Bundessozialgericht, Beschluss vom 21.12.2022, Az. B 9 SB 14/22 B

9. Senat | REWIS RS 2022, 8654

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - unzureichende Begründung der Rechtsauffassung des Gerichts - erforderliche Darlegung der besonderen Umstände des Einzelfalls - Beschwerdebegründung - vollständige und nachvollziehbare Schilderung des Sachverhalts sowie der gerichtlichen Tatsachenfeststellungen - sozialgerichtliches Verfahren - Anforderungen an Gutachten im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung - Übertragbarkeit der Grundsätze auf Gutachten im Schwerbehindertenrecht


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 28. März 2022 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50.

2

Das [X.] hat den Anspruch wie vor ihm der Beklagte und das [X.] verneint. Die beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen rechtfertigten auch für die [X.] seit August 2019 keinen höheren [X.] als 40. Die depressive Störung des [X.] und seine somatoforme autonome Funktionsstörung mit Bezug auf das Atmungssystem seien als seelische Erkrankungen mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten, wie sich ua aus den im Verfahren vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahmen ergebe. Das [X.] und die [X.] mit einem Einzel-GdB von 20 erhöhten den [X.] auf 40. Nichts anderes ergebe sich, wenn man mit dem auf Antrag des [X.] gehörten Sachverständigen B für seine Gesundheitsstörungen auf seelischem Gebiet einen Einzel-GdB von 40 annehme, da sich die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf seelischem Gebiet und auf [X.] deutlich überschnitten (Urteil vom 28.3.2022).

3

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum B[X.] eingelegt und Verfahrensfehler des [X.] geltend gemacht.

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil sie den allein behaupteten Verfahrensmangel nicht ordnungsgemäß bezeichnet hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G).

5

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] 3 [X.]albsatz 1 [X.]G), so müssen bei der Bezeichnung dieses [X.] (§ 160a Abs 2 Satz 3 [X.]G) zunächst substantiiert die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargetan werden. Die Sachverhaltsdarstellung in der Beschwerdebegründung muss das B[X.] dabei in die Lage versetzen, sich ohne Studium der Gerichts- und Verwaltungsakten allein aufgrund des Beschwerdevortrags ein Bild über den Streitgegenstand sowie seine tatsächlichen und rechtlichen Streitpunkte zu machen (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 30.11.2017 - [X.] V 36/17 B - juris Rd[X.] 10 mwN). Es ist dagegen nicht Aufgabe des B[X.], sich im [X.] selbst die maßgeblichen Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil oder den Akten herauszusuchen (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom [X.] - [X.] V 14/19 B - juris Rd[X.] 4 f mwN). Schon an einer solchen ausreichenden Sachverhaltsdarstellung fehlt es, weil die Beschwerde das angefochtene Urteil und damit auch die vom [X.] festgestellten Tatsachen nur bruchstückhaft im Zusammenhang mit ihrer rechtlichen Erörterung wiedergegeben hat.

6

Auch im Übrigen hat der Kläger die behauptete Verletzung von § 128 Abs 1 Satz 2 [X.]G nicht hinreichend dargelegt. Nach dieser Vorschrift sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. § 128 Abs 1 Satz 2 [X.]G konkretisiert die Regelung des § 136 Abs 1 [X.] 6 [X.]G; sie betrifft den Umfang des in der Entscheidung zu erörternden Streitstoffs. Dabei hängt es von den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, in welchem Umfang ein Gericht seine Rechtsauffassung in seiner Entscheidung begründen muss. Diese besonderen Umstände muss die Beschwerde im Einzelnen darlegen (B[X.] Beschluss vom 26.5.2011 - [X.] [X.] 145/10 B - juris Rd[X.] 3 mwN).

