Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.09.2016, Az. 3 StR 174/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2016, 5284

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Gegenstand

Räuberische Erpressung: Konkludente Drohung; bloßes Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung; Ausnutzen einer hilflosen Lage


Tenor

Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 21. Januar 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen räuberischer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten und den Angeklagten [X.]wegen Beihilfe zur räuberischen Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung sowie versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt. Die dagegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben jeweils mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

2

1. Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen verbrachten die Angeklagten die frühen Morgenstunden des 28. Juni 2015 gemeinsam mit den [X.] [X.].   sowie den [X.]und [X.]auf dem [X.]rebergartengrundstück von [X.]. Nachdem die Angeklagten sich eine Zeitlang von dem Grundstück entfernt hatten, wurden sie bei ihrer Rückkehr auf eine verbale Auseinandersetzung zwischen [X.]und [X.]aufmerksam, die sich während ihrer Abwesenheit entwickelt hatte. Der Angeklagte [X.] "ging" nun "auf [X.]los und schlug ihm mehrfach mit der flachen Hand ins Gesicht". Währenddessen schlug der Angeklagte [X.][X.].     in gleicher Weise. Anschließend schlug [X.] auch [X.].    , während [X.]seinerseits [X.][X.]läge versetzte; die [X.] vermochte sich insoweit nicht davon zu überzeugen, dass die Angeklagten in dieser Situation zeitgleich auf einen der beiden Zeugen einwirkten.

3

Anschließend wiesen die Angeklagten die Zeugen [X.]und [X.].     an, sich auf eine Bank zu setzen, und bedrängten sie, wegen des Vorfalls nicht die Polizei einzuschalten. [X.] setzte sich sodann zwischen [X.] [X.].   , legte seine Arme um sie und drohte ihnen sinngemäß an, dass "man ihnen ihre Beine abschneiden würde, wenn sie zur Polizei gehen würden". [X.]hatte einen [X.]raubendreher und einen Rechen an sich genommen, hielt [X.]und [X.].   die Gegenstände vor das Gesicht und drohte ihnen, dass "man die beiden auch an Ort und Stelle 'wegmachen' könne".

4

"Relativ am Anfang des ganzen Geschehens" forderten die Angeklagten die Zeugen [X.]und [X.].    , die durch die [X.]läge Nasenbluten davongetragen hatten, auf, sich das Blut abzuwaschen, woraufhin diese nacheinander zu einem Wasserhahn gingen. Dabei versuchte [X.]noch einmal, [X.].    zu schlagen, der jedoch ausweichen konnte. Daraufhin trat [X.]  hinzu und versetzte [X.].    einen heftigen Tritt gegen den rechten Oberschenkel.

5

[X.] "entschloss sich nunmehr", [X.]"um sein Geld zu erleichtern". Er forderte ihn auf, ihm sein Geld auszuhändigen, worauf [X.]ihm "unter dem Eindruck der zuvor geäußerten Drohungen und [X.]läge" insgesamt 100 € aushändigte.

6

Nachdem [X.]anschließend die Gartenlaube von [X.]erfolglos nach Wertgegenständen durchsucht hatte, redeten die Angeklagten erneut auf [X.]und [X.].    ein, um sie davon abzuhalten, die Polizei zu verständigen. Zu diesem Zweck drohten sie ihnen nochmals, dass "man sie sonst 'fertig' machen" werde und dass sich ihre Familie sowie Freunde um die Zeugen "kümmern" würden, falls sie ins Gefängnis kämen. [X.] nahm dabei "billigend in Kauf, dass er durch die weitere Bekräftigung seiner Drohungen auch die vorherige Entwendung des Geldes durch [X.] unterstützte".

