Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.09.2015, Az. II R 31/13

2. Senat | REWIS RS 2015, 4651

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Gegenstand

Gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes gegenüber mehreren Miterben - Nichtigkeit des Feststellungsbescheids bei unzureichender Benennung der Inhaltsadressaten


Leitsatz

1. Feststellungsbescheide müssen ebenso wie Steuerbescheide hinreichend deutlich erkennen lassen, für wen sie inhaltlich bestimmt sind .

2. Die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes erfolgt gegenüber der Erbengemeinschaft in Vertretung für die Miterben. Inhaltsadressaten der Feststellung sind die Miterben, für deren Besteuerung der Grundbesitzwert von Bedeutung ist .

3. Dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Grundbesitzwertes bei mehreren Miterben muss klar und eindeutig entnommen werden können, gegen welche Beteiligten der Erbengemeinschaft sich die Feststellungen richten .

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 29. Mai 2013  3 K 4298/11 F wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Kläger und Revisionsbeklagte sind die Ehefrau (Klägerin zu 2.) und die Söhne (Kläger zu 3. und 4.) des [X.] verstorbenen Erblassers sowie die aus den Erben bestehende Erbengemeinschaft (Klägerin zu 1.). Zum Nachlass gehörten mehrere Grundstücke. Die am 13. Mai 2011 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --[X.]--) eingereichte Erklärung zur Feststellung des Bedarfswertes für eines dieser Grundstücke unterzeichnete nur die Klägerin zu 2. als Erwerberin.

2

Mit Bescheid vom 26. Mai 2011 über die gesonderte und einheitliche Feststellung des [X.] für Zwecke der Erbschaftsteuer bewertete das [X.] das Grundstück als Ein- oder Zweifamilienhaus im Sachwertverfahren, stellte den Grundbesitzwert gesondert und einheitlich auf 285.418 € fest und rechnete ihn der Klägerin zu 1. zu. Den Bescheid gab das [X.] der Klägerin zu 2. als Empfangsbevollmächtigte für die "O.-Erbengemeinschaft" bekannt. Der Bescheid enthält den Zusatz:
"Der Bescheid ergeht mit Wirkung für und gegen die Erbengemeinschaft und alle Miterben."

3

Den Einspruch der Kläger wies das [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 2. November 2011 als unbegründet zurück. Als Einspruchsführer bezeichnete das [X.] die "Erbengemeinschaft nach H.O., bestehend aus [X.], [X.] und [X.], ...".

4

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage statt. Der Bescheid sei nichtig, da der [X.] nicht hinreichend bestimmt sei. Die Bezeichnung "[X.]" reiche dafür nicht aus. Es fehle an der namentlichen Benennung der Erben. Ob der Bescheid ordnungsgemäß bekannt gegeben worden sei, könne offenbleiben. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2013, 1634 veröffentlicht.

5

Mit der Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts. Das [X.] gehe zu Unrecht davon aus, dass die Bewertung des [X.] gegenüber einer Erbengemeinschaft im Wege der gesonderten und einheitlichen Feststellung nach § 179 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung ([X.]) zu erfolgen habe. Tatsächlich erfolge die Feststellung des [X.] in Form einer einheitlichen Feststellung nach § 179 Abs. 2 Satz 1 [X.]. Der Gesetzgeber habe in § 151 Abs. 2 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes in der im Streitjahr gültigen Fassung ([X.]) ausdrücklich klargestellt, dass die Feststellung in solchen Fällen gegenüber der Erbengemeinschaft in Vertretung der Miterben zu erfolgen habe. Die Bezeichnung der Erbengemeinschaft im Feststellungsbescheid sei ausreichend, da der [X.] bei verständiger Würdigung zweifelsfrei habe bestimmt werden können.

6

Das [X.] beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Feststellungsbescheid vom 26. Mai 2011 den [X.]en nicht hinreichend genau bezeichnet und daher nichtig ist.

9

1. Die Klägerin zu 1. als [X.] und die Kläger zu 2. bis 4. als Miterben konnten jeweils gesondert gegen den Bescheid vom 26. Mai 2011 vorgehen. Dies folgt aus dem Anschein der Rechtswirksamkeit des Bescheids, der nach seinem Wortlaut ausdrücklich mit Wirkung für und gegen die [X.] und alle Miterben ergangen ist. Dagegen können sich alle Betroffenen mit dem Einspruch und der Klage [X.]den, um den Anschein der Rechtswirksamkeit zu beseitigen (vgl. [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 40 [X.]O Rz 9).

2. Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (§ 125 Abs. [X.]). Diese Voraussetzung ist erfüllt, [X.]n der Verwaltungsakt inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist (§ 119 Abs. [X.]). Die Angabe des [X.]en ist konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsaktes, denn es muss unzweifelhaft feststehen, gegenüber wem der Einzelfall geregelt werden soll. Ist der [X.] im Verwaltungsakt nicht hinreichend bestimmt angegeben, ist der Verwaltungsakt nichtig, ohne dass er in der Einspruchsentscheidung geheilt werden könnte (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 17. Juni 1992 [X.], [X.], 103, [X.] 1993, 174; [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 122 AO Rz 19, § 125 AO Rz 7; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 179 AO Rz 162).

3. [X.] eines Verwaltungsaktes ist derjenige, gegen den er sich richtet, für den er bestimmt ist und gegen den er wirken soll ([X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 122 AO Rz 18). Bei Steuerbescheiden ist dies der Steuerschuldner, bei Feststellungsbescheiden der [X.], gegen den sich die Feststellungen richten (vgl. § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Feststellungsbescheide müssen ebenso wie Steuerbescheide hinreichend deutlich erkennen lassen, für [X.] sie inhaltlich bestimmt sind ([X.]-Urteile vom 17. September 1997 II R 49/95, [X.] 1998, 417; vom 2. Juli 2004 II R 73/01, [X.] 2005, 214, und vom 7. Juli 2004 II R 77/01, [X.] 2005, 73). Der [X.] ist regelmäßig identisch mit demjenigen, dem der Gegenstand der Feststellung bei der Besteuerung zuzurechnen ist (§ 179 Abs. 2 Satz [X.]; vgl. [X.]-Urteil in [X.] 1998, 417, m.w.N.).

4. Nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] sind [X.] gesondert festzustellen, [X.]n die Werte für die Erbschaftsteuer oder eine andere Feststellung im Sinne dieser Vorschrift von Bedeutung sind. Beim Erwerb durch eine [X.] erfolgt die Zurechnung in Vertretung der Miterben auf die [X.] (§ 151 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 [X.]).

[X.] der Feststellung des [X.]s (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]) ist der Erbe, für dessen Besteuerung die Feststellung des [X.]s von Bedeutung ist. § 151 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 [X.] regelt den Fall der gesonderten und einheitlichen Feststellung des [X.]s bei mehreren Erben. Die Regelung soll bewirken, dass der Feststellungsbescheid für die durch die [X.] vertretenen Miterben Bindungswirkung hinsichtlich der Art der wirtschaftlichen Einheit und des festgestellten Wertes hat sowie darüber, dass die wirtschaftliche Einheit allen Miterben zuzurechnen ist (BTDrucks 16/7918, S. 40). Damit wird die [X.] jedoch nicht zum [X.]en des Feststellungsbescheids, denn die zu treffenden Feststellungen sind nicht für die Besteuerung der [X.] selbst, sondern bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer gegen die von den Feststellungen betroffenen Miterben von Bedeutung. [X.]en der gesonderten Feststellung bleiben die Miterben auch, [X.]n die Feststellung gegenüber der [X.] in Vertretung für die Miterben erfolgt.

Die Miterben sind als Steuerschuldner der Erbschaftsteuer auch am Feststellungsverfahren beteiligt. Für [X.] nach dem 30. Juni 2011 (vgl. § 205 Abs. 1 [X.] i.d.[X.] 2011 vom 1. November 2011, [X.], 2131, --[X.] n.F.--) folgt dies ausdrücklich aus § 154 Abs. 1 Nr. 3 [X.] n.F., wonach diejenigen, die eine Steuer schulden, für die die Wertfeststellung von Bedeutung ist, am Feststellungsverfahren beteiligt sind. Für frühere [X.] folgt dies aus der Rechtsprechung des [X.], wonach den in Betracht kommenden Steuerschuldnern der Gegenstand der Wertfeststellung i.S. des § 154 Abs. 1 Nr. 1 [X.] zuzurechnen ist und diese Steuerpflichtigen am Feststellungsverfahren beteiligt sind ([X.]-Urteil vom 6. Juli 2011 II R 44/10, [X.]E 234, 107, [X.] 2012, 5, Rz 24 und 30).

5. Dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung des [X.]s bei mehreren Miterben muss klar und eindeutig entnommen werden können, gegen welche Beteiligten der [X.] sich die Feststellungen richten. Dabei ist es ausreichend, [X.]n sich die Beteiligten zwar nicht aus dem Adressfeld, wohl aber aus dem weiteren Inhalt des Bescheids ergeben, z.B. aus einer Anlage (vgl. [X.] in Tipke/ [X.], a.a.[X.], § 179 AO Rz 8, m.w.N.), aus den Erläuterungen des Bescheids oder aus einem in Bezug genommenen Bericht über eine Außenprüfung (vgl. [X.]-Urteil vom 17. November 2005 III R 8/03, [X.]E 212, 72, [X.] 2006, 287).

Formalismus und Wortklauberei sind unangebracht; entscheidend ist vielmehr, ob sich der [X.] sicher identifizieren lässt ([X.]-Urteil in [X.] 2005, 73). Daher ist die Bezeichnung [X.] mit dem Zusatz der Namen der Erben ausreichend, denn die Mitglieder der [X.] können einem solchen Bescheid entnehmen, dass dieser sich gegen sie als [X.] richtet (vgl. [X.]-Urteil in [X.] 2005, 73).

Letztlich können an die Bezeichnung des [X.]en bei einem Feststellungsbescheid keine geringeren Anforderungen gestellt werden als in den Fällen, in denen gegen die [X.] --ausnahmsweise-- als Steuerschuldnerin oder Gesamtrechtsnachfolgerin des Steuerschuldners Steuerbescheide erlassen werden. Auch in diesen Fällen muss der an die [X.] gerichtete Steuerbescheid mangels Rechtsfähigkeit der [X.] zur Identifizierung grundsätzlich den Namen des Erblassers und die Namen der einzelnen Miterben enthalten (vgl. [X.]-Urteil vom 29. November 1972 II R 42/67, [X.]E 108, 257, [X.] 1973, 372, zur Grunderwerbsteuer, und [X.]-Beschluss vom 17. November 1987 V B 111/87, [X.] 1988, 682, zur Umsatzsteuer). Die Finanzverwaltung folgt dieser Rechtsprechung (vgl. 2.4.1.3 des An[X.]dungserlasses zur Abgabenordnung zu § 122).

Aus § 154 Abs. 3 [X.] kann nicht hergeleitet werden, dass die Bezeichnung der Miterben im Feststellungsbescheid entbehrlich wäre. Diese Vorschrift enthält lediglich Regelungen über die (erleichterte) Bekanntgabe des Feststellungsbescheids, trifft aber keine Regelung über dessen [X.]en.

6. Im Streitfall ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass der Feststellungsbescheid vom 26. Mai 2011 den [X.]en nicht hinreichend genau bezeichnet und daher nichtig ist.

Weder aus dem Adressfeld, noch aus der Bezeichnung "O-[X.]" noch aus den weiteren Erläuterungen des Bescheids lässt sich entnehmen, aus welchen Mitgliedern die [X.] besteht. Der Bescheid enthält zwar den Hinweis, dass er mit Wirkung für und gegen alle Mitglieder der [X.] ergeht. Namentlich bezeichnet sind die Miterben jedoch nicht. Es kann dahinstehen, ob die spätere Bezeichnung in der Einspruchsentscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt, denn eine Heilung der mangelnden Bezeichnung der [X.]en in der Einspruchsentscheidung war nicht möglich ([X.]-Urteil in [X.], 103, [X.] 1993, 174; [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 122 AO Rz 19, § 125 AO Rz 7; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 179 AO Rz 162).

7. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II R 31/13

30.09.2015

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 29. Mai 2013, Az: 3 K 4298/11 F, Urteil

§ 119 Abs 1 AO, § 125 Abs 1 AO, § 151 Abs 2 Nr 2 S 1 Halbs 2 BewG 1991 vom 24.12.2008, § 154 Abs 1 BewG 1991 vom 24.12.2008, § 181 Abs 1 S 1 AO, § 157 Abs 1 S 2 AO, § 154 Abs 3 BewG 1991 vom 24.12.2008

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.09.2015, Az. II R 31/13 (REWIS RS 2015, 4651)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4651

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