Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.03.2020, Az. II B 94/18

2. Senat | REWIS RS 2020, 3447

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Gegenstand

Notwendige Beiladung der nicht klagenden Miterben bei einem Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Erbschaftsteuer


Leitsatz

NV: Erhebt ein Miterbe Klage gegen einen Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes für Zwecke der Erbschaftsteuer, der den Miterben einer Erbengemeinschaft das Grundstück zurechnet, sind die nicht klagenden Miterben notwendig zum Klageverfahren beizuladen.  

Tenor

Die Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss des [X.] vom 06.08.2018 - 11 K 2333/16 BG wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beigeladenen zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und die Beigeladenen und Beschwerdeführer (Beschwerdeführer) sind [X.]iterben einer aus 48 Personen bestehenden Erbengemeinschaft. Die am [X.] verstorbene Erblasserin hatte für den Nachlass Testamentsvollstreckung angeordnet. Teil des Erbes war ein in [X.] belegenes Grundstück. Dieses erwarb die Klägerin nach einem von der Erblasserin vorgesehenen Bieterverfahren gegen eine Ausgleichszahlung in Höhe von 151.500 €.

2

Zur Feststellung des [X.] reichte der Testamentsvollstrecker beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --[X.]--) eine nicht unterschriebene Erklärung zur Feststellung des Bedarfswerts (Feststellungserklärung) ein, in welcher er als Empfangsbevollmächtigter benannt war und den Ansatz eines niedrigeren gemeinen Werts in Höhe der Ausgleichszahlung beantragte.

3

Das [X.] erließ einen an den Testamentsvollstrecker als Empfangsbevollmächtigten für die Erbengemeinschaft adressierten Bescheid über die gesonderte Feststellung des [X.] auf den [X.] für Zwecke der Erbschaftsteuer (Feststellungsbescheid), in dem die [X.]iterben namentlich aufgeführt waren, und stellte den Grundbesitzwert abweichend von der Feststellungserklärung auf 196.865 € fest. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Nach Ansicht des [X.] war der von der Klägerin geleistete Kaufpreis nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen.

4

Hiergegen erhob der Testamentsvollstrecker im Namen der Klägerin Klage. Die Erbengemeinschaft bestehe aus sehr weitläufig miteinander verwandten Personen. Deshalb, und aufgrund des gewählten Verfahrens zur Preisfestsetzung, habe die Preisbildung derjenigen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr entsprochen.

5

Das Finanzgericht ([X.]) lud die Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zum Verfahren bei. Sie seien als [X.]iterben nach § 48 [X.]O klagebefugt.

6

Gegen diesen Beschluss legten die Beschwerdeführer beim [X.] Beschwerde ein. Denn die Klägerin habe das Grundstück als [X.] nach § 2151 des Bürgerlichen Gesetzbuches erhalten und sei allein klagebefugt. Zudem sei beim erzielten Kaufpreis der Fremdvergleich gegeben.

7

Das [X.] half der Beschwerde nicht ab und legte sie dem [X.] ([X.]) vor.

8

Die Beschwerdeführer beantragen sinngemäß, den angefochtenen Beschluss vom 06.08.2018 aufzuheben.

9

Das [X.] hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

Die nach § 128 Abs. 1 [X.]O zulässige Beschwerde ist unbegründet und daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 132 [X.]O). Das [X.] hat die Beschwerdeführer zu Recht notwendig beigeladen.

1. Sind an einem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, sind sie gemäß § 60 Abs. 3 [X.]O notwendig beizuladen.

a) Welche Personen in einem Klageverfahren beizuladen sind, richtet sich nach dem durch den Klageantrag bestimmten Streitgegenstand ([X.] vom 14.01.2003 - – VIII B 108/01, [X.], 6, [X.], 335, unter [X.], und vom 09.01.2013 - IV B 64/11, [X.], 512, Rz 10; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 48 [X.]O Rz 275).

