.06.2015 - X R 27/13, Rz 23). Dies rechtfertigt die Folgerung des [X.], dass derartige Bestandserweiterungstendenzen keinen Erfüllungsrückstand für bereits bestehende Verträge auslösen.

(2) Zu einem möglichen Ergebnis führt auch die Auslegung der [X.]. 2.1.1 Abs. 1 Satz 2 der [X.]. Soweit dort festgelegt wird, dass der Vertreter verpflichtet sei, sich mit [X.] um den regelmäßigen Zugang neuer und die Erhaltung bestehender Verträge zu bemühen, hat das [X.] nach Maßgabe eines verobjektivierten Empfängerhorizonts (§§ 133, 157 BGB) nachvollziehbar verneint, dass es sich danach hinreichend konkret bestimmen lasse, welche genauen Pflichten zu den [X.] gehören sollten. Auch hier ist der Schluss möglich, dass aufgrund der inhaltlichen Unbestimmtheit der Klausel die Einhaltung der von der Klägerin angeführten [X.] in den Streitjahren zivilrechtlich nicht durchsetzbar gewesen wäre und etwaige Verstöße hiergegen keine vertraglichen Konsequenzen für die Klägerin bzw. deren Gesellschafter (Schadensersatz; Kündigung etc.) gehabt hätten.

(3) Möglich ist schließlich auch der vom [X.] auch auf den in [X.]. 2.1.1 Abs. 1 Satz 2 der [X.] benutzten Begriff "Bemühungspflicht" gestützte Schluss, dass es nahe liege, dass die Klägerin ihre --unstreitig tatsächlich wahrgenommenen-- Nachbetreuungsaufgaben wegen der unbestimmten Formulierung der [X.] als Erwerbsobliegenheiten verstanden habe, für deren Aufwendungen bilanzsteuerrechtlich keine Rückstellung gebildet werden dürfe.

bb) Über die Auslegung der [X.] hinaus ist jedenfalls nachvollziehbar auch die Würdigung des [X.], dass sich die Bescheinigung der B-AG vom 14.01.2014 in einer bloßen Rechtsbehauptung erschöpfe. Die Aussage, dass die Bemühungspflicht einer Betreuungspflicht gleichzusetzen sei, erbringt nicht den Nachweis einer eindeutig und konkret vertraglich vereinbarten Nachbetreuungspflicht.

cc) Möglich ist ungeachtet der Auffassung der Klägerin, dass es sich insoweit nur um eine "Klarstellung" gehandelt habe, auch die Würdigung des [X.], dass die mit "Nachtrag zur [X.]" überschriebene Vereinbarung vom [X.] erstmals --und damit nach Ablauf der [X.] eine vertragliche Nachbetreuungsverpflichtung der Klägerin für die bereits im Bestand befindlichen Versicherungsverträge konkretisiere. Nachvollziehbar sieht das [X.] den Anlass für den Nachtrag in der im Schreiben des Berichterstatters des [X.] vom 02.06.2016 geäußerten Ansicht, dass die in den Verträgen vom [X.] benannte Bemühungspflicht nicht den Konkretisierungserfordernissen der [X.]-Rechtsprechung genügen dürfte. Möglich ist auch die Würdigung, dass die sodann im Wege der "Klarstellung" einzeln aufgezählten Leistungen zwar den --inhaltlich unstreitigen-- [X.] der Klägerin belegten, hingegen nicht, dass jene Aufwendungen bereits von Anfang an rechtlich durchsetzbare Verpflichtungen und nicht nur Erwerbsobliegenheiten der Klägerin waren. Dabei konnte sich das [X.] auch darauf stützen, dass die Klägerin auch nicht vorgetragen habe, dass beim seinerzeitigen Abschluss der [X.] --über die schriftlichen Klauseln hinaus-- exakt die im Nachtrag niedergelegten Betreuungspflichten mündlich vereinbart worden seien. Wäre dies --so der zulässige Schluss des [X.]-- der Fall gewesen, hätte nichts näher gelegen, als jene Pflichten auch explizit von [X.] in die Verträge mit aufzunehmen. Aus alledem ergibt sich auch die nicht gegen Denkgesetze verstoßende Folgerung des [X.], dass die von der Klägerin behauptete "Klarstellung" nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses der [X.] aus dem [X.] und somit bilanzsteuerrechtlich nicht auf die Streitjahre habe zurückwirken können.

dd) Auch die Würdigung der von der Klägerin vorgelegten E-Mail vom 17.06.2016 ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Danach hätte eine Kündigung, die auf einen Verstoß gegen [X.] gestützt würde, nur dann rechtlichen Bestand, wenn es sich bei dieser Pflicht auch um eine rechtliche Pflicht und nicht nur um eine bloße Obliegenheit handeln würde. Solches hat das [X.] jedoch --wie ausgeführt-- in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint.

3. Ist der [X.] danach an die Vertragsauslegung und die Würdigung aller Umstände des Einzelfalls durch das [X.] nach § 118 Abs. 2 [X.]O gebunden, kann die Revision der Klägerin keinen Erfolg haben.

III. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

IV R 49/16

25.07.2019

Bundesfinanzhof 4. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 9. September 2016, Az: 4 K 2068/13 G,F, Urteil

§ 5 Abs 1 S 1 EStG 2002, § 249 Abs 1 S 1 HGB, § 133 BGB, § 157 BGB, § 118 Abs 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.07.2019, Az. IV R 49/16 (REWIS RS 2019, 5064)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5064

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