Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2017, Az. VIII ZR 217/16

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 12126

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:250417BVIIIZR217.16.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR
217/16
vom

25. April 2017

in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 690 Abs. 1 Nr. 3; BGB § 204 Abs. 1 Nr. 3
Für die zur Hemmung der Verjährung durch Mahnbescheid erforderliche Individuali-sierung der darin geltend gemachten Ansprüche genügt es, wenn der Schuldner selbst -
etwa anhand einer im Mahnbescheid genannten und ihm bekannten Forde-rungsaufstellung -
erkennen kann, um welche Forderungen es geht (Bestätigung von [X.], Urteile vom 25. März
2015 -
VIII ZR 243/13, NJW 2015, 3228 Rn. 63 f., inso-weit in [X.]Z 204, 325 nicht abgedruckt; vom 17. November 2010 -
VIII ZR 211/09, NJW 2011, 613 Rn. 9).
GG Art. 103 Abs. 1
Bei einer auf zahlreichen Einzelpositionen (hier: diverse Lieferungen für [X.] Bauvorhaben) beruhenden Klage, deren Entstehung und Höhe aufgrund ver-schiedener Streitpunkte der [X.]en nicht einfach darzustellen ist, muss sich das Gericht der Mühe unterziehen, trotz derartiger, sich aus der Natur der Sache erge-bender Schwierigkeiten den Sachvortrag der [X.]en zur Kenntnis zu nehmen. Dies gilt (selbstverständlich) auch dann, wenn die klagende [X.] ihren Vortrag noch nicht in der [X.] umfassend gehalten, sondern im Laufe des Verfahrens ergänzt und präzisiert sowie zur Erläuterung und wegen der Einzelheiten auf beigefügte Anlagen verwiesen hat. [X.] sich das Gericht in einem solchen Fall seiner Aufgabe, indem es die Klage mit der pauschalen Begründung abweist, es sei nicht verpflichtet, "sich die geltend gemachte Forderung nach Grund und Höhe aus den von der [X.] eingereichten Schriftsätzen und den Anlagen zusammen zu suchen", liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor (im [X.] an [X.], NJW 1994, 2683).
[X.], Beschluss vom 25. April 2017 -
VIII ZR
217/16 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-

Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat am 25. April 2017
durch die Vorsitzende [X.]in Dr.
Milger, die [X.]in Dr.
Hessel sowie die [X.] Prof.
Dr.
Achilles, Dr.
Schneider und Dr.
Bünger

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt
am Main
vom 31.
August 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Gerichtskosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens wer-den nicht erhoben.
Der Gegenstandswert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens

Gründe:
I.
Die Klägerin ist Lieferantin und Herstellerin
von Betonfertigteilen. Im [X.] Rechtsstreit begehrt sie restliche Vergütung der für verschiedene Bauvorhaben auftragsgemäß gelieferten und von der [X.].
1
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3
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Nach Ausführung der Lieferungen und Erteilung der Rechnungen durch die Klägerin kam es zwischen den [X.]en zu Meinungsverschiedenheiten über die Höhe der von der Klägerin
zu
beanspruchenden
Vergütung. Die Kläge-rin erstellte
deshalb über die nach ihrer Ansicht offenen Beträge eine
als aktuel-le Aufstellung ihrer Buchhaltung bezeichnete Liste ("offene Postenliste") und
übersandte sie der [X.] am 18. Dezember 2012
per Fax. Diese [X.] endet
mit einem von der [X.] noch zu zahlenden ([X.] von 67..

