Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.01.2015, Az. 1 ARs 21/14

1. Strafsenat | REWIS RS 2015, 17217

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 ARs 21/14

vom
14. Januar
2015
in der Strafsache
gegen

wegen Mordes

hier:
Antwort auf den [X.] des [X.] vom 4. Juni 2014
-
2 StR 656/13

-
2
-
Der 1.
Strafsenat des [X.] hat am 14.
Januar 2015 gemäß §
132 Abs.
3 Satz
2 GVG beschlossen:

Der Senat schließt
sich der Rechtsauffassung des anfragenden Senats nicht an. Er hält eine qualifizierte Belehrung aus [X.] nicht für erforderlich.

Gründe:
Der 2. Strafsenat des [X.] beabsichtigt zu entscheiden:
"Die Verwertung einer früheren richterlichen Vernehmung eines Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Ge-brauch macht, durch Vernehmung der richterlichen [X.] ist nur dann zulässig, wenn dieser [X.] den Zeugen nicht nur über sein Zeugnis-verweigerungsrecht, sondern auch qualifiziert über die Möglichkeit der [X.] und Verwertung seiner Aussage im weiteren Verfahren belehrt hat."
Er hat daher mit Beschluss vom 4.
Juni 2014 -
2
StR
656/13
-
angefragt, ob dieser Rechtsauffassung zugestimmt wird oder an entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.
Nach der Rechtsprechung des 1.
Strafsenats können Angaben eines Zeugen vor dem Ermittlungsrichter durch Vernehmung dieses [X.]s in die Hauptverhandlung eingeführt werden, wenn sich der Zeuge in der Hauptver-1
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4
-
3
-
handlung auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft und ihn der Ermittlungs-richter ordnungsgemäß über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt hatte (Ur-teil vom
21.
März 2012 -
1
StR 43/12, [X.], 521 ff.).
Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des [X.], wonach es auch keiner Belehrung des Zeugen darüber bedarf, dass seine Aus-sage später ohne Rücksicht auf eine etwaige Zeugnisverweigerung verwertet werden kann ([X.], Urteil vom 29.
Juni 1983 -
2
StR
150/83, [X.]St 32, 25, 31
f.; [X.], Beschluss vom 12.
April 1984 -
4
StR
229/84, [X.], 326; [X.], Urteil vom 30.
August 1984 -
4
StR
475/84, [X.], 36). Denn eine ord-nungsgemäße Belehrung des Zeugen verlange nicht, ihn vorsorglich auch [X.] zu unterrichten, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn er zunächst aussagt, in der Hauptverhandlung aber das Zeugnis verweigern sollte. Der Zeuge brau-che nicht einmal darauf hingewiesen zu werden, dass es ihm freisteht, den [X.] auf sein Zeugnisverweigerungsrecht noch während der laufenden [X.] zu widerrufen. Das Gesetz fordere lediglich, dass die Belehrung dem Zeugen eine genügende Vorstellung von der Bedeutung seines Weigerungs-rechts vermittle. Für die gegenteilige Auffassung fehle es an einer gesetzlichen Grundlage.
An dieser Rechtsprechung hält der 1.
Strafsenat fest.
Danach ist die Vernehmung des [X.]s über die frühere Aussage be-reits dann zulässig, wenn dieser [X.] den Zeugen über sein Zeugnisverwei-gerungsrecht ordnungsgemäß nach §
52 Abs.
3 Satz
1 [X.] belehrt hat.
Dem Erfordernis einer qualifizierten Belehrung ist der Senat bisher nicht nähergetreten, er hat einen derartigen Hinweis vielmehr für nicht geboten er-5
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-
achtet (vgl.
[X.], Urteil vom 26.
Oktober 1982 -
1
StR
537/82). Er ist weiterhin der Auffassung, dass ein Zeuge über die Verwertbarkeit seiner Aussage trotz späterer Zeugnisverweigerung nicht zu belehren ist. Eine solche Belehrung ist gesetzlich weder vorgeschrieben noch zur sachgerechten Ausübung des [X.] erforderlich.
I.
