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PDF anzeigen[X.] StR 438/00vom16. November 2000in der Strafsachegegenwegen Totschlags- 2 -Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 16. November 2000 gemäߧ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:1.Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil [X.] [X.] vom 11. April 2000 mit den Fest-stellungen aufgehoben.2.Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eineandere Jugendkammer des [X.].Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer [X.] verurteilt.Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen undsachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; einer Erörte-rung der Verfahrensrügen bedarf es daher nicht.1. Nach den Feststellungen ließ sich der zur Tatzeit 19 Jahre alte Ange-klagte, nachdem er seinen Freunden eine kleine Armbrust gezeigt hatte, seineim Wohnzimmer aufgestellte große Armbrust anreichen, in die ein mit einerJagdspitze versehener Pfeil eingelegt war. Er spannte sie "und zielte in [X.], wobei die jungen Leute nervös wurden und ihn aufforderten, die [X.] wegzulegen. Um zu demonstrieren, daß beim Spannen die Sicherung- 3 -automatisch einrastete und dann trotz Betätigung des [X.]s keinSchuß abgegeben werden konnte, zielte der Angeklagte gegen die Decke undbetätigte den [X.], ohne daß etwas passierte" ([X.]). Er kniete [X.] einem Sofa mit Blick auf die Diele nieder, die vom Wohnzimmer mit einerDeutschlandfahne abgetrennt war. Durch sie war bei den gegebenen Lichtver-hältnissen der Küchenbereich in der Diele einzusehen, wo seine Freundin[X.] B. Geschirr spülte. Der Angeklagte entsicherte die Armbrust undlegte sich in Bauchlage "in [X.]" hinter das Sofa, wobei ermit der Armbrust "in den Küchenbereich" zielte. "Ihn faszinierte die Vorstellung,seinen anwesenden Freunden damit zu imponieren, mit der Waffe in der [X.] tatsächlich zu schießen". [X.] B. , die "möglicherweise" kurz [X.] oder im Schlafzimmer gewesen war, machte sich entweder leicht vorge-beugt an der Spüle zu schaffen oder beugte sich zur Kühlschranktür rechts ne-ben der Spüle herunter. "Der Angeklagte, der sie sah und welcher sich derGefährlichkeit seines Tuns bewußt war, insbesondere wußte, daß in [X.] der Enge der Küche die Gefahr bestand, mit dem extrem gefährlichenJagdpfeil [X.] zu treffen und tödlich zu verletzen, zog am Abzug. Es war [X.] diesem Moment gleichgültig, ob [X.] getroffen würde, wenn auch nichterwünscht, nur um mit einem echten Schuß seinen Freunden zu imponieren"([X.]). Der Pfeil traf [X.] B. am Rücken, durchdrang die Lunge undtrat oberhalb des linken Schlüsselbeins aus. [X.] B. verstarb noch [X.] des Notarztes.2. Das [X.] hält die Einlassung des Angeklagten, er habe [X.] nach dem [X.] wieder zurückgeschoben und habedeshalb beim Betätigen des [X.]s darauf vertraut, daß die [X.] gewesen sei, für widerlegt. Der Angeklagte habe weder eine plausi-- 4 -ble Erklärung dafür gegeben, warum er die Armbrust entsichert und sofort [X.] gesichert habe, noch sei es ihm gelungen, zu demonstrieren, daß er beimSichern abgerutscht sein könnte ([X.], 28). Die Annahme des [X.]s,der Angeklagte, fifür den ein Imponiergehabe seinen Freunden gegenüber [X.] sei, habe [X.] Freunden dadurch imponieren wollen, daß ertatsächlich in der Wohnung einen Pfeil abschoßfl ([X.]), weil [X.] seinerLage hinter der Couch und der mangelnden Aufmerksamkeit seiner Freundeeine weitere Demonstration der Sicherung der Armbrustfl keinen Sinn gemachthätte ([X.]), ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Wertung, [X.] habe dabei mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, hält jedochrechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die Beweiswürdigung insoweit lük-kenhaft ist:Zwar liegt es bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe, daß [X.] mit der Möglichkeit, daß das Opfer dabei zu Tode kommen könne, rech-net und, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln beginnt, einen [X.] billigend in Kauf nimmt ([X.], 2533, 2534; BGHR StGB § 212Abs. 1 Vorsatz, bedingter 30, 35, 38). Dies gilt, wie für jede Form des Schie-ßens auf einen Menschen mit einer scharfen Waffe (vgl. [X.] 1993, 255),insbesondere auch für einen gezielten Schuß mit einem Jagdpfeil. Nach denbisherigen Feststellungen hat der Angeklagte jedoch nicht gezielt auf das Ta-topfer geschossen, sondern "in den Küchenbereich, wo sich [X.] B. be-fand,fl ([X.]). Auch wenn es dabei für ihn fiklar auf der [X.] lag, daß dies"eine außerordentliche Gefährdung eines dort befindlichen Menschen bedeu-tete" ([X.]), liegen die Grenzen der beiden Schuldformen des bedingtenVorsatzes und der bewußten Fahrlässigkeit eng beieinander, so daß [X.] an die Feststellungen des inneren Tatbestandes zu stellen sind- 5 -(vgl.