Für die in der genannten dreiseitigen Aufstellung
aufgeführten 75 Rech-nungen gab die Klägerin dabei
jeweils Rechnungsnummer, Rechnungsdatum,
Zahlungsziel,
Fälligkeit,
Rechnungsbetrag,
erfolgte Teilzahlung ("Zahlungsbe-trag") sowie
beanspruchte Restzahlung
("Restbetrag")
an. Von den in der "offe-nen Postenliste"
aufgeführten Rechnungen
datieren acht Rechnungen
aus dem [X.], eine aus dem [X.] und die übrigen aus dem Jahr 2009. Unter den
aus
dem Jahr 2009 datierenden Positionen befinden sich auch zwei ein-gangs der Liste genannte Positionen (Rechnungsnummer 100583 und 100748),
n.
Danach folgen 72 Positionen, die nach Rechnungsnummern in aufsteigender Reihe
(beginnend mit der Rechnungsnummer 13627 und einem Fälligkeitsdatum "7.3.2009"
und endend mit der Rechnungsnummer 17114
und einem Fälligkeitsdatum "12.6.2012") geordnet sind; unter diesen 72 Positionen befindet sich wiederum eine, die im Rechnungsbetrag mit einem Minuszeichen
versehen ist (Rech-nungsnummer
13993 über
einen Minusbetrag von

Als
letzte Rech-nungsposition ist eine Rechnung mit der Nummer 90221-09 und einem restli-chen Forderungsbetrag von 2.4.

Um die zwischen den [X.]en streitigen offenen Positionen außerge-richtlich erörtern zu können, erklärte die Beklagte auf Wunsch der
Klägerin mit 2
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Schreiben vom 21. Dezember 2012, dass sie bis zum 31.
März 2013 auf die Einrede der Verjährung verzichte.
Am 2. April 2013 (Dienstag nach [X.]) hat
die Klägerin den
Erlass ei-nes Mahnbescheids
beantragt, der der [X.] am 9. April 2013
zugestellt worden ist.
Darin wird

"Werkvertrag bzw. [X.] gem. Fax und Aufstellung vom 18.12.12 13627-17114 und 100583 + 100748 + 90221 vom 7.3.09 bis 12.6.12"
genannt.
Das [X.] hat der auf Zahlung von 67.017,18

en ge-richteten Klage nur bezüglich
der in den Rechnungen Nr. 16834 und 16791

e-ben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin, mit der sie die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils bezüglich der aberkannten Forderun-gen und die Verurteilung
der [X.] Zinsen begehrt hat, ist ohne Erfolg geblieben.
Das Berufungsgericht hat die [X.] nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die [X.] der Klägerin, mit der sie
ihr Klagebegehren
weiterverfolgt, soweit es in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben ist.

II.
Das Berufungsgericht hat zur
Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
Soweit die Klage in Höhe eines

der -
aus dem Jahre 2009 datierenden -
Rechnungen gemäß Anlage K
1 bis K
62 gestützt sei, sei sie mit Rücksicht auf die von der [X.] erhobene [X.] unbegründet. Denn die insoweit geltend gemachten Forde-5
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rungen seien im Mahnbescheid nicht in
der Weise
individualisiert, dass die [X.] als Schuldnerin hätte erkennen können, woraus die Klägerin die geltend gemachten Zahlungsansprüche herleite. Zwar nehme der [X.] auf eine Aufstellung vom 18. Dezember 2012 Bezug, doch stimmten die im [X.] genannten Daten
nicht mit den Daten der Aufstellung überein. Außerdem ende-ten die Rechnungen mit den Nummern
100583 und 100748 mit einem negati-ven Betrag und sei eine Rechnung mit der Nummer 91221 nicht
in der [X.] enthalten. Mangels ausreichender Individualisierung habe
der Mahnbe-scheid die Verjährung mithin
von vornherein nicht hemmen können. Es könne daher offen bleiben, ob §
193 BGB hier zugunsten der Klägerin eingreife.
Hinsichtlich der nicht verjährten Forderungen (Rechnungen aus den [X.] 2010 und 2012) habe das [X.], soweit es die Forderung abgewie-sen habe, zu Recht darauf abgestellt, dass die Klage schon mangels [X.] Substantiierung unbegründet sei. Es fehle an einer ausreichenden In-dividualisierung und konkretem Sachvortrag zu jeder einzelnen [X.]. Soweit die Klägerin offene Forderungen aus Lieferverträgen behaupte, ersetze die Vorlage von [X.] aus Rechnungen nebst Liefer-scheinen substantiierten
Sachvortrag zu den einzelnen abgerechneten Positio-nen nicht. Das aus Art. 103 GG fließende Prinzip der Gewährung rechtlichen Gehörs gebiete es nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.],
NJW
1994, 2683) nicht, dass der erkennende [X.] sich die geltend gemachte Forderung nach Grund und Höhe aus den zu Gericht gereichten Schriftsätzen nebst Anlagen
zusammensuche. Das "vor die Klammer [X.]"
Beweisangebot des Sachverständigengutachtens, dass sämtliche Rech-nungen korrekt seien, liefe auf einen bloßen Ausforschungsbeweis hinaus und sei deshalb unbeachtlich.

