Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.04.2023, Az. 2 StR 46/22

2. Strafsenat | REWIS RS 2023, 4817

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Gegenstand

Notwendige Feststellungen zur Anordnung einer Wertersatzeinziehung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. August 2021, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen unter Auflösung einer Gesamtfreiheitsstrafe aus einem Urteil des [X.]s Berlin vom 10. Oktober 2018 und Einbeziehung einer Einzelstrafe aus diesem Urteil sowie einer mit Urteil des [X.]s Mannheim vom 14. August 2018 verhängten Strafe „unter Aufrechterhaltung der in den vorgenannten Entscheidungen getroffenen Einziehungsentscheidung“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren sowie daneben zu einer Gesamtgeldstrafe von 240 Tagessätzen zu je 165 € verurteilt. Außerdem hat das [X.] gegen den Angeklagten als Gesamtschuldner die Einziehung „von [X.]“ in Höhe von 150.000 € angeordnet und näher bezeichnete Betäubungsmittel eingezogen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung der Einziehungsentscheidung; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch sowie zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

3

2. Die Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 150.000 € hält hingegen sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das [X.] hat die Einziehung – jeweils in unbezifferter Höhe – einesteils auf § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB (Einziehung des Wertes von [X.]n) anderenteils auf § 74 Abs. 1, § 74c Abs. 1 StGB (Einziehung des Wertes von [X.]) gestützt. Dies begegnet durchgreifenden Bedenken.

4

a) Nach den landgerichtlichen Feststellungen erhielt der Angeklagte von einem weiteren nicht revidierenden Mitangeklagten zum Zwecke des Erwerbs von Betäubungsmittel insgesamt mindestens 150.000 € in [X.]. Die [X.] stammten in einem nicht näher bestimmbaren Umfang aus vorangegangenen Betäubungsmittelverkäufen, im Übrigen konnten zu deren Herkunft keine konkreten Feststellungen getroffen werden. Nach Erhalt wurden die [X.] seitens des Angeklagten „ausgecasht“. Mit dem erlösten Geld bezahlte der Angeklagte in den gegenständlichen vier Fällen die jeweiligen Rauschgiftmittellieferungen für den gemeinsam betriebenen [X.]“ der Gruppierung. Infolge des „[X.]“ waren die [X.] auf der „Wallet“ des Angeklagten nicht mehr vorhanden. Das hieraus erlöste [X.] wurde tatplangemäß eingesetzt.

5

Da die Kammer nicht festzustellen vermochte, welche Erlöse bei der Veräußerung des Rauschgifts jeweils erzielt wurden, hat sie als Gegenstand der Einziehung auf die nicht mehr vorhandenen, weil zu [X.] umgetauschten [X.] abgestellt. Die [X.]einziehung hat sie einerseits auf § 73c Satz 1 StGB, soweit die [X.] aus strafbaren Handlungen stammten, im Übrigen auf § 74c Abs. 1 StGB abgestellt, da sie die ursprünglich zum Zwecke der Betäubungsmittelbeschaffung überlassenen [X.] als Tatmittel angesehen hat.

6

b) Die Feststellungen tragen die angeordnete [X.]einziehung nicht.

7

aa) [X.] hat es das [X.] offengelassen, auf welche Rechtsgrundlage es die Einziehungsentscheidung stützt. Somit vermag das Revisionsgericht nicht zu prüfen, in Bezug auf welchen konkreten Betrag eine Einziehung nach § 74c Abs. 1 StGB bzw. § 73c Satz 1 StGB erfolgt ist. Mit Blick auf die unterschiedlichen tatbestandlichen Voraussetzungen zwischen den §§ 73 ff. StGB einerseits und den §§ 74 ff. StGB andererseits durfte dies nicht offenbleiben (vgl. [X.], Beschluss vom 8. Februar 2023 – 3 [X.], juris Rn. 7 mwN). Die Anordnung der Tatertragseinziehung muss vielmehr unter Anführung ihrer tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen entsprechend den Anforderungen des sachlichen Rechts nachvollziehbar im Urteil begründet werden ([X.]/[X.], in: [X.]/[X.]/[X.], BtMG, 10. Aufl., § 33 Rn. 158).