7

Diese Darlegungen enthält die Beschwerdebegründung nicht. Die Beschwerde sieht einen Verstoß gegen § 128 Abs 1 Satz 2 [X.]G im Umgang des [X.] mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme des [X.] In Anknüpfung an die Rechtsprechung des B[X.] zum Unfallversicherungsrecht (B[X.] Urteil vom [X.] - B 2 U 25/17 R - B[X.]E 128, 78 = [X.]-2700 § 200 [X.] 5) ist sie der Ansicht, das Urteil des [X.] lasse nicht wie erforderlich erkennen, ob diese Stellungnahme mit den förmlichen und inhaltlichen Anforderungen eines ordnungsgemäßen Gutachtens vergleichbar sei. Aus dem Urteil werde auch nicht deutlich, ob sich das [X.] der Unterschiede zwischen Sachverständigen- und [X.] im Klaren gewesen sei.

8

[X.]insichtlich dieses Vortrags der Beschwerde kann dahinstehen, ob und in welchem Umfang die für das Recht der Unfallversicherung aufgestellten Grundsätze zu den Anforderungen an Gutachten sich auf das Schwerbehindertenrecht übertragen lassen (vgl B[X.] Beschluss vom 29.6.2015 - [X.] V 45/14 B - juris Rd[X.] 6 mwN). Denn unabhängig davon lässt sich auf der Grundlage der Beschwerdebegründung und ihrer - wie ausgeführt - nur kursorischen Wiedergabe des angefochtenen Urteils bereits nicht zuverlässig beurteilen, ob das [X.] die versorgungsärztliche Stellungnahme überhaupt als vollwertiges Gutachten behandelt, sich maßgeblich darauf gestützt und deshalb die insoweit geltenden Voraussetzungen zu beachten hatte (vgl B[X.] Urteil vom [X.] - B 2 U 25/17 R - B[X.]E 128, 78 = [X.]-2700 § 200 [X.] 5, Rd[X.] 14 ff mwN). Gerade bei der Rüge eines Begründungsmangels muss eine Beschwerde aber die Gründe des angefochtenen Urteils im Zusammenhang mit den vom [X.] festgestellten Tatsachen vollständig und nachvollziehbar wiedergeben, damit ihre Rüge aus sich heraus und nicht erst mithilfe einer ergänzenden Lektüre des Urteils verständlich wird.

9

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auch einen Verstoß gegen § 200 Abs 2 [X.]albsatz 1 [X.]B VII rügt, fehlt es an der Darlegung, warum diese unfallversicherungsrechtliche Vorschrift im Bereich des Schwerbehindertenrechts anwendbar sein sollte. Ohnehin hat der Kläger, wie gezeigt, eine Behandlung der versorgungsärztlichen Stellungnahme des [X.] als vollwertiges Gutachten nicht substantiiert dargelegt (zur Abgrenzung vgl B[X.] Urteil vom [X.] - B 2 U 8/07 R - B[X.]E 100, 25 = [X.]-2700 § 200 [X.] 1, Rd[X.] 16 ff mwN).

Soweit der Kläger schließlich rügt, es erschließe sich nicht, warum das [X.] nicht von einem Einzel-GdB von 40 für seine seelische Störung ausgegangen sei, wendet er sich gegen die Beweiswürdigung des [X.] (zur [X.] als tatrichterliche Aufgabe vgl etwa B[X.] Urteil vom 16.12.2021 - [X.] SB 6/19 R - [X.]-1300 § 48 [X.] 40 juris Rd[X.] 37 f mwN), die § 160 Abs 2 [X.] 3 [X.]albsatz 2 [X.]G indes der Beurteilung durch das Revisionsgericht vollständig entzieht. [X.] der darin enthaltenen ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung kann die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden (stRspr; zB B[X.] Beschluss vom 1.7.2020 - [X.] SB 5/20 B - juris Rd[X.] 10 mwN).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 [X.]albsatz 2 [X.]G).

2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung [X.] als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 [X.]albsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 [X.]G).

3. [X.] beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 [X.]G.

Kaltenstein

 Othmer

 Röhl 

Meta

B 9 SB 14/22 B

21.12.2022

Bundessozialgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SB

vorgehend SG Mannheim, 12. Mai 2021, Az: S 11 SB 1119/20, Gerichtsbescheid

§ 128 Abs 1 S 2 SGG, § 136 Abs 1 Nr 6 SGG, § 118 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB 7, § 152 Abs 1 S 1 SGB 9 2018

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 21.12.2022, Az. B 9 SB 14/22 B (REWIS RS 2022, 8654)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8654

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