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III.
Die zulässige Nichtzulassungsbeschwerde hat in der Sache Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die angefochtene Ent-scheidung verletzt in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Kläge-rin
auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).
1. Die Annahme des Berufungsgerichts, die aus den Rechnungen des Jahres 2009 resultierenden Forderungen der Klägerin seien im Mahnbescheid nicht ausreichend individualisiert
worden und deshalb verjährt, beruht auf einer Gehörsverletzung zum Nachteil der Klägerin. Denn
das Berufungsgericht
hat
den Inhalt der [X.] vom 18. Dezember 2012, die der [X.] vorlag und auf die es zur Beurteilung der Verjährung auch nach der Beurteilung des Berufungsgerichts entscheidend ankam, allenfalls oberflächlich und lückenhaft zur Kenntnis genommen.
a) Noch zutreffend und in
Übereinstimmung mit der ständigen Recht-sprechung des [X.] (vgl. nur Senatsurteile vom 25. März 2015
-
VIII ZR 243/13, NJW 2015, 3228 Rn. 63 f. mwN, insoweit in [X.]Z 204, 325 nicht abgedruckt; vom 17. November 2010 -
VIII ZR 211/09, NJW 2011,
613 Rn. 9)
geht
das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Hemmung der Verjährung durch einen Mahnbescheid lediglich voraussetzt, dass die erhobe-nen Forderungen in der Weise individualisiert sind, dass der Schuldner selbst erkennen kann, um welche konkreten Forderungen es geht. Dabei kann auch
-
wie hier bezüglich der Liste vom 18. Dezember 2012 -
auf dem Schuldner vor-liegende Unterlagen Bezug genommen werden
(Senatsurteil vom 25. März 2015 -
VIII ZR 243/13, aaO
Rn. 64). Es
ist nicht erforderlich, dass auch ein au-ßenstehender Dritter allein aufgrund der Angaben im Mahnbescheid erkennen kann, um welche Forderungen es geht.
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b) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch
angenommen, dass der [X.] der Klägerin den vorbeschriebenen Anforderungen nicht ge-nügt. Denn das
Berufungsgericht hat -
unter Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin -
nicht zur Kenntnis genommen, dass es sich bei den Forderungen, die die Klägerin mit dem Mahnbescheid unter Bezugnahme auf das der [X.] übersandte [X.] vom 18. Dezember 2012 geltend machte, um [X.] die Forderungen handelte, die in dem genannten [X.] mit den jeweils noch offenen Beträgen und dem auch mit dem Mahnbescheid geltend genannt sind
und die der [X.] aufgrund der vorangegangenen Korrespondenz bekannt waren.
Dass die Klägerin im Mahnbescheid nicht jede einzelne Rechnungs-nummer wiederholt hat, die in dem [X.] vom 18. Dezember 2012 auf-geführt war, ist ebenso unschädlich wie der Umstand, dass die Klägerin es nicht -
was ohne weiteres ausgereicht hätte -
mit einer allgemeinen Bezugnahme auf die in dem genannten Schreiben enthaltenen Forderungen belassen hat, son-dern zusätzlich die an erster, zweiter und letzter Stelle der Liste genannten Rechnungen zusätzlich ausdrücklich aufgeführt sowie
die dazwischen [X.] weiteren 72 Rechnungsnummern mit dem
Hinweis "Nr. 13627 bis 17114"
bezeichnet hat.
Für die Beklagte
war aufgrund des
Schreibens
vom 18. Dezember 2012
offensichtlich, dass es sich bei den Rechnungen Nr. 13627 bis 17114
um die Rechnungen handelt, die in der Liste beginnend mit
der dritten Position (Rech-nung Nr. 13627) und sodann fortlaufend
bis zur
vorletzten Position (Nr. 17114) aufgeführt
sind, wobei auch die vom Berufungsgericht vermissten
Daten (7.3.09 bis 12.6.12) nicht fehlen, sondern sich jeweils in der fünften Spalte als Datum der Fälligkeit finden. Für
die Beklagte war somit klar, um welche individuellen Forderungen es ging.
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Bei den eingangs der Liste aufgeführten zwei Rechnungen, die einen Mi-nusbetrag aufweisen, handelt es sich -
ebenso wie bei der
in den Vorinstanzen nicht weiter beachteten Rechnungsnummer
13993 (mit einem Minusbetrag von -
offensichtlich um Gutschriften, die die Klägerin bei der Errechnung der Gesamtforderung zugunsten der [X.] abgezogen hatte.
Auch dies war für die Beklagte als Unternehmerin ohne weiteres erkennbar, zumal sie mit der Klägerin in einer längeren Geschäftsbeziehung stand und das Schreiben vom 18. Dezember 2012 und der bis 31. März 2013 erklärte [X.] gerade dazu dienten, eine außergerichtliche
Erörterung der von der Klägerin geltend gemachten Restforderungen zu ermöglichen.