Die im [X.] behandelte Rechtsfrage, ob die Verwertbarkeit einer früheren richterlichen Vernehmung des Zeugen, der erst in der [X.] von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht, eine quali-fizierte Belehrung voraussetzt, hat seine Grundlage in dem Umstand, dass nach ständiger Rechtsprechung des [X.] §
252 [X.] die Verneh-mung der richterlichen Verhörsperson nicht verbietet.
Der 2.
Strafsenat sieht diese Rechtsauffassung nur dann als gerechtfer-tigt an, wenn der Zeuge in der im Ermittlungsverfahren durchgeführten richter-lichen Vernehmung ausdrücklich auch darüber belehrt wurde, dass eine jetzt gemachte Aussage auch dann verwertbar bleibe, wenn er in einer späteren Hauptverhandlung vom Recht der "Aussageverweigerung" Gebrauch mache ([X.], Rn.
15). Inhaltlich wird eine "qualifizierte" Belehrung gefor-dert, welche den Zeugen umfassend in die Lage versetze, über seine [X.] und deren mögliche Folgen für das spätere Verfahren zu entschei-den. Zu den hierfür erforderlichen Informationen gehöre nicht allein die Kenntnis eines zum Zeitpunkt der Vernehmung bestehenden Zeugnisverweigerungs-rechts, sondern auch die Kenntnis über die möglichen verfahrensrechtlichen Konsequenzen der Aussagebereitschaft ([X.], Rn.
16). Nur eine 9
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5
-
in diesem Sinn qualifizierte Belehrung biete eine sichere Grundlage für die Ent-scheidung des Zeugen ([X.], Rn.
17).
Die hierfür gegebene Begründung im [X.] vermag nicht zu überzeugen.
1.
Für die Annahme einer solchen Belehrungs-
oder Hinweispflicht fehlt es an einem gesetzlichen Gebot ([X.], Urteil vom 30.
August 1984 -
4
StR 475/84, [X.], 36).
Soweit der 2.
Strafsenat darauf hinweist, dass die Rechtsprechung auch in anderen Bereichen gesetzlich nicht vorgesehene [X.] ent-wickelt hat, etwa im Zusammenhang mit §
136a [X.] ([X.], Rn.
19), ist dieses Argument nicht stichhaltig. Der [X.] hat für verbotene [X.] nach §
136a [X.] bislang offen gelassen, ob dem Beschuldigten vor einer weiteren Vernehmung eine qualifizierte Beleh-rung zu erteilen ist ([X.], Urteil vom 18.
Dezember 2008 -
4
StR 544/08, [X.]St 53, 112, 115
f.; vgl. hierzu [X.]/[X.], [X.], 57. Aufl.,
§
136a Rn.
30 mN; [X.] SK-[X.], 4.
Aufl.,
§
136a Rn.
104 mwN).
Eine Pflicht zur qualifizierten Belehrung hat der [X.] dage-gen gefordert bei [X.], die unter Verletzung des §
136 Abs.
1 Satz
2 [X.] erfolgten (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 18. Dezember 2008
-
4
StR
544/08, [X.]St 53, 112, 115; [X.], aaO, §
136 Rn.
60 mwN; [X.]/[X.], aaO, §
136 Rn.
9 mwN).
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Die in diesem Bereich entwickelte, gesetzlich nicht vorgesehene sog. qualifizierte
Belehrungspflicht soll
die Fortwirkung von Verfahrensverstößen beseitigen, also den Einfluss des früheren Fehlers auf die aktuell getätigte [X.] oder Aussage. Hat der [X.] den vernommenen Zeugen aber ord-nungsgemäß über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt, fehlt es an einem [X.], der auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung die qualifizierte Belehrung auslösen könnte.
2.
Ein Zeuge muss nicht einmal auf die Möglichkeit hingewiesen werden, dass er den Verzicht auf sein Zeugnisverweigerungsrecht auch während der Vernehmung widerrufen kann (§
52 Abs.
3 Satz
2 [X.]). Kommen ihm also während der Vernehmung Bedenken, ob er weiter aussagen solle, und sagt er dennoch weiter aus, weil er glaubt, seine Aussage nicht abbrechen zu können, ist seine Aussage in vollem Umfang verwertbar. Umso weniger ist es deshalb geboten, ihn schon vorsorglich für den Fall, dass er in der Hauptverhandlung das Zeugnis verweigern sollte, über die Auswirkungen auf die Verwertbarkeit seiner Aussage hinzuweisen ([X.], Urteil vom 29.