7

2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten [X.]  wegen räuberischer Erpressung nicht. Das [X.] hat dazu ausgeführt:

8

Es sei zwar nicht nachzuweisen, dass [X.]  im Zeitpunkt der Geldforderung zur Erreichung seines Zieles unmittelbar Gewalt angewendet oder [X.]konkret bedroht habe. Dies sei aber auch nicht erforderlich, da ihm bewusst gewesen sei, dass [X.]ihm das Geld nur wegen der bereits vorangegangenen [X.]läge und Drohungen aushändigen werde, die er selbst sowie [X.] ausgesprochen hätten. [X.]habe wegen des zeitlich-räumlichen Zusammenhangs noch unter dem Eindruck der Gewaltanwendung bzw. Drohungen gestanden, die mithin [X.] hätten. [X.] habe die Furcht von [X.]vor weiteren [X.]lägen erkannt und diesen Umstand bewusst zur Tatbegehung ausgenutzt.

9

Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die räuberische Erpressung (§§ 253, 255 StGB) erfordert ebenso wie der Raub (§ 249 StGB) einen finalen Zusammenhang zwischen dem [X.] und der von dem Opfer vorzunehmenden vermögensschädigenden Handlung. Eine konkludente Drohung genügt; sie kann sich grundsätzlich auch daraus ergeben, dass der Täter dem Opfer durch sein Verhalten zu verstehen gibt, er werde zuvor zu anderen Zwecken angewendete Gewalt nunmehr zur Erzwingung der jetzt erstrebten vermögensschädigenden Handlung des Opfers bzw. dessen Duldung der beabsichtigten Wegnahme fortsetzen oder wiederholen. Das bloße Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung enthält dagegen für sich genommen noch keine Drohung. Erforderlich hierfür ist vielmehr, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Es reicht nicht aus, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen. Das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des [X.] schutzlos ausgelieferten Opfers mag sich als das Ausnutzen einer hilflosen Lage darstellen, die vom Gesetzgeber indes ausschließlich in § 177 Abs. 1 StGB neben Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu einem selbständigen tatbestandlichen [X.] erhoben worden ist (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 31. Juli 2012 - 3 [X.], juris Rn. 4; vom 13. November 2012 - 3 StR 400/12, juris Rn. 5; vom 26. November 2013 - 3 StR 261/13, [X.], 110; vom 25. Februar 2014 - 4 StR 544/13, [X.], 545, 546). Entgegen der vom [X.] in seiner Antragsschrift vertretenen Auffassung ist die Aktualisierung der Nötigungslage durch ein im Urteil gesondert festzustellendes Verhalten des [X.] mit Rücksicht darauf, dass eine dem § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB entsprechende Vorschrift im Bereich von Raub und Erpressung fehlt, nicht entbehrlich.

Hier hat der Angeklagte [X.]den Urteilsgründen zufolge indes lediglich die Furcht des Zeugen [X.]vor weiteren [X.]lägen ausgenutzt, ohne ihm zumindest konkludent mit erneuter Gewaltanwendung zu drohen.

3. Die Aufhebung des [X.]uldspruchs wegen räuberischer Erpressung führt auch zur Aufhebung der Verurteilung wegen der [X.] verwirklichten Körperverletzung und versuchten Nötigung. Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Verurteilung des Angeklagten [X.].

4. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Soweit das [X.] die Hilfeleistung des Angeklagten [X.] zu der von dem Angeklagten [X.]  begangenen räuberischen Erpressung darin gesehen hat, dass er [X.]und [X.].    erneut drohte, um sie davon abzuhalten, die Polizei zu rufen, bevor er das Grundstück gemeinsam mit [X.]  verließ, würden entsprechende Feststellungen - falls sie auch aufgrund der neuen Hauptverhandlung getroffen werden - eine Verurteilung des Angeklagten [X.] wegen (sukzessiver) Beihilfe zur räuberischen Erpressung (vor deren Beendigung) tragen. Die ergänzenden Ausführungen des [X.]s, dass [X.] aufgrund der früheren [X.]läge und Drohungen außerdem eine Garantenstellung aus [X.] innegehabt habe und deshalb verpflichtet gewesen sei, die Verwirklichung der räuberischen Erpressung durch [X.]zu verhindern, gehen demgegenüber fehl. Aus der bloßen Ursächlichkeit eines Verhaltens für einen späteren Erfolgseintritt kann sich eine Garantenstellung aus [X.] nicht ergeben; erforderlich ist vielmehr, dass das [X.] die nahe Gefahr des Eintritts gerade des tatbestandsmäßigen Erfolges herbeigeführt hat ([X.], Beschluss vom 15. April 1997 - 4 [X.], [X.], 292 f.). Davon wird hier im Hinblick auf das nach den vorherigen Drohungen und Körperverletzungshandlungen begangene [X.] kaum die Rede sein können.

b) Die Annahme des [X.]s, dass sich der Angeklagte [X.] unter dem Gesichtspunkt des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht habe, indem er den Zeugen [X.].    trat, nachdem der Angeklagte [X.]zuvor erfolglos versucht hatte, [X.].   zu schlagen, während eine Strafbarkeit von [X.]unter diesem Gesichtspunkt ausscheide, begegnet rechtlichen Bedenken. § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB setzt voraus, dass der Täter die Körperverletzung mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begeht. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass mindestens zwei Beteiligte (Täter oder Teilnehmer, § 28 Abs. 2 StGB) am [X.] bewusst zusammenwirken; es genügt, wenn eine am [X.] anwesende Person den unmittelbar [X.] aktiv physisch oder psychisch unterstützt ([X.], Urteil vom 22. Dezember 2005 - 4 StR 347/05, [X.], 572, 573). Eine rein passive Anwesenheit am [X.] reicht dagegen nicht aus, und zwar selbst dann nicht, wenn der Anwesende die Körperverletzungstat des anderen innerlich billigt oder befürwortet (KG, Beschluss vom 12. März 2013 - (4) 121 Ss 30/13 (49/13), [X.], 349).

c) Soweit das [X.] die Anwendbarkeit des § 46a Nr. 1 StGB mit der Begründung abgelehnt hat, dass der Angeklagte [X.]dem Zeugen [X.]kein [X.]merzensgeld gezahlt habe, wird Folgendes zu bedenken sein: Die Vorschrift setzt einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Tat verursachten Folgen gerichtet sein muss; das Verhalten des [X.] muss Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein ([X.], Urteil vom 19. Dezember 2002 - 1 [X.], [X.]St 48, 134, 139 ff.). Erforderlich ist, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat "ganz oder zum überwiegenden Teil" [X.], wobei es auch ausreichend sein kann, dass er dieses Ziel ernsthaft erstrebt ([X.], Urteil vom 23. Mai 2013 - 4 [X.], juris Rn. 11). Den Urteilsgründen zufolge hat der geständige Angeklagte [X.]  sich hier bei dem Zeugen [X.]entschuldigt und dessen materiellen [X.]aden ersetzt; [X.]hat die Entschuldigung akzeptiert und ausdrücklich erklärt, dass die Sache für ihn mit der Rückzahlung des Geldes "erledigt" sei. In Anbetracht dessen schließt allein die unterbliebene - von [X.]indes auch nicht beanspruchte - Zahlung von [X.]merzensgeld eine Strafmilderung gemäß § 46a Nr. 1 StGB nicht unbedingt aus.

Becker     

        

Ri[X.] Dr. [X.]äfer befindet
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

        

[X.]

                 

Becker

                 
        

Tiemann     

        

     Berg     

        

Meta

3 StR 174/16

20.09.2016

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aurich, 21. Januar 2016, Az: 11 KLs 22/15

§ 177 Abs 1 Nr 3 StGB, § 249 StGB, § 253 StGB, § 255 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.09.2016, Az. 3 StR 174/16 (REWIS RS 2016, 5284)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5284

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