Dass die einzig verbliebene weitere Rechnung die Nr. 90221-09 trug und deren beide Endziffern im Mahnbescheid nicht wiedergegeben waren, ist eine unschädliche
Ungenauigkeit, die nichts daran änderte, dass für die Beklagte, die die Aufstellung vom 18. Dezember 2012 ebenso wie die darin genannten Rechnungen
erhalten hatte, ohne weiteres erkennbar war, um welche [X.] Forderungen
es ging, nämlich um genau diejenigen, die die Klägerin in der genannten Aufstellung geltend gemacht hatte.
Die oben genannten Umstände (75 Einzelpositionen in der Aufstellung vom 18. Dezember 2012, im Mahnbescheid enthaltener Verweis auf das jewei-lige Fälligkeitsdatum, Übereinstimmung der im Mahnbescheid genannten Rechnungen mit den in der vorgenannten Aufstellung enthaltenen Rechnungen) hat die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung noch einmal detailliert, aber gleichwohl kurz und anschaulich dargelegt, so dass
es schlechthin
unverständ-lich ist, wieso das Berufungsgericht diesen Vortrag
nicht zur Kenntnis genom-men hat.
Ohne Erfolg macht die Beschwerdeerwiderung demgegenüber geltend, die Beklagte habe wegen der fehlenden ausdrücklichen Nennung jeder Rech-16
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nungsnummer im Mahnbescheid nicht erkennen können, auf welche [X.] Forderungen die Klägerin den
begehrten Gesamtbetrag stützte, wobei dies insbesondere für die Position 90221 gelte, die im [X.] vom 18. [X.] überhaupt nicht auftauche. Wie bereits ausgeführt, war für
die Beklagte, wenn sie die ihr vorliegende Aufstellung vom 18. Dezember 2012 zur Hand nahm,
ohne weiteres
ersichtlich, dass es sich bei
der im Mahnbescheid genannten Ziffer 90221 nur um die in der Aufstellung an letzter Position ge-nannte Rechnung 90221-09