Juni 1983 -
2
StR
150/83, [X.]St 32, 25, 32).
3.
Eine Verpflichtung zur qualifizierten Belehrung würde nicht nur die richterliche Vernehmung des Zeugen im Ermittlungsverfahren erfassen, son-dern jede Einvernahme des Zeugen. Dazu gehören die erste Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung, seine erneute Einvernahme in derselben In-stanz nach seiner Entlassung, seine Vernehmung in der Berufungsinstanz, nach Aussetzung des Verfahrens, nach Zurückverweisung durch das Revisi-onsgericht oder nach Wiederaufnahme des Verfahrens.
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7
-
4.
Eine Belehrung des Zeugen im Ermittlungsverfahren über die [X.], seine Aussage im weiteren Verfahren einzuführen und zu verwerten, dehnt die Belehrungspflicht einseitig auf die Aufklärung des Zeugen über die künftige strafprozessuale Behandlung seiner Aussage in der Hauptverhandlung bei Wegfall seiner Aussagebereitschaft aus.
Die Entscheidung des Zeugen, im Ermittlungsverfahren auszusagen und zu einem späteren Zeitpunkt erneut auszusagen oder seine Aussage zu ver-weigern, ist jedoch von vielen Faktoren abhängig.
Soll der Zeuge in allen Belangen verantwortungsvoll über die Ausübung seines Zeugnisverweigerungsrechts entscheiden können, müsste er auch über alle weiteren Umstände informiert werden, die für seine Entscheidung von [X.] sein könnten. So kann es für den Zeugen von Bedeutung sein, ob der [X.] auch ohne seine Aussage überführt werden könnte. Das Vorhandensein weiterer Zeugen oder anderer zur Überführung des
Täters geeigneter Beweis-mittel oder aber deren Fehlen kann ein maßgeblicher Gesichtspunkt für die Entscheidung des Zeugen sein, im Ermittlungsverfahren vor dem [X.] oder in der Hauptverhandlung auszusagen. Über die Beweislage aber wird der [X.] nicht informiert.
5.
Die Situation eines Zeugen, der sich in der Hauptverhandlung dazu entschließt, trotz Bestehens eines Zeugnisverweigerungsrechts Angaben zu machen, ist durchaus mit der Lage zu vergleichen, in der sich der Zeuge bei einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung befindet. In beiden Fällen liegt dem Entschluss auszusagen regelmäßig eine in Kenntnis der Folgen für den ver-wandten Beschuldigten oder Angeklagten getroffene bewusste Entscheidung 18
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zugrunde, die keinen Anhalt für einen bestehenden Willensmangel oder eine kurzfristig (während der Vernehmung) zu erwartende Willensänderung bietet.
Hierbei geht ein vernommener Zeuge ohnehin davon aus, seine im [X.] getätigten und schriftlich niedergelegten Angaben nicht mehr beseitigen zu können, weil er sie gegenüber Personen, die sich beruflich mit Strafverfolgung befassen, gemacht hat. Außerdem sind seine Angaben schrift-lich festgehalten und von ihm unterschrieben worden.
II.
Ergänzend merkt der Senat an: Die Anfrage, ob bei einer richterlichen Vernehmung des Zeugen im Ermittlungsverfahren eine qualifizierte Belehrung notwendig ist, beruht auf der Zulassung der Vernehmung einer richterlichen Verhörsperson. Nach Auffassung des 2.
Strafsenats ist dies bei Fehlen einer "qualifizierten"
Belehrung nicht gesetzlich legitimiert.
Dem 2.
Strafsenat ist insoweit zuzustimmen als sich gegen die [X.] der Vernehmung der richterlichen Verhörsperson, die
überhaupt erst die Frage einer qualifizierten Belehrung aufwirft, Argumente vorbringen lassen.
1.
Nach §
252 [X.] darf die Aussage eines vor der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, der erst in der Hauptverhandlung von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht, nicht verlesen werden. Auch die Verlesung der Niederschrift über die richterliche Vernehmung eines solchen Zeugen ist unzulässig ([X.], Beschluss vom 29.
