Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.12.2011, Az. VII ZR 198/10

7. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 688

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Gegenstand

Werkvertrag: Schadensersatzanspruch des Bestellers bei Schäden am Gebäude durch fehlerhafte Trocknungsmethode nach einem Wasserschaden


Leitsatz

Wählt ein Unternehmer, der nach einem Wasserschaden in einem Gebäude damit beauftragt ist, den Fußbodenaufbau zu trocknen, und zu diesem Zweck den Fliesenbelag öffnen muss, eine Trocknungsmethode, die zu größeren Schäden am Gebäude als erforderlich führt, ist der Schadensersatzanspruch des Bestellers nicht davon abhängig, dass er dem Unternehmer eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 21. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt Werklohn für [X.] anlässlich eines von der Beklagten verursachten Wasserschadens. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte mit einem Schadensersatzanspruch aufrechnen kann.

2

Die Beklagte führte im Rahmen der Errichtung eines Alten- und Pflegeheimes Installationsarbeiten aus. Nachdem es zu einem Wasserschaden gekommen war, beauftragte sie im Juli 2008 die Klägerin mit den [X.], die ihrerseits ihre Streithelferin hinzuzog. Zur Trocknung des [X.] (schwimmender Estrich auf Betondecken) schnitt die Klägerin in den gefliesten Bädern die Silikonfugen sowie die dahinter befindliche [X.] zwischen Fußboden und aufgehenden Wänden auf. Über die geöffneten [X.] strömte in die Dämmschichten trockene Luft, die die Klägerin durch ein jeweils im [X.] in den gefliesten Fußboden gebohrtes Loch wieder absaugte. Die [X.] waren erfolgreich. Der Klägerin steht ein Werklohn von 62.453,77 € zu. Die Beklagte rechnet mit den Kosten für die Wiederherstellung fachgerechter Fugen zwischen Fußboden und aufgehenden Wänden als Schadensersatzanspruch auf.

3

Die Klägerin hat den Betrag von 62.453,77 € eingeklagt. Das [X.] hat ihr 31.440,77 € nebst Zinsen zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Dagegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten diese verurteilt, an die Klägerin 15.933,77 € nebst Zinsen zu zahlen. Es hat die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihren Anspruch in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision ist nicht begründet.

I.

5

Das Berufungsgericht meint, die Beklagte könne gegen den Werklohnanspruch der Klägerin mit einem Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer werkvertraglichen Schutzpflicht in Höhe von 46.520 € aufrechnen. Die von der Klägerin gewählte [X.] sei für Feuchträume wenig sinnvoll gewesen, da sie zu einer Durchtrennung der Feuchtigkeitsschutzfolie geführt habe. Die Klägerin habe zwar ursprünglich ins Auge gefasst gehabt, nicht die Silikonfugen aufzuschneiden, sondern in den Bädern in jeder Ecke die Bodenfliesen zu durchbohren. Von dieser geeigneten Maßnahme habe sie sich nicht abbringen lassen dürfen, auch wenn die Mitarbeiter der [X.] vor Ort nicht in der Lage gewesen seien, die genaue Lage der Rohre im [X.] zu benennen. Sie hätte darauf hinwirken müssen, dass die genaue Lage der Rohre festgestellt wird. Die Klägerin habe die Entscheidung über die anzuwendende [X.] eigenverantwortlich getroffen. Sie trage die Verantwortung dafür, dass diese ordnungsgemäß und in einer Weise ausgeführt werde, die zu möglichst geringen Schäden führe. Sehenden Auges eine Maßnahme zu ergreifen, die zu einer erheblichen Beschädigung der Bausubstanz führe, stelle eine [X.] dar. Der [X.] stehe daher nicht Schadensersatz statt der Leistung, § 280 Abs. 3, § 281 BGB, sondern Schadensersatz neben der Leistung, § 280 Abs. 1 BGB, zu. [X.] sei allein die Trocknung des Gebäudes gewesen, nicht die Beseitigung der dadurch verursachten Schäden. Ihre Hauptpflicht habe die Klägerin erfüllt. Der enge Zusammenhang zwischen der Schädigung des Gebäudes und der [X.] rechtfertige es nicht, den Schadensersatzanspruch in den Bereich von § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 3, § 281 BGB zu ziehen. Die Beklagte sei daher nicht gehalten gewesen, der Klägerin eine Frist zur Mängelbeseitigung zu setzen. Ein Mitverschulden der [X.] scheide aus, weil es Aufgabe der Klägerin gewesen sei, die geeignete und schonendste Methode der Trocknung auszuwählen.

