Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.05.2006, Az. 4 StR 40/06

4. Strafsenat | REWIS RS 2006, 3739

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[X.] vom 3. Mai 2006 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a. - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 3. Mai 2006 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. September 2005 mit den Feststellungen aufgehoben a) soweit der Angeklagte wegen sexuellen [X.] eines Kindes in vier Fällen verurteilt [X.] ist, b) im gesamten Strafausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des [X.]. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen. Gründe: Das [X.] hatte den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 15 Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstands-unfähigen Person in zwei Fällen unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hob der Senat dieses Urteil durch Beschluss vom 21. April 2005 - 4 StR 33/05 - auf und verwies die Sache zu neuer [X.] - handlung und Entscheidung an eine andere Jugendschutzkammer des Landge-richts zurück. Das [X.] hat den Angeklagten nunmehr unter Freispre-chung im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen und wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in zwei Fäl-len unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einer früheren Verurteilung zu [X.] und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und ma-teriellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtli-chen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. 2 1. Soweit der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen verurteilt worden ist, hat sein Rechtsmittel mit der zulässig erhobe-nen, auf eine Verletzung des § 52 Abs. 3 StPO gestützten Verfahrensrüge [X.]. 3 a) Opfer dieser vier dem Angeklagten vorgeworfenen Taten, die der An-geklagte nach den Feststellungen in der [X.] von 1986 bis 1990 beging, war der am 28. Oktober 1980 geborene Nebenkläger, dessen Mutter nach der Schei-dung ihrer Ehe mit dem leiblichen Vater des [X.] von 1984 bis 1993 mit dem Angeklagten verheiratet war. Der Nebenkläger ist gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt, denn er ist mit dem Angeklagten als dessen Stiefsohn in gerader Linie verschwägert (Art. 51 EGBGB i.V.m. §§ 1589 Abs. 1 Satz 1, 1590 Abs. 1 BGB). Diese Schwäger-schaft dauert gemäß § 1590 Abs. 2 BGB fort, auch wenn die Ehe, durch die sie begründet wurde, inzwischen geschieden ist. 4 - 4 - b) Die Revision beanstandet zu Recht, dass der Nebenkläger in der Hauptverhandlung vor seiner Vernehmung zur Sache nicht ordnungsgemäß nach § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt worden ist. Wie die Sitzungsniederschrift vom 27. September 2005 ([X.] Bl. 410, 411 d.A.) beweist (§ 274 Satz 1 StPO), wurden der Nebenkläger und seine Mutter, die für diesen Hauptverhandlungstag als Zeugen geladen waren, zu-sammen hereingerufen und mit dem Gegenstand der Untersuchung und der Person des Angeklagten bekannt gemacht. Sie wurden zur Wahrheit ermahnt, auf die Möglichkeit einer Beeidigung ihrer Aussage, die Bedeutung des Eides, die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage und auf ein möglicherweise bestehendes Auskunfts- oder Zeugnisverweigerungs-recht hingewiesen. Soweit es die Vorschrift des § 52 StPO betrifft, ist folgendes in die Sitzungsniederschrift aufgenommen worden: 5 "Sie wurde(n) ferner darüber belehrt, dass sie berechtigt [X.], falls sie zu den in § 52 Abs. 1 StPO bezeichneten Angehö-rigen des Angeklagten oder eines derzeit oder früheren [X.] gehöre(n), das Zeugnis und die Beeidigung des Zeugnisses zu verweigern.fi Danach wurde der Nebenkläger ausweislich der Sitzungsniederschrift wie folgt vernommen: 6 "Erster Zeuge. Ich heiße [X.] und bin 24 Jahre alt, z.Zt. noch in Haft im offenen Vollzug in der [X.]mit dem Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert. Der Angeklagte war mein Stiefvater. Der Zeuge wurde zur Sache vernommen". Der in der Sitzungsniederschrift unter Verwendung eines Vordrucks wie-dergegebene, abstrakt gehaltene Hinweis auf die Vorschrift des § 52 Abs. 1 7 - 5 - StPO reicht unter den hier gegebenen Umständen entgegen der Auffassung des [X.] nicht aus, den Nebenkläger ordnungsgemäß über das ihm zustehende Zeugnisverweigerungsrecht zu belehren. Zwar steht die Art und Weise der Belehrung gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO im Ermessen des [X.] Richters, beim Kollegialgericht also des Vorsitzenden (vgl. BGHSt 9, 195, 197), wobei es unerheblich ist, ob sie vor oder nach der Vernehmung des Zeugen zur Person vorgenommen wird. [X.] wird sich in der Regel der Fälle eine Belehrung nach den Angaben zur Person anbieten, weil sich häufig aus den