Mai 1996 -
3
StR
157/96, [X.], 95
f.). Damit könnte auch jede andere Verwertung der Aussage, insbe-22
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sondere die Vernehmung von Verhörspersonen, ausgeschlossen sein. §
252 [X.] ergänzt §
52 [X.] für den Fall nachträglicher Zeugnisverweigerung. Gleichwohl ist nach bisheriger Rechtsprechung aber bei vorausgegangener richterlicher Vernehmung die Vernehmung des [X.]s zulässig.
Die Zulässigkeit der Vernehmung richterlicher Verhörspersonen kann den Schutz des Zeugnisverweigerungsrechts beeinträchtigen. Dieses überlässt es dem Zeugen, bei jeder Vernehmung und auch während einer Vernehmung (§
52 Abs.
3 Satz
2 [X.]) zu entscheiden, ob er nun sein Recht ausüben will. Deshalb
untersagt §
252 [X.], das Protokoll über die richterliche Vernehmung des Zeugen bei dessen späterer Verweigerung des Zeugnisses zu verlesen und gewährt dem Zeugenschutz damit Vorrang gegenüber dem [X.]. Dem könnte es widersprechen, die frühere Aussage durch Vernehmung der richterlichen Verhörsperson einzuführen.
Das Argument, dem Zeugen stehe wegen der für ihn erkennbaren und regelmäßig von ihm empfundenen erhöhten Bedeutung der richterlichen [X.] für das Strafverfahren nach der Belehrung durch den [X.] deut-licher als bei einer polizeilichen Vernehmung vor Augen, dass er sich zwar aus dem ihn treffenden Interessenwiderstreit durch Verweigerung des Zeugnisses befreien, aber im Falle der Aussage seine Angaben nicht ohne weiteres wieder beseitigen könne ([X.], Urteil vom 12.
Februar 2004 -
3
StR
185/03, [X.]St 49, 72, 77; [X.], Rn.
5), bedürfte noch einer empirischen Grundlage.
Die im Interesse der Allgemeinheit an der Aufklärung strafbarer [X.] entwickelte Rechtsprechung (vgl. [X.], Rn.
12), die den [X.] im Regelfall -
etwa beim sexuellen Missbrauch von Kindern, Vergewaltigung in der Ehe oder sonstiger häuslicher Gewalt
-
den Weg öffnet, 26
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28
-
10
-
zügig eine verwertbar bleibende Aussage zu erhalten, könnte nach der gesetz-lichen Wertung der §§
252, 52 [X.] hinter dem Interesse des Zeugen [X.], einen umfassenden Schutz durch das Zeugnisverweigerungsrecht zu erhalten. Denn dieses Interesse muss auch zurücktreten, wenn der Zeuge von Anfang an
und durchgehend von seinem Recht, das Zeugnis zu verweigern, Gebrauch macht. Auch das Schweigen der Opfer setzt dem Interesse der [X.] an der Aufklärung strafbarer Sachverhalte Grenzen. Strafantrags-delikte können ebenfalls solche Grenzen setzen.
2.
Die Gesetzgebungsmaterialien zur Entstehung des Verbots, bei spä-terer Verweigerung des Zeugnisses die protokollierte Aussage zu verlesen [X.], Die Gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Band
3, [X.] zur Strafprozessordnung, Abteilung
1, 2.
Aufl., S.
856
ff. und Abteilung
2, 2.
Aufl.,
S.
1585, 1621, 1901
f.) belegen, dass dadurch ein umfassender [X.]nschutz sichergestellt werden sollte.
Im amtlichen Bericht der [X.] heißt es: "Das Recht zur Ab-lehnung der Aussage, welches der Zeuge noch in der Hauptverhandlung gel-tend machen kann, würde illusorisch sein, wenn dessen ungeachtet die von ihm früher erstattete Aussage, bei welcher er vielleicht noch nicht die Tragweite sei-nes Zeugnisses zu erkennen vermochte, in der Hauptverhandlung zur Verle-sung gebracht werden dürfte" [X.], aaO, S.
1585).
Auch die Umgehung des [X.] durch Vernehmung der [X.] wurde in der abschließenden Reichstagsdebatte thematisiert. So führte der Abgeordnete