b) Gegen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen können nur die in § 48 Abs. 1 [X.]O genannten Personen Klage erheben. Gemäß § 155 Satz 2 des Bewertungsgesetzes ([X.]) ist § 48 [X.]O entsprechend anzuwenden, soweit der Gegenstand der Feststellung einer Erbengemeinschaft in Vertretung der Miterben zuzurechnen ist. Der Verweis gilt gemäß § 205 Abs. 1 [X.] i.d.F. vom 24.12.2008 für [X.] nach dem 31.12.2008. Der --für die Anwendung von § 48 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 [X.]O notwendige-- Rückgriff auf § 183 der Abgabenordnung ([X.]) ist ausdrücklich in § 154 Abs. 3 Satz 1 [X.] vorgesehen.

aa) § 48 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O erklärt gegen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen die zur Vertretung berufenen Geschäftsführer oder, wenn solche nicht vorhanden sind, Klagebevollmächtigte i.S. des § 48 Abs. 2 [X.]O für klagebefugt. Wenn Personen nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O nicht vorhanden sind, kann nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 [X.]O jeder Mitberechtigte, gegen den der Feststellungsbescheid ergangen ist oder zu ergehen hätte, Klage erheben.

bb) Wird der Gegenstand der Feststellung gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 Halbsatz 2 [X.] einer Erbengemeinschaft zugerechnet, ist grundsätzlich jeder Miterbe nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 [X.]O, gegen den der Feststellungsbescheid ergangen ist oder zu ergehen hätte, klagebefugt, da bei einer Erbengemeinschaft zur Vertretung berufene Geschäftsführer nicht vorhanden sind (BFH-Urteil vom 27.11.2008 - IV R 16/06, [X.], 783, unter [X.]a bb, m.w.N.), es sei denn, es ist ein [X.] nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2 und Abs. 2 [X.]O vorhanden.

c) Wenn gegen einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen von mehreren nach § 48 Abs. 1 [X.]O Klagebefugten nicht alle klagen, müssen die übrigen Klagebefugten mit Ausnahme solcher, die unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vom Ausgang des Rechtsstreits betroffen sein können, im Interesse der Herbeiführung einer notwendig einheitlichen Entscheidung zum Verfahren beigeladen werden (z.B. BFH-Urteil vom 07.06.2018 - IV R 11/16, [X.], 1156, Rz 18; [X.] vom 20.11.2018 - IV B 44/18, [X.], 120, Rz 9). Zwischen der subjektiven Klagebefugnis in § 48 [X.]O und der notwendigen Beiladung besteht folglich eine zwingende wechselseitige Beziehung ([X.] vom 19.10.2009 - VIII B 190/08, [X.], 224, unter II.2.; [X.] in [X.], § 48 [X.]O Rz 270, m.w.N.).

d) Bei einem Feststellungsbescheid werden die einzelnen Besteuerungsgrundlagen selbst Regelungsgegenstand dieses Steuerverwaltungsakts. Ein solcher Bescheid stellt sich demnach als Zusammenfassung einzelner Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen dar, die --soweit sie eine rechtlich selbständige Würdigung beinhalten und eines rechtlich selbständigen Schicksals fähig sind-- auch als selbständiger Gegenstand eines Klageverfahrens in Betracht kommen (BFH-Urteil vom [X.], [X.], 392, [X.] 1994, 3, unter [X.], m.w.N.; [X.] vom 10.06.2008 - IV B 52/07, [X.], 1443, [X.]b). Dabei enthält der einheitliche Feststellungsbescheid lediglich einen Verwaltungsakt, nicht --wie zusammengefasste Steuerbescheide (§ 155 Abs. 3 [X.])-- ein Bündel von Bescheiden. Es handelt sich um eine notwendig einheitliche Feststellung gegenüber allen Feststellungsbeteiligten (BFH-Urteil in [X.], 392, [X.] 1994, 3, unter [X.] cc, m.w.N.; [X.] in [X.], § 48 [X.]O Rz 20).