[X.], 2533, 2534; BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, [X.], jeweils m.w.N.).Angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung ist immerauch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, daß der Täter die Gefahr der [X.] nicht erkannt oder jedenfalls darauf vertraut hat, ein solcher Erfolg werdenicht eintreten. Der Schluß auf bedingten Tötungsvorsatz ist daher nur dannrechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter in seine Erwägungen alle Umstände [X.] hat, die ein solches Ergebnis in Frage stellen (st.Rspr.; [X.], 2533, 2534; BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 30, 31). [X.] insbesondere die Motive und die Interessenlage des Angeklagten ([X.] § 15 Vorsatz, bedingter 1) sowie eine zur Tatzeit bestehende psychischeBeeinträchtigung zu beachten (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, beding-ter 38 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht,denn das [X.] hat hierzu im Wesentlichen nur ausgeführt, das Verhal-ten des Angeklagten nach der Tat, "nämlich sein Weinen, die Bitte an die Zeu-gin [X.], ihn zu erschießen bzw. den [X.], ihm seine Dienstwaffe zugeben, weil er ohne die Freundin nicht mehr leben wollte," zeuge zwar vonReue, bedeute aber nicht, daß der Angeklagte ernsthaft auf den [X.] Erfolges vertraut habe ([X.]). Insoweit liegt schon eine einseitige [X.] zum Nachteil des Angeklagten nahe. Jedenfalls hätte es aber auch [X.] aller weiteren Umstände bedurft, die es in der Gesamtschau nahe-legen können, daß der Angeklagte trotz der objektiven Gefährlichkeit seinesHandelns darauf vertraute, der Pfeil werde [X.] B. nicht treffen:Hierfür spricht vor allem, daß dem Angeklagten, der sich mit [X.]B. Gedanken über eine gemeinsame Zukunft gemacht hatte ([X.]), der- 6 -eingetretene Erfolg [X.] war ([X.], 33). Zwar ordnete der Ange-klagte, wie das [X.] meint, "sein Handeln dem einzigen jetzt noch vonihm verfolgten Zweck unter, aus [X.] seine anwesenden Freundedamit zu beeindrucken, daß er tatsächlich auch mit der Waffe in der [X.], obwohl er die besondere Gefährlichkeit seines Handelns klar erkannthattefl ([X.]). Dennoch liegt es nahe, daß der Angeklagte darauf vertraute,daß seine Freundin nicht getroffen werde, denn ein Fehlschuß, der sie traf, warnicht geeignet, seinen Freunden seine Vertrautheit im Umgang mit der [X.] und seine Treffsicherheit zu demonstrieren und ihnen zu fiimponieren.flBedenken begegnet schließlich die Annahme des sachverständig bera-tenen [X.]s, trotz der Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit(BAK:1,64 ›) lägen [X.], die zu einer Beeinträchtigung seiner Willens-freiheit geführt hätten, nicht vorfl ([X.]/34). Sie läßt sich nicht ohne weiteresdamit vereinbaren, daß es zu Gunsten des Angeklagten mit Rücksicht auf sei-ne Alkoholisierung und die möglicherweise noch vorhandene geburtsbedingtecerebrale Störung, die die Wirkung des Alkohols verstärkt haben kann, [X.] erheblichen Verminderung des Hemmungsvermögens im Sinne des § 21StGB ausgegangen ist ([X.]). Insoweit hätte es der Prüfung bedurft, ob [X.] sich infolge seiner psychischen Beeinträchtigung trotz [X.] Umstände, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden [X.] machten, der besonderen Gefahrenlage nicht in vollem Umfang bewußtwar (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 38), sondern seineTreffsicherheit überschätzt und deshalb auf einen glücklichen Ausgang [X.] 7 -Der neue Tatrichter wird auch die nach dem äußeren [X.] nicht vonvornherein auszuschließende Möglichkeit erneut zu prüfen haben, daß [X.] zwar auf das Tatopfer gezielt, beim Betätigen des [X.]saber (fahrlässig) darauf vertraut hat, die Sicherung sei wieder eingelegt.[X.] Athing
Meta
16.11.2000
Bundesgerichtshof 4. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.11.2000, Az. 4 StR 438/00 (REWIS RS 2000, 503)
Papierfundstellen: REWIS RS 2000, 503
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