L.

aus, "wenn Sie den Antrag der [X.] annehmen, so werden Sie in keinem Falle ausschließen, dass die Parteien die Befugnis hätten, die Tatsache, dass ein solches Zeugnis abgelegt wäre, 29
30
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11
-
dadurch zu konstatieren, dass der Untersuchungsrichter und die [X.], der gegenüber jenes erste Zeugnis abgelegt wäre, in die Hauptverhandlung als Zeuge zitiert würde" [X.], aaO, S.
1901). Darauf erwiderte der Bericht-erstatter

S.

, wenn zulässig sei, dass durch derartige Manipulati-onen, der Gedanke und die Vorschrift des Gesetzes illusorisch gemacht werden dürften und könnten, dann höre jede Gesetzgebung auf. Die Gesetze müssten "von den Beamten in einer Weise gehandhabt werden, dass der Sinn, den der Gesetzgeber damit verbunden hat, respektiert" werde [X.], aaO, S.
1902).
Dies zeigt, dass das Verbot der Verlesung der früheren Aussage dahin verstanden werden sollte, die frühere Aussage in keiner Form in der [X.] zu verwerten und zum Gegenstand der Beweisaufnahme zu machen. Eine Ergänzung des Gesetzes dahin, dass auch die Vernehmung jeglicher [X.] ausgeschlossen ist, wurde damals -
wie die Diskussion über eine mögliche Umgehung der Vorschrift zeigt
-
offensichtlich nicht für notwendig er-achtet.
3.
Die Regelung des §
255a Abs.
1 [X.] fügt sich, soweit sie für die [X.] einer Zeugenvernehmung auch §
252 [X.] für anwendbar erklärt, in Fällen, die die Aufzeichnung einer richterlichen [X.] betreffen, nicht stimmig in die bestehende Rechtslage ein ([X.], Ur-teil vom 12.
Februar 2004 -
3
StR
185/03, [X.]St 49, 72, 76).
Während das schriftliche Protokoll die Aussage des Zeugen in der Regel nicht wörtlich wiedergibt, vermittelt die Videoaufzeichnung die frühere Aussage des Zeugen -
einschließlich
der nonverbalen Vernehmungsinhalte und der er-folgten Interaktionen
-
in allen Einzelheiten sehr viel genauer als es der auf der Grundlage seiner Erinnerung aussagende [X.] könnte. Ihre Unverwertbarkeit 32
33
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-
12
-
in den Fällen des §
252 [X.] führt deshalb zu dem mit Blick auf die Qualität der Wiedergabe der früheren Aussage schwer verständlichen Ergebnis, dass die Verwertung des qualitativ höherwertigen Beweismittels untersagt, der Rückgriff auf ein weniger zuverlässiges aber gestattet ist. Der darin liegende [X.] verstärkt sich, wenn zur Unterstützung des Gedächtnisses des [X.]s als Vorhalt nicht nur die Vernehmungsniederschrift verlesen, sondern auch eine [X.] der früheren Vernehmung vorgespielt werden dürfte ([X.], Urteil vom 12.
Februar 2004 -
3
StR
185/03, [X.]St 49, 72, 78).
4.
Das [X.] sieht §
252 [X.] als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des verwandten Zeugen gemäß Art.
2 Abs.
1 GG. Die Norm erfasse auch die Option des verwandten Zeugen,
bereits getätig-te Aussagen gemäß §
252 [X.] dem Strafverfahren wieder zu entziehen. Die Regelung lasse das öffentliche Interesse an möglichst "unbehinderter" Strafver-folgung hinter das persönliche Interesse des Zeugen zurücktreten, nicht gegen einen Angehörigen aussagen zu müssen. Die §§
52, 252 [X.] schützten den Zeugen nicht nur vor der Verpflichtung, als Zeuge Angehörige wahrheitsgemäß zu belasten, sondern sicherten zudem, dass der Zeuge seine einmal gemachte Aussage bis zur Hauptverhandlung für ihn folgenlos wieder rückgängig machen kann. Allein die Geltendmachung des Zeugnisverweigerungsrechts in der Hauptverhandlung gemäß §
52 [X.] würde die Zwangslage nicht beseitigen, wenn bereits eine zuvor getätigte Aussage vorliege, weil diese frühere Aussage ohne die Regelung des §
252 [X.] über die Vernehmung der Verhörsperson eingeführt werden könnte (vgl. insoweit [X.], [X.], 18, 19 zur
35
-
13
-
Verwertung der bei einer nichtrichterlichen Vernehmung gemachten Aussage durch Vernehmung der Verhörspersonen).
Raum
Rothfuß
Jäger

Cirener
Fischer

Meta

1 ARs 21/14

14.01.2015

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: ARs

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.01.2015, Az. 1 ARs 21/14 (REWIS RS 2015, 17217)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 17217

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 ARs 21/14

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