Daran ändert auch der Hinweis der Beschwerdeerwiderung auf die Erläu-terung dieser Forderung nichts, die die Klägerin im Schriftsatz vom 20. Novem-ber 2013
vorgenommen hat. Die Klägerin hat darin vorgetragen, dass es sich bei der im Schreiben vom 18. Dezember 2012 mit 90221-09 bezeichneten [X.] um eine -
unberechtigte -
Gegenforderung der [X.] mit der vollen Rechnungsnummer 90221-7802181-2009 und dem Betrag von

habe; diese sei bei der Klägerin zunächst versehentlich als (Teil-)Zahlung auf die Rechnung Nr. 13790 gebucht, später aber wegen des Fehlers wiederum als Gegenforderung ("[X.]") bei dem Kundenkonto der [X.]n gebucht worden. Da die Beklagte auf diesen konkreten Vortrag in den [X.] nicht mehr eingegangen ist, ihr aber die Aufstellung vom 18. Dezember 2012 bekannt war und sich die [X.]en auf dieser Grundlage über die von der Klägerin erhobenen Forderungen außergerichtlich ausge-tauscht hatten, war
für die Beklagte ohne weiteres
erkennbar, um welche For-derung es ging.
c) Die Gehörsverletzung des Berufungsgerichts ist auch entscheidungs-erheblich. Hätte das Berufungsgericht die im Mahnbescheid geltend gemachten Forderungen als ausreichend individualisiert angesehen, hätte es eine rechtzei-tige Hemmung der Verjährung bejahen müssen.
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Denn die Beklagte hatte bis einschließlich 31. März 2013 (Ostersonntag) auf die Einrede der Verjährung verzichtet, und die Klägerin hatte am nächsten Werktag (2. April 2014, Dienstag
nach [X.]) den Mahnbescheid eingereicht. Nach der auf eine zur Hemmung der Verjährung erhobenen Klage entspre-chend anwendbaren Vorschrift des §
193 BGB ([X.], Urteil vom 6. Dezember 2007 -
III ZR 146/07, NJW-RR
2008, 459 Rn. 13 mwN)
war dies rechtzeitig. Da die Zustellung des Mahnbescheids am
9. April 2013 und somit "demnächst"
im Sinne des § 167 ZPO erfolgte, wirkte die Zustellung auch auf das Datum der Einreichung des Mahnbescheides zurück und hat der Mahnbescheid den Eintritt der Verjährung durch rechtzeitige Hemmung gehindert.
2. Soweit das Berufungsgericht hinsichtlich der
auch nach seiner Ansicht
nicht verjährten Forderungen die Klagabweisung des [X.]s bestätigt hat, ohne die beantragte Beweiserhebung durchzuführen,
beruht seine Entschei-dung auf einer neuerlichen Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin.
Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (st. Rspr.; siehe etwa [X.], [X.], 671, 672; [X.], Beschlüsse vom 11.
Mai 2010 -
VIII ZR 212/07, NJW-RR 2010, 1217 Rn. 10; vom 16. November 2010 -
VIII ZR 228/08, juris Rn. 14; vom 6. Februar 2013 -
I [X.], [X.] 2013, 430 Rn. 10; vom 21. Februar 2017 -
VIII ZR 1/16, [X.], 194
Rn.
10). Dies gilt auch dann, wenn die Nichtberücksichtigung des [X.] darauf beruht, dass das Gericht verfahrensfehlerhaft überspannte Anforde-rungen an den Vortrag einer [X.] gestellt hat ([X.], Beschlüsse
vom 6.
Februar 2013 -
I [X.], aaO;
vom 21.
Februar 2017 -
VIII
ZR 1/16, aaO). Eine solche nur scheinbar das [X.]vorbringen würdigende Verfahrensweise stellt sich als Weigerung des Tatrichters dar, in der nach Art. 103 Abs. 1 GG gebotenen Weise den [X.]vortrag zur Kenntnis zu nehmen und
sich mit ihm 22
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-
11
-

inhaltlich auseinanderzusetzen ([X.], Beschlüsse
vom 22. Juni 2009 -
II ZR 143/08, [X.], 2598 Rn. 2 mwN; vom 25. Oktober
2011 -
VIII
ZR 125/11, [X.], 382 Rn. 13;
sowie vom 6. Februar 2013 -
I [X.], aaO; vom 21.
Februar 2017 -
VIII
ZR 1/16, aaO).
a) Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die [X.] Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der [X.] entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht
von Bedeutung sind (vgl. [X.], Urteile
vom 12. Juli 1984 -
VII ZR
123/83, NJW 1984, 2888 unter II 1 a; vom 21. Januar 1999 -
VII [X.], NJW 1999, 1859 unter [X.]; Beschlüsse vom 1. Juni 2005 -
XII [X.], NJW 2005, 2710
unter II 2 a; vom 21. Mai 2007 -
II ZR 266/04, NJW-RR 2007, 1409 Rn. 8; vom 12. Juni 2008 -
V [X.], juris Rn. 6 f.; vom 17. Juli 2013
-
VIII
ZR
163/12, [X.], 1720 Rn. 30).
Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsäch-lichen Vorbringens der [X.] zu entscheiden, ob die gesetzlichen Vorausset-zungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen ([X.], [X.] vom 12. Juli 1984
-
VII ZR 123/83, aaO mwN; vom 13. Dezember 2002 -
V
ZR 359/01, NJW-RR 2003, 491 unter II 2 a). Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei ge-gebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende [X.] nach [X.] Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheb-lichen Streitfragen zu unterbreiten (vgl. [X.], Urteile vom 12. Juli 1984
-
VII
ZR
123/83, aaO unter II 1 b; vom 21. Januar 1999
-
VII [X.], aaO unter II 2 b; Beschlüsse vom 21. Mai 2007
-
II ZR 266/04, aaO; vom 12. Juni 2008 -
V [X.], aaO Rn. 7; vom 17. Juli 2013 -
VIII ZR 163/12, aaO).
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b) Den
vorbeschriebenen Anforderungen
wird der Vortrag der Klägerin gerecht. Die gegenteilige Annahme des
Berufungsgerichts lässt sich nur damit erklären, dass es den umfangreichen und detaillierten Sachvortrag in den Schriftsätzen der
Klägerin nicht zur Kenntnis genommen hat.
Wie die Nichtzulassungsbeschwerde unter Bezugnahme auf entspre-chenden Sachvortrag der Klägerin in den Tatsacheninstanzen zu Recht rügt, hat die Klägerin sowohl zu den vertraglichen Grundlagen der einzelnen Bauvor-haben inklusive der vereinbarten Preise und erteilten Zusatzaufträge detailliert und unter Vorlage der Aufträge beziehungsweise Auftragsbestätigungen vorge-tragen als auch zu den geltend gemachten Forderungen
die jeweils zugrunde liegenden Rechnungen vorgelegt sowie
angegeben, in welcher Höhe eine
(Teil-)Zahlung erfolgt ist
und welcher Betrag somit noch aussteht und im vorlie-genden Prozess geltend gemacht wird.

Das Berufungsgericht hätte diesen konkreten Sachvortrag der Klägerin nicht als unsubstantiiert und unschlüssig abtun dürfen, schon gar nicht -
wie geschehen -
mit einer
pauschalen Verwerfung
des klägerischen Vortrags
in der Weise, dass
es sich
mit keiner einzigen Rechnung der Klägerin und dem inso-weit gehaltenen Vortrag konkret auseinandergesetzt hat.
Das Berufungsgericht hat insoweit nicht einmal zur Kenntnis genommen, dass die [X.]en nur zum Teil darüber gestritten haben, ob die Klägerin in ih-ren Rechnungen korrekte oder überhöhte Massen angesetzt hat. Denn im Übri-gen
beruhte der Streit der [X.]en vielmehr nur darauf, dass die Beklagte
-
etwa in ihrem Schriftsatz vom 8. Oktober 2014
-
beanstandet hatte, die von der
Klägerin bei einigen Positionen angesetzten Preise seien nicht vereinbart und deshalb seien diese Positionen nicht nachvollziehbar und nicht zu [X.], ohne ihrerseits konkret vorzutragen, welche Preise für die als solche un-streitigen Lieferungen
nach ihrer Auffassung abzurechnen gewesen wären.

