Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20.05.2014, Az. X S 11/14

10. Senat | REWIS RS 2014, 5464

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Verfassungsgemäßer Vertretungszwang vor dem BFH auch bei Anhörungsrüge eines Schwerbehinderten - Anforderungen an den Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts


Leitsatz

1. NV: Auch für die Erhebung einer Anhörungsrüge eines Schwerbehinderten besteht beim BFH Vertretungszwang .

2. NV: Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts setzt die Benennung einer gewissen Anzahl von Vertretungsbefugten voraus, bei denen vergeblich um Übernahme des Mandats ersucht worden ist, hilfsweise, warum dies dem Antragsteller unmöglich gewesen ist .

Tatbestand

1

I. Das Finanzgericht ([X.]) hat die Klage der Kläger, Beschwerdeführer und Rügeführer (Kläger) abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen hat der Kläger, nach seinen Angaben auch handelnd für die Klägerin, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Da sowohl der [X.] wie auch die entsprechenden Fristen in der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) nicht verfassungsgemäß für Schwerbehinderte ausgestaltet worden seien, habe er diese persönlich einlegen dürfen. Schließlich habe sich das "Steuer- und Finanzwesen in [X.]" so entwickelt, dass sich keine Bevollmächtigten finden ließen, die sich für Steuerpflichtige einsetzten, wenn es um den Vortrag von verfassungsrechtlichen Problemen vor den Gerichten ginge. Ausdrücklich bat er, die Frist zur Suche eines Bevollmächtigten im Vergleich zum gesetzlich vorgegebenen Maß zu verdoppeln.

2

Der Senat hat durch Beschluss vom 21. Januar 2014 [X.] 245/13 die Beschwerde als unzulässig verworfen, da sie nicht durch einen in § 62 Abs. 2 [X.]O genannten Bevollmächtigten eingelegt worden sei. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger, ausweislich seines Rubrums wiederum auch die Klägerin vertretend, am 5. Februar 2014 die vorliegende Anhörungsrüge erhoben.

3

Zur Begründung trägt der Kläger sinngemäß vor, der Senat sei nicht auf seine verfassungsrechtlichen Ausführungen in der Beschwerdebegründung eingegangen. Außerdem beantragt er die Zurückverweisung der Sache an den Beklagten, Beschwerdegegner und [X.] (Finanzamt).

4

Mit Schreiben der Geschäftsstelle des Senats vom 18. Februar 2014 ist der Kläger auf den [X.] im [X.] hingewiesen worden. Außerdem ist er gebeten worden, die Vertretung der Klägerin durch Vorlage einer Prozessvollmacht nachzuweisen.

Entscheidungsgründe

5

II. Die Anhörungsrüge der Kläger ist unzulässig.

6

1. Die Rüge ist wegen fehlender Vertretungsberechtigung der Kläger unzulässig.

7

a) Vor dem [X.] ([X.]) muss sich jeder Beteiligte --sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt-- durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten bzw. durch Gesellschaften i.S. des § 3 Nrn. 2 und 3 des [X.], die durch solche Personen handeln, vertreten lassen (§ 62 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 62 Abs. 2 Satz 1 [X.]O).

8

Der [X.] gilt auch für die Erhebung der Anhörungsrüge, wenn für die beanstandete Entscheidung ihrerseits [X.] galt (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 27. Januar 2011 V S 31/10, [X.]/NV 2011, 838, unter [X.], m.w.N.; Senatsbeschluss vom 14. Februar 2012 [X.], [X.]/NV 2012, 1149, unter [X.]). Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben. Der beanstandete Beschluss vom 21. Januar 2014 [X.] 245/13 betraf die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision durch das [X.]. In einem solchen Fall gilt nach § 62 Abs. 4 [X.]O der [X.].