persönlichen Daten das Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts erst ergibt (vgl. [X.], 405). Die Belehrung muss so klar und sachgemäß sein, dass der Zeuge das Für und [X.] seiner Entscheidung abwägen kann (vgl. BGHSt 9, 195, 197; [X.], 405). Hierfür kann es ausreichen, dass ein Zeuge darauf hingewiesen wird, dass er ein Zeugnisverweigerungsrecht habe, "falls" er zu den in § 52 Abs. 1 StPO bezeichneten Angehörigen des Angeklagten gehöre (vgl. BGHSt 32, 25, 30 f.; [X.], 405). Dies gilt jedoch nur, wenn der Zeuge eine solche Belehrung für den - wie er weiß - auf ihn zutreffenden Fall erhält, dass er Angehöriger des Angeklagten ist (vgl. BGHSt 32, 25, 31). So liegt es hier [X.] nicht. Vielmehr ist der Nebenkläger davon ausgegangen, dass er nicht mehr der Stiefsohn des Angeklagten sei, und hat sich selbst als mit diesem "nicht verwandt und nicht verschwägert" bezeichnet. Es hätte deshalb einer er-gänzenden Belehrung des [X.] dahin bedurft, dass er mit dem Ange-klagten (weiterhin) verschwägert ist und demgemäß ein Zeugnisverweigerungs-recht hat. Ausweislich der Sitzungsniederschrift sind zwar die als Zeuginnen vernommenen geschiedenen Ehefrauen des Angeklagten vor ihrer Verneh-mung zur Sache —ergänzendfi gemäß § 52 StPO belehrt worden (vgl. [X.] Bl. 411/412), nicht aber der Nebenkläger. 8 - 6 - c) Auf diesem zur Unverwertbarkeit der Zeugenaussage des Nebenklä-gers führenden Verstoß (vgl. BGHR StPO § 52 Abs. 3 Satz 1 Verletzung 2 m.N.) kann die maßgeblich auf diese Aussage gestützte Verurteilung des [X.] wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen beruhen. Zwar ist anerkannt, dass das Verwertungsverbot entfällt, wenn feststeht, dass der Zeuge sein Weigerungsrecht gekannt hat und davon auch bei einer [X.] Belehrung keinen Gebrauch gemacht hätte (vgl. [X.], 212 m.N.). Das ist hier aber nicht der Fall. 9 Der Nebenkläger hatte auch bei seinen früheren Aussagen keine Kennt-nis von dem ihm gemäß § 52 Abs. 1 StPO zustehenden Zeugnisverweigerungs-recht. Ausweislich der Niederschriften über seine polizeiliche Vernehmung am 25. März 2003 ([X.] Bl. 42) und über die erste Hauptverhandlung ([X.] Bl. 285) ist der Nebenkläger, der sich auch bei diesen Vernehmungen ebenso wie in der neuen Hauptverhandlung als "mit dem Angeklagten nicht verwandt und nicht verschwägert" bezeichnet hat, nicht ordnungsgemäß über sein Zeugnis-verweigerungsrecht belehrt worden. Dafür, dass der Nebenkläger von seinem Zeugnisverweigerungsrecht keine Kenntnis hatte, spricht zudem, dass der [X.]vertreter in seinem Schriftsatz vom 22. Dezember 2005, mit dem er die Verwerfung der Revision des Angeklagten beantragt hat, zur Begründung seiner Auffassung, dass eine Belehrung gemäß § 52 Abs. 1 StPO nicht erfor-derlich gewesen sei, darauf verwiesen hat, dass "keinerlei verwandtschaftliche Verhältnisse" zwischen dem Angeklagten und dem Nebenkläger bestünden, was sich auch aus der Akte ergebe. 10 Da das Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten aufgrund einer von der Mutter des [X.] ohne dessen Wissen erstatteten Strafanzeige eingeleitet worden ist und der Nebenkläger bei seinen Aussagen sein [X.] - 7 - verweigerungsrecht nicht kannte, kann auch unter Berücksichtigung seines bis-herigen [X.] nicht ausgeschlossen werden, dass er bei ord-nungsgemäßer Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht hiervon in der Hauptverhandlung Gebrauch gemacht und nicht ausgesagt hätte. Dass der [X.] die Verwerfung der Revision des Angeklagten beantragt hat, muss dabei außer Betracht bleiben, weil die Frage, ob ein Urteil auf einer [X.] Nichtbelehrung über ein Zeugnisverweigerungsrecht beruht, grund-sätzlich nur aufgrund der Urteilsgründe und des bis zur Urteilsverkündung ent-standenen Akteninhalts beantwortet werden kann (vgl. [X.], 3; BGHR StPO § 52 Abs. 3 Satz 1 Verletzung 3). 2. Der aufgezeigte Verfahrensfehler führt zur Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen. Der Wegfall der in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe nach sich. Auch die wegen der beiden Fälle des sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person verhängten Ein-zelstrafen von jeweils elf Monaten Freiheitsstrafe haben keinen Bestand, weil 12 - 8 - nicht auszuschließen ist, dass sich die Verurteilung wegen der Taten zum Nachteil des [X.] auf die Bemessung auch dieser Strafen ausgewirkt hat. Tepperwien Maatz Athing RiBGH Dr. Ernemann Sost-Scheible
ist infolge Urlaubs gehindert

zu unterschreiben

Tepperwien

Meta

4 StR 40/06

03.05.2006

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.05.2006, Az. 4 StR 40/06 (REWIS RS 2006, 3739)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 3739

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