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13
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Soweit das Berufungsgericht seine pauschale Verwerfung des klägeri-schen Vorbringens damit zu begründen versucht, es sei weder dem [X.] noch der beklagten [X.] zuzumuten, sich die geltend gemachte Forderung nach Grund und Höhe aus den von der Klägerseite eingereichten Schriftsätzen und den Anlagen "zusammenzusuchen", verkennt es in grundlegender Weise die Aufgabe des Gerichts bei der Beurteilung einer
komplexen und nicht einfach darzustellenden Klage. Dies gilt insbesondere in Fällen wie dem vorliegenden, bei
denen sich
die Klage
aus
mehreren Einzelpositionen (hier Lieferungen von Bauteilen für mehrere Bauvorhaben) zusammensetzt und bei der die [X.]en in verschiedenen Punkten über Grund und Höhe streiten.
Richtig ist lediglich, dass eine [X.] zur Darstellung und Begründung ih-rer Forderung nicht ausschließlich auf überreichte Anlagen verweisen darf, sondern diese auch in der Klage oder einem späteren Schriftsatz darstellen muss. Zulässig und auch sinnvoll ist es jedoch, zur Erläuterung und wegen der Einzelheiten auf beigefügte Anlagen
zu verweisen, zum Beispiel auf eine [X.] oder auf Rechnungen
und Lieferscheine. Genau so ist die Kläge-rin
indes hier verfahren. Dass sie ihren Vortrag nicht schon in der [X.] umfassend gehalten, sondern im Lauf des erstinstanzlichen Verfahrens ergänzt und präzisiert hat, ist unschädlich.
Wie in der -
vom Berufungsgericht nur miss-verständlich zitierten
-
Entscheidung des [X.] ([X.],
NJW 1994, 2683) für den Fall einer mietrechtlichen Nebenkostenabrechnung in aller Deutlichkeit ausgeführt ist, muss sich das Gericht bei Forderungen, deren Entstehung und Höhe nicht einfach darzustellen ist, durchaus der Mühe unter-ziehen, trotz derartiger, sich aus der Natur der Sache ergebender Schwierigkei-ten den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen. Für den hier vorlie-genden Fall einer sich aus zahlreichen Einzellieferungen zusammensetzenden
Forderung gilt nichts anderes. Zu Recht hat die Nichtzulassungsbeschwerde exemplarisch auf die
Ausführungen
der Klägerin
zu ihrer
Rechnung Nr. 15566 31
32
-
14
-

betreffend das Bauvorhaben "Campus K.

"
verwiesen, aus denen sich der substantiierte und vom
Berufungsgericht übergangene Sachvortrag der Klägerin anschaulich
ergibt.
aa) Für
das Bauvorhaben "Campus K.

"
hat die Klägerin (vgl. Schriftsätze vom 19. August 2014,
20. November 2014, sowie vom 20. Juni 2016) vorgetragen, dass ihr die Beklagte am 22. Juli 2010 einen
Auftrag über die Lieferung von Elementdecken sowie am 6.
September 2010 einen
Nach-tragsauftrag über die
Lieferung von Filigranplatten erteilt hat und dass sie auf der Basis der erteilten Aufträge und der darin vereinbarten Preise die tatsäch-lich angefallenen Massen angesetzt und in ihrer Rechnung Nr.
15666 (vorgelegt als Anlage [X.]) mit insgesamt 28.660,07

h-nung habe die Beklagte indes -
ohne die von ihr vorgenommenen Abzüge zu begründen -

e-

Zum Beleg hat die Klägerin den Auftrag vom 22. Juli 2010 (Anlage K
167), der durch den handschriftlichen Vermerk "Auftrag erteilt"
auf dem [X.] vom 9. März 2010 dokumentiert ist, vorgelegt sowie
ferner
die Auftragsbestätigung der [X.] vom 6. September 2010 über eine zu-sätzliche Beauftragung (Anlage [X.]). Hinsichtlich der vereinbarten Preise hat sie darauf verwiesen, dass nicht die in der von der [X.] vorgelegten Anla-ge [X.] genannten Preise maßgeblich seien, weil diese Anlage ein anderes
Bauvorhaben betreffe. Für das Bauvorhaben "Campus K.

"
ergäben sich die Preise vielmehr aus dem Auftrag vom 22. Juli 2010, insbesondere aus der darin enthaltenen "Zusatzpreisliste Elementdecken", sowie für die später zu-sätzlich beauftragten Leistungen aus der Auftragsbestätigung der Klägerin vom 8. September 2010 (vorgelegt als Anlage [X.]). Entgegen dem Vorbringen der 33
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-

[X.] seien die beanstandeten Positionen daher sehr wohl beauftragt und auch mit den angesetzten Preisen vereinbart.
Zusätzlich hat sich die Klägerin zum Beweis dafür, dass sie die [X.] Leistungen (bezüglich aller Rechnungen) mit den korrekten Massen und entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen abgerechnet habe, auf das Zeugnis ihres Angestellten B.

und auf Sachverständigengutachten beru-fen, wobei sie zusätzlich die Pläne und Aufmaße vorgelegt hat.
In der Berufungsbegründung hat die Klägerin zudem unmissverständlich darauf hingewiesen, dass die [X.]en bezüglich der Rechnung 15566 praktisch ausschließlich
über die vertraglichen Grundlagen (insbesondere wirksame Preisvereinbarung) gestritten hätten, wobei die Beklagte auf den detaillierten Vortrag der Klägerin zur Zusatzpreisliste nichts mehr erwidert habe.
[X.]) Das Berufungsgericht hätte sich deshalb zunächst einmal damit [X.] müssen, ob angesichts der
von der Klägerin vorgelegten vertragli-chen Unterlagen (Aufträge nebst Preislisten, Zusatzaufträge), denen die [X.] anschließend
nicht mehr konkret entgegen getreten ist, die in der Rech-nung Nr. 15566 angesetzten Preise überhaupt noch streitig beziehungsweise
zumindest durch die
von der Klägerin
vorgelegten Urkunden bewiesen waren. Soweit die Beklagte etwa die in der Rechnung 15566 unter der Bezeichnung "edz 613
Balkon"

nicht nachvollziehbar (weil nicht in der Anlage [X.] enthalten) beanstandet hatte, hat die Klägerin auf die als Anlage [X.] vorgelegte Nachtragsbestätigung
vom 8. September 2010 verwiesen, in der genau dieser Einheitspreis als letzte Posi-tion für die beauftragten zusätzlichen Leistungen bezeichnet war. Ähnlich [X.] es sich mit weiteren
Positionen, die die Beklagte bei der Rechnung Nr.
15566 beanstandet hatte.
35
36
37
-
16
-

cc) Soweit die Beklagte bei dieser Rechnung außerdem einzelne Massen gekürzt hatte, ist unverständlich, dass
das Berufungsgericht den angetretenen
Beweis nicht eingeholt hat. Die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass ein Sachverständiger anhand der Pläne der [X.] und den daraus von der [X.] erstellten [X.] -
beides hatte
die Klägerin bereits vorge-legt -
die Richtigkeit der berechneten Massen überprüfen
und bestätigen könne; dem hätte das Berufungsgericht nachgehen müssen.
c) Das Urteil des Berufungsgerichts
beruht auf den dargestellten
Ge-hörsverletzungen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des klägerischen Sachvortrags und Erhebung der angebo-tenen Beweise zu einer anderen
Entscheidung gekommen wäre.

38
39
-
17
-

IV.
Nach alledem ist das Urteil des Berufungsgerichts gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei macht der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Ge-brauch. Die Nichterhebung der Gerichtskosten für das Nichtzulassungsbe-schwerdeverfahren beruht auf § 21 GKG.
Dr. Milger
Dr. Hessel
Dr. Achilles

Dr. Schneider
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.03.2016 -
8 O 181/13 -

OLG [X.], Entscheidung vom 31.08.2016 -
29 U 140/16 -

40

Meta

VIII ZR 217/16

25.04.2017

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 25.04.2017, Az. VIII ZR 217/16 (REWIS RS 2017, 12126)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 12126

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
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VIII ZR 243/13

VIII ZR 211/09

VIII ZR 212/07

I ZR 22/12

VIII ZR 1/16

VIII ZR 163/12

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