2. Nach diesen Maßstäben hat das [X.] zu Recht die Beschwerdeführer zum Verfahren beigeladen.

a) Die Beschwerdeführer sind gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 2 [X.]O klagebefugt. Denn für die Erbengemeinschaft ist kein [X.] i.S. von § 48 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 [X.]O vorhanden.

aa) Inwieweit ein Testamentsvollstrecker klagebefugt ist (str., vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.]/[X.]/[X.], § 155 [X.] Rz 8, Stand 01.05.2014; von [X.] in Gosch, [X.]O § 40 Rz 205; [X.], [X.]-StB 2002, 206; [X.]/[X.], [X.] 2008, 360; [X.]/[X.], [X.] 2010, 274, 280), kann im Streitfall offenbleiben. Denn es fehlt jedenfalls ein spätestens bei Erlass der Einspruchsentscheidung gegenüber den Beschwerdeführern zu ergehender Hinweis über die Klagebefugnis des Empfangsbevollmächtigten (§ 48 Abs. 2 Satz 3 [X.]O); dies ist im Prozess von Amts wegen zu prüfen (vgl. BFH-Urteil in [X.], 783, unter [X.]b aa; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 48 [X.]O Rz 21).

Soweit das Formular der Feststellungserklärung eine Belehrung enthält, kann diese mangels Unterschrift nicht als hinreichend angesehen werden. Weil der Feststellungsbescheid vom 30.12.2015 nur dem empfangsbevollmächtigten Steuerberater, nicht jedoch der Klägerin und den Beschwerdeführern zugestellt wurde, wurden diese auch hier nicht auf die Wirkung der Bekanntgabe für und gegen alle Erben hingewiesen. Die Einspruchsentscheidung schließlich enthält gar keine Belehrung über die Klagebefugnis des Empfangsbevollmächtigten; im Übrigen wurde sie ebenfalls nur dem Steuerberater zugestellt (vgl. BFH-Urteil in [X.], 783, unter [X.]b bb).

bb) Damit ist jeder Miterbe klagebefugt. Denn als Folge von § 48 Abs. 2 Satz 3 [X.]O greift bei einer fehlerhaften Belehrung § 48 Abs. 1 Nr. 2 [X.]O ein (vgl. [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 48 [X.]O Rz 21, 24; [X.] in [X.]/[X.], a.a.[X.], § 154 [X.] Rz 29, Stand 01.05.2014). Da die Beschwerdeführer keine Klage erhoben haben, waren sie gemäß § 60 Abs. 3 [X.]O am Verfahren zu beteiligen und notwendig beizuladen.

b) Die Einschränkung, dass eine notwendige Beiladung unterbleiben kann, wenn ein Klagebefugter unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt vom Klageverfahren betroffen sein kann, führt im Streitfall zu keinem anderen Ergebnis.

Der Bevollmächtigte trägt insoweit vor, dass die Miterben durch den niedrigeren Wert nicht betroffen seien, da es vorliegend um ein Vorausvermächtnis zugunsten der Klägerin gehe, und verweist auf die Einschätzung des Notars, der das Testament beurkundet hatte. Diese Rüge ist bisher weder im Verwaltungsverfahren noch im finanzgerichtlichen Verfahren vorgetragen worden. Das [X.] hat das Grundstück im Feststellungsbescheid der Erbengemeinschaft zugerechnet und dabei den streitgegenständlichen Wert festgestellt. Die Klägerin hat den Bescheid nur hinsichtlich der Höhe des festgestellten Werts angefochten. Die Frage der Zurechnung hat sie nicht thematisiert. Es steht damit bindend fest, dass das Grundstück der Erbengemeinschaft in Vertretung der Miterben zuzurechnen ist (vgl. [X.] vom 02.11.2016 - VIII B 57/16, [X.], 266, Rz 8). Die im finanzgerichtlichen Verfahren zu klärende Frage, mit welchem Wert das Grundstück anzusetzen ist, wirkt sich daher auf alle Miterben aus und kann nach dem Erlass des [X.] nur einheitlich entschieden werden.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

II B 94/18

16.03.2020

Bundesfinanzhof 2. Senat

Beschluss

vorgehend FG Düsseldorf, 6. August 2018, Az: 11 K 2333/16 BG, Beschluss

§ 151 Abs 1 S 1 Nr 1 BewG 1991, § 151 Abs 2 Nr 2 S 1 Halbs 2 BewG 1991, § 154 Abs 3 BewG 1991, § 155 S 2 BewG 1991, § 179 AO, § 183 AO, § 48 Abs 1 Nr 1 FGO, § 48 Abs 1 Nr 2 FGO, § 48 Abs 2 FGO, § 60 Abs 3 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 16.03.2020, Az. II B 94/18 (REWIS RS 2020, 3447)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3447

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