6

Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Frage der Abgrenzung von Haupt- und [X.] bei zwangsläufiger Substanzverletzung durch die Werkleistung grundsätzliche Bedeutung habe.

[X.]

7

Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten jedenfalls im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der [X.] ein Schadensersatzanspruch neben der Leistung nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB oder statt der Leistung nach § 280 Abs. 3, § 281 BGB zusteht.

8

1. Die Revision wendet sich nicht gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Klägerin eine schuldhafte Pflichtverletzung vorzuwerfen ist, die einen Schadensersatzanspruch der [X.] begründet.

9

2. Handelt es sich, wie das Berufungsgericht und die Revisionserwiderung meinen, um die Verletzung einer Schutzpflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB, folgt der Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB. Er setzt eine Fristsetzung nach § 281 Abs. 1 BGB nicht voraus und steht der [X.] ohne weiteres zu.

3. Geht man davon aus, dass es sich um die Verletzung einer Leistungspflicht handelt und das von der Klägerin geschuldete Werk mangelhaft war, scheitert der Schadensersatzanspruch der [X.] nicht daran, dass eine Frist zur Mängelbeseitigung nicht gesetzt worden ist. Denn eine solche Fristsetzung war entbehrlich, weil der geltend gemachte Schaden durch eine Nacherfüllung nicht mehr beseitigt werden konnte.

a) Die Klägerin war von der [X.] beauftragt worden, den Fußboden in den von dem Wasserschaden betroffenen Bädern zu trocknen. Die Durchführung der Trocknung, das Zu- und Abführen von Luft im [X.], setzte dabei zwingend voraus, dass der Fliesenbelag geöffnet wurde. Diese von der Klägerin vorzunehmenden Eingriffe in die Bausubstanz waren nach den Feststellungen des Berufungsgerichts unvermeidlich. Besondere Vereinbarungen über die Art dieser Eingriffe hatten die Parteien nicht getroffen. Die Klägerin schuldete daher nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen eine Maßnahme, die einerseits für eine effiziente Trocknung geeignet war und die andererseits möglichst geringe Eingriffe in die Bausubstanz erforderte. Diese schonendste Maßnahme hätte hier darin bestanden, in den Bädern in jeder Ecke die Bodenfliesen zu durchbohren. Die von der Klägerin gewählte und ausgeführte Methode führte demgegenüber zu größeren Schäden, insbesondere zu der Durchtrennung der Feuchtigkeitsschutzfolie.

b) Der Schaden, den die Beklagte durch diese Vorgehensweise der Klägerin erlitten hat, kann durch eine Nacherfüllung nicht mehr beseitigt werden. Die Pflichtverletzung der Klägerin besteht in der Wahl einer die Bausubstanz mehr als notwendig schädigenden [X.]. Sie kann nicht dadurch ungeschehen gemacht und der entstandene Schaden beseitigt werden, dass die ordnungsgemäße Erfüllungsleistung - das Öffnen des Bodens in den vier Ecken der Bäder - nachgeholt wird. Der Zweck der Fristsetzung, dem Unternehmer eine letzte Gelegenheit einzuräumen, das noch mit Mängeln behaftete Werk in den vertragsgemäßen Zustand zu versetzen, ehe an deren Stelle die ihn finanziell regelmäßig mehr belastenden anderen Mängelansprüche treten, war hier nicht mehr zu erreichen. Der [X.] hat zum alten Schuldrecht bereits entschieden, dass bei einer derartigen Sachlage die Setzung einer Frist zur Nachbesserung nicht in Betracht kommt (Urteil vom 7. November 1985 - [X.], [X.], 221, 226; vgl. auch Urteil vom 16. Oktober 1984 - [X.], [X.], 308, 310). Daran hat sich durch das [X.] nichts geändert.

4. Auch soweit das Berufungsgericht ein Mitverschulden der [X.] bei der Entstehung des Schadens verneint, ist seine Entscheidung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Die Bedenken, die die Revisionserwiderung insoweit gegen die [X.] der Revision geltend macht, sind nicht begründet. Zwar ist es richtig, dass eine Beschränkung der Revisionszulassung regelmäßig anzunehmen ist, wenn die Zulassung nur wegen bestimmter Rechtsfragen ausgesprochen wird, die lediglich für die Entscheidung über einen selbständigen Teil des [X.] erheblich sein können ([X.], Urteil vom 5. Mai 2011 - [X.], NJW-RR 2011, 1106 Rn. 22, und Beschluss vom 10. Februar 2011 - [X.], [X.], 354 Rn. 11). Die vom Berufungsgericht formulierte [X.] ist nur für den Grund des von der [X.] zur Aufrechnung gestellten Gegenanspruchs und nicht für dessen Höhe von Bedeutung. Ob hieraus der Schluss gezogen werden kann, dass das Berufungsgericht die Revisionszulassung auf den Grund dieses Anspruchs beschränken und die Frage des Mitverschuldens von der Zulassung ausnehmen wollte, muss der [X.] nicht entscheiden. Denn eine derartige Beschränkung ist jedenfalls dann nicht zulässig, wenn sich der Einwand des Mitverschuldens nicht vom Grund der Haftung trennen lässt, weil beides sich aus einem einheitlich zu würdigenden Schadensereignis ableitet ([X.], Urteile vom 15. November 2001 - I ZR 264/99, NJW-RR 2002, 1148, 1149, und vom 30. September 1980 - [X.], NJW 1981, 287, 288). So ist es hier. Die Klägerin macht geltend, sie sei für die Wahl der falschen [X.] nicht allein verantwortlich; die Beklagte habe ihr trotz des erheblichen Zeitdrucks nicht die Lage der Rohre im Fußboden verdeutlicht und sie dadurch von der Verwirklichung der schonendsten [X.] abgebracht. Dieser Einwand betrifft die Entstehung des Anspruchs, § 254 Abs. 1 BGB, und kann nur zusammen mit den Verursachungsbeiträgen der Klägerin sinnvoll gewürdigt werden.

b) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht ein Mitverschulden der [X.] verneint.

aa) Die [X.] nach § 254 BGB ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Sie kann im Revisionsverfahren jedoch daraufhin überprüft werden, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zugrunde gelegt worden sind. Die Abwägung darf insbesondere nicht schematisch erfolgen, sondern muss alle festgestellten Umstände des Einzelfalls berücksichtigen ([X.], Urteil vom 11. September 2008 - I ZR 118/06, NJW-RR 2009, 43 Rn. 43 m.w.N.).

bb) Diesen Anforderungen genügt das Berufungsurteil. Das Berufungsgericht hat insbesondere den oben dargestellten Einwand der Klägerin gesehen und bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Es nimmt bei der Prüfung des Mitverschuldens auf seine Ausführungen unter [X.] 2. Bezug. Dort führt es aus, es sei vor Ort über verschiedene [X.]n gesprochen worden. Es setzt sich mit der Ansicht des [X.] auseinander, die Klägerin sei zu der ausgeführten [X.] durch die Beklagte veranlasst worden, und geht auch auf die Eilbedürftigkeit der Sache ein.

Diese Erwägungen sind von [X.] nicht beeinflusst. Insbesondere ist die Würdigung des Berufungsgerichts vertretbar, die Klägerin hätte sich von den Mitarbeitern der [X.] nicht davon abbringen lassen dürfen, den [X.] zu erfüllen. Eine Anordnung der [X.], die Löcher wegen der den Mitarbeitern unbekannten Lage der Rohre nicht im Fußboden anzubringen, lag nicht vor.

I[X.]

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Kniffka                                                 Bauner                                               Eick

                          Halfmeier                                               [X.]

Meta

VII ZR 198/10

08.12.2011

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Celle, 21. Oktober 2010, Az: 5 U 47/10, Urteil

§ 280 Abs 1 BGB, § 281 BGB, § 634 Nr 4 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.12.2011, Az. VII ZR 198/10 (REWIS RS 2011, 688)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 688

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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