9

Im Streitfall ist die Rüge nicht von einer solchen Person oder Gesellschaft eingelegt worden; die Rüge ist daher als unzulässig zu verwerfen.

b) Der vor dem [X.] geltende [X.] greift nicht in verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen ein. Nach ständiger Rechtsprechung verstößt er insbesondere nicht gegen die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG), denn die Anrufung des [X.] wird dadurch weder unzumutbar noch in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise erschwert ([X.]-Beschluss vom 21. Juni 1999 VII B 116/99, [X.]/NV 1999, 1612, sowie Beschluss des [X.] vom 11. Oktober 1976  1 BvR 373/76, [X.] 1977, 33). Aus diesem Grund liegt auch keine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG vor, dem im Rahmen des Grundrechtsschutzes in gerichtlichen Verfahren lediglich eine [X.] zukommt. Im Übrigen gehört auch das Prozessrecht zur verfassungsmäßigen Ordnung, die vom Grundrechtsträger bei der Wahrnehmung seines Freiheitsrechtes zu beachten ist.

c) Soweit der Kläger --wie im [X.] darauf abstellt, für ihn als Schwerbehinderten könne dieser [X.] keine Geltung haben, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Selbst bei Vorliegen besonderer Umstände kommt eine Entbindung vom [X.] im Einzelfall nicht in Betracht ([X.]-Beschluss vom 8. Februar 2008 VII B 256/07, [X.]/NV 2008, 968, unter II.3., m.w.N.; Verfassungsbeschwerde durch Beschluss vom 8. Mai 2008  1 BvR 1041/08 nicht zur Entscheidung angenommen). Dies gilt auch im Fall einer Schwerbehinderung des [X.]. Dem darauf gerichteten Begehren des [X.] konnte der Senat daher weder im Beschwerde- noch im Rügeverfahren entsprechen.

2. Selbst wenn man das Begehren des [X.] weitergehend als konkludent gestellte Anträge des [X.] auffassen wollte, ihm und damit mittelbar auch der angeblich von ihm vertretenen Klägerin einen vor dem [X.] vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten beizuordnen (§ 155 [X.]O i.V.m. § 78b Abs. 1 der Zivilprozessordnung), hätten diese Anträge keinen Erfolg. Denn die Begründetheit eines Antrags auf Beiordnung eines Notanwalts für ein Verfahren vor dem [X.] setzt voraus, dass der Antragsteller zumindest eine gewisse Anzahl von [X.] benennt, bei denen er vergeblich um Übernahme des Mandats ersucht hat, hilfsweise, warum ihm dies unmöglich gewesen ist (Senatsbeschluss vom 20. September 2013 [X.], [X.]/NV 2014, 57). Vorliegend hat der Kläger nur dargetan, innerhalb der Beschwerdefrist keinen aus seiner Sicht geeigneten Bevollmächtigten gefunden zu haben. Konkrete weitergehende Angaben hat er nicht gemacht. Hinsichtlich der Beauftragung eines Bevollmächtigten zur Erhebung der vorliegenden Rüge fehlt ein solcher Vortrag vollständig.

3. Die Gerichtskosten richten sich nach Nr. 6400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (GKG) i.d.F. des [X.] vom 23. Juli 2013 --BGBl I 2013, 2586-- (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG). Die Anhörungsrüge als selbständiges Verfahren der [X.]O ist eine Rechtsstreitigkeit i.S. des § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Januar 2014 [X.], [X.]/NV 2014, 871, m.w.N.), die im vorliegenden Fall nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1. August 2013 anhängig geworden ist. Es fällt eine Festgebühr von 60 € an. Soweit die Kosten das Rügeverfahren der Klägerin betreffen, sind sie dem Kläger als vollmachtslosem Vertreter aufzuerlegen.

Meta

X S 11/14

20.05.2014

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend BFH, 21. Januar 2014, Az: X B 245/13, Beschluss

§ 62 Abs 2 S 1 FGO, § 62 Abs 4 S 3 FGO, § 133a FGO, § 155 FGO, § 78b Abs 1 ZPO, § 71 Abs 1 S 1 GKG, Art 19 Abs 4 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 20.05.2014, Az. X S 11/14 (REWIS RS 2014, 5464)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5464

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VII S 19/12 (Bundesfinanzhof)

Voraussetzungen für die Beiordnung eines Notanwalts für eine Nichtzulassungsbeschwerde - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand …


X S 32/13 (Bundesfinanzhof)

Beiordnung eines Notanwalts


IX S 3/24 (Bundesfinanzhof)

Anhörungsrüge - Vertretungszwang


VI S 10/14 (Bundesfinanzhof)

(Anforderungen an den Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts nach § 155 FGO i.V.m. § 78b …


VIII S 21/12 (Bundesfinanzhof)

Antrag auf Beiordnung eines Anwalts beim Bundesfinanzhof - Vertretungszwang weiterhin ungeklärt - Keine Kostenentscheidung im …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.