8

bb) Ungeachtet dessen hat das [X.] übersehen, dass die Einziehung des Wertes von [X.] nach § 74c Abs. 1 StGB nur möglich ist, wenn der Angeklagte die Einziehung der ihm zustehenden Tatmittel vereitelt hat. Daran fehlt es hier. Die im Sinne der Bandenabrede bestimmungsgemäße Verwendung der Tatmittel, die das [X.] nach seiner Wertung der Beurteilung zu Grunde legt, kann jedoch nicht zugleich als Vereitelungshandlung im Sinne des § 74c Abs. 1 StGB angesehen werden. Erst die funktionale Verwendung macht das Geld zum Einziehungsgegenstand (vgl. [X.], Beschluss vom 20. September 1991 – 2 StR 387/91, [X.]R StGB § 74c Abs. 1 Vereitelung 1; [X.], Beschlüsse vom 19. Oktober 2010 – 4 [X.], [X.]R § 73a Anwendungsbereich 4; vom 14. Februar 2018 – 4 [X.], juris Rn. 5; [X.], Urteil vom 18. November 2021 – 3 [X.], juris Rn. 17; [X.], Beschluss vom 23. Februar 2023 – 2 StR 444/21, juris Rn. 16). Im Übrigen zeigen die Urteilsgründe weder eine Ermessensausübung auf noch ist mit Blick auf die konkreten Umstände eine nähere Begründung entbehrlich gewesen (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Mai 2020 – 2 StR 44/20, juris Rn. 11; [X.], Beschluss vom 11. Januar 2022 – 3 StR 415/21, juris Rn. 6).

9

cc) Soweit das [X.] die Einziehung auf § 73c StGB gestützt hat, wird dies von den Feststellungen ebenfalls nicht getragen. Denn die [X.] ist lediglich allgemein davon ausgegangen, dass „die transferierten [X.] Erlöse aus vorangegangenen Betäubungsmittelverkäufen darstellen“ ([X.]), ohne es gerade denjenigen Taten zuzuordnen, wegen derer der Angeklagte verurteilt worden ist. Dies ist jedoch Voraussetzung einer Einziehung nach § 73 Abs. 1 StGB bzw. § 73c StGB (vgl. [X.], Beschluss vom 8. November 2018 – 4 [X.], [X.], 271; Beschluss vom 19. August 2020 – 3 [X.], juris Rn. 6). Die Urteilsgründe tragen auch nicht die erweiterte Einziehung des Geldes gemäß § 73a Abs. 1 StGB, da die [X.] nicht mehr vorhanden sind. Der [X.] vermochte angesichts des nicht näher konkretisierten Anteils der inkriminierten Gelder auch nicht die Einziehung auf die von der Rechtsprechung anerkannte ersatzweise Einziehung des Werts der [X.] nach § 73a Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB (vgl. [X.], Beschlüsse vom 7. Mai 2019 – 5 StR 149/19, juris Rn. 8; vom 17. April 2019 – 5 [X.], [X.], 661) zu stützen.

Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.

c) Für die neue Hauptverhandlung weist der [X.] darauf hin, dass die Kammer unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) Umfang und Wert der für eine Einziehung nach § 73c Satz 1 StGB maßgeblichen Verkaufserlöse mit Blick auf die festgestellten Einkaufspreise, die jeweiligen [X.] und den Gesamtumsatz nach § 73d Abs. 2 StGB schätzen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 23. Januar 2019 – 3 [X.], juris Rn. 6).

Ferner wird die neu zur Entscheidung berufene [X.] zu beachten haben, dass die Entscheidung der [X.], die mit Urteil des [X.]s Mannheim vom 14. August 2018 angeordnete Einziehung des Wertes von [X.]n (§ 73c Satz 1 StGB) in Höhe von 356.391,34 € und die mit Urteil des [X.]s Berlin vom 10. Oktober 2018 angeordnete Einziehung von [X.]n (§ 73 Abs. 1 StGB) in Höhe von 7.000 € aufrecht zu erhalten, mit der Rechtsprechung des [X.] zur Einbeziehung früherer Entscheidungen gemäß § 55 Abs. 2 StGB nicht in Einklang steht. Zwar sind – wie der [X.] im Ansatz zutreffend ausführt – frühere Entscheidungen in das neue Urteil dergestalt einzubeziehen, dass die Beträge aus den früheren und der aktuellen Einziehungsentscheidung zusammengezählt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 1. Dezember 2021 – 6 StR 409/21, juris Rn. 5). Dies gilt jedoch nur, soweit die Einziehung des Wertes von [X.]n oder [X.] nach §§ 73c, 74c StGB angeordnet wurde. Hingegen erwirbt der Staat bei der Anordnung der Einziehung von [X.]n regelmäßig mit Rechtskraft der Entscheidung das Eigentum an den eingezogenen Gegenständen (§ 75 Abs. 1 StGB). In der letztgenannten Konstellation ist das Aufrechterhalten einer Einziehungsentscheidung bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung entbehrlich und entfällt (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Februar 2023 – 6 StR 523/22, juris Rn. 4 mwN). Nur im verbleibenden Umfang findet eine Addition der [X.]einziehungen statt.

Franke     

  

Appl     

  

Zeng

  

Grube     

  

Schmidt     

  

Meta

2 StR 46/22

19.04.2023

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Gießen, 6. August 2021, Az: 9 KLs - 701 Js 13558/18

§ 73 Abs 1 StGB, § 73a StGB, § 73c StGB, § 74c Abs 1 StGB, § 75 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.04.2023, Az. 2 StR 46/22 (REWIS RS 2023